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Karamellbonbon

von

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Aufbruchsstimmung

***
 

Aufbruchsstimmung
 

„Leute, wir sollten uns langsam mal Gedanken machen, welche Lieder wir spielen wollen.“, fragend blickte Hero in die Runde, während in ihren Händen die Fragebögen für den Rest der Band ruhten.

„Was'n für Lieder?“, kam es gelangweilt von Nitan, die seelenruhig eine ihrer Strähnen um ihren Finger wickelte und in der neuesten Ausgabe der Elle blätterte. Nach dieser Aussage zuckte bei Ju die Augenbraue gefährlich nach oben, während die Anderen das süße Blondchen nur mit weit aufgerissenen Augen und fassungslosem Gesichtsausdruck betrachteten.
 

Ein leises Räuspern der IT-Website-Drummer-Presse-Managerin erklang, bevor sich ihre Stimme mit einem gefährlich, drohenden Unterton in die Stille des Raumes drängte. „Meine Liebe. ...“, begann sie und wartete, um die Aufmerksamkeit der Elle-Leserin zu bekommen, „... falls es dir entgangen sein sollte – was ich kaum annehme und daher gehe ich davon aus, dass dir das Gehirn raus gezwitschert wurde – wir geben in nicht einmal drei Monaten ein Konzert. In Russland.“, ein liebreizendes Mörderlächeln bekräftigte diese Aussage.

Nitan hob abrupt ihren Kopf und sah zuerst die Bandkollegin und dann den Rest mit einem unfassbaren Blick der langsamen Erkenntnis an. „Oh.“, war das erste leise Lebenszeichen, bevor sie ruckartig aufstand und Ju empört ansah.

„Was hast du eben gesagt?“, zischte sie. Die Hände waren zu Fäusten geballt.

„Das wir ein Konzert in Russland geben?“, lächelte es der lodernden Finnin entgegen.

„Das meine ich nicht, was du davor gesagt hast!“, diesmal kamen die Worte leicht schrill und schräg in der Tonlage, während die Unschuld sie noch immer brav mit erhobenen Mundwinkel ansah. „Was hab' ich denn gesagt?“

„Das … das … das mir das Gehirn rausgezwitschert ist.“

„Und?“, voller Erwartung wurde sie von der Halbchinesin betrachtet.
 

Die Luft entwich den weichen Polstern und wirbelte kleine Staubflocken auf, die sich jedoch gleich wieder im Segelflug auf die Landung vorbereiteten. Wütend hatte sich Nitan wieder auf ihre vier Buchstaben gesetzt und die Arme vor der Brust verschränkt. „Mit dir rede ich kein Wort mehr.“, brummte sie und drehte ihren Kopf demonstrativ von der Drummerin weg.
 

Hero gab ein Seufzen von sich: „Solange du noch mit uns auf die Bühne kommst und singst, meinen Segen hast du.“

Nun war es die Japanerin die mit Blicken bedacht wurde. Sich plötzlich unwohl in der Haut fühlend, zuckte das Mädchen mit den Schultern und meinte daraufhin: „Na, was denn? Wenn sie mit Ju nicht mehr reden will, bitte. Hauptsache ist doch sie singt, oder?“
 

Zuerst geschah nichts. Doch dann bebte der Raum von ungehaltenen Gelächter, dass bei den männlichen Anwesenden ein leichtes Vibrieren mit sich brachte und in manch Frauenohr für wahre Hochstimmung sorgte.

Es war Kari, die nach einigen vergossenen Lachtränen wieder zu sich fand und mit amüsierten Blick zu Hero auf die Blätter deutete, die noch immer ein auf dem Arm hängendes Dasein fristeten.

„Sind das die Vorschläge?“, kicherte sie.

Wieder auf den Boden gebracht und in der Realität zurück, meinte Hero leicht verwirrt von dem vielen Stimmungswechseln: „Eh... nein, dass ist nur ne Auflistung von allen Liedern. Dachte wir stimmen gemeinsam darüber ab.“

„Auch gut.“,zwinkerte Ju und streckte ihre Hand entgegen. „Her damit.“
 

*
 

Er war in sein Buch vertieft und lehnte den Kopf an den kalten Fensterrahmen, während Leni sich im Schlaf näher an Dima gekuschelt hatte. Es war aber auch kein Wunder, das Abteil war kaum beheizt und außerhalb des Zuges herrschten Minusgrade – Vorboten des nahenden Schneesturmes. Diesem Unwetterschauspiel waren Kostja, Dima und Leni nur durch den Anruf von Beljajew entkommen, der eigentlich nur seine WM-Teilnehmer vor einem frühzeitigen Aus bewahren wollte.

Im Radio hatten die drei erfahren, dass von den Wetterfachleuten prognostiziert wurde, das die heftigen Winterstürme nicht nur intensiver, sondern auch für einen längeren Zeitraum andauern und Zahlreicher sein würden. Eine Zugfahrt war bei solch einem Schneetreiben unmöglich, da die Schienen einfach zu schnell eingeschneit werden würden.

Um zu verhindern, dass seine Schützlinge nicht rechtzeitig zu den Trainingseinheiten in Moskau eintrafen, hatte Beljajew einfach vorgesorgt und telefonisch zwei Tickets für die Beiden am Schalter des örtlichen Bahnhofs hinterlegen lassen. Lenis Karte hatte Dima in Kauf genommen, für den das Ganze ein Trinkgeld an den Schaffner war – natürlich musste Kostja in der Zeit die gute Seele der 3er WG mit anderweitigen Dingen beschäftigen, damit diese von dem Kauf nichts mitbekam. Die Jungs kannten ihr Mädchen gut genug, um zu wissen, dass sie auf der Stelle umgedreht wäre.

Überhaupt war Kostja merkwürdiger Weise froh darüber, es noch rechtzeitig geschafft zu haben, los zu kommen. Obwohl er keinen Sinn darin sah, sich wieder fertig zu machen, nur um am Ende den zweiten Platz zu ergattern, war er nach dem Telefonat sofort in sein Zimmer packen gegangen. Verwundert über sich selber legte der junge Russe sein Buch bei Seite und sah der vorbeifliegenden Landschaft zu. Erkennen tat er nichts, da alles in dem grellen Weiß des umherwirbelnden und liegenden Schnees unterging.

Kostja blinzelte mehrmals und versuchte sich daran zu erinnern, warum er nicht einfach abgesagt hatte.
 

„Hoffentlich hat Beljajew uns ernst genommen, als wir gesagt haben, dass wir Leni mitnehmen.“, brummte Dima in die Stille hinein und riss damit seinen Gegenüber aus den Gedanken. „Hm.“, gab Kostja noch immer nachdenklich zur Antwort.

„Ich mach mir nur Sorgen, falls der Typ das nicht gecheckt hat.“, gab der Ältere zum Einwand und verschränkte seine Arme vor der Brust. Dabei warf er einen Blick auf Leni, die ihre Wange an seine Schulter geschmiegt hatte, während ihr brünettes Haar in sanften Wogen das Gesicht umrahmte.

„Er wird schon dran denken. Du hast es ihm schließlich mehrmals gesagt.“, meinte Kostja matt und suchte die Stelle im Buch, an der er mit Lesen aufgehört hatte. Dima sah von der Schlafenden auf und bedachte seinen Trainingskollegen mit verstimmter Mimik. „Und wenn nicht?“

„Dann wirst du auf dem Sofa schlafen und Leni in dem Bett, was für dich bestimmt war.“, gab dieser ohne aufzublicken von sich. Kurz darauf erklang ein empörtes Schnaufen: „Und was ist, wenn ich gerade deswegen, weil Beljajew nicht an Leni gedacht hat und ich dafür auf dem viel zu unbequemen und kleinen Sofa schlafen musste, gleich meinen ersten Kampf verliere?“

Bei Kostja zuckten die Mundwinkel minimal nach oben, bevor er ruhig und gelassen antwortete: „Dann tauschen wir halt und ich schlaf' auf dem Sofa und … “, weiter kam der junge Russe nicht, da Dima mit seiner Stimme dazwischen donnerte: „Natürlich! - “, meinte er sarkastisch und sprach weiter: „ - und dann kommst wieder nur auf den Zweiten oder wirst gar noch Dritter und wer bekommt es dann dreifach auf den Deckel? - Ich!“

„Wieso dreifach?“, verwundert wurde der Ältere von Kostja angesehen. „Du, Leni, Beljajew. -“, brummte Dima und zog eine schmollende Mädchenschnute, „ - der alte Zausel wird mich wie Leni fertig machen, weil ich nicht auf dem Sofa geschlafen hab und du -“, mit festen Blick sah er den jüngeren Trainingspartner an, „ - du, wirst mich zwar nicht direkt angehen. Aber wenn ich dann zusehen muss, wie gefrustet du dann durch das Leben gehst. - Ne! Glaub mich, ich nehm das Sofa, du und Leni das Bett.“, damit war die Sache für Dima gegessen und er blickte stur hinaus in die weiße Flockenlandschaft.
 

*
 

Eine Stunde hatte es gedauert, doch jetzt standen sie in Formation vor Hero und spielten jedes Lied einmal an, um zu entscheiden, welches sie nehmen und wie die Reihenfolge sein würde. Das die junge Japanerin das Einsingen lieber ihren Freunden überließ, lag daran, dass sie siebzig Prozent der Melodien komponiert hatte. Hero war was Musik anging eine kleine, schüchterne Hochbegabtheit – die mit einem Abwinken der Hand oder dem verlegenen Lachen, diese Feststellung gerne zu vertuschen versuchte. Meist gelang ihr es sogar.

Leider war das kein Garant, dass der Rest der Crew sie beim Auftritt nicht doch noch dazu zwang die Stimme zu erheben und ihre eigenen Balladen vom Besten zu geben und Singen, dass konnte sie neben all der Komponiererei auch noch. Dafür hatte sie an anderen Stellen gewaltige Defizite aufzuweisen, die Nitan liebend gerne schon längst aus der Welt gesprengt hätte, gäbe es nicht Ju. Die junge Halbchinesin wurde in Gegenwart der Japanerin zu einer Glucke, die ihr Küken nicht aus den Augen ließ und vor alles und jeden zu beschützen versuchte. Seit dem Weihnachtsvorfall hatten aber die gesamte Gruppe einen wachsamen Blick auf Hero und ihre männliche Umgebung – falls diese nicht schon vorher durch den männlichen Anteil der Crew die Flucht ergriffen.
 

„Seid ihr euch sicher, dass es dann nicht mit einen Intervall in F-Dur weiterging und dann erst der Rhythmus in einen zweiter Takt wechselt?“, unterbrach Hero das musikalische Klangwerk und sah irritiert zwischen den Notenblättern in ihrer Hand und den Gesichtern der Musiker hin und her, die ohne Noten das Werk zu spielen wussten.

„Hero, das ist die alte Fassung, die du da vor dich hältst.“, meinte Kari und ging blätterte in ihrem geschlossenen Ordner nach dem Musikstück. „ - Du hast mich Jack vor dem Weihnachtskonzert diese Stelle noch einmal abgeändert, weil es sich im gesamten nicht harmonisch genug eingefügt hat.“, sprach die Brasilianerin weiter und zeigte auf die korrigierte Stelle.

Neugierig kam Hero näher und besah sich die Abänderung. Nur langsam kam die Erinnerung an den Nachmittag zurück. „Ah, ja. Stimmt.“, gab sie peinlich berührt zu und kritzelte sich die Abänderung in ihre Notizen. Währenddessen wandte sich Gilbert an Ju: „Sag, wie lange spielen wir eigentlich?“ - „Ähm, der Veranstalter meinte, so zwei Stunden müssten wir schon durchhalten, sonst lohnt es sich nicht.“

„Na, die schaffen wir dicke!“, protzte Nitan, während sie sich mit ihren Fingern die Haaren verzwirbelte. „Wir haben zu Weihnachten fast vier Stunden non stop gespielt, da ist ja das ein Kinderspiel.“ - „Da haben wir aber auch einige Lieder mit Technobeats unterlegt, damit abgerockt werden konnte.“, widersprach die Halbchinesin, „Und das waren ja unsere längsten Songs, die fast zehn Minuten gingen. - Die Veranstaltung in Moskau wird eine eine reine gesangliche Darbietung.“

Nitan winkte daraufhin nur mit der Hand ab und band sich die Haare nach oben. Ihr Selbstbewusstsein war gigantisch und manchmal wünschte sich Ju, die Blonde würde dem Rest der Gruppe hin und wieder was abgeben und dafür etwas vom introvertierten Verhalten von Hero abbekommen. Leider war dies ein Wunschdenken, obwohl sie selber sagen und zugeben musste, dass sich die kleine Japanerin gemausert hatte. Natürlich hatte es nach Weihnachten einen enormen Rückfall gegeben, doch seit Silvester schien die Jüngste der Truppe einigermaßen wieder in den Alltag gefunden zu haben.
 

*
 

Japan wurde noch immer von schweren Schneestürmen der brutalsten Art heimgesucht. Vereinzelte Stellen des Tokioter Hafens waren von einer zehn Zentimeter Eisschicht bedeckt. Gleichzeitig verursachte die langanhaltende Kälte vermehrten Ausfällen der Stromverbindungen. Da die Korrosion sich durch die gummiartige Ummantlung der Kabel fraß und diese brüchig werden ließ – am Ende brauchte es nur einen mittleren Windstoß, um die Stromkabel endgültig zum Brechen zu bringen.

Aus Angst, der Winter könnte sich bis in das späte Frühjahr ziehen, entschloss die Kendo-Vereinigung Japans ihre Teilnehmer bei der nächstbesten Wetterlage außer Landes fliegen zu lassen. Die Vorbereitungen waren in Eile getroffen wurden, doch die Umsetzung ließ an nichts zu wünschen übrig.
 

Takeru hatte ihr von dieser Maßnahme erzählt. Natürlich hatte sich Akemi gefreut, dass die Trainervereinigung des Kendosports so an ihre Sportler dachte, gleichzeitig hatte es ihr auch einen Stich versetzt, da ihr bewusst wurde, dass ihr Geliebter jederzeit abberufen werden konnte; ohne dass sie eine eventuelle Chance der Verabschiedung bekommen würde. Daher glich jeder Abschied einer Verabschiedung.
 

Seine Hände hielten ihre Finger zärtlich vor seine Lippen, während er wispernd beruhigende Worte sprach.

„Der Wetterbericht hat für die nächsten zwei Wochen das gleiche Wetter angesprochen.“, er sah ihr in die Augen. „Wenn wir Glück haben..“, federleicht berührte sein Mund ihre Fingerspitzen, „... dann kann der reguläre Termin eingehalten werden und wir haben noch jede Menge Zeit.“

Seine Hand löste sich und strich ihr eine Schneeflocke aus den Haaren, während er ihr immer näher kam und zärtlich die Ecke ihres Mundes küsste, um langsam und mit bedacht ihre Lippen vollkommen mit seinen zu belegen. Gleichzeitig wanderte seine Hand zu ihrer Wange und blieb dort wärmend liegen.

Akemi hatte schon längst die Augen geschlossen und schmiegte ihr Gesicht an seine wärmte Handinnenfläche. Nach der ersten streichenden Berührung seiner Zunge öffnete sie ihre Lippen und ließ zu, dass sich die zarten Berührungen zu etwas Intensiverem wandelten. Ihr Finger lagen nicht mehr in seiner Hand, sondern strichen bedacht dürch sein schwarzes, und von dem fallenden Schnee durchnässtes Haar; glitten unter seinen Schal den Hals hinab und massierten mit fordernden Druck den männlichen Nacken.

Ein Arm umschlang ihre Taille und veranlasste sie ruckartig näher an ihn heranzutreten. Etwas, was sie dazu veranlasste sich an seiner Schulter festzuhalten und den Finger der anderen Hand durch sein Nackenhaar zu streifen.

Der Druck auf ihren Lippen wurde heftiger und die Zunge forscher. Sie genoss es und gab es durch ein gefühlvolles Seufzen kund. Ein Prickeln stieg in ihr auf. Ein Gefühl, dass sich in den letzten Tagen, seit sie mit Takeru zusammen war immer mehr intensivierte, je heftiger ihre Küsse wurden.

Sie lösten sich von einander, atmeten nah beieinander die kalte Winterluft ein und fanden sich kurz darauf wieder. Diesmal lehnte sich nach kurzer Zeit an der Eingangstür ihres Elternhauses und zog ihn am Kraken seines Mantels näher an sich.

„Ich sollte jetzt gehen.“, flüsterte Takeru. Wissend, dass hinter den seidenen Gardinen wachende Augen auf das Geschehen blickten.

„Noch nicht.“, wisperte Akemi atemlos und drängte ihre Lippen wieder an die Seinen.

„Ich muss.“, meinte er und brachte Abstand zwischen sie und ihm. Er küsste sie auf die Stirn und vergrub seine Hände in die Manteltaschen. Sein Handy vibrierte und verriet ihm, dass er sich schleunigst auf den Weg machen sollte.
 

Sein Großvater, ein gütiger Mann. Er rief ihn immer an, wenn er die Zeit vergaß und schon längst daheim sein sollte, um sich auf den Wettkampf vorzubereiten. Ein Bündnis zwischen Enkel und Großvater, das geschlossen wurde, als Takeru Akemi als seine feste Freundin erwählt hatte und sie diese Entscheidung mehr als nur bejaht hatte.

Und alles nur, damit sein Vater keinen Tobsuchtsanfall bekam. Eine Freundin war nach der Ansicht seines Erzeugers nur eine dumme Ablenkung vom Training. Schwachsinn. Für Takeru war Akemi der rettende Anker all die Jahre gewesen und jetzt war sie seine süßeste Ermutigung zum Training.
 

Mit einem tiefen Seufzer zog er sein Handy aus der Tasche und zeigte es ihr mit wehleidigen Gesichtsausdruck. Sie besah sich das Display, presste ihre schönen Lippen aufeinander und sah ihn an. „Noch ein Kuss.“, hauchte sie mit Blick auf seinen schön geschwungenen Mund, der wie ihrer leicht gerötet war und so erregende Gefühle in ihr weckte.

„Noch einen.“, flüsterte er kurz darauf an ihre Lippen.
 

Opa Masao drehte sich von dem Fenster weg und brummte. „Der schwängert sie ohne, dass sie sich ausziehen muss.“

Geschockt über diesen Ausspruch sah Oma Ono ihn an und schnappte nach Luft. „Masao.“, hauchte sie und blinzelte einige Male, bis sie ihre Stimme wieder hatte. In der Zwischenzeit hatte sich ihre Gatte an den Esstisch gekniet und besah sich die köstlichen Speisen.

„Soweit ich mich erinnern kann,“, begann Oma Ono, „warst du noch viel schlimmer.“ Auf den darauffolgenden empörenden Gesichtsausdruck, bestätigte sie dies mit einem „Jawohl“ und wandte sich ihrer Strickarbeit zu, während Beide auf ihre ältestes Enkelkind warteten.
 

*
 

Vom Bahnhof hatte Beljajew seine beiden Schützlinge und deren Verpflegungsmanagerin mit einem Mercedes-Geländwagen abgeholt. Der Schnee lag hier fast genauso hoch, wie in dem kleinen Ort aus dem die Drei mit dem Zug geflohen waren; doch hier wurden die wichtigsten Straßen professionell geräumt und gestreut.

Zügig für Moskauer Verhältnis schlängelte sich das schwarze Gefährt durch den massigen Verkehr und hielt irgendwo nah am Zentrum der russischen Hauptstadt vor der riesigen Glasfügeltür eines Hotels. Interessiert blickte Dima aus dem Fenster des Autos und starrte nach oben. Der Name des Gebäudes war nicht zu erkennen, denn den Prunk am Eingang besaßen viele Hotels in Moskau. Doch eines wusste er jetzt schon, nachdem er ausgestiegen war, es konnte höchstens eine drei Sterne Unterkunft sein – der Türöffner für weitere Sterne fehlte.

Da sie nicht viel Gepäck bei sich hatten, brauchten sie keinen Pagen für ihre Sachen. Mit Unbehagen standen Kostja und Leni im weitläufigen Wartebereich während Dima bei seiner Besichtigung hier und da die Nase leicht rümpfte und offen andeutete, dass er besseres gewohnt war. Jedoch sprach er dies nicht aus.

Erleichtert, das Beljajew auch an Leni gedacht hatte, nahmen die Drei die Schlüssel entgegen. Leni würde ein Einzelzimmer bekommen, während für die beiden jungen Männer der Wohnbereich eines Doppelzimmers zum Schlafbereich umgebaut worden war. Freiwillige beschloss Dima in dort zu schlafen, damit der Champion einen seligen Schlaf bekam. Nach dieser Aussage hatte er sich von Kostja einen bösen Blick und von Leni einen Schlag an den Arm eingefangen. Seinem Grinsen tat dies kein Abbruch.
 

„Also.“, meinte Beljajew. „Ich werd euch mal ankommen lassen. Ich meld mich bei euch.“, dabei sah er Kostja und Dima an, „wenn eure Trainingszeiten endgültig feststehen und bei den anderen organisatorischen Sachen.“, damit verabschiedete er sich und ließ die drei allein in dem Hotel zurück.
 

Leni war kurz darauf ebenfalls in ihren Räumlichkeiten verschwunden und war am auspacken, wie Dima. Nur Kostja stand in vor dem Bett, auf dem er die Nacht verbringen sollte und betrachtete dieses argwöhnisch. Niemals. Er würde zwar auf dem Bett schlafen aber in seinem Schlafsack. Die Abneigung gegen fremde Matratzen und Bettwäsche kam in ihm hoch und er wandte sich schnell von dem Doppelbett ab. Mit schnellen Schritten ging er ans Fenster und sah hinaus auf die vielbefahrene Straße. Zwischen den Häuserfronten hindurch konnte er den roten Stern am Roten Platz sehen und die bunten Zwieblkuppeln der Basilius-Kathetrale.

Seine Hände vergruben sich in den Hosentaschen seiner Jeans und der Duft von Karamell stieg ihm in die Nase. Für einen Moment erlaubte er es sich die Augen zu schließen und einfach nur in Erinnerungen zu schwelgen. In Erinnerungen an sie. Als er wieder aus dem Fenster sah, manifestierte sich ein Bild in ihm von ihr, von der vagen Vorstellung ihres jetzigen Aussehen. Unwirsch schüttelte Kostja den Kopf und senkte seinen Blick. Ausgerechnet dieses Bild. Er musste später nochmal auf die Website. Und dennoch fand er sein Benehmen so Schwachsinnig, sie konnte wer weiß wie aussehen und er stellte sie sich wie dieses weibliche Bandmitglied vor. Diese Augen, diese verdammten Augen; ihre Augen.

Als er sich wieder dem Raum zuwandte, entdeckte er Dima, der mit einem wissenden Lächeln an der Tür lehnte, die beide Räume verband.

„Alter. Erzähl mir endlich, wer sie ist.“, mit dieser Aussage wusste er, dass gleich irgendwas auf ihn zugeflogen kam. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht mit - „Von ihr hab ich das Karamellbonbon. Sie ist Katos Schwester.“
 

*
 

Ein Kribbeln durchfuhr ihren Körper als sie das Ticket in den Händen hielt. Bald würde es losgehen. Immer wieder drehte sie das Stück Papier in ihren Fingern und besah sich den Abflugtermin. Noch ein wenig, noch ein wenig warten und dann wäre sie in Russland. Seinem Land.

Sie würde ihn wiedersehen. Nicht im Fernsehen, wie sie es die letzten Jahre getan hatte, sondern leibhaftig. - Ihr Atem stockte. Sie würde beide wiedersehen. Ihn und ihren Bruder. Das Herz in ihrem schlanken Körper schlug heftig und ein erregtes Zittern durchfuhr ihre Nerven. Die Aufregung ließ sie beben.

Bald. Ganz bald. Mit diesen Worten schloss sie ihre braunen Augen und lächelte.
 

Ende siebtes Kapitel



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