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Lost Souls

Die Geschichte einer Band
von

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Mein Geheimnis

Während der Wartezeit oder auch dann, wenn sie zu früh kam, mochte Kagome es sehr, im grossen, dicken Ordner der Band zu blättern. Erstaunlich, wie viele Lieder man innerhalb von sieben Jahren schreiben konnte. Der Ordner platzte ja regelrecht aus allen Nähten, es war höchste Zeit, einen zweiten zu bringen und einen Teil der Lieder rüber zu schieben. Eine Aufteilung für den nächsten Auftrit oder so. Wie auch immer, so faszinierend dies auch war, man hatte schon langsam Angst, diesen Ziegelstein aus Blättern hochzuheben – nicht, dass man aus Versehen irgendjemanden damit tötete.

Auch mit Inu Yasha lief es deutlich besser. Seit 'Ignorance' war er deutlich gesprächiger geworden. Entweder hatte er endlich angefangen, ihr zu vertrauen und sie auch wie ein vollständiges Mitglied der Band – oder auch Gang – anzusehen oder… Sie wusste es auch nicht. Vielleicht hatte ihr Lied ihn auch einfach nur sehr angesprochen. Oder er hatte sich lediglich an sie gewöhnt. Tatsache war, dass die gesamte Band hin und wieder zusammen weg ging, um irgendwo die Sau rauszulassen. Auch wenn die Jungs Alkohol tranken, sie waren nie stockbesoffen gewesen, höchstens angeheitert und sehr guter Laune. Zu Schlägereien hatte es nie geführt, niemand von den Lost Souls provozierte die anderen, die Provokationen anderer wurden ignoriert.

Eine sehr angenehme Überraschung war, dass kein einziges Gerücht über die Gang gestummen hatte. Niemand randalierte, beleidigte die anderen Leute – jedenfalls nicht ohne Grund. Inu Yasha war wohl der einzige, der etwas streitsüchtig war, doch dies beschränkte sich lediglich auf die Bandmitglieder. Wenn man mit ihm alleine war, konnte er richtig nett sein. Zu schade, dass er sich hinter der harten Fassade versteckte…

Zurück zum Proberaum, wo Kagome wieder mal die Texte durchblätterte sah sich ein zusammengefaltetes Blatt, welches so mitgenommen aussah, als hätte man es mit Wut und sonst welchen Gefühlen dort reingestopft. Verwirrt und verdammt neugierig faltete Kagome das Papier auf. °"Tourniquet"?° Hm, solch einen Song hatte sie noch nie gesehen, auch noch nie davon gehört. Keiner der anderen Bandmitglieder hatte je auch nur ein Wort darüber verloren. °Das kann nicht sein. Unmöglich haben sie den Text übersehen.°

Neugierig nahm sie das Blatt aus dem Ordner raus…

"Leg es wieder zurück!"

Inu Yashas Stimme war wie ein Donnerschlag gewesen, so dass das Mädchen fast in die Luft gesprungen war vor Schreck, während es sich gleichzeitig zum Bandleader umdrehte.

"Aber wa~?"

Weiter kam Kagome nicht.

"Leg das verdammte Blatt wieder zurück!", wurde sie sofort angeherrscht. Sie hatte kaum so schnell schauen können, da war der Hanyou schon bei ihr gewesen, hatte ihr den Songtext aus der Hand gerissen und dieses wieder im Ordner verstaut.

Erst da kam die Schwarzhaarige wieder zu sich.

"Hey! Was soll der Mist?!"

"Rühr das Papier nicht an." Die Stimme des Jungen klang vielmehr nach einem Knurren – ein Grollen würde da besser passen, denn auf einmal fühlte sich die junge Japanerin etwas sehr unbehaglich in ihrer Haut. "Und wehe ich sehe dich mit diesem Blatt wieder."

Dies gesagt, drehte sich Inu Yasha wieder um und liess die Higurashi verwirrt zurück. Die schwarzhaarige Frau hingegen konnte nichts weiter machen, als einfach nur dazustehen und dem Bandleader hinterher zu starren. Was zum Geier war denn das gerade eben?
 

Es war schon eine Weile her, seit Kagome diese Auseinandersetzung mit Inu Yasha hatte, dennoch…

°Warum? Warum will er dieses Lied nicht spielen?°, fragte sich das Mädchen jeden Tag. Die Musik war doch schon aufgenommen worden und der Text existierte seit einer halben Ewigkeit. Daher… wozu einen Song schreiben, wenn man den gar nicht performen wollte?

Ein Seufzen entwich der jungen Frau. Männer allgemein waren teilweise recht schwer zu verstehen, dieser aber übertraf sie alle. Wie kompliziert konnte er noch sein? Steckte hinter diesem Lied etwas, woran Inu Yasha sich nicht erinnern wollte? Das würde zwar seine Reaktion erklären, aber dennoch… Wäre es nicht besser, den Song irgendwo abzulegen, dass niemand es finden könnte? Oder es zerstören… obwohl so etwas Grausames von keinem Künstler verlangt werden konnte. Schliesslich war ein Song ein Werk, entstanden aus den Tiefen der Seele… vorausgesetzt es handelte sich dabei nicht um kitschige Popliedchen, die man für ein paar hundert Yen in einer halben Stunde geschrieben hatte.

Es brachte nichts, sich weiterhin über den Vorfall den Kopf zu zerbrechen. Ohne den Hanyou würde sie doch eh auf keine Antwort kommen. Dabei wüsste sie doch so gerne, was da los war…

"Fräulein Higurashi.", ertönte eine Stimme in ihrer unmittelbaren Nähe, was auch der Grund dafür war, das die Schülerin erschrocken zusammen zuckte. Sie war so sehr in ihre Gedanken vertieft, dass sie nicht einmal den Lehrer bemerkt hatte, der wohl schon eine Zeit lang neben ihrem Tisch stand. "Es tut mir ausgesprochen leid, dass mein Unterricht so langweilich für Sie ist, aber das müssen Sie nun mal hinter sich bringen."

Kagomes Wangen färbten sich rot, zumal nicht nur der Lehrer sondern gleich die gesamte Klasse sie anstarrte. °Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt, dass die Erde sich öffnet und mich verschlingt.°
 

Nach der Schule hatte sie sich mit Ayame und Sango verabredet. Mit ihren alten Freundinnen Eri, Yumi und Ayumi hatte sie schon lange nichts mehr gemeinsam. Während mit den beiden letzten Kagome noch die Pausen verbringen konnte, hatte Eri ihr gleich die Freundschaft gekündet. Der Grund dafür war die Band…
 

"Wie kannst du dich nur diesen… diesen…?" Eri fand einfach keine Worte, die Empörung überfüllte sie grenzenlos. "Das sind doch alles Rowdies! Und du tritst noch denen bei?!"

"Du kennst sie doch gar nicht, Eri.", erwiderte Kagome. "Das sind keine Rowdies, sondern ganz nette Leute."

"Ja, klar, und ich bin die Kaiserin von China. Wie können Dämonen, Halbdämonen und Menschen zusammen arbeiten?"

"Ganz gut sogar, musst du wissen." Wieder diese Rassenteilung. Wie die Schülerin dies doch hasste. "Wir respektieren uns gegenseitig."

"Respekt? Hör mal, Mädchen, dir ist es wohl entgangen, aber zwischen Dämonen und Menschen kann es keine Tolleranz geben und schon gar keinen Respekt. Komm mal runter, Kagome, die Welt ist nicht so heilig, wie du sie anscheinend siehst."

Da wurde es der Langhaarigen zu bunt.

"Weißt du was, stopf dir doch deine Vorurteile sonst wo hin, ich habe sie nämlich satt. Das sind meine Freunde, die du gerade angreifst. Und merk dir eines – auch wenn wir uns noch so lange kennen, heisst es noch lange nicht, dass mein Leben sich nur um deine Interessen dreht. Ich habe auch Wünsche, die ich mir erfüllen möchte, und wenn du damit nicht einverstanden bist, tut es mir auch leid."
 

Das war das letzte Mal, dass die zwei miteinander gesprochen hatten. Nun wechselten sie nur dann ein paar Worte, wenn dies unbedingt erforderlich war. Dabei verstand Kagome einfach nicht, was Eri nur gegen Ayame, Kôga und Inu Yasha hatte. So weit sie sich erinnerte, war diese nie in irgendwelche Konflikte zwischen den Rassen verwickelt gewesen. Dies würde wohl für immer ein Geheimnis bleiben…

Auf einmal schüttelte das Mädchen den Kopf. Es wäre besser, würde sie sich doch nicht den Kopf damit voll stopfen. Sie würde nun Sango und Ayame treffen und die drei würden einen schönen Nachmittag und Abend miteinander verbringen.

"Also, was wollen wir zuerst machen?", erkundigte sich die Schwarzhaarige.

"Wie wär's mit Garderobe erneuern?", schlug die Youkai ginsend vor.

"OK, ich wollte sowieso etwas für mein neues Bühnenoutfit schauen.", stimmte Kagome ihrer Freundin zu, sah dann aber zur anderen Anwesenden. "Sango?"

"Bin dabei."

Ein Lachen erklang, denn, auch wenn die Bassistin nicht wirklich danach aussah, liebte sie es, sich neue Kleider zu kaufen. Und für den nächsten Auftritt hatte sie sich etwas komplett Ausgefallenes ausgedacht. Sollte sie das Nötige in den Läden nicht finden können, würde sie es sich selber nähen – die Leidenschaft hatte die Braunhaarige von ihrer Mutter geerbt.

Ayame war hellbegeistert und ohne irgendwelche Vorwarnung wurden die beiden anderen Mädchen wortlos gepackt und in den nächstliegenden Laden geschleppt. Kagome vermutete zu dem Zeitpunkt schon, dass es ein verdammt langer Tag sein würde.

Sie hatte sich nicht getäuscht, denn als sie dann vier Stunden später bei sich zu Hause angekommen war, hatte sich die junge Frau wie eine ausgepresste Zitrone gefühlt. Dennoch war sie sehr zufrieden mit dem, was sie sich gekauft hatte. Zwar waren es lediglich ein paar Accessoires, aber wenn man wusste, wie man sie einsetzen konnte, war alles im grünen Bereich.

Nun aber hatte die Schwarzhaarige eher weniger Zeit, sich über ihre Einkäufe zu freuen – sie hatte vor der Probe noch etwas vor.
 

Im Proberaum angekommen, schloss sie sicherheitshalber die Tür, so dass man von aussen hin nicht sagen konnte, ob sie nun abgesperrt war oder nicht. Zwar war sie gute Stunde zu früh, aber man wusste nicht, wer alles früher kommen wollte und wie lange sie an dem Song arbeiten würde.

Die Tasche auf eine der Sofas fallen lassend ging die junge Frau zum Mischpult. Dort befand sich auch der Computer, mit dessen Hilfe sie des Öfteren Lieder abspielten, ihre eigenen oder von anderen, zum Covern oder auch zum Analysieren – das Zweite eher bei den Konkurenten. Sie schmunzelte etwas, als sie sich daran erinnerte, wie sie diese alte Klapperkiste zum Laufen gebracht hatten…

Dieses Mal suchte Kagome die Melodie aus, die, ihrer Meinung nach, zum Text am besten passte. Die Gewohnheit der Band, alle selbstgeschriebenen Melodien aufzunehmen, war das brillianteste, was die Schülerin je erlebt hatte. Nur noch etwas schneiden, damit es genug Zeit für die zweite Strophe gab, ein paar weitere kleine Korrekturen und schon konnte man den Song gleich auf eine CD brennen.

Alles war vorbereitet, die Melodie startklar, den Text hielt die junge Frau in der Hand. Ein letzter Check, dass das Mikrofon auch funktionierte. Anschliessend überflog sie noch mal den Song. Sie sollte sich ja nicht verhaspeln oder gar den Einsatz verpassen, weil sie ein Wort nicht aussprechen konnte. °Na dann… drei… zwei… eins…°, und schon drückte sie den Knopf.
 

Ich versuchte meinen Schmerz zu töten

Doch es brachte nur noch mehr (so viel mehr)

Ich liege im Sterben

Und ich giesse purpurrotes Bedauern und Betrug

Ich sterbe, bete, blute und schreie

Bin ich zu verloren

um gerettet zu werden?

Bin ich zu verloren?
 

Chorus:

Mein Gott, mein Wundenheiler,

Gib mir die Heilung zurück

Mein Gott, mein Wundenheiler,

Gib mir die Heilung zurück
 

Inu Yasha glaubte nicht, was er da zu hören bekam. Da kam man etwas früher und musste sich das anhören! Er hatte dieser Idiotin doch strengstens verboten, diesen Song auch nur anzuschauen! Warum war diese Frau nur so stur? Verstand sie denn kein Japanisch oder wie sollte er sich ihr Handeln erklären? Die würde noch was zu hören bekommen, darauf konnte sie Gift nehmen. Doch erstmal würde er sie fertig singen lassen. Es war einfach nicht seine Art, Musik in ihren allen möglichen Formen zu unterbrechen.
 

Erinnerst du dich an mich?

Haben uns für so lange verloren.

Wirst du auf der anderen Seite sein?

Oder wirst du mich vergessen?

Ich sterbe, bete, blute und schreie

Bin ich zu verloren

um gerettet zu werden?

Bin ich zu verloren?
 

Chorus:

Mein Gott, mein Wundenheiler,

Gib mir die Heilung zurück

Mein Gott, mein Wundenheiler,

Gib mir die Heilung zurück
 

(Gib mir die Heilung zurück)
 

(Ohhhhhh)
 

(Ich will sterben!)
 

Chorus:

Mein Gott, mein Wundenheiler,

Gib mir die Heilung zurück

Mein Gott, mein Wundenheiler,

Gib mir die Heilung zurück
 

Meine Wungen schreien nach dem Grab

Meine Seele ruft nach der Erlösung

Werde ich abgelehnt?

Christ? (Christ)

Wundenheiler

Mein Selbstmord
 

(Gib mir die Heilung zurück)
 

(Gib mir die Heilung zurück)
 

Kagome hatte sich vollkommen der Musik, der Melodie, dem Text hingegeben. Es war fast so, als würde sie zu Hause vor dem Spiegel singen. Für die meisten eine Blamage, so erwischt zu werden, für die Sängerin hingegen der Inbegriff der Freiheit.

Sie gab noch die letzten Töne von sich und sank auf den Boden. Sie konnte kaum glauben, was sie da gerade gesungen hatte. War das möglich…? Langsam hob sie ihren Kopf. Es hatte sie kein bisschen gewundert, Inu Yasha im Proberaum stehen zu sehen. Fast hatte sie ihn dort erwartet und wurde, allem Anschein nach, nicht enttäuscht. Der Hanyou hingegen war einfach nur geschockt, als er ihr Gesicht sah. Dieses war nämlich von Tränen durchnässt.

Kaum hatten sich ihre Blicke getroffen, wussten sie schon die Wahrheit. °Sie weiss es.°, dachte der Halbdämon, während in Kagomes Kopf andere Gedanken herumspunkten. °Dieser Song… es ist ein Abschiedsbrief… "Ein Grabstein für das Grab meiner Mutter…"… seine Mutter… sie… sie hat sich umgebracht!°
 


 

Originalsong von Evenescence - My Tourniquet



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  elfenschwert
2016-03-25T23:16:42+00:00 26.03.2016 00:16
*heul*...wann geht es endlich weiter ???
Von:  elfenschwert
2016-01-14T01:50:59+00:00 14.01.2016 02:50
...wow,...dieses kapitel haut einen echt um,...damit habe ich nicht gerechnet...deine songauswahl(en) find ich immer wieder beeindruckend...man kann sich dadurch auch sehr gut in die person hineinversetzen...bin auf die fortsetzung gespannt...


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