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Der Prinz und der Drache

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Der Prinz und der Drache
 

Es war einmal ein König, der herrschte über ein großes Land, das sich vom Meer im Norden bis zu den hohen Bergen im Süden erstreckte. Es war ein fruchtbares Land, im Sommer blühte es und weit und breit waren die Menschen glücklich. Doch der König war alt und hatte keinen Thronfolger.

Eines Tages kam ein altes Weib zum König. Mit ihren runzeligen Händen griff es nach seinen Gewändern und sprach ganz leis: „Ihr wünscht euch einen Sohn. Ich kann euch da weiterhelfen.“

„Inwiefern glaubt ihr, das zu vermögen, Kräuterweib?“, antwortete der König laut und schallend.

Die Alte lachte: „Das lasst meine Sorge sein. Die Königin wird euch Zwillinge gebären. Ein Mädchen und ein Junge. Der Prinz wird euer langersehnter Thronfolger sein, das Mädchen aber soll mir gehören, wenn sie ihr sechzehntes Lebensjahr erreicht.“

Der König schlug auf diesen Vertrag ein und neun Monate später erfüllte Kindergeschrei die toten Mauern des Schlosses.

Die Jahre zogen ins Land und der Junge wuchs zu einem mutigen und reifen Prinzen voran. Das Mädchen hingegen wurde zu einer schönen und zarten Prinzessin, die im ganzen Land geliebt wurde. Mit ihrem lieblichen Aussehen und ihrem Lautenspiel verzauberte sie sämtliche Prinzen der Nachbarländer. Der Bruder aber war jemand, der sich im Rittersein übte und mit seinem Pferd Schlachten schlagen wollte. Sein Schwert und sein Schild waren seine ständigen Begleiter und der König war stolz auf ihn. So zogen die Jahre ins Land und es näherte sich der Zeitpunkt, an dem beide Kinder sechzehn Jahre alt wurden.

Der König und die Königin sahen diesen Tag mit Bangen herbei. Sie wollten ihre Tochter nicht verlieren, die doch die Herzen aller im Sturm erobern konnte. Also ersannen sie sich einen Plan. Als der Tag heran war, steckten sie die Prinzessin in die Gewänder einer einfachen Kohleschauflerin und schwärzten ihr Gesicht mit Ruß. So sollte die Hexe getäuscht werden. Und als sie schließlich gebückt von der Vielzahl ihrer Jahre das Schloss betrat, fand sie die Prinzessin nicht vor. Auch der Prinz war abwesend. Er wusste, ebenso wie seine Schwester auch, nichts von dem Vertrag. Der König erzählte der Alten, ein tragischer Unfall hätte sich ereignet und ihnen die Tochter genommen. Die Hexe ging wütend und verließ das Schloss. Der König und die Königin waren überglücklich, dass ihr Plan funktioniert hatte und veranstalteten ein großes Fest.

Ein paar Tage später unternahm der Prinz, der seine Schwester sehr liebte, mit ihr einen Ausritt. Das Mädchen erfreute sich sehr an der Natur und sang ein Lied, dass beider Herzen berührte. Später, als die Dämmerung Einzug hielt, machten sie sich auf den Rückweg und kamen an einem Haus vorbei, welches beide nicht kannten. Davor fegte ein altes Weib mit einem Reisigbesen die Stufe. Neugierig riet es den beiden, ein Stück näher zu kommen. Der Prinz und die Prinzessin konnten in ihr die Hexe nicht wiedererkennen, da sie sie noch nie zu Gesicht bekommen hatten. Und als sie nahe heran waren, stieg ihnen ein süßlicher Duft in die Nase. Große Müdigkeit überkam sie und beide sanken zu Boden.

Der Prinz erwachte, als es bereits Nacht war und musste feststellen, dass seine Schwester verschwunden war. Aber die Alte war noch da und half ihm auf.

Noch immer verwirrt fragte der junge Mann: „Wo ist meine Schwester, was ist passiert?“

„Es war ganz schrecklich! Es war ein grausames Ungeheuer, das eure Schwester riss und mit einem Bissen verschlang! Seine Flügel verdeckten den Himmel und sein fauliger Atem verpestete die Luft. Sein Leib war mit goldenen Schuppen besetzt und seine Zähne glänzetn silbern im Abendlicht. Seht doch, mein Kittel!“, rief die Hexe aufgebracht.

Der Prinz besah ihr Kleidungsstück. In der Dunkelheit sah es auf wie Blut. Geschockt und wütend fragte er: „Wohin ist der Drache geflogen? Ich werde ihn erlegen und Rache für meine Schwester üben!“

„Er flog gen Norden, auf die Küste zu! Ihr müsst euch aber beeilen, lauft nicht nach Hause! Drachen fliegen schnell!“, sagte die Alte. Der Prinz schwang sich daraufhin geschwind auf sein Pferd und trieb es trotz der späten Stunde an.

Eine ganze Woche verfolgte er den Drachen, bis er auf eine Spur traf, die ihn weiter Richtung Norden leitete. Das Wetter wurde rauer und der Himmel trüber. Er war noch nie in diesem Teil seines Landes gewesen. Bald erreichte er das Meer und stand auf den hohen Klippen über der Brandung.

„Zeig dich Drache und empfange deine Strafe!“, rief er hinaus in den Wind. Daraufhin erschien das große Ungeheuer. Der Prinz zog sein Schwert und machte sich bereit für den Kampf. Doch der Drache griff ihn nicht an, sondern flog höher in den Himmel hinauf und entging seinem Blick. Enttäuscht machte der Prinz kehrt und ritt mit seinem Pferd wieder nach Süden.

Der König und die Königin starben fast vor Sorge um ihre Kinder, die nicht mehr von ihrem Ausritt zurückgekommen waren. Aber als nach langer Zeit nun der Prinz traurig nach Hause kam, waren sie überglücklich. Doch ihr Glück hielt nicht lange, als sie von der schrecklichen Geschichte erfuhren, die seiner Schwester zugestoßen war. Drei Tage lang herrschten im Reich Trauer und Verzweiflung über den Verlust des lebensfrohen Mädchens.

Mit dem Anbruch des Winters trafen die ersten Meldungen ein, die den Prinzen wieder zum Schwert greifen ließen. Ein goldener, großer Drache vernichtete Felder und Dörfer und riss das Vieh der Bauern. Trotz der schon bald herrschenden Kälte, machte er sich bereit, seine Rache weiter zu verfolgen und den Drachen zu töten. Er reiste in die Dörfer und Weiler, in denen der Drache gesehen worden war und verfolgte seine Spur. Eines Tages, als der Schnee besonders heftig fiel, holte der Prinz das Ungeheuer ein. Anders als das letzte Mal griff ihn der Drache an und spie Feuer und Gift nach ihm. Nur durch seinen Schild konnte der Prinz sich vor dem Tode retten. Durch den Schneefall konnte er leider nicht erkennen, dass der Drache dem Mörder seiner Schwester zwar ähnelte, aber es nicht das selbe Ungeheuer war. So setzte er nun sein Pferd als Ablenkung ein, um sich unbemerkt an den schuppigen Leib der Echse anschleichen zu können. Der Drache aber bemerkte den Prinzen, sodass dieser mit seinem Schwert nicht ganz traf und ihm nur eine kleine Verletzung am rechten Arm zufügen konnte. Danach floh der Drache Richtung Süden.

Der Prinz aber war zu erschöpft, um weiterreisen zu können. Er ließ sich im nächsten Dorf nieder und verbrachte dort den Winter. Als der Frühling kam, half er als Dank beim Bestellen der Felder. Er blieb schließlich, bis der Sommer nahte. Die Tochter des Bauern hatte es ihm angetan und er konnte die Augen nicht von ihr lassen. Als er schließlich um ihre Hand anhielt, färbten sich schon die ersten Blätter und der Wind wurde wieder stärker. Der Bauer, der der Hochzeit zustimmte, war froh, einen so tüchtigen und starken Schwiegersohn zu haben. Immerhin musste die Ernte bald eingefahren werden und er selbst war schon gebeugt durch die Jahre. Also blieb der Prinz weiterhin bei ihnen und half auf dem Hof. Seine Schwester aber vergaß er dabei nie.

Seine Frau wurde bald schwanger und am Ende des zweiten Winters sollte das Kind zur Welt kommen. Es wurde eine schwere Geburt, die einen tragischen Ausgang nahm. Die Mutter schaffte es nicht und erlag den Anstrengungen. Leider verstarb auch das Kind als der Boden wieder taute. Beide wurden hinter dem Haus unter einem Apfelbaum begraben.

Der Prinz sandte einen Boten zu seinem Vater, um dafür zu sorgen, dass für den armen Bauern gesorgt werde. Denn er hatte nun Tochter und Enkel verloren. Und er selbst, musste nun die Suche nach dem Drachen wieder aufnehmen. Viel zu lange hatte er gewartet. Vielleicht war das Ungeheuer schon zu weit weg.

So ritt er weiter nach Süden. Die Sonne des Sommers ließ das Land ergrünen und ihn guter Dinge werden. Und schon bald hörte er Berichte über ein goldenes Ungeheuer mit einer Nabe am rechten Arm, das das Land vernichte und das Vieh riss. Diese Geschichten trugen den Prinzen immer weiter nach Süden und er kam bald in bergigeres Gelände. Mutig und guter Dinge schritt er voran. Und eines Tages fand er ein paar goldene Schuppen, die ins Innere einer Höhle führten. Er folgte der Fährte und fand alsbald auch einen großen Schatz, den er Drache gehortet haben musste. Er versteckte sich hinter einem Felsen und wartete auf das Auftauchen des Ungeheuers. Lange musste er sich auch nicht gedulden. Der goldene Leib wälzte sich in die Höhle und bemerkte den Prinzen gar nicht. So konnte dieser später, als der Drache in tiefen Schlummer gefallen war, auf seinen rauen Rücken klettern und ihn mit dem Schwert in den Hals stechen. Der Drache brüllte laut, war aber kurz darauf still und rührte sich nicht mehr. Dem Prinzen war nicht aufgefallen, dass dem Ungeheuer die Narbe am rechten Arm fehlte.

Wie der Drache so nun da lag und der Prinz von ihm geklettert war, passierte etwas. Der goldene Leib schrumpfte zusammen und das glitzernde Gold unter ihm verlor seinen Glanz. Der Drache verwandelte sich in die Prinzessin, die nun still und unbeweglich da lag, der Schatz wurde zu einfacher Erde. Der Prinz war bestürzt. Er hatte seine eigene Schwester, die er rächen wollte, in dem Ungeheuer nicht erkannt und getötet. Nun stiegen ihm Tränen in die Augen und er weinte bitterlich. Er trug sie hinaus und legte sie auf sein Pferd. Dann ritt er nach Hause zurück, um seinen Eltern die Geschichte zu erzählen.

Doch er kam nicht bis zum Schloss. Plötzlich erinnerte er sich an das alte Weib, das ihm von dem Drachen erzählt hatte. Anstatt nun nach Hause zu reiten, bereitete er seiner Schwester ein Bett aus Rosen und ließ sie von zwei ehrlichen Bauern bewachen. Der Prinz selbst aber stieg auf sein treues Ross und schwor sich, die Hexe zu finden.

Er ritt zwei Tage und Nächte hindurch ohne zu essen. Dann fand er die Alte. Sie saß auf der Stufe ihres Hauses und rieb sich freudig die Hände. Dem Prinzen fiel auf, dass sie eine Narbe an der rechten Schulter trug. Als er das sah, wurde ihm einiges klar. Er zog sein Schwert und rief der Hexe zu: „Du hast mich belogen! Du hast meine Schwester in einen Drachen verwandelt und dann in gleicher Gestalt selber Dörfer und Felder vernichtet, um mich sie jagen zu lassen. Jetzt ist sie tot, aber du wirst ihr bald nachfolgen!“

Die Hexe, die damit gerechnet hatte, verwandelte sich ein letztes Mal in den goldenen Drachen und spie Flammen nach dem armen Prinzen. Doch er war nun klüger. Er schlüpfte unter dem Feuer durch und schnitt dem Ungeheuer den Bauch auf. Fauchend ging die Hexe zu Boden und giftige Säure verätzte das Schwert des Prinzen. Nur mit Not konnte er selber entkommen. Aber auch der Leib des Drachen löste sich auf.

Der Prinz spürte nun auch, wie sich der Fluch der Hexe, den sie auf seine Schwester gelegt hatte, vollständig auflöste. Er hatte sie nun erlöst und würde sie jetzt ordentlich begraben können. Doch als er zu der Stelle zurückkehrte, an der er sie gelassen hatte, fand er sie nicht mehr tot vor. Mit dem Tod der Hexe hatte sie neues Leben bekommen und fiel ihm nun Freudentränen weinend um den Hals. Auch der Prinz war überglücklich und ritt mit ihr geschwind nach Hause, um die frohe Nachricht im ganzen Land verbreiten zu lassen.

Der König und die Königin ließen ein Fest veranstalten, das acht Tage dauerte und im ganzen Land gefeiert wurde.

Ein paar Jahre später starb der König und der Prinz wurde Herrscher des Landes. Er regierte es mit Sorgfalt und wohlwollen, wie auch sein Vater es getan hatte. Die Prinzessin hatte sich in eines der Nachbarländer verheiratet und galt dort fortan als gütige Königin.



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