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Better off Dead

von

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Desperation und Leidenschaft

Es war kalt draußen und jedesmal, dass einer von ihnen ausatmete, hauchte er gleichzeitig eine kleine Dampfwolke. So kalt war es. Es war schon etwas makaber, aber Tenten fand, es sah aus als hauche Neji seine Seele aus.

Mit geschlossenen Augen lag er auf dem Rücken, die Arme an den Seiten und die Lippen waren voneinander getrennt. Schneeweiße Lippen, die sich in der Farbe nicht von seinem Gesicht unterschieden. Und dann erschien über seinem Gesicht plötzlich dieser helle Schimmer, der seine Züge verschwimmen ließ und sich dann aufzulösen schien. Jedesmal dachte sie dann: "Jetzt hat er's in den Himmel geschafft."

Dabei war der Partner noch sehr lebendig. Er öffnete die Augen und sie spürte wie seine farblosen Pupillen sich auf sie richteten. Sehen konnte man es nur, wenn man wirklich genau hinsah, aber spüren konnte man es immer. Es war merkwürdig. Aber man gewöhnte sich daran.

"Was?", fragte sie sanft.

"Ist dir nicht kalt?"

Sie schüttelte den Kopf und er richtete sich auf seine Ellbogen auf, sah auf den nebelverhangenen See hinaus.

"Er haucht auch seine Seele aus", flüsterte Tenten .

Neji schüttelte den Kopf.

Es war seltsam so neben ihm in einem Schlafsack zu liegen. Eine Gänsehaut breitete sich rasant auf ihrer Haut aus und kämpfte sich sogar bis auf ihre Beine hinab, die noch im Schlafssack steckten. Der Morgen war wohl erstaunlich kühl. Sie sah an sich herab. Wenn sie das Leinenhemd ein wenig anhob, konnte sie die vielen kleinen Punkte zwischen ihren Brüsten ausmachen und die hauchfeinen Härchen erkennen, die sich aufstellten.

"Ich glaube, er will das Leben aufsaugen und nur so früh am Morgen, wenn er sich unbeobachtet denkt, kann man es tatsächlich sehen."

Hastig ließ Tenten ihre Kleidung los. "Hm", machte sie. "Meinst du?"

Es war still, aber bei Weitem nicht so still wie im Hyugahaus. Sie hörte das Rascheln kleiner Tierfüße. Sie hörte Vögel, wie sie fröhlich ihr Lied anstimmten. In deren Welt war alles heile.

Stumm hörten sie einander beim Atmen zu. Aus und ein in einem ruhigen Rythmus.
 

Tenten hatte ihre Arbeit immer mehr beiseite geschoben, um den sterbenden Neji besuchen zu können. Eingesperrt im Haus seiner Familie verkümmerte er Tag um Tag etwas mehr. Ein schrumpeliges, kleines Ding war er, wenn er dort im Bett lag mit seinen ganzen Decken und der Anblick hatte etwas in Tentens Innerstem berührt. Etwas, das sie fortgeschlossen hatte, was sie später einmal wieder hervorzukramen gedacht hatte. Irgendwann 'mal, aber auf jeden Fall noch nicht so früh. Es hätte noch ein wenig in ihr bleiben sollen, aber nun war es frei. Sie spürte es, als wären ihre Rippenbögen der Käfig und darin flattere ein Vogel. Jener machte das Atmen schwer und trotzdem sprang sie nicht herum, sondern lag seelenruhig hier beim See.

"Ich habe keine Kopfschmerzen."

"Was?" Tenten tauchte aus den Tiefen ihrer Gedanken auf.

"Gar keine?"

"Gar keine", bestätigte er, aber sein Antlitz drückte keine Erleichterung aus. Er wartete. Er wartete, lauerte gerade darauf, dass sie wieder kamen. Und sie wurden schlimmer. Der Arzt prophezeite, dass der Patient bald anfangen würde zu schreien – im Schlaf, aber auch bei Bewusstsein - und davor fürchtete Neji sich sehr. Sich selbst nicht mehr unter Kontrolle zu haben, ängstigte ihn. Das konnte sie an seinen verkrüppelten und doch wunderschönen Augen ablesen.

Seine Male waren wie ein Tumor, den man angeblich nicht herausschneiden konnte.

Tenten betrachtete sein Profil. Eine wulstige Narbe verlief entlang seines Kiefers. Er hatte eine lange Nase, aber einen kleinen Mund. Sie konnte die einzelnen Fältchen in seiner Lippe ausmachen, konnte sich vorstellen wie rau sie war.

Plötzlich rollte sich Neji zur Seite und stützte das Kinn in die Hand. Ihre Blicke trafen sich.

"Ich habe auch Angst", gestand Tenten.

"Wovor?"

"Vor dem Vogel."

Neji nickte als verstünde er, was sie meinte.

"Aber noch mehr hab' ich Angst davor, dass er sich nicht früh genug befreien kann."

Die Augenbrauen ihres Gesprächspartners fuhren schlagartig zusammen.

"Na, bevor du stirbst ... ", erklärte sie. "Ich dachte, ich hätte noch etwas Zeit, könnte noch etwas-"

Aber weiter kam sie nicht, da Neji plötzlich seine andere Hand ausstreckte und ihr Gesicht berührte. Ihre Nase war krumm und wies ein oder zwei sanfte Buckel auf, wo der Knochen wieder zusammengewachsen war, aber es war die allerschönste Nase der Welt. Ihre Haut war dunkler, viel dunkler als seine und so schien seine Hand fehl am Platz als er sie über ihre Wange gleiten ließ.

"Das dachte ich auch ... Ich dachte, ich könnte das Spiel noch eine ganze Weile weiterspielen. Den Eisblock spielen."

"Den Freund spielen."

Sie konnte seinen Atem auf ihrer Zunge schmecken. Muskat. Der Geschmack erinnerte sie an ein Gewürz. Sie hatte die Augen geschlossen und spürte alsbald zwei kalte Lippen auf ihren. Sie waren gar nicht rau. Ihre Bauchmuskeln spannten sich automatisch an. Das war nicht wie andere Küsse. Andere Küsse wurden im Zusammenhang mit Sex gegeben. Mittel zum Zweck, sozusagen.

Dieser Kuss an einem eisigen Spätherbstmorgen war von einer ganz anderen Leidenschaft. Die ruhige Leidenschaft, die ein Ertrinkender verspürt, wenn er zu schwach ist weiterzukämpfen. Mehr Desperation als Leidenschaft. Ganz stille Verzweiflung.



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