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Last Promise

L and BB
von

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Alptraum

Der Regen prasselte schon seit zwei Stunden gegen die Scheiben und es war ziemlich still in dem großen Zimmern, welches von unzähligen Bildschirmen erleuchtet wurde. Nur das Klackern der Tastatur war zu hören, auf welche der Meisterdetektiv L herumtippte. Er war ganz alleine in dem dunklen Zimmer und die Uhr zeigte an, dass es bereits drei Uhr morgens war und nun waren es drei Tage her, seit L das letzte Mal geschlafen hatte und er merkte schon, dass er langsam mal wieder eine Pause einlegen sollte. Fünf Tage ohne Schlaf und man begann zu halluzinieren und nach zehn Tagen war man tot. Das Gehirn schaltete sich beim akuten Schlafmangel nach und nach ab und das konnte er ganz und gar nicht gebrauchen. Doch L schlief nur sehr ungern, denn seit längerem hatte er immer wieder diesen einen seltsamen Traum, der ihn auch Stunden nach dem Aufwachen nicht mehr losließ. Zwar erinnerte er sich nicht an alle Details, aber er empfand ein starkes Unbehagen und fühlte sich schlecht. Zwar konnte er nicht genau beschreiben wie er sich fühlte, aber es ließ ihn einfach nicht los dieses Gefühl, welches er in diesen Träumen empfunden hatte. Und immer wieder hörte er diese eine Stimme, die verzweifelt nach ihm rief. Es war wie eine verblassende Erinnerung und L war sich nicht sicher, ob dies nun eine Erinnerung war, oder ob es sich nur um ein Hirngespinst in seinem Kopf handelte. Manchmal fragte er sich, ob er Watari darauf ansprechen sollte, doch jedes Mal verwarf er dem Gedanken wieder, weil er Wichtigeres zu tun hatte. Aber im Moment gab es keinen interessanten Fall für ihn und so zog er den Gedanken erneut in Betracht. Immerhin konnte er seit Tagen an nichts anderes mehr denken und er hatte das Gefühl, dieser Traum wäre etwas sehr Wichtiges für ihn. Die Tür ging auf und Watari kam mit Tee und dazugehörigen Gebäck ins Zimmer. „Immer noch keinen interessanten Fall?“

„Leider nein. Der Fall um den entführten Sohn des Botschafters war relativ leicht gelöst und der Umweltskandal in Idaho beruhte nur auf einen internen Patzer und hatte keine größeren Ausmaße. Aber es gibt da etwas anderes, das mich beschäftigt…“

Watari servierte den Tee und sein Gesichtsausdruck wurde ernst. „Und was beschäftigt Sie? Ist es etwas Ernstes?“

„Ich habe in letzter Zeit diesen Traum, von dem ich das Gefühl habe, er sei etwas sehr Wichtiges, was ich vergessen habe. Ich erinnere mich nur noch, wie ich in den Spiegel gesehen habe. Mein Spiegelbild hat geweint und immer wieder höre ich diese eine verzweifelte Stimme in meinem Kopf. Ein verzweifelter Hilferuf, den ich nicht wahrgenommen habe. Ich frage mich, ob diese Stimme real ist oder nicht und es lässt mich nicht los, aus welchem Grund auch immer. Watari, was hat das zu bedeuten?“ Der ältere Mann legte die Stirn in tiefe Falten und sah L schweigend an. „L, gibt es irgendeinen Zeitpunkt in Ihrer Vergangenheit, an den Sie sich nicht erinnern können?“ L schüttelte den Kopf und wandte sich dem nun schwarzweiß flimmernden Bildschirm zu vor dem er saß und begann seinen Tee zu süßen. „Ich kann mich an jedes Detail meiner Vergangenheit erinnern, jedes… Zumindest glaube ich das.“ Nun begann Watari sich langsam Sorgen um den Meisterdetektiven zu machen. Es war doch überhaupt nicht seine Art, sich über irgendwelche Träume den Kopf zu zerbrechen und sich davon verunsichern zu lassen. Da fiel Watari plötzlich wieder ein, weswegen er L sprechen wollte. Schnell holte er einen Briefumschlag hervor und gab ihn L. „Der hier wurde in Wammys House abgegeben und an mich weitergeleitet. Er ist für Sie.“ Neugierig nahm L ihn mit den Fingerspitzen entgegen, um bloß nicht zu viele Fingerabdrücke zu hinterlassen und betrachtete ihn. Der Briefumschlag war mit Wachs versiegelt worden und ein verschnörkeltes B war eingestempelt. L öffnete den Umschlag und holte den Brief heraus. Er war auf sehr elegante Weise auf hoch qualitativem Büttenpapier geschrieben worden und wirkte sehr altmodisch, hatte aber auch Klasse. Jemand hatte sich wirklich viel Mühe gemacht, das erkannte L sofort und begann den Brief durchzulesen.
 

Sehr geehrter L,

hiermit sind Sie herzlich eingeladen einem Klassentreffen beizuwohnen, dem auch alte Bekannte teilnehmen werden. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie an diesem Treffen teilnehmen. Da ich um Ihren beachtlichen Intellekt gut Bescheid weiß, brauche ich wohl nicht zu erwähnen, welche Konsequenzen ein Nichterscheinen Ihrerseits zur Folge hätte. Deshalb hoffe ich, dass Sie meiner Einladung zum Klassentreffen folgen.
 

Mit freundlichen Grüßen
 

B
 

Stirnrunzelnd legte L den Brief beiseite und sah Watari an. „Was halten Sie davon, Watari?“ Der gebürtige Engländer überlegte eine Weile, um sich seine Worte zurecht zu legen und über den Inhalt des Briefes nachzudenken. Er schien sich noch nicht hundertprozentig sicher zu sein, doch dann teilte er seine Meinung mit. „Also meiner Meinung nach klingt es nach einer Falle. B will Sie offensichtlich hervorlocken und droht mit Opfern, falls Sie sich anders entscheiden sollten. Doch was er mit „Klassentreffen“ meint, ist mir schleierhaft.“ Denselben Gedanken schien auch L zu haben und er trank einen Schluck Zuckertee. „Es ist lange her, dass ich von ihm gehört habe. Vor knapp fünf Monaten ist er doch aus dem Gefängnis ausgebrochen und jetzt will er wieder Kontakt zu mir aufnehmen, nur kündigt er sich dieses Mal direkt an. Es scheint ihm wohl sehr wichtig zu sein, mich zu treffen und jetzt droht er sogar damit, mir einen triftigen Grund dafür zu geben, seiner Einladung nachzukommen.“ In der Tat war dies sehr beunruhigend. Außerdem stellte sich für beide die Frage, wieso es B so wichtig war, Kontakt zu L zu bekommen und ihn von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu treten, wo er doch extra aus dem Gefängnis geflüchtet und fünf Monate untergetaucht war. Und zusätzlich kam die Frage auf: warum gerade jetzt? Warum nicht bereits kurz nach seiner Flucht, warum nicht vor einem Monat oder zwei? Diese ganzen Fragen schwirrten L durch den Kopf und er sah sich die unten links aufgeschriebene Adresse an. „St. Eugene Psychiatrie? Ich dachte, die steht seit Jahren leer.“

Er begann etwas auf der Tastatur einzutippen und wurde bestätigt. Vor knapp fünf Jahren wurde die Psychiatrie geschlossen und stand seitdem leer. Warum hatte sich B für so einen Ort entschieden? Etwa weil sie verlassen und abgelegen war? Irgendwie kam L der Name dieser Psychiatrie bekannt vor, doch er war sich nicht sicher woher. Das Wichtigste war zunächst die Frage, ob er jetzt nun auf diese Einladung eingehen sollte. Es schien B wohl sehr wichtig zu sein, ihn persönlich zu treffen, sonst würde er seine Freiheit nicht für so etwas riskieren. Und außerdem wusste L, dass B ernst machen würde, wenn er sich entschließen würde, diese Einladung nicht anzunehmen. „Watari, ich fürchte wir haben keine andere Wahl, als zur St. Eugene Psychiatrie zu fahren. Allerdings werden wir vorher Vorbereitungen treffen müssen.“ Entsetzt machte Watari einen Schritt rückwärts und sah L fassungslos an. „L, Sie wollen doch wohl nicht Ihre Tarnung preisgeben…“

„Mir gefällt das ja selbst nicht, aber beim BB-Mordfall haben wir ja gesehen, wozu B in der Lage ist und was er bereit ist zu tun. Und wenn er schon mit ernsthaften Konsequenzen droht, so muss ich die Vermutung annehmen, dass er jemanden aus meinem Umfeld, oder eine große Ansammlung von Leuten mit ins Spiel bringt. Und mein Name steht nicht dafür, dass ich unnötig das Leben anderer Menschen aufs Spiel setze. Dafür habe ich mich nun mal entschieden.“ Trotzdem klang es nicht überzeugend und Watari hätte gerne noch etwas gesagt, doch er wusste, dass es nichts gebracht hätte. L’s Entscheidung war endgültig. „Und außerdem“, so fügte L noch hinzu „gibt es da noch etwas, was ich von B wissen will. Also trifft es sich doch ganz gut, dass wir uns treffen.“
 

Es dauerte noch zwei Tage, bis das angekündigte Treffen stattfinden würde. L rief in Wammys House an und forderte zudem Unterstützung der Buchstaben an, die im Ernstfall B unschädlich machen sollten, wenn die Situation zu eskalieren drohte. Trotzdem ließ sich nicht abstreiten, dass der 25-jährige Meisterdetektiv etwas nervöser als sonst wirkte und nun schon vier Tage keine Minute geschlafen hatte. Dann schließlich, als der letzte Tag vor dem Treffen angebrochen war, überkam dem Detektiven die Müdigkeit, welche mit unter anderem durch ein Beruhigungsmittel hervorgerufen wurde, welches Watari ihm gegeben hatte und er fiel in einen tiefen Schlaf. L, der sich inmitten eines Traumes befand, stand plötzlich in einem seltsamen Raum. Er kannte diesen Raum, denn von dem hatte er schon seit Tagen und Wochen geträumt. Der Raum war kreisrund, und überall waren Spiegel aufgestellt. Überall sah er sein Spiegelbild. Es waren Tausende seiner Selbst doch etwas war seltsam: warum zum Teufel war er so klein und zudem noch um einige Jahre jünger? Verwirrt starrte er auf seine Hände und musste feststellen, dass sie kleiner als vorher waren und legte den Kopf beiseite. Seine Spiegelbilder taten es ihm gleich und schließlich ging er auf einem der Spiegel zu. Gleichzeitig setzten sich auch seine anderen Ichs in Bewegung und schließlich legte er eine Handfläche auf die Oberfläche. Das Spiegelglas war kalt und glatt und lange betrachtete er seine Hand. Dann wanderte sein Blick hoch zu seinem Gesicht und erschrocken zuckte er zusammen als er sah, dass ihn sein Spiegelbild finster anstarrte. Der Schreck packte ihn so sehr, dass er nach hinten fiel und sein Herz zu rasen anfiel. Regungslos stand sein Spiegelbild vor ihm da und beobachtete ihn, beobachtete ihn voller Wut und gleichzeitig voller Traurigkeit. Hastig sah L sich um und sah, dass alle anderen Spiegelbilder seinen Bewegungen weiterhin folgten, wie Reflektionen es nun mal taten, doch dieses eine Abbild schien ein Eigenleben entwickelt zu haben. Verzweifelt sah es ihn an, hämmerte mit den Fäusten gegen die Scheibe, schrie und weinte. „Lass mich nicht alleine“, flehte es ihn an und versuchte verzweifelt sich aus dem Spiegel zu befreien „Ich will nicht länger alleine sein, ich will das nicht, bitte!!!“ L bekam schreckliche Angst, rutschte weiter zurück, rappelte sich zitternd auf und stürzte auf die andere Seite zu, doch auch da hatte der Spiegel auch ein Eigenleben entwickelt. Doch im Gegensatz zu seinem anderen Spiegelbild schlug dieses voller Wut gegen die Scheibe und brüllte ihn wutentbrannt ein. „Du hast mich angelogen, du Mistkerl! Du hast mich im Stich gelassen! Wie konntest du das nur zugelassen?“ „Nein, ich habe niemanden im Stich gelassen“, entgegnete L verzweifelt und suchte panisch den Ausgang. Doch überall waren diese schrecklichen Spiegel und jeder jagte ihm schreckliche Angst ein. Er wollte nur noch eines: hier heraus, bevor er noch wahnsinnig wurde. In seiner Verzweiflung begann er mit seinen schwachen Kinderarmen gegen das Glas zu schlagen, bis seine Finger schmerzten, doch es war zwecklos. Er war in diesem grausamen Raum gefangen, ohne auch nur die leiseste Spur von Hoffnung zu haben, jemals wieder herauszukommen. Plötzlich verschwand alles um ihn herum und er fand sich in einem Krankenbett wieder. L war immer noch aufgewühlt und wusste gar nicht, wie er hierher gekommen war. Er schaute auf seine Hände hinunter, die vorhin etwas geblutet hatten und konnte nicht fassen was er sah: Seine Arme waren aufgeschnitten, bluteten stark und seine Fingernägel waren ausgerissen. Er schrie panisch in der Hoffnung, dass jemand ihm hilft doch er wurde gepackt, ein Knebel wurde ihm in den Mund gestopft und er sah nur noch, wie man ihm eine Spritze in den Arm drückte. Dann riss ihn Watari aus dem Schlaf. „L, alles in Ordnung mit Ihnen? Sie haben laut geschrieen und um sich geschlagen.“ Schweißgebadet und mit rasendem Herzen lag der Detektiv auf dem Boden, sah auf seine Arme in der Befürchtung, sie wären aufgeschlitzt und blutverschmiert, doch sie waren in Ordnung. Es war alles nur ein schrecklicher Traum gewesen. „Verdammt“, keuchte er und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn und rappelte sich auf. „Was zum Teufel hat dieser Traum zu bedeuten?“

Treffen

Es war bereits 16 Uhr und der Himmel war düster wie noch nie. Es würde ein ziemlich heftiges Gewitter geben und es donnerte bereits. Schweigend hockte L auf den Rücksitzen und starrte aus dem Fenster. Sie waren jetzt zwei Stunden unterwegs gewesen und waren wirklich weitab von der nächsten Stadt. „Wir werden gleich den Faith Hill erreichen“, kündigte Watari an und bog nach rechts ab. Sie passierten nun einen holprigen Weg durch den Wald und der Wagen wackelte immer wieder. Der Wald machte einen unheimlichen und abschreckenden Eindruck. Die nackten Äste der Bäume wirkten wie Krallen, die nach ihnen zu greifen schienen und dunkle Schatten huschten durchs Geäst. In diesem Moment musste sich L unfreiwillig an den Film Blair Witch erinnern, den er vor Ewigkeiten gesehen hatte. Die Wälder waren wirklich sehr tief und für ihm kam die Frage auf, warum man eine Psychiatrie so abgelegen gebaut hatte. Ob es früher mal eine Anstalt für gefährliche Psychopathen gewesen war, die man vor der Außenwelt abschotten wollte? Das würde L noch früh genug herausfinden und es dauerte wirklich nicht lange, da fuhr der Wagen einen steilen Hügel hoch und der Wald wurde dichter. Nun begann es zu regnen und mit jeder verstreichenden Sekunde wurde es immer heftiger bis es schließlich so schien, als würde die Welt bald überschwemmt werden. „Der Plan sieht folgendermaßen aus, Watari: wir werden zusammen hineingehen und die Lage überprüfen. Sollte B einen Hinterhalt planen, geben wir das vereinbarte Zeichen und V wird mit dem Scharfschützenkommando bereit stehen. Sollte B jedoch unbewaffnet sein und keinerlei Anstalten machen, werden Sie draußen warten. Und falls die Sache trotz allem außer Kontrolle geraten sollte, dann wissen Sie was zu tun ist.“

„L, wollen Sie so leichtsinnig Ihr Leben aufs Spiel setzen? Sie wissen doch, zu was B fähig ist.“ „Das weiß ich aber, wer weiß was B tun wird, wenn ich seinen Anweisungen nicht Folge leiste. Watari, seit ich acht Jahre alt bin, habe ich die schwersten Fälle der Welt gelöst und an die tausend Verbrecher überführt und ich habe kein einziges Detail vergessen, zumindest glaube ich das und ich will herausfinden, was B von mir will und das kann ich nur, wenn ich mich zu erkennen gebe. Außerdem habe ich einige Fragen an ihn… Er ist das letzte ungeklärte Rätsel in meinen letzten Fällen…“

Sie erreichten die St. Eugene Psychiatrie, die wie ein altes Gefängnis aussah. Eine zwei Meter große Mauer, die aber schwer beschädigt war und ein hässlicher grauer Klotz mit vergitterten Fenstern. Ein eiskalter Schauer lief L über den Rücken und ihn beschlich das Gefühl, dieses Gebäude schon einmal gesehen zu haben. Aber vielleicht war es auch nur Einbildung. Das Tor war geöffnet und es parkten zwei weitere Wagen, was darauf schließen ließ, dass er nicht der Einzige war, den B eingeladen hatte. Nein es waren drei, etwas weiter abseits parkte ein schwarzer Mercedes. Watari suchte sich einen geeigneten Platz und parkte den Rolls Royce schließlich. Er stieg als Erster aus und spannte einen schwarzen Regenschirm, dann öffnete er L die Tür. „Wir sollten uns beeilen, bevor wir noch nass werden.“ Schnell gingen sie auf die Eingangstür zu, wo sie bereits ein junger Mann erwartete. Er hatte schwarzes Haar, welches er sich mit viel Mühe halbwegs ordentlich frisiert hatte. Seine Augen leuchteten in einem unnatürlichen Rot und er trug einen Anzug, der aber nicht ganz zu ihm passen wollte. Eine gewisse Ähnlichkeit mit L ließ sich wirklich nicht ausschließen. Mit einer Verbeugung begrüßte er die beiden. „Einen schönen guten Tag die Herren. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Fahrt hierher. Die anderen Gäste sind bereits eingetroffen. Bitte folgen Sie mir.“ Er fragte nicht nach ihren Namen, sondern führte sie durch die dunklen Gänge, die von Neonröhren erhellt wurden bis hin zu einem großen Raum, wo fünf andere Gäste saßen. Sie sahen L und Watari kurz an, grüßten kurz und wandten sich wieder ihren Gesprächen zu. Alles schien vollkommen in Ordnung zu sein und L nickte seinem Begleiter zu. Dieser verabschiedete sich zugleich wieder und wurde von dem jungen Mann im Anzug wieder zur Tür geführt. „Und wer sind Sie, wenn man fragen darf?“ Eine hübsche Frau mit langen schwarzen Haaren und einem bordeauxfarbenen Kleid hatte den Detektiven angesprochen und sah ihn mit tiefschwarzen Augen an, die einen Hauch von Arroganz ausstrahlten. „Ich bin ein alter Bekannter des Veranstalters. Wir haben uns seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen und ich war erstaunt, plötzlich eine Einladung von ihm zu bekommen, wo von einem Klassentreffen die Rede war. Dabei waren wir nie auf derselben Schule. Und Sie?“

„Ich kenne ihn nicht“, antwortete die Frau sofort und das in einem so eiskalten und abweisenden Ton, dass L sofort merkte, dass sie log. „Keiner von uns kennt seinen Namen“, fügte ein etwas rüpelhaft erscheinender Macho mit sonnengebräunter Haut und teuren Designerkleidern. „Aber trotzdem sind wir alle aus einem bestimmten Grund hier, nicht wahr? Er kennt uns und wir wollen herausfinden, mit wem wir es hier zu tun haben. Und das Interessante ist: wir kennen uns alle hier, denn wir sind alle zusammen zur Uni in London gegangen. Seltsam das Ganze, oder etwa nicht?“

„Und mir stellt sich die Frage“, knüpfte ein anderer Mann in Frack und Brille an, der ganz offensichtlich den Beruf eines Geschäftsmannes ausübte „warum er uns hierher bestellt hat und was er von uns will. In meinem Brief stand, dass es ein Klassentreffen sein sollte und dass noch weitere Bekannte da sein werden. Warum zum Teufel ist er dann hier, wenn niemand ihn von uns kennt?“ Er deutete damit auf L, der sich ebenfalls diese Frage stellte. Was bezweckte B mit dieser Aktion und woher kannte er diese Leute? „Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt“, bemerkte eine andere Frau mit feuerrotem Haar, die offensichtlich schwanger zu sein schien. „Mein Name ist Brenda Truthdale, ich bin erst vor kurzem nach Kingston gezogen und werde bald dort an der Grundschule unterrichten. Die schwarzhaarige Schönheit ist Donna Carrington, der Mann im Anzug heißt David Henslow, neben ihn sitzt Rudy Townsend der eine Modefirma leitet und schließlich Anthony Jackson. Er redet nicht sehr viel müssen Sie wissen.“ Erwartungsvoll sahen ihn die anderen an und warteten darauf, dass er sich vorstellte. „Mein Name ist Lawrence L. Smith, ich arbeite als Schriftsteller.“

Ein greller Blitz leuchtete auf und es donnerte so laut, dass die beiden Frauen erschrocken zusammenzuckten. „Ich bin ja mal gespannt, wer dieser geheimnisvolle Gastgeber ist. Uns hat er im Brief geschrieben, dass er ein alter Bekannter ist, aber ich wüsste ehrlich gesagt niemanden, der auf die beknackte Idee kommt, uns an so einen abgelegenen Ort zu bestellen.“ Rudy, der machohafte Besitzer des Modegeschäftes, schien sehr ungeduldig zu sein und scheute sich nicht davor, seine Wut an den anderen auszulassen. Ebenso genervt schien auch Donna zu sein und sie war schon im Begriff aufzustehen, da kam der junge Mann herein, der L an der Tür begrüßt hatte. „Wie ich sehe, sind wir jetzt vollzählig. Hervorragend, dann können wir ja beginnen.“ Er schritt anmutig, wenn auch gleich zielstrebig zum freien Platz am Tisch und sah die Gruppe mit seinen leuchtend roten Augen an. „Ich freue mich sehr, dass Sie es einrichten konnten, hier an diesem Treffen teilzunehmen und bedanke mich recht herzlich für Ihr Erscheinen. Sicherlich fragen sich die meisten schon, weswegen ich Sie hierher bestellt habe.“ „Das kann man wohl sagen, du Frack“, unterbrach Rudy gereizt und verschränkte die Arme. „Wir werden an so einen beschissenen Ort gerufen und wissen noch nicht einmal, wer dieser verdammte R.R. ist!“ L runzelte etwas irritiert die Stirn als er hörte, dass der Absender sich in den anderen Schreiben R.R. genannt hatte. Standen die Initialen etwa für B’s Decknamen Rue Ryuzaki? Ein eiskaltes Lächeln schlich sich auf die Lippen des jungen Mannes und er rückte seine Krawatte zurecht. „Ich entschuldige mich recht herzlich. Ich möchte mich Ihnen erst einmal vorstellen: ich bin Rue Ryuzaki, aber das ist nur ein Deckname, den ich früher immer benutzt habe. Mein wahrer Name ist Beyond Birthday.“

„Schön und gut“, unterbrach Donna gereizt und sah ihn finster an. „Aber was wollen Sie von uns und woher kennen Sie uns?“ L’s Unbehagen wuchs und er spürte, dass noch etwas Schlimmes passieren würde. Beyond Birthday, sofern das wirklich sein Name war, lächelte Donna freundlich an und legte den Kopf leicht zur Seite, was ihm etwas Schüchternes und Naives verlieh, aber es wirkte auch gleichzeitig wie eine maßgeschneiderte Maske, mit welcher er seine Rolle als freundlicher Gastgeber überzeugend gut spielte. „Ich bitte diese Unannehmlichkeit zu entschuldigen. Wenn Sie wollen, werden wir sofort mit dem Programm anfangen.“

„W-Was für ein Programm?“ fragte der stille Anthony beunruhigt und man sah ihm an, dass er nervös war, denn er war blass und Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Das freundliche Lächeln von Beyond Birthday hatte nun einen eiskalten Hauch und er holte eine Pistole aus seinem Jackett heraus. „Warten Sie es nur ab.“ Damit feuerte er einen Schuss ab. Als erstes ging Anthony zu Boden, dann Rudy, Brenda, Donna und schließlich zielte er auf L. „Leben Sie wohl, Herr Meisterdetektiv.“ Der Schuss traf ihn zwischen Hals und Schulter und L wurde schwarz vor Augen.
 

Als L wieder zu sich kam, hatte er Kopfschmerzen und alles drehte sich um ihn. Er lag auf dem Boden und es sah aus, als wäre er in einer Zelle. „Was zum…“ Er hörte ein verzweifeltes Wimmern und setzte sich auf. Donna, Anthony und Brenda waren mit Lederriemen an senkrecht aufgestellten Tischen oder Plattformen gefesselt, auf dem Boden etwas weiter neben ihm lag die Leiche von Rudy Townsend, oder zumindest Teile seiner Leiche. Sie war zersägt worden und das Blut tropfte in dem Abfluss. Sein Kopf war auf einem Hocker platziert worden und in sein Gesicht hatte man Obszönitäten geritzt. Seine Augen waren herausgestochen und die Lider abgeschnitten worden. Alles war so aufgestellt worden, dass alle den Kopf sehen konnten und L wurde ganz flau im Magen. Ein bestialischer Leichengestank hing in der Luft. Die schwere Eisentür ging auf und Beyond Birthday kam herein. Er hatte sein Jackett ausgezogen, die Ärmel hochgekrempelt und das Hemd war blutverschmiert. Die Krawatte trug er immer noch und er wirkte ein wenig abgekämpft. „Entschuldigen Sie die Verspätung, aber es gab ein paar Komplikationen, um die ich mich kümmern musste.“

„Warum haben Sie Rudy umgebracht?“ rief Donna und Tränen verschmierten ihr Make-up. Wie die anderen war auch sie an einem OP-Tisch gefesselt, nur L trug Fußfesseln und das verwunderte ihn sehr. Warum zum Teufel hatte Beyond Birthday ihn nicht auch wie die anderen an diesen aufrecht gestellten Tisch geschnallt? „So“, murmelte Beyond und holte ein blank poliertes Skalpell hervor, ohne Donna auch nur einen Moment Aufmerksamkeit zu schenken, oder auf ihre Frage zu antworten. „Dann wollen wir mal anfangen.“

Kind

„Das ist doch Wahnsinn, warum tun Sie das?“ schluchzte Brenda, die sich panisch gegen ihre Fesseln wehrte und die Verzweiflung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Auch Anthony und Donna wehrten sich, wagten es nicht ihren entstellten toten Freund anzusehen und nackte Todesangst erfüllte sie. Beyond Birthday jedoch blieb ruhig und sah sie ausdruckslos an, seine Augen hatten ihr Funkeln verloren und wirkten kalt und matt. Er ging als erstes zu Donna und hielt ihr das Skalpell vors Gesicht, woraufhin sie ängstlich die Augen zukniff, so als wartete sie darauf, dass die Klinge ihre Haut durchschnitt. Dieser Schnitt aber kam nicht. Stattdessen wandte sich ihr Geiselnehmer dem Leichnam zu, hockte sich hin und tätschelte den entstellten Kopf. „Er war schon immer ein mieser Drecksack gewesen. Menschenverachtend, egoistisch und dumm wie Stroh. Ich habe mich immer gefragt warum man ihn auf die Uni gelassen hat.“

Es hatte etwas völlig absurdes, als er den Kopf zärtlich streichelte und ihn voller Stolz ansah, so als würde ein Vater den Kopf seines Kindes tätscheln, welches etwas ganz Besonderes geleistet hatte. Doch bei ihm wirkte es so bizarr und unwirklich, dass L sich fragte, ob er vielleicht noch schlief, oder nicht sogar schon tot war. „Aber er war nicht das Hirn eurer Gruppe gewesen. Nein, diesen Job hatte unsere verehrte Donna Carrington inne. Ist doch so, meine verehrte Donna? Du warst ja auf der Uni als die „eiskalte schwarze Madonna“ bekannt, hast sämtlichen Jungs die Köpfe verdreht und warst der Liebling aller Lehrer und nur die wenigsten wussten, was für grausame Dinge du in Wirklichkeit tust, nicht wahr?“

L, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte, ging langsam ein Verdacht auf, doch er schwieg, denn er wollte nichts unnötig provozieren. Entsetzt weiteten sich Brendas Augen. „Oh mein Gott“, stammelte sie und jegliche Gesichtsfarbe verließ sie. „Das darf doch wohl nicht wahr sein.“ „Wäre irgendjemand mal so freundlich, mich aufzuklären?“ platzte Donna gereizt dazwischen und blickte wieder so finster drein wie zuvor. „Wer zum Teufel ist das, Brenda? Sag schon!“ Die Reaktion von Donna schien Beyond Birthday nicht wirklich zu verwundern, im Gegenteil! Er schien schon mit so etwas gerechnet zu haben, hob die Augenbrauen und setzte ein Lächeln auf. Brenda versuchte etwas zu sagen, doch es kam zunächst nur ein Stottern heraus, dann schließlich fand sie die passenden Worte. „Donna, der eine Junge von der Universität. Erinnerst du dich noch?“

„Wie welcher Junge? Wovon sprichst du verdammt noch mal?“ „Der kleine Junge, den wir damals…“ Sie brachte den Satz nicht zu Ende, sondern brach in verzweifeltes Schluchzen aus. Anthony schien begriffen zu haben, gab ein entsetztes „oh Gott“ von sich und ließ den Kopf sinken. Donna schwieg, dann wurde sie richtig wütend. „Soll das ein mieser Scherz sein? Die Sache ist jetzt über siebzehn Jahre her und längst Geschichte!“ „Was ist denn passiert?“ fragte L, der diese Frage nicht für sich behalten konnte und nahm seine typische Sitzposition ein, um sich besser konzentrieren zu können. „Nichts von Bedeutung“, gab Donna im trotzigen und barschen Ton zurück und kassierte direkt eine Ohrfeige von Beyond, der für einen Augenblick lang einen mörderischen Glanz in den Augen hatte, dann aber wieder sein Lächeln aufsetzte. „Aber Donna, wir wollen doch wohl nicht Tatsachen herunterspielen und unhöflich werden. Bitte Brenda, fahr fort. Man hat dir eine Frage gestellt und es wäre schön, wenn du sie sachgemäß beantwortest.“ Dieser höfliche Ton hatte etwas wirklich Unheimliches und es schien so, als würde ein düsterer Schatten über Beyond Birthday hängen. Ein unnatürlicher Schatten, der ihm etwas von einem Todesengel, wenn nicht sogar von einem Todesgott gab. Erwartungsvoll sah Beyond Birthday die schwangere Frau an, die nach passenden Worten suchte. Aber es gab keine passenden Worte, wenn sie dabei nicht die Grausamkeit erzählen wollte, die sie damals getan hatten. Zutiefst bestürzt senkte sie angesichts dieser scheußlichen und unaussprechlichen Erinnerung den Kopf und stille Tränen rannen ihr die Wange hinunter. „Vor siebzehn Jahren gab es einen Jungen auf der Universität in London. Er war hoch begabt aber auch sehr jung, gerade mal acht Jahre alt und schrieb die besten Tests und hielt die schwierigsten Referate. Selbst die unmöglichsten Aufgaben konnte er lösen und war als Wunderkind bekannt. Wir waren neidisch auf sein Können, da er nicht einmal lernen musste und im Unterricht pennen konnte und trotzdem der Beste auf der Liste war. Als schließlich ein wichtiges Examen bevorstand, wollten wir schummeln um zu bestehen. Der Junge hat es erfahren und sofort gemeldet. Danach haben wir ihn uns vorgeknöpft.“ Beyond Birthday begann auf- und abzulaufen und spielte mit dem Skalpell herum. „Das entspricht aber nicht ganz der Wahrheit, oder?“ Er hielt Brenda die Klinge an die Halsschlagader und sie begann am ganzen Leib zu zittern, sofern es die Fesseln zuließen und sie musste sich sehr zusammenreißen, um nicht verzweifelt loszuschreien. „Wir… wir haben ihn schon vorher schikaniert. Insbesondere Donna und Rudy…“

Gerade wollte Donna etwas wütend erwidern, weil Brenda sie angeklagt hatte, doch Beyond Birthday stopfte ihr einen Knebel in den Mund, weil er es nicht mehr ertrug, dass sie überall ihr Gift verspritzte. Mit einem Nicken schien er Brenda zu ermutigen und forderte sie mit seinem Blick auf, weiterzureden. Es schien ihr sehr unangenehm zu sein und sie brachte es nicht fertig weiterzusprechen und so übernahm der sonst so stille Anthony das Wort. „Wir haben ihn nach der Sache mit dem Examen abgefangen und zu einem alten Haus im Wald gebracht, wo wir ihn in die Mangel genommen haben. Und auch in der Universität haben wir ihn angeprangert und erniedrigt.“

„Ihr habt diesem Jungen sehr schlimme Sachen angetan, nicht wahr?“ Es kam keine Antwort, nur ein bestürztes Nicken und die Gesichter der beiden waren beschämt. Donna hingegen schien keinerlei Reue zu empfinden. L sah Beyond Birthday mit seinen tiefschwarzen Augen an und etwas Trauriges lag in seinem Blick. „Was genau ist damals passiert?“ „Ich habe nie irgendetwas vergessen, nicht ein einziges Detail in meinem Leben. Ich erinnere mich noch als wäre es gestern gewesen, als sie mich nackt an den Heizkörper der Herrendusche in der Umkleide gefesselt und mir demütigende Schilder um den Hals gehängt haben. Oder als sie mich im alten Schuppen verprügelt haben. An meinem Arm haben sie ihre Zigaretten ausgedrückt, mir ins Gesicht gespuckt und mich ausgelacht. Ganze fünf Tage saß ich in diesem Schuppen fest, wurde wie ein Tier behandelt und körperlich, als auch sexuell misshandelt. Jeder einzelne von ihnen hat seinen persönlichen Spaß mit mir gehabt.“

„Wir haben dich niemals sexuell misshandelt“, entgegnete Anthony laut und fing sich einen Faustschlag ein. „Stimmt, es war ja der liebe Reese der mir das angetan hat. Ihr habt ja nur dabei zugeschaut, gelacht und ihn angefeuert. Ich erinnere mich noch wie du, Anthony Jackson, das ganze mit deiner alten Kamera aufgenommen hast, während ich die Hölle auf Erden erleben musste.“

„Was hast du mit Reese gemacht?“ fragte nun Brenda mit zitternder Stimme und war so leise, dass man ihre Frage kaum verstanden hatte. Doch L und Beyond Birthday hatten sie ganz klar verstanden und der Serienmörder ging schließlich zu einem Lichtschalter in der Ecke und betätigte ihn. In der vergitterten Nachbarzelle, die man gut von der Position der anderen sehen konnte, hing Reese knapp über dem Boden. An den Füßen gefesselt wie Schlachtvieh baumelte er herunter, sein Körper vom Bauch bis zum Hals aufgeschlitzt und sein Bauch war ausgeweidet. Würgend erbrach sich Brenda und Donnas Augen weiteten sich vor Entsetzen. „Oh mein Gott“, stammelte Anthony und sah fassungslos auf den blutverschmierten Körper seines alten Freundes. Sie konnten gar nicht glauben was sie da sahen, es konnte einfach nicht wahr sein, durfte nicht real sein. „Er war wirklich ein ungezogener Junge. Eigentlich wollte ich es schnell erledigen, aber sein ungehobeltes Verhalten ließ mir keine andere Wahl. Es ist wirklich erstaunlich: wenn man einem Menschen vorsichtig den Bauch aufschneidet und sorgfältig zu Werke geht, kann man jemandem die Organe im Bauch entfernen, ohne dass er dabei stirbt. Zwar habe ich davon gelesen, es aber in Natura zu erleben, war wirklich sehr faszinierend.“ Nun wurde auch L speiübel, denn so eine bestialische Grausamkeit hätte er selbst Beyond Birthday nicht zugetraut. Donna, die den Knebel wieder ausgespuckt hatte, war vollkommen verändert. Sie fing leise an zu schluchzen, zitterte am ganzen Körper und begann unaufhaltsam „Es tut mir leid“ zu wimmern. Beyond lächelte angesichts dieser Entwicklung und ging nun auf Anthony zu. „Möchtest du gerne wieder den Kameramann spielen? Ich brauche nämlich etwas Hilfe.“

„Und warum?“

„Weil du doch so geschickt mit der Kamera bist, oder etwa nicht? Ich hab gelesen, dass du als Kameramann für ein Fernseherteam arbeitest.“ Dies sagte Beyond Birthday mit einem eiskalten Sarkasmus und mit solcher Gehässigkeit, dass L das Gefühl hatte, dies wäre nicht der einzige Beyond Birthday in diesem Raum. Ob es etwa möglich war dass er… nein, völlig ausgeschlossen. So etwas war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Beyond setzte wieder sein Lächeln auf und hielt den Camcorder in der Hand in der Erwartung, dass Anthony annehmen würde. Doch dieser wandte beschämt den Blick ab. „Nein, ich kann das nicht…“

„Wieso denn nicht?“ fragte der BB-Mörder mit einer viel höheren Stimme als gerade eben, die beinahe von einem Kind zu kommen schien. „Damals hast du doch nichts dagegen gehabt als du das damals filmen solltest, oder irre ich mich?“ „Das schon aber…“ Anthonys Stimme zitterte und er wagte es nicht, Beyond in die Augen zu sehen. „Ich kann das einfach nicht. Was damals passiert, ist tut mir aufrichtig leid und ich wünschte ich könnte das wieder…AAAAAAH!!!!“ Beyond rammte ihn das Skalpell in den Arm und schnitt ca. 4 bis fünf 5cm weiter in die Haut. Dunkles Blut quoll aus der Wunde und Anthony verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Ein dämonisches Funkeln war in Beyonds Augen zu sehen und er grinste breit als er das blutige Skalpell betrachtete. „Ist das wirklich so? Dabei hast du damals nichts getan, um es wieder gutzumachen. Im Gegenteil: du hast geschwiegen wie alle anderen auch und schließlich einfach alles vergessen. Hast du dir auch nur eine Sekunde lang Gedanken gemacht, was aus dem kleinen Jungen werden sollte? Fünf Tage lang saß ich in diesem Schuppen fest, angekettet und verletzt. Ich trug nichts, um mich warm halten zu können und habe mich mit von der Decke tropfendem Regenwasser am Leben gehalten. Als man mich fand, war ich bereits halbtot und auf der Intensivstation erlitt ich einen Herzstillstand. Drei Tage lang musste ich intensiv versorgt werden, um nicht zu sterben. Ich hatte innere Blutungen und Verletzungen, war dehydriert, unterkühlt und unterernährt. Außerdem hatte ich mir eine Lungenentzündung eingefangen.“

„Aber wir hatten den Schuppen nicht abgeschlossen“, verteidigte sich Donna schließlich und war anscheinend aus ihrem Schock erwacht. „Wir haben ihn extra nicht abgeschlossen und wir sind davon ausgegangen, dass deine Eltern sich Sorgen gemacht und nach dir gesucht hätten.“ Traurig schüttelte Beyond den Kopf und wirkte einen Moment lang sehr zerbrechlich und angreifbar. „Zuvor habe ich meine Eltern bereits verloren. Mein Vater starb bei einem Überfall und Mutter kam bei einem Zugunglück ums Leben. Da mich meine Verwandten nicht aufnehmen wollten, stellte man mir kostenlos eine Studentenwohnung zur Verfügung und die Professoren hatten die Aufgabe bekommen, auf mich aufzupassen, da ich ja gerade erst acht Jahre alt war. Meist habe ich meine Freizeit mit Professor Isaak verbracht, doch an dem Tag hatte er anderweitig wichtiges zu tun und ich war für vier oder fünf Tage alleine. Deshalb hat zunächst niemand mein Verschwinden bemerkt.“ Brenda begann herzzereißend zu weinen und schien sich sichtlich für diese abscheuliche Sache von damals zu schämen. Doch das würdigte Beyond keines Blickes. Er empfand kein Stückchen Mitleid mit seinen alten Peinigern, eher Abscheu und Hass. „L, du bist doch so gut darin zu entscheiden, was Recht und Unrecht ist. Wer glaubst du, liegt hier im Recht?“

L wusste was er zu antworten hatte, denn er traf täglich solche Entscheidungen, doch seine Sorge galt dem, was passieren würde, wenn er eine Antwort geben würde, die Beyond noch mehr verärgern konnte. Aber er musste es einfach tun. „Keiner hier ist im Recht. Wenn es wirklich stimmt was damals passiert ist, dann verdienen die vier eine Gefängnisstrafe. Aber Selbstjustiz ist keinesfalls akzeptabel und damit bist du nicht besser als die anderen.“

„Eine Antwort, wie sie von unserem lieben Herrn Meisterdetektiven zu erwarten ist. Ich hab auch nicht im Geringsten erwartet, dass du meine Absichten verstehen würdest. Du bist nur ein selbstgerechter feiger Lügner, der sich hinter seinem Computer verkriecht. Du bist ebenfalls kein deut besser als die. Du hast mich mit auf dem Gewissen!!!“ Voller Verzweiflung, beinahe wie ein Hilfeschrei schrie Beyond Birthday diesen einen letzten Satz aus. „Du hast mich mit auf dem Gewissen!“ Tränen sammelten sich in den Augenwinkeln, welche er sich hastig wegwischte. Dann wandte er sich wieder Anthony zu und sah ihn finster an. „Du verstehst wahren Schmerz nicht. Deswegen werde ich dich zumindest an einen Teil davon näher heranbringen.“ Damit ging er zur Tür und verschwand. Als er weg war, begannen alle heftig an ihren Fesseln zu zerren, nur L blieb regungslos sitzen, da er wusste, dass es zwecklos war, fliehen zu wollen. Dazu kannte er „B“ nur zu gut. Doch trotzdem ließ sich nicht verleugnen, dass er tief in seinem Inneren Angst hatte. Etwas Schreckliches würde passieren, da war er sich sicher und er musste alles in seiner Macht stehende tun um das zu verhindern.

Erinnerung

Es dauerte nicht lange, da kam Beyond Birthday wieder zurück. Er hatte einen Messbecher mit madenähnlichem Getier darin und ein Feuerzeug. Sein Ziel war Anthony und finster grinste er ihn an. „Mein lieber L, wie genau steht es mit deinem medizinischen Fachwissen?“ Sofort stand L auf und war im Begriff, Beyond von diesem schrecklichen Vorhaben abzuhalten, da wurde ihm eine Pistole auf die Stirn gedrückt. „Aber, aber mein Guter. Du willst doch wohl nicht, dass ich dir weh tue, oder? Also wärst du so freundlich und würdest die Frage beantworten?“

„Ich besitze zumindest die wichtigsten Grundbasen.“ „Wir sind wohl etwas zu bescheiden. Nun gut, dann sag mir doch mal, wozu Goldfliegenmaden in der Medizin eingesetzt werden.“ Vorsichtig stellte Beyond das Glas mit den Maden ab und begann mit dem Feuerzeug zu spielen. Donna und Brenda sahen den Messbecher mit dem sich windenden Gewürm angeekelt an und Zweitere begann zu würgen. Fassungslos sah der Meisterdetektiv Beyond Birthday an und konnte nicht glauben was dieser da vorhatte. Da keine Antwort kam, erklärte der Serienmörder in aller Seelenruhe: „Goldfliegenmaden werden speziell dazu keimfrei herangezüchtet, um totes oder faules Gewebe im Körper sauber und gezielt zu entfernen.“

„Das kannst du nicht tun“, platzte es entsetzt aus L heraus und gerne hätte er irgendetwas unternommen, um die bevorstehende Scheußlichkeit zu verhindern, doch er wusste, dass er beim geringsten Widerstand die Situation nur noch verschlimmern würde. Als Beyond Birthday diesen herausgerufenen Satz des Protestes hörte, ließ er das Feuerzeug fallen und griff zum Skalpell. Wieder war dieses dämonische Funkeln in seinen Augen und er ließ das Messer auf L niedersausen. Instinktiv schützte L seinen Kopf mit den Armen und wartete auf den Schmerz, wenn die Klinge seine Haut durchschnitt, aber er kam nicht. Nur wenige Millimeter vor seinem Auge hatte Beyond gestoppt und es schien so, als würde irgendetwas in seinem Inneren seinen Arm bremsen. „Hör auf damit“, zischte er wütend und versuchte seinen Arm mit dem anderen aus dieser Starre zu befreien. „Du weißt, dass wir das tun müssen!“

„Nein“, rief diese hohe kindliche Stimme und schließlich ließ er das blutverschmierte Skalpell los. Nun wurde L schlagartig klar, was mit Beyond nicht stimmte. Es war offensichtlich, dass er eine gespaltene Persönlichkeit besaß und eine davon offensichtlich ein Kind war, während die andere ein grausames Etwas war. „Ich lass nicht zu, dass du ihm wehtust. Er ist unser Freund.“ „Nein ist er nicht“, entgegnete die erwachsene, bösartige Stimme und nahm die Pistole wieder in die Hand. Er richtete sie gegen die Schläfe. „Wenn du nicht aufhörst, dann werde ich…“ Beyond schrie auf, hielt seinen Kopf so als würde dieser unglaublich schmerzen. Verwirrt sahen sich die anderen an und schließlich fragte Donna „Was ist denn mit dem los?“

„Er leidet unter multipler Persönlichkeitsspaltung und diese ist durch ein Trauma verursacht worden. Anscheinend hat er gerade einen Konflikt mit seiner anderen Persönlichkeit.“ L begann zu grübeln, wie er das für sich nutzen konnte. Diese kindliche Persönlichkeit war offensichtlich friedfertig und wollte das alles nicht, während die andere auf Rache sann. Fragte sich nur, worauf das Kind in Beyond reagierte. Moment, es war in Erscheinung getreten als er, L, bedroht wurde und es wollte nicht, dass ihm was passiert. Aber warum bloß? Irgendetwas war wohl in der Vergangenheit passiert, dass Beyond Birthday sauer auf ihn war. War es etwa die Sache mit A’s Selbstmord? Nein, das konnte es nicht sein, denn dann hätte Beyond ihn direkt darauf angesprochen und außerdem machte ihm dieser eine Satz „Du hast mich mit auf dem Gewissen“ zu schaffen. Was war nur geschehen?

Beyond Birthday hatte sich wieder beruhigt und nun schien es so, als wäre er weder der grausame, noch der kindliche Beyond Birthday. Er wirkte vollkommen emotionslos und hatte wieder matte und glanzlose Augen. Doch etwas hatte sich an ihm verändert: Seine Augenfarbe: Sie waren beide schwarz. Erst jetzt fiel L auch wieder ein, dass das Kind in Beyond Birthday auch eine andere Augenfarbe gehabt hat, nämlich dunkelbraun. War es etwa möglich, dass sich Beyonds Augenfarbe je nach Persönlichkeit änderte? Wenn dem so war, dann war relativ einfach zu erkennen, mit wem er es gerade zu tun hatte. „Beyond“, sprach L schließlich im beruhigenden Ton. „Du musst das nicht tun. Wenn du uns gehen lässt, können wir gemeinsam eine Lösung finden. Vielleicht können wir dir helfen.“ „Das hast du schon vor 17 Jahren zu mir gesagt und hast mich dann einfach im Stich gelassen!“ Wie war das gerade, fragte sich L verwundert und konnte nicht wirklich glauben, was er da gerade gehört hatte. Er hatte Beyond vor 17 Jahren schon einmal getroffen gehabt? Das konnte unmöglich wahr sein, denn nachdem er Wammys House verlassen hatte, war er nie wieder dorthin zurückgekehrt. Es musste also etwas anderes sein. Beyonds Augen waren dunkel, beinahe schwarz und er wirkte ziemlich enttäuscht. „Du kannst dich etwa nicht an unsere gemeinsame Zeit erinnern? Wenn dem so ist, dann ist es leider zu spät und dann kann ich es nicht mehr länger aufhalten…“

Mit diesen Worten ging er zu Anthony hin, riss den Tisch herum bis er wieder normal stand und zerrte ihn auf Rollen hinter sich her. „Hey, was hast du mit mir vor?“ fragte dieser gequält und zerrte an seinen Fesseln. „Ich will nicht, bitte lass mich!!!“ Doch Beyond ließ nicht mit sich reden und brachte ihn in die Zelle wo die aufgeschlitzte Leiche hing. Aus einer Ecke holte er einen Benzinkanister und übergoss ihn. „Eigentlich war die Sache ganz anders geplant, aber mir wird keine andere Wahl gelassen.“ Schließlich holte er ein Streichholz heraus. Sofort zündete er ihn an und augenblicklich fing Anthony Feuer. Er fing an zu schreien, sich zu winden und beißender Gestank von verbranntem Fleisch ging von ihm aus. Entsetzt sahen die anderen das Schreckensschauspiel an und konnten nicht fassen, was sie da sahen. „Bitte hör auf“, flehte Brenda und weinte und wagte es gar nicht hinzusehen. „Das darf doch alles nicht wahr sein.“ Seelenruhig stand Beyond an der Seite des verbrennenden Anthony und begann eine Melodie zu summen. Erst leise und kaum hörbar, dann aber begann er zu singen. Es war eine schaurige Melodie, die an ein Kinderlied erinnerte und aus Beyonds Munde klang sie noch unheimlicher und trauriger zugleich.

Schlagartig erinnerte sich L wieder an dieses Lied. Wie betäubt sah er auf den Nachbarraum, wo der BB-Mörder die Goldfliegenmaden über den verbrannten Körper streute und unaufhörlich dieses Lied sang. Jetzt erinnerte er sich wieder an alles und konnte gar nicht fassen, dass er es vergessen hatte. Der weinende Junge, die Fesseln, die Verletzungen, die gemeinsamen Tage. Warum nur hatte er sein Versprechen von damals vergessen, obwohl es so wichtig war? Seine Brust schnürte sich zusammen und ihm war, als würde er in eine bodenlose schwarze Tiefe versinken. Bestürzt wurde ihm klar, was er da eigentlich angerichtet hatte, als er dieses so wichtige Versprechen vergessen hatte, dass er Beyond einst gegeben hatte. Es war alles seine Schuld, dass es so kommen musste. Er hatte Beyond damals im Stich gelassen, obwohl er diesem verzweifelten und einsamen Jungen versprochen hatte, immer an seiner Seite zu bleiben und dass er ihm helfen würde. Donna begann langsam zu begreifen, dass L etwas mit der ganzen Sache zu tun hatte und versuchte durch Zischlaute auf sich aufmerksam zu machen. „Hey Sie, haben Sie irgendwas mit der ganzen Sache hier zu tun?“ Doch L war nicht in der Lage zu antworten. Er war wie in einer Art Schockstarre gefangen und war wie betäubt. Warum nur hatte er es vergessen? Dabei hatte er es Beyond doch versprochen und er hatte sich darauf verlassen. Er war der einzige Mensch, der ihm geblieben war und was hatte er getan? Er hatte ihn einfach im Stich gelassen. „Irgendetwas ist zwischen Ihnen passiert dass er jetzt so aufgewühlt ist. Bitte, tun Sie doch etwas um Himmels Willen. Vielleicht können sie ihm helfen, Sie können…“ Ein Schuss fiel und traf Donna mitten in die Brust. Der Schuss kam unzweifelhaft aus dem Lauf von Beyonds Beretta. L sah ihn forschend an um zu sehen, welche Persönlichkeit nun dafür verantwortlich war. Offensichtlich war es seine emotionslose Seite mit den schwarzen Augen, die unzugänglich für Wut, Verzweiflung und sonstige Gefühle war. Doch was führte diese Persönlichkeit im Schilde? Soweit L erkannt hatte, war sich Beyond über seine Persönlichkeitsspaltung bewusst und diese waren sogar in der Lage, miteinander Informationen auszutauschen und wussten voneinander. „Keine Sorge L, ich bin gleich fertig und dann kann ich mich in aller Ruhe um dich kümmern.“ „Willst du mich etwa töten?“

„Kommt ganz darauf an…“

„Auf was?“ fragte L etwas verunsichert, denn er wusste nicht, was er nun mit ihm vorhatte. Kein Lächeln, kein wutverzerrtes Gesicht zeichnete sich bei Beyond ab. Er war ganz ruhig, etwas zu ruhig. „Auf deine Version der Geschichte. Erst mal muss ich mich um Brenda kümmern.“ Nun holte Beyond ein Messer hervor und ging direkt auf die angebundene Hochschwangere zu die nun nackte Todesangst packte und zu schluchzen begann, da stand L auf und ging so weit wie seine Fußfessel ihm erlaubte. „Warte!“ Augenblicklich blieb der Bewaffnete stehen, machte aber keine Anstalten sich umzudrehen. „Ich will mit Beyond Birthday sprechen.“

„Aber ich bin es doch.“

„Nein bist du nicht, du bist nur eine abgespaltene Persönlichkeit, doch ich möchte mit dem wahren Beyond Birthday reden.“

Lange sah dieser gefühlskalte Mensch ihn an und sagte nichts. Dann aber begann er sich unter Stöhnen zu krümmen, so als würde er einen Krampf erleiden. „Halt es auf Ryuzaki“, schrie diese hohe Stimme panisch und begann den Kopf gegen die Wand zu hämmern. „Es tut mir weh! Lass nicht zu, dass es mir weh tut!!!“

Der Kampf ging ein paar Minuten so, dann sank Beyond keuchend zusammen, von seiner Stirnwunde tropfte Blut und er schien sich endlich beruhigt zu haben. Er sah L an und erleichtert erkannte dieser, dass seine Augen braun waren. „Du bist also der Beyond Birthday, den ich vor 17 Jahren kennen gelernt habe?“ Er nickte und setzte sich in der gleichen zusammengekauerten Haltung wie L, nur hatte es für ihn eine völlig andere Bedeutung. Während L damit seine Denkfähigkeit um ganze 40% anstieg, war es für Beyond eine Art Selbstschutzreaktion und somit isolierte er sich vor allem, was ihm schaden könnte. Mit einer stummen ,aber mahnenden Geste signalisierte L der immer noch gefesselten Brenda, bloß keinen Mucks von sich zu geben und diese nickte hastig. Nun setzte er sich zu Beyond und musste sich wieder an damals erinnern, als sie am kleinen Teich im Hof zusammen gesessen und den Fröschen zugehört hatten. Ja, damals als dies hier noch eine Klinik war, die nicht nur Psychiatriefälle, sondern auch Unfallverletzte aufnahm, da war alles noch so einfach gewesen. „Ich habe jeden Tag auf dich gewartet. Wo warst du nur die ganze Zeit und warum nur hast du mich in dieses Waisenhaus abgeschoben? Ich dachte, wir hätten uns ein Versprechen gegeben.“

Doch L wusste einfach nicht, was er antworten sollte, ohne Beyonds Gefühle zu verletzen. Ehrlich gesagt konnte er sich überhaupt nicht mehr daran erinnern, warum er sein Versprechen nicht gehalten hatte. Was genau war alles noch mal passiert? „Du erinnerst dich nicht mehr, oder? Ist ja auch lange her. Vielleicht hilft es dir ja wenn ich noch mal die Geschichte ganz von vorn erzähle.“

Rückblick

Es war einer der heißesten Sommertage des Jahres, die Luft flimmerte über dem Asphalt und kaum einer ging bei dieser Hitze noch raus. Gerade kam L Lawliet aus dem OP und war noch nicht ganz aus seiner Narkose erwacht. Sein Weg war das Zimmer 214, wo auch Beyond Birthday lag. Es dauerte allerdings zwei Stunden, bis er vollständig das Bewusstsein wiedererlangt hatte und das erste was er fühlte, waren Schmerzen in seinem Unterleib von der OP-Narbe. Mit unzähligen Stichen musste seine Wunde genäht werden, die er sich bei einem Unfall zugezogen hatte, als er versuchte, seinen Papierdrachen aus den Baum zu befreien, dabei vom Ast fiel und sich schwer an dem darunter liegenden Zaun verletzte. Sein Blutverlust war kritisch gewesen und es grenzte an ein Wunder, dass er dies überlebt hatte. Doch nach der Operation fühlte er sich genauso schlimm wie vor der Operation und nicht nur das: Sein Kopf schmerzte stark von der Narkose und ihm war schlecht. „Hey, alles in Ordnung mit dir?“

L musste mehrmals blinzeln, um deutlich sehen zu können, doch dann schließlich erkannte er einen Jungen im Nachbarbett. Er hatte zerzaustes schwarzes Haar, ein vergipstes Handgelenk und fast überall Verband: Am Hals, an den Armen, ebenso wie die Finger und sogar die Augen waren verbunden worden. Er sah fürchterlich aus, schien dies aber gelassen hinzunehmen. „Weswegen haben sie dich hierher gebracht?“ fragte er mit einem freundlichen Lächeln und schien richtig gut drauf zu sein, was ziemlich absurd wirkte, wenn man sich seinen derzeitigen Zustand ansah. „Ich hab mich beim Sturz vom Baum an einem Zaun verletzt und das musste genäht werden. Und was ist denn mit dir passiert? Du siehst ja fürchterlich aus.“ Verlegen kratzte sich am Hinterkopf und kicherte. „Ach was, so ein Blödmann hat mir Pfefferspray in die Augen gesprüht und ich bin die Treppe hinuntergestolpert. Da dieses blöde Zeug meine Augennetzhaut verletzt hat, brauchte ich eine Augenoperation. Also keine große Sache.“ Er war ein wirklich guter Lügner, das musste L zugeben, denn irgendetwas in ihm sagte, dass er nicht von einer Treppe gestürzt war. Es musste irgendetwas anderes gewesen sein… Ob er von seinen Eltern geschlagen worden war? „Ich bin übrigens schon seit zwei Wochen hier. Wenn es dir besser geht, können wir ja auf die Terrasse gehen.“ Der Junge schien ein sehr netter Kerl zu sein, der gerne lachte, doch irgendwie ließ L das Gefühl nicht los, als würde irgendein dunkler Schatten über der Seele dieses Jungen liegen. Sein Gefühl hatte ihn noch nie getäuscht wenn es darum ging, die Gedankengänge und das Gefühlsleben anderer vollständig zu erkennen und zu analysieren. Und ihm schien es so, als wäre dieses lebensfrohe Gemüt nur eine Fassade, um die wahren Abgründe seiner Seele zu verschleiern. L begann sich zu fragen, ob er wirklich wissen wollte, was diesem Jungen angetan wurde und welche Konsequenzen dies noch für ihn haben würde.

„Mein Name ist übrigens Beyond Birthday, ich gehe auf die Londoner Universität.“

„Mein Name ist L Lawliet und ich bin ein Detektiv.“

„Ähm… das mit der Uni war eigentlich ernst gemeint“, entgegnete der Junge mit den verbundenen Augen etwas unschlüssig und schien zu glauben, dass L das für einen schlechten Scherz hielt. „Ich mein es auch ernst“, schwor L und musste kichern. Es war wirklich verrückt, wie ähnlich sich beide waren. Nicht nur, dass sie sich äußerlich recht ähnlich sahen (zumindest soweit er wegen Beyonds Verband erkennen konnte), sie waren auch beide sehr intelligent. „Und was genau studierst du?“

„Eigentlich wollte ich ein Medizinstudium anfangen, aber das kann ich erst, wenn ich mindestens 16 Jahre alt bin. Deswegen belege ich Mathematik, Physik und Englisch. Außerdem gebe ich nachmittags Nachhilfe, um einen Teil der Wohnmiete zu bezahlen.“ L musste zugeben, dass es wirklich bewundernswert war, solche Fächer zu belegen und dann auch noch Nachhilfe zu geben. Aber warum musste er einen Teil der Wohnmiete bezahlen? Waren seine Eltern etwa zu arm oder… konnte es etwa sein dass…

„Meine Eltern sind vor knapp zwei Monaten verstorben und ein befreundeter Professor unterstützt mich“, erklärte er mit einem Bedauern im Unterton und seufzte. „Immer wieder bekomme ich gesagt, wie arm ich doch dran bin und weil alle mit mir Mitleid haben, werde ich bevorzugt behandelt, weswegen die anderen alle sauer auf mich sind. Ich hasse das einfach…“

„Ich habe kein Mitleid. Ich kenn es nämlich selbst ganz gut“, entgegnete L sofort und merkte gerade, dass es nicht gerade höflich von ihm klang und so entschuldigte er sich sofort dafür.

Die Nacht konnte er aufgrund der Narkosenachwirkung nicht schlafen. Auch Beyond ging es nicht besser und so erzählten sie sich bis in den frühen Morgen hinein verrückte Geschichten, die sie erlebt hatten. „Schläfst wohl sehr wenig, oder?“ bemerkte L um 4 Uhr morgens schließlich und gähnte laut, während Beyond hellwach zu sein schien. „Mein längster Rekord liegt bei acht Tagen“, antwortete dieser stolz, was den jungen Detektiven jedoch sehr beunruhigte. Acht Tage ohne Schlaf waren wirklich besorgniserregend, weil jeder Mensch nach zehn Tagen sterben würde. Niemand hielt so lange durch, ohne verrückt zu werden. „Wieso hast du denn so lange nicht geschlafen?“

„Weil ich Angst hatte zu träumen. Schließlich hat man mir Schlaftabletten verschrieben…“

„Nimmst du die regelmäßig?“ „Ja, ohne die kann ich nämlich nicht schlafen…“
 

Am nächsten Tag war L endlich fit genug, um nach draußen zu gehen. Da er sich jedoch nicht zu viel bewegen durfte, musste er im Rollstuhl sitzen, den Beyond voranschob. L, der als einziger sehen konnte, gab die Richtung vor und warnte ihn auch, wenn Stufen kamen, oder wenn es steiler nach unten ging. Zu Anfang war es noch recht schwierig, aber schließlich konnten sie sich perfekt aufeinander abstimmen und dann endlich kamen sie auf die Terrasse. Es herrschte eine drückende schwüle Luft, welche vom Quaken der Frösche erfüllt war. Sie holten sich Eistee und setzten sich in den Schatten des Sonnenschirmes. „Und?“ fragte Beyond neugierig. „Wie sieht es auf der Terrasse aus?“

„Hier ist eine riesige Wiese mit Bäumen und kleineren Hügeln. Zudem ist da noch ein Teich, wo sicher die ganzen Froschlaute herkommen. Etwas weiter hinten ist auch ein kleiner Spielplatz.“ Beyond hörte aufmerksam zu und nickte und musste kichern. „Wenn ich wieder sehen kann, gehen wir beide zum Teich hin und sehen uns die Frösche an, okay? Mal sehen, wer von uns beiden mehr fängt.“

„Und wann kannst du den Verband abnehmen?“

„Morgen… Allerdings hat der Arzt gesagt, dass es eine ganze Weile dauern wird, bis ich wieder richtig sehen kann.“ L begann sich zu fragen, was wirklich passiert war, dass seine Augen so schwer betroffen waren. Plötzlich legte sich eine Hand auf L’s Schulter und erschrocken zuckte dieser zusammen. Es war Schwester Carmen, die für die Kinderstation zuständig war. Sie hatte rotes lockiges Haar, im ganzen Gesicht Sommersprossen sie und hatte etwas Kindliches an sich, wo sie doch schon Mitte 30 war. „Euch hätte ich hier draußen nicht erwartet, insbesondere dich nicht Beyond, wo du dich doch die ganze Zeit in deinem Zimmer verbarrikadierst.“

„Zuvor war ich auch alleine und aufgrund meiner Verletzungen kaum in der Lage, aufzustehen. Bedenken Sie meine Verfassung zu dem Zeitpunkt!“ Carmen kicherte und setzte eine entschuldigende Miene auf, auch wenn sie wusste, dass Beyond nicht in der Lage war, sie zu sehen. „Stimmt, du hast Recht. Aber dir scheint es ja heute richtig gut zu gehen. So gut gelaunt hab ich dich in den zwei Wochen noch nie erlebt.“

„Ich habe auch einen guten Freund gefunden, entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen Sorgen bereitet habe.“ Schwester Carmen lächelte und klopfte L zum Abschied auf die Schulter. Dies wollte sie auch bei Beyond tun, doch sie zögerte zunächst, dann ließ sie von dem Gedanken ab und wünschte ihnen noch einen schönen Tag. Schweigend sah L ihr hinterher und bemerkte erst gar nicht wie Beyond das Wort „Hexe“ murmelte. „Was? Was hast du gesagt?“

„Verdammte Hexe…“, murmelte er und sein Gesicht wandelte sich zu einer verhassten Fratze um. Eine eiskalte Aura ging von ihm aus und L spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. „Mimt hier die liebe Schwester, während sie hinter dem Rücken der Patienten über sie lacht.“ Er begann am ganzen Körper zu zittern und krallte seine Hände in seinen Schoß. L bekam Angst und das, wo er noch nie zuvor dieses Gefühl verspürt hatte. Was zum Teufel war mit diesem Jungen bloß los? „Beyond, komm mal runter.“ Er legte eine Hand auf seinen Arm um ihn zu beruhigen, da begann der Junge plötzlich zu schreien. Er schrie aus voller Kehle, fuchtelte mit den Armen herum, so als wollte er jemanden von sich fern halten und warf sich herum. „Nein! Ich will das nicht!!!!“ Krankenschwestern kamen um den Jungen festzuhalten, doch er geriet noch mehr in Panik und flehte, dass man ihn doch loslassen sollte. Der Verband an seinem rechten Arm lockerte sich und durch die ungeschickte Bewegung einer Schwester fiel er ganz ab. Zum Vorschein kamen tiefe Schnittwunden, die aufrissen und anfingen zu bluten, doch das schlimmste waren die Hände: Alle Fingernägel waren herausgerissen. Kalter Schweiß lief L’s Stirn hinab, als er die Wunden sah. Was um alles in der Welt war mit ihm passiert? Das Blut tropfte den Arm Jungen herab, er wehrte sich nach Leibeskräften und schien Todesängste auszustehen. Er schlug, trat, biss und weinte fürchterlich und L spürte einen stechenden Schmerz in seiner Brust. War es Mitleid? Insgeheim wollte er nicht, dass sie Beyond noch mehr Angst machten und war schon im Begriff aufzustehen und dem Ganzen Einhalt zu gebieten, da sank Beyond kraftlos zusammen und fiel zu Boden. Er hatte das Bewusstsein verloren.

„Bringt ihn auf sein Zimmer und schnallt ihn fest.“

„Das können Sie doch nicht tun“, protestierte L und war im Begriff aufzustehen, doch der Schmerz der Naht hielt ihn im Rollstuhl. „Es ist nicht das erste Mal, dass er einen Anfall bekommt“, erklärte ihm eine Schwester und half ihren Kolleginnen, den Jungen in einen Rollstuhl zu heben. „Wenn er erst mal wieder zu sich kommt, wird er den Rest des Tages keine Ruhe geben. Du wirst auf ein Einzelzimmer verlegt.“

„Nein das will ich nicht! Lasst mich mit ihm auf einem Zimmer bleiben!“
 

Doch die Schwestern antworteten nicht, sondern brachten den bewusstlosen Beyond Birthday weg und eine Weile saß L schweigend da und war sich nicht sicher, was er tun sollte. Dann aber kehrte er auf sein Zimmer zurück. Wie bereits angekündigt, hatte man Beyond ans Bett gefesselt und er hatte offensichtlich Beruhigungsmittel bekommen. Eine Träne rann aus seinem verbundenen Augenwinkel und sein Atem war schwer und rasselnd. Und dann, wie ein Flehen zum Himmel bewegte er seine Lippen so als wolle er etwas sagen. Zunächst bekam er kein Wort heraus, doch dann stammelte er mit heiserer Stimme „Tötet mich…“

Versprechen

Es dauerte Stunden, bis Beyond sich weitgehend beruhigt hatte, dass er wieder losgebunden wurde und still weinte er seitdem vor sich hin. Zwischendurch verlor er immer wieder das Bewusstsein und war dann nicht mehr ansprechbar. Als L dann schließlich zur Untersuchung musste, wandte er sich an eine der Schwestern und erkundigte sich nach der Ursache für seinen Zustand. „Der Junge war in der Hölle!“ antwortete Schwester Abigale, woraufhin sie von ihren religiösen Kolleginnen verärgert angestarrt wurde. „Als er hier eingeliefert wurde, war sein Zustand kritisch und er war fast tot. Vollkommen unterernährt und dehydriert, er hatte überall schwere Verletzungen und auch innere Blutungen und es ist ein Wunder gewesen, dass er es überhaupt überlebt hatte.“ „Aber wie konnte das nur passieren und wer hat ihm das angetan?“

„Das weiß ich nicht, aber das ist nur das geringste Übel, was ihm zugestoßen ist.“ L fragte nach was es denn nun sei, aber da die anderen Krankenschwestern Abigale zum Schweigen ermahnten, sagte sie nichts mehr und so ging er wieder in sein Zimmer. Das Frühstück wie auch das Mittagessen waren fade und es dauerte seltsam lange, bis Beyond von einer Untersuchung wieder zurückkam. Seine Augenbinde war abgenommen worden und zum ersten Mal konnte L sein ganzes Gesicht sehen. Er hatte ebenso tiefschwarze Augen wie er selbst, nur wirkten diese leer und orientierungslos. Wie tot lag er in seinem Bett und weinte leise vor sich hin. „Hey Beyond was ist denn los? Willst du reden?“

„BRING MICH UM!!!!“ schrie der Junge und vergrub sein Gesicht in den Händen und rief immer wieder die Worte „Bring mich um! Bitte bring mich jemand doch endlich um!!!“ L war fassungslos über diese derartige Verzweiflung und ihm selbst kamen die Tränen. Was um alles in der Welt war denn passiert, dass dieser 8-jährige sterben wollte? Schnell ging L zu ihm und wollte ihn trösten, doch er hielt inne als er ihn umarmen wollte. Sicher würde er wieder einen panischen Anfall bekommen, wenn er ihn berührte. „Warum soll dich jemand umbringen? Bitte sag mir doch, warum du hier bist…“

Doch es dauerte eine ganze Weile bis Beyond wieder ruhig war und begann mit zitternden Worten zu erzählen, was vorgefallen war. „An der Uni war ich der Beste und die Professoren nahmen viel Rücksicht, weil ich noch jung war und zudem keine Eltern mehr hatte. Es gab da eine Clique, die deswegen total sauer auf mich war und deshalb angefangen hat, mich zu schikanieren. In meinen Spind haben sie Ungeziefer und Glassplitter versteckt und in meine Turnschuhe Nägel hineingetan. Als ich es irgendwann nicht mehr ertragen konnte und dabei auch ernsthaft verletzt wurde, wollte ich Professor Isaak sprechen und hab beobachtet, wie sie die Examenprüfungen geklaut haben. Professor Isaak ist eine wichtige Vertrauensperson für mich, er hat sich immer wie ein Vater um mich gekümmert. Und als ich dann schließlich von der Schikane erzählt habe, ist mir das mit den geklauten Prüfungen herausgerutscht und dann... und dann…“ Er versuchte verzweifelt die Tränen zu bekämpfen, war aber kaum in der Lage dazu und schwieg. Doch L konnte sich schon denken, was sie ihm angetan hatten. Schließlich schaffte er es dann doch den Satz zu Ende zu bringen. „Sie haben mich geschlagen, auf meiner Haut Zigaretten ausgedrückt und die Fingernägel herausgerissen. Dann war da noch dieser eine Typ… er hat… er hat mich… oh Gott!!! Ich will das nicht!!! Bitte, ich will das nicht mehr. Lasst nicht zu, dass er mich wieder anfasst. ICH WILL NICHT!!!“

„Nein… das kann doch nicht wahr sein…“, stammelte L und nahm Beyond in die Arme. „Er hat es immer und immer wieder getan und die anderen haben nur gelacht. Bitte… bitte töte mich… ich will nicht mehr mit dieser Erinnerung leben.“ Beyond zitterte am ganzen Körper und schien wirklich durch die Hölle zu gehen. „Ich habe solche Angst, dorthin zurückzukehren. Ich will das nicht mehr. Lieber will ich sterben, als dass ich wieder zurückgehe… Bitte hilf mir zu sterben.“ Doch das konnte L nicht zulassen. Wozu hatte er sich sonst für den Weg als einsamen Detektiven entschieden, wenn er Menschen tötete? Irgendwie musste er den armen Beyond helfen, aber wie? Er war doch nur ein Kind, mehr nicht und da half selbst die höchste Intelligenz nicht, wenn niemand ihm zuhörte. „Ich gehe mal mit dem Doktor sprechen. Kommst du zurecht?“ Beyond nickte schluchzend und wischte sich die Tränen aus den Augen, während L das Zimmer verließ, um mit dem zuständigen Arzt zu sprechen. Zufällig kam er am Schwesternzimmer vorbei wo sich zwei Krankenschwestern zu unterhalten schienen. „Hast du schon von dem Jungen in Zimmer 214 gehört?“

„Ja na klar. Dieses Mal hat es vier Krankenschwestern gebraucht, um diesen verfluchten Bengel endlich festzuhalten. Wenn das so weitergeht, bringt er uns alle noch in Gefahr.“

„Ich habe schon mit Dr. Norton geredet. Wenn er weiterhin so ein Theater macht, wird er für die nächsten Jahre in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen und da auch nicht mehr so schnell rauskommen.“

Fassungslos blieb L stehen und hatte das Gefühl, die Erde tat sich unter seinen Füßen auf und er würde in ein tiefes schwarzes Loch fallen. Beyond sollte für immer in eine geschlossene Psychiatrie gesperrt werden? Das konnten die noch nicht tun… Er würde sich bei der nächsten Gelegenheit umbringen, oder mit Medikamenten vollgepumpt werden. Er musste irgendetwas unternehmen und dazu musste er Watari anrufen. Er fuhr mit dem Aufzug hinunter ins Erdgeschoss zum Telefon und wählte die Nummer, unter der Watari meist zu erreichen war. Schließlich meldete er sich endlich. „Watari, ich bin es: L“ „L, was gibt es denn? Ist irgendetwas passiert?“

„Können Sie bitte so schnell es geht vorbeischauen? Am Telefon kann ich das wirklich schlecht erklären.“ Watari versprach, noch in spätestens zwei Stunden da zu sein und L kehrte wieder auf sein Zimmer zurück, weil er anfing, sich Sorgen um Beyond zu machen. Er kam auch gerade rechtzeitig, denn Beyond war kurz davor, sich mit einem Glassplitter den Hals aufzuschneiden. „Beyond, lass den Blödsinn!“

„Nein! Lass mich! Ich kann einfach nicht mehr damit weiterleben. Wenn ich schon die Wahl habe, dann sterbe ich lieber! Es gibt doch sowieso niemanden, der mir nachtrauern würde.“ „Du irrst dich! Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn dir etwas passiert! Also bitte hör endlich auf damit…“

Nach einem Gerangel gelang es L schließlich, Beyond den Splitter abzunehmen und aus dem Fenster zu werfen. Doch Beyonds Hände waren verletzt und L hatte einen Kratzer am Arm, aus dem Blut heraustropfte. Beyond versorgte die Wunde, ließ aber seine eigenen unbehandelt und wollte auch keine Hilfe. „Hast du dir die Verletzungen selbst zugefügt?“

„Ein paar davon schon. Der Schmerz hat mich wenigstens von dieser Erinnerung befreien können und immer wenn ich das Blut sehe, dann fühle ich mich so… erleichtert. Es ist so, als würde ich mir dabei innerlich vorstellen, dass diese Mistkerle bluten…“ „Hör bitte auf damit. Nicht mir, sondern dir zuliebe. Was bringt dir das, wenn du dich verletzt und dich dann nachher noch schlechter fühlst?“ Beyond antwortete nicht und ohne Widerstand ließ er sich von L verbinden. „Selbst wenn ich hier rauskomme“, murmelte er und starrte wie betäubt ins Leere „niemand wird auf mich warten, wenn ich hier rauskomme. Wozu also soll ich mir Mühe geben? Die Schwestern reden sowieso schon alle über mich und nennen mich einen Freak.“ Es hatte keinen Sinn, weiter mit Beyond zu reden und so schwiegen sie bedrückt, bis schließlich Watari ins Zimmer kam. Wie immer war er wie ein typisch englischer Gentleman gekleidet und nahm seinen Hut ab, als er eintrat. „L, entschuldigen Sie die Verspätung, aber der Verkehr war fürchterlich. Ich habe übrigens mit dem Arzt geredet: Sie können schon übermorgen entlassen werden.“

„Das ist schön Watari, aber könnten wir woanders weiterreden?“ Er sah vorsichtig zu Beyonds Bett herüber und musste feststellen, dass dieser sich unter seiner Bettdecke verkrochen hatte und schlief. Trotzdem wollte er sich lieber woanders mit Watari besprechen. Sie gingen auf die Terrasse und setzten sich in den Schatten des Sonnenschirms. L wirkte sehr ernst, wenn auch gleich bedrückt. „Watari, dieser Junge, mit dem ich auf einem Zimmer bin… er ist sehr krank und hat niemanden, der sich um ihn kümmern kann. Sein Name ist Beyond Birthday.“

„Über den habe ich schon etwas gehört. Man sagt, er neigt zu Paranoia und zu Wutausbrüchen. Dem letzten Psychiater hat er mit einem Kugelschreiber das linke Auge ausgestochen.“

„Watari, dieser Junge ist hochintelligent und er besitzt analytische Fähigkeiten. Er hat eine schwere Zeit durchgemacht, aber wenn man ihn in eine geschlossene Psychiatrie sperrt, dann wird er keine Zukunft mehr haben. Er ist mir in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich… fast wie ein Bruder, wenn man es genauer nehmen will. Ich will ihm helfen und wollte Sie deshalb fragen, ob er nach seiner Entlassung nicht mit uns zusammenarbeiten kann. Es spricht doch nichts dagegen, dass er zu uns kommen kann. Dann ist er wenigstens nicht so alleine.“ „L… meinen Sie das etwa ernst?“ Entsetzt sah Watari den 8-jährigen L an und wäre ruckartig aufgestanden, doch er konnte sich beherrschen. Was zum Teufel war denn mit L los? Kaum musste er mit einer schweren Verletzung ins Krankenhaus, schon setzte er sich diese hirnrissige Idee in den Kopf, mit irgendwelchen psychisch gestörten Kindern zusammenzuarbeiten und sich dabei auch noch in Gefahr zu bringen. Immerhin hatte dieser Beyond Birthday seinem Psychiater das Auge ausgestochen. Wer weiß, was er L bei seinem nächsten Wutausbruch alles antun würde. „Ich bin mir hundertprozentig sicher, Watari. Beyond ist wirklich sehr intelligent und aufgeweckt und ich denke, dass er als Freund und Kollege wirklich die beste Wahl ist. Und mit zusammenarbeiten meine ich damit Seite an Seite.“

„L, ich weiß nicht, ob das wirklich so eine gute Idee ist.“ „Meine Entscheidung steht fest. Ich verstehe Ihre Bedenken und gebe zu, dass er mir in manchen Momenten Angst macht, aber andererseits kann ich ihm Hoffnung geben, wieder ein normales Leben führen zu können und etwas Unterstützung kann ja nie schaden.“ Damit verabschiedeten sie sich wieder und L kehrte auf sein Zimmer zurück. Beyond Birthday war in der Zwischenzeit wieder aufgewacht und summte leise ein Lied vor sich hin. „Was singst du denn da?“ „Ein altes Kinderlied, von dem ich aber den Namen nicht kenne. Meine Mutter hat diese Lieder immer gehört und abends hat sie mir dann dieses eine Lied vorgesungen. Sag mal L… irgendetwas beschäftigt dich doch, oder?“ Seufzend nickte L und erzählte Beyond, dass er bald entlassen würde. Wie er befürchtet hatte, brach dieser in Tränen aus und L hatte Mühe, ihn wieder zu beruhigen.

„Beyond, nur weil ich entlassen werde, heißt das doch noch lange nicht, dass wir uns niemals wieder sehen. Wir sind doch Freunde und ich habe veranlasst, dass du mit mir zusammenarbeiten wirst, wenn du entlassen wirst.“

„Du L, können wir heute Abend zum Teich gehen?“
 

Es war dunkel geworden und das Quaken der Frösche lauter wie nie. Doch das störte L und Beyond nicht im Geringsten. Im Gegenteil. Sie saßen im Gras, lauschten dem Froschgesang und beobachteten die Sterne. Hin und wieder konnte man ein paar Glühwürmchen sehen und alles wirkte so friedlich und harmonisch. „L, wirst du auf mich warten?“ „Natürlich werde ich das. Egal wie lange es auch dauern mag, ich verspreche dir, dass ich dich abholen komme und dann werden wir gemeinsam die Welt verändern.“ Daraufhin reichte er ihm den kleinen Finger und grinste. „Versprochen! Und ich werde mein Bestes geben, um schnellstmöglich wieder gesund zu werden.“ Damit besiegelten sie ihren Vertrag und begannen, kleine Steinchen in den Teich zu werfen. Es war eine unglaublich friedliche Nacht und dieser Moment schien eine Ewigkeit anzudauern. „Endlich habe ich jemanden, von dem ich sagen kann, dass er auf mich warten wird. Er wartet voller Geduld auf mich und wenn ich endlich da bin, dann sagt er mir Willkommen zuhause, Beyond. Das ist meine einzige Hoffnung, die mir noch bleibt.“
 

Den Rest des Abends saßen sie schweigend da und beobachteten die Glühwürmchen und Sterne und als ihnen zu kalt wurde, gingen sie wieder auf ihr Zimmer und zurück und schliefen friedlich ein. Als L dann schließlich entlassen wurde, war dies für Beyond ein wirklich schmerzlicher Abschied, aber die Hoffnung, dass jemand auf ihn warten und ihn aufnehmen würde, gab ihm genug Kraft, um die vier Jahre der Behandlung durchzustehen. Es waren vier lange und auch harte Jahre und oft stand Beyond kurz davor, den Kampf gegen seine finstere Seite zu verlieren, aber die Hoffnung auf seine Rückkehr zu L ließ ihn immer wieder aufstehen und als er endlich entlassen wurde, war seine Freude groß, als ein Mann zu ihm kam, der sich ihm als Watari vorstellte und sagte, dass er im Auftrag von L gekommen sei. Aufgeregt wie ein kleiner Junge am Weihnachtsabend saß er auf der Rückbank des Rolls Royce und wiederholte in Gedanken immer wieder „Ich werde bald bei L sein“. Doch als er vor dem Waisenhaus stand und ihm verkündet wurde, dass er ausgewählt worden sei, um mit anderen hochbegabten Kindern als Nachfolger für L zu kämpfen, da brach diese Hoffnung zusammen... Eine nach außen hin erscheinende kleine Welt, die für diesen bereits 12-jährigen Jungen alles gewesen war, woran er sich noch hatte klammern können, zerbrach und er verlor jegliche Hoffnung. All das, woran er sich noch hatte halten können, was ihm Kraft im Kampf gegen dieses innere Monster gegeben hatte, existierte nun nicht mehr und dies war das Erwachen des verbitterten wie hasserfüllten Mörders Beyond Birthday.

Realität

„Tag für Tag habe ich auf den Moment gehofft, an dem du mich holen kommen würdest. Ich habe vier gottverfluchte Jahre auf dich gewartet, doch du hast mich einfach vergessen!“ L war wie betäubt und konnte kaum klar denken, was wohl von diesem benebelnden Gestank von Tod und verbranntem Fleisch herführte. Alles schien sich um ihn zu drehen und ihm wurde speiübel. Beyond Birthdays Worte hörte er nur wie durch Watte gefiltert. „Warum nur hast du mich vergessen?“ L hätte gerne eine Antwort gegeben, wenn er eine gehabt hätte. Er wusste es einfach nicht mehr und eben das war es, was ihn so belastete. Er hatte es einfach vergessen, ihr gemeinsames Versprechen und ihr erstes Treffen. Womöglich, weil dieser Anblick ihn selbst so geschockt hatte, dass er es verdrängt hatte? „Es tut mir leid, aber ich weiß einfach keine Antwort…“

„Wenn dem so ist“, antwortete Beyond mit der eiskalten Stimme seines emotionslosen Ichs namens Rue Ryuzaki „dann bleibt mir keine andere Wahl. Das namenlose Monster in Beyond wird immer stärker werden und ihn bald endgültig zerfressen. Zwar hat man geglaubt, ihm helfen zu können, indem man eine dritte Persönlichkeit erschafft, die es kontrollieren kann, doch auch ich habe meine Grenzen. Ich werde zuerst die Frau, dich und dann schließlich mich selbst umbringen. Dann ist dieses düstere Kapitel endgültig beendet.“

Damit schnappte sich Beyond das Skalpell und ging auf Brenda zu, die anfing zu schreien und an ihren Fesseln zu zerren. „Bitte tu es nicht“, flehte L und bekam Beyonds Bein zu fassen, woraufhin er sich einen Tritt einfing. Traurig sah Beyond ihn mit seinen dunkelbraunen Augen an und eine Träne rann seine Wange hinunter. „Es tut mir leid L, aber ich kann nicht mehr zurück. Es ist zu spät…“

„Nein, es ist niemals zu spät. Bitte verschone diese Frau, denn immerhin trägt sie ein Baby in sich. Willst du ein Leben zerstören, das völlig unschuldig ist?“ „Schnauze halten, du verdammter…“ brüllte das Monster und rot funkelten die Augen auf. Das Gesicht wurde zu einer hasserfüllten Fratze und gerade wollte er die Klinge auf L niedersausen lassen, da griff Beyond ein und wehrte sich dagegen. „Ich lasse nicht zu, dass du ihm etwas antust!“

„Warum denn? Er hat uns im Stich gelassen, hörst du? Warum hasst du ihn nicht?“

„Er ist unser Freund. Er ist wie ein Bruder für mich und ich lasse nicht zu, dass du ihn oder sie tötest!“ Wieder herrschte dieser innere Konflikt zwischen den drei gespaltenen Persönlichkeiten. Das Monster wollte Rache und Blut, Ryuzaki versuchte das Monster in Schach zu halten, während Beyond die Kontrolle wiederzuerlangen versuchte. Es war ein schrecklicher Kampf und schließlich packte Beyond das Messer und schnitt sich tief in den Arm. Vor Schmerz stöhnte er auf doch als er das Blut sah, welches aus seinem Arm tropfte, beruhigte er sich wieder und seine Augen wurden braun. „Es kann nur beruhigt werden, wenn Blut fließt. All die Jahre habe ich mir selbst Wunden zugefügt, damit niemand anderes verletzt werden muss. Lieber sollte mein Körper entstellt werden, als der von anderen. Die vier Jahre des Wartens konnten mich davon abbringen, mich oder andere zu verletzen, doch mit der Hoffnung schwand auch meine Kraft, das Monster aufzuhalten.“

„Aber wie kommt es, dass du dieses Monster in dir trägst?“

„Es war schon immer in mir, seit ich geboren worden bin, nur hat es sehr lange geschlafen und ich war es, der es geweckt und auf die Welt losgelassen hat. Grund dafür war, weil mein Vater mich misshandelt hat und ich dem Alptraum ein Ende bereiten wollte. Ich bat es darum, meinen Vater zu töten und das Monster gehorchte. Doch ich habe nicht aufgepasst und dann stieß es meine Mutter vor den Zug. Dieses… Wesen ist nicht menschlich und hat absolut keine Skrupel zu töten. Selbst diesem einen Psychologen hat es das Auge ausgestochen und man stand kurz davor, mich in die geschlossene Anstalt einzuweisen. Eine junge Psychologin hat mein Problem erkannt und hat mir durch eine spezielle Therapie geholfen, eine dritte Persönlichkeit zu erschaffen, die mir helfen soll, das Monster zu unterdrücken.“ Mit einem etwas schmutzigen Taschentuch tupfte er sich das Blut ab. Doch die Wunde war tief und dunkle rote Tropfen begannen eine Pfütze am Boden zu bilden. Beyonds verletzte Hand begann zu zittern und zu zucken und er hatte Schwierigkeiten sie unter Kontrolle zu halten. Brenda schluchzte und ließ den Kopf sinken. „Es tut mir so unendlich Leid, was wir damals getan haben… Mich kannst du töten, aber bitte… bitte lass mein Baby am leben.“

„Warum zum Geier sind diese Menschen bereit, ihr Leben für andere zu opfern? Was versprecht ihr euch nur davon?“ fragte das Monster und mit purpurnen Augen sah es Brenda verständnislos an. L, der dies wie aus weiter Ferne vernommen hatte, stutzte, als Beyond oder zumindest das Monster in ihm dies gesagt hatte. „Erlaube mir die Frage, was du bist.“

Ruckartig verdrehte sich Beyond in eine schier unmenschliche Körperhaltung und sah L mit weit aufgerissenen rot leuchtenden Augen an, dann setzte er ein breites Grinsen auf und bot einen absurd bizarren Anblick. „Das soll dir ein Rätsel beantworten:
 

Ich bin kein Mensch, trotzdem hängt mein Leben von ihnen ab.

Ich bin kein Tier, aber auch ich kann sterben.

Ich bin nicht der einzige meiner Art, jedoch der einzige, der in diesem Körper gefangen ist.

Ich bin weder der Allmächtige aus dem Himmelreich, noch der Teufel persönlich.

Und auch bin ich weder Geist, Engel noch Dämon.

Ich entstamme nicht dieser Welt, jedoch bin ich kein Außerirdischer.

Meine Absichten sind weder bösartiger, noch himmlischer Natur,

ich bin kein Teil dieses sterblichen Körpers, aber er trägt einen Teil von mir.

Was also bin ich deiner Meinung nach?“
 

L überlegte und wusste ehrlich gesagt auch keine Antwort auf diese Frage. Er hätte zunächst auf einen Gott getippt, doch von denen gab es so viele und sie alle waren so verschieden. Sollte es etwa heißen dass irgendeine Lebensform in einer anderen Welt existierte, die von Menschen abhängig war? Aber inwiefern war diese Lebensform abhängig von ihnen? Er überlegte doch dann hatte Brenda vor ihm schon die Antwort „Ein Shinigami! Dieses Thema hatte ich im Mythologieseminar durchgenommen. Shinigami leben in einer anderen Welt und leben von der verbleibenden Lebenszeit der Menschen, indem sie sie töten und sich den Rest ihres Lebens aneignen, um nicht sterben zu müssen.“ Mit einem deutlichen Sarkasmus applaudierte das Monster in Beyond und drehte sich wieder zu Brenda um, wobei er seinen ganzen Körper so bewegte und zuckte, als ob er ihn wie eine zerbrechliche Marionette bewegte. „Sehr gut, sehr gut… Als Belohnung wird dein Ende schnell und schmerzlos von statten gehen.“ „Nein bitte nicht“, flehte sie und stemmte sich gegen ihre Fesseln, jedoch ohne Erfolg. Mit einer unmenschlichen Wucht rammte Beyond sein Messer in ihre Stirn, durchstieß den Schädelknochen und als er es wieder herauszog, schoss eine Blutfontäne aus der Wunde gefolgt von einem milchig blassen Sekret. Über und über war Beyond mit Blut besudelt und wischte sich hastig das Gesicht am Ärmel ab. Dann aber sah er auf seine Hände, welche zitterten und dann, mit einem traurigen wie schmerzverzerrtem Gesicht, schrie er laut auf und begann zu weinen. L konnte einfach nicht glauben, dass das hier alles wirklich passierte. Das konnte gar nicht war sein… Sicher war das alles nur ein schrecklicher Traum, aus dem er jeden Moment aufwachen würde. Zitternd und kaum in der Lage, noch irgendeine Handlung ruhig zu machen, hielt er das Messer fest, die Klinge von sich haltend und ging langsam, Schritt für Schritt auf L zu und blieb stehen, wie ein Henker kurz vor der Vollstreckung. Seine Augen glänzten vor Tränen und er war kaum noch in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. L sah ihm tief in die Augen, doch durch das Licht von der Gegenseite her konnte er nicht erkennen, mit welcher Persönlichkeit er es nun zu tun hatte. Er hatte einfach nur Angst und wünschte sich, dass dies alles nicht echt wäre. Dann aber hörte Beyond auf zu zittern und hielt sich die Klinge an die Kehle. „Es wird Zeit, dies hier endlich zu Ende zu bringen.“ „Nein, warte!“, rief L doch da war es schon zu spät. Die Klinge schlitzte Beyonds Hals auf und Blut spritzte hervor. Kraftlos sank er zusammen und L fing ihn auf. Er konnte einfach nicht glauben, dass es so enden musste. Es durfte nicht so enden. Warum nur musste er das tun? Warum nur hat er ihm nicht ein letztes Mal die Chance gelassen, ihm zu helfen? All diese aufgestauten Emotionen der letzten Jahre überwältigten L, als er den sterbenden Beyond Birthday sah und brach selbst in Tränen aus. „Es tut mir leid Beyond, es tut mir so leid!“

Geschwächt aufgrund des Blutverlustes und mit der Gewissheit jede Sekunde sterben zu müssen, lächelte Beyond ihn ein letztes Mal an, seine Augen hatten das dunkle braun seiner liebevollen kindlichen Seite und formte mit dem Lippen ein stummes „Lebewohl, Bruder“ und dann waren seine Augen leer. Seine Muskeln erschlafften, sein Atem verstummte. Nun war Beyond Birthday tot und L war der einzige, der dieses schreckliche Massaker überlebt hatte. Traurig schloss er seinem alten Freund die Augenlider und strich ihm übers Haar, um sein Gesicht besser sehen zu können. Es fühlte sich schrecklich an, einen Toten in den Armen zu halten und seine Brust schmerzte. Dann sah L auf und sah ihn vor sich: Diesen Spiegel aus seine Alpträumen und auf dem Spiegelbild war er zu sehen, wie er den toten Beyond in den Armen hielt. Nein… es war nicht er selbst… es war Beyond. Das, was ihn widerspiegelte, war Beyond Birthday und mit rot funkelnden Augen grinste er ihn an. Sein Gesicht wie auch seine Kleidung war blutverschmiert und er hielt einen Toten im Arm… nämlich L. Instinktiv oder auch zu stark an diese verstörenden Alpträume erinnert, schrie L laut auf.
 

Dieser entsetzte, gegen das Sterben protestierende Schrei „NEEEEIIIN!“ riss L schweißgebadet aus dem Schlaf und sein Herz raste wie wild. Hart fiel er zu Boden und war völlig orientierungslos. Watari kam sofort herbeigeeilt und half ihm hoch. „L, geht es Ihnen gut?“ „Watari, was ist passiert?“

„Sie sind eingeschlafen, das ist alles. Ist ja auch kein Wunder, wo Sie doch so lange kein Auge mehr zugemacht haben…“ Völlig aufgewühlt sah L sich um und stellte fest, dass er in seinem alten Zimmer war. In einer Ecke standen die Computerbildschirme und vor der Couch, von der er heruntergefallen war, der Tisch mit dem Süßigkeitenberg. Dann war dies alles nur ein Alptraum gewesen? Oder war er etwa ohnmächtig geworden und dies hier war alles nur ein Traum? Er konnte es nicht sagen und war sich nicht sicher, ob das hier die Realität, oder ein Traum war. Das, was da gerade eben passiert war, oder zudem war sein Verstand vorgegeben hatte zu sein, war so unglaublich real gewesen, dass er das Gefühl hatte, als wäre er vor knapp einer Sekunde noch in diesem Keller gewesen. „Watari, was genau ist in den letzten Stunden passiert?“ „Nichts Großartiges von Bedeutung würde ich sagen. Sie sind sicher völlig durcheinander, aber ich versichere Ihnen, dass Träume auch Träume bleiben und nur bildliche Metaphern und versteckte Botschaften von Ereignissen sind, die unser Gehirn im Schlaf verarbeitet. Also keinen Grund zur Sorge.“ Nun begann er sich wieder einigermaßen zu beruhigen und setzte sich wieder aufs die Couch und begann Zuckerwürfel in den Tee zu tauchen. „Genau deswegen hasse ich es zu schlafen“, grummelte er und kratzte sich am Hinterkopf. Als sich der Zucker aufgelöst hatte, trank er den völlig übersüßten Tee in einen Zug leer und wandte sich Watari zu. Dieser schien etwas für L zu haben. „L, dieser Brief hier wurde in Wammys House abgegeben und dann an mich weitergeleitet. Er ist für Sie.“ Komisch, dachte L als er den Brief zögernd entgegennahm. Irgendwie kam ihm das seltsam bekannt vor und er fragte sich, ob das ein dummer Zufall war. Doch dann gefror jegliches Blut in seinen Adern, als er das in Siegelwachs eingestempelte verschnörkelte B auf dem Briefumschlag sah und erkannte, dass es sich dabei um denselben Brief handelte, welchen er in seinem Traum erhalten hatte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Von: abgemeldet
2014-08-14T01:47:31+00:00 14.08.2014 03:47
WOW
Die Story war genial, großartig, spannend, super und brutal zu gleich. *Applaus*
ich fand die nur geil^^
Von: abgemeldet
2014-08-14T01:44:47+00:00 14.08.2014 03:44
*freu*
Es hat wieder mal viel Spaß das Kapital zu lesen :3
Es war großartig^^
Von: abgemeldet
2014-08-14T01:41:43+00:00 14.08.2014 03:41
Ein super tolles Kapital^^
Von: abgemeldet
2014-08-14T01:38:30+00:00 14.08.2014 03:38
Yaaahhhh^^
Das Kapital ist fantastisch =D
Von: abgemeldet
2014-08-14T01:36:36+00:00 14.08.2014 03:36
Wieder mal ein spitzen Kapi^^ ^.^
Von: abgemeldet
2014-08-14T01:33:10+00:00 14.08.2014 03:33
Einfach nur =D WOW^^

Von: abgemeldet
2014-08-14T01:31:16+00:00 14.08.2014 03:31
Das Kapitel war der hammer *-*
Von:  Grell-kun
2012-09-18T07:21:35+00:00 18.09.2012 09:21
Ich kann nur sagen die Story ist wirklich fesselnd und das L das ganze nur Träumt hab ich mir irrgend wie gedacht.
Da im ersten Kapitel Watari ja auf L`s frage seinen Traum betreffend gefragt hat ob er sich an einen Zeitpunkt in seiner Verganenheit nicht mehr erinnen kann.
Aber mir gang es im Fall von Beyond so das ich nicht nur Mitleid hatte sondern irrgend wie konnte ich das verstehen. Ich find die FF toll und irrgend wie hat mich deine FF auch teil weise inspirit das das ich gerade eine eigene schreibe.

Tolle FF wirklich.
Grell-kun
Von: abgemeldet
2010-10-01T18:26:29+00:00 01.10.2010 20:26
So, die letzten beiden Kapiteln habe ich jetzt auch durchgelesen^^

Das Ende hat mich wirklich sehr überrascht. Ich habe
nicht damit gerechnet, dass L das alles nur träumt.
Als dann tatsächlich dieser Brief angekommen ist, musste
ich sofort an den Film "Final Destination" denken^^

Ich fands ziemlich traurig, dass Beyond so enttäuscht
wurde, auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass
jemand(oder in diesem Fall L), der völlig gesund ist, solche Tage komplett vergisst. Bis zum Schluss habe ich auf ein Happy Ending
gewartet und gewissermaßen, war das auch ein positives Ende.
Ich hätte es für interessant empfunden, zu erfahren, wie das
Ganze weitergegangen wäre. Da L ja durch seinen Traum
vorgewarnt ist, hätte er sich sicher was einfallen lassen,
um die Situation nicht so eskalieren zu lassen.
Vielleicht schreibst du ja mal eine Fortsetzung ;)

Mir hat die FF, wie auch all deine anderen, sehr gut gefallen
und das obwohl ich einiges OOC fand. Allerdings muss ich
dazu sagen, dass es durch die Tatsache, dass die gesamte
FF nur ein Traum war, die originalstreue Widergabe der
Charaktere nicht zwangsläufig eingehalten werden muss.
Jeder weiß, wie absurd Träume manchmal sein können und
das man darin oftmals anders reagiert als im wahren Leben.

An deinen FFs gibt es nicht viel auszusetzen, bis
auf die Kommasetzung (hör auf mit den Augen zu rollen :D).

Ich freue mich auf deine Light- Beyond FF!

Bis dahin,
ciao

Von: abgemeldet
2010-09-28T22:10:23+00:00 29.09.2010 00:10
Hey na,

wir haben ja schon relativ lange nichts mehr voneinander gehört.
Ich freue mich, endlich wieder eine FF von dir zu lesen.

Mich wundert es immer wieder, woher du diese tollen Ideen hast.
Ich plane auch eine BB- FF, weiß aber noch nicht genau, was
ich schreiben soll. Aber egal, kommen wir zum Wesentlichen^^

Sofort, als ich den Klappentext gelesen hatte, wusste ich, dass ich
diese FF lieben würde. Ich gebe auch zu, dass ich sie bereits
vor etwa ein-bis zwei Stunden gelesen habe, aber zu faul war,
um ein Kommentar zu hinterlassen *sorry*
Ich konnte einfach nicht aufhören zu lesen und war echt traurig,
dass ich nicht weiterlesen konnte.
Du bringst die Atmosphäre der FF durch deinen
Schreibstil so super rüber. Auch deine Beschreibungen sind
mal wieder top. Du kannst dich einfach sehr gut ausdrücken.

Kommen wir erstmal zu den Punkten, die ich zu kritisieren habe.
Als erstes wäre da deine Kommasetzung (ich weiß, ..deine
Schwachstelle^^). Vielleicht legst du dir mal einen Beta-Leser
zu. Der könnte dir da weiterhelfen. Wir machen mal kurz ein auf
Unterricht^^ Es würde schon viel besser werden, wenn du weißt,
dass man vor bestimmten Wörtern immer ein Komma setzt.
Die da wären: weil, denn, wenn, ob, dass, welches, aber (kommt
drauf an, meistens wird davor auch ein Komma gesetzt.
Bsp: Ich bin heute mal wieder zu spät gekommen, !!!aber!!! es war nicht meine Schuld. <-Komma? Ja!
Bsp 2. Ich bin heute !!!aber!!! nur zu spät gekommen,
weil ...<- Komma? Nein! ).
Diese Fehler passieren aber oft, wenn man sehr lange Sätze schreibt.
Und das hast du diesmal mehr getan als sonst (kam mir zumindest so vor;)
Das soll reichen. Kleine Anmerkung: Ich bin angehende Lehrerin^^
Nimm's mir daher bitte nicht übel.

Dann war da noch der Brief, den Beyond L geschrieben hat.
Der klingt ein wenig holprig. Ich hätte es etwas anders formuliert.
Auf der anderen Seite muss ich aber sagen, dass mir die heuchlerische
Höflichkeit im Brief sehr gut gefallen hat. Das passt zu Beyond
wie die Faust aufs Auge.

Der letzte Kritikpunkt betrifft Ls Verhalten, als er sich
wieder an (fast) alles erinnert. Das er aufgrund dessen weint,
passt einfach nicht zu ihm. Ich schätze ihn eher so ein, dass er
sich nichts anmerken lässt, auch wenn er innerlich vielleicht
sowas wie Reue verspürt. L zeigt seine Gefühle nie zu offentsichtlich.
Und was ist offensichtlicher als Tränen?
Ach, fast hätte ich es vergessen. Da wäre noch die Stelle, wo
L versucht, sich seiner Fesseln zu entledigen. Ist auch so ein
Punkt, der nicht zu L passt. L würde wohl auch im Angesicht
des Todes nicht panisch werden und die Ruhe bewahren. Ausserdem würde
er genau wissen, dass es nichts bringen würde, zu versuchen, sich
von den Fesseln zu befreien. Ich denke mal, dass er auch weiß, dass
er, selbst wenn er sich befreien könnte, trotzdem sehr wahrscheinlich
vorher von Beyond wieder eingesammelt werden würde. L würde wissen,
dass Beyond alles sorgfältig geplant hat und er würde ihn daher
nicht unnötig mit so einer Aktion provozieren.

So, das war's jetzt wirklich an Kritik. Ich glaube, ich habe nichts
vergessen^^

Zu dem Rest kann ich nur sagen: wow!
Mir gefällt diese FF bis jetzt schon besser als alle
anderen von dir. Vor allem diese Persönlichkeitsspaltung
von Beyond beschreibst du sehr lebendig und glaubwürdig.
Dieser innere Kampf in ihm, ist sehr interessant.
Und dieses ganze Blut ... oh ich liebe das!! :D
Ja, ich gebe es zu: Ich bin verrückt^^

Beyonds Umgang mit seinen Opfern ist mehr als aufregend und
faszinierend. Nicht zuletzt wegen seiner abscheulichen und kalt-
blütigen Art, wie er mit ihnen umgeht. Sein Sarkasmus ist einfach
nur köstlich^^

Was mir außerdem an Beyond gefällt, ist, dass er keinen Unterschied
macht zwischen Männern und Frauen. Ich erinnere mich gerade an diese
Szene, wo er dieser Einen einen ordentlichen Schlag ins Gesicht
verpasst hat. That's so Beyond like!^^

Außerdem finde ich die Vergangenheit von Beyond sehr spannend und einfallsreich. Mich hat nur gewundert, dass Beyond die Clique damals
verpfiffen hat. Das passt eigentlich nicht so zu ihm, da er
ja mehr der Alleingängertyp ist, der mit nichts und niemanden
etwas zu tun haben will. Aber halb so schlimm =)

So, das war's auch erstmal von mir. Ich hoffe, dass
du die Kapitel wieder so schnell hochlädst, wie beim
letzten Mal. Ich finde diese FF nämlich irrsinnig spannend.

Liebe Grüße
Justice






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