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Blut und Sand

Das Schicksal einer Gerudo
von

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Mit trippelnden Schritten verließ Ringo den Raum und entschwebte so schier dem Ort des Geschehens. Kopfschüttelnd, aber dennoch schmunzelnd, sah Link dem verrückten Handwerker hinterher. Der junge Held der Zeit fragte sich allen Ernstes, ob John, Paul, George und Ringo überhaupt dazu in der Lage waren, die Festung zu verlassen, ohne indes sofort von den Gerudokriegerinnen entdeckt und zurück in die Zellen gebracht zu werden. Die vier erweckten nicht gerade den Eindruck, mit der Katzenhaftigkeit eines Shiekah gesegnet zu sein, oder auch nur mit der geringsten vergleichbaren Anmut schleichen zu können. Sie wirkten eher plump und schwerfällig, wie ... nun, wie ganz gewöhnliche Handwerker eben.

Das plötzliche, sehr nahe, wenn auch nur leise Rascheln von Stoff ließ den Helden herumfahren und in derselben Bewegung das Schwert aus der Scheide ziehen. Doch seine kriegerischen Reflexe waren dieses Mal überflüssig. Die Gerudo hinter ihm machte nicht den Eindruck, als wolle sie ihn angreifen. Mehr noch: Sie hob in einer lässigen Bewegung die Hände und applaudierte. Nicht frenetisch, eher herablassend mit einem spöttischen Grinsen im Gesicht und verächtlich blitzenden Augen.

"Ich bin beeindruckt", erklärte sie. Ihre Stimme klang wie das sanfte Schnurren einer Katze. Einer sehr großen Wildkatze. "Um an unseren Wachen vorbeizukommen, muss man schon sehr geschickt sein. Ich habe immer gedacht, alle Typen außer Ganondorf wären ziemliche Waschlappen... Aber ich muss meine Meinung ändern!

Unsere Anführerin Naboru hat mir die Verantwortung für diese Festung übertragen. Naboru ist die Stellvertreterin des mächtigen Ganondorf, des Herrn der Gerudokriegerinnen. Sie ist gerade auf dem Weg zum Geistertempel, der sich jenseits der Wüste befindet. Sie vermutet dort ein wertvolles Relikt.

Du willst also einer von uns werden, was? Na gut, Du hast Deine Fähigkeiten bewiesen! Du bist nun ein Gerudo! Nimm dies. Damit kannst Du Dich in der Festung frei bewegen!"

Sie zog aus einer Gürteltasche einen kleinen, inzwischen recht abgenutzten und bräunlichen Zettel hervor. Link nahm das Ding entgegen. In verschnörkelten Zeichen stand dort <Gerudo-Pass> geschrieben, einmal auf Hylianisch, und darunter in der Sprache der Gerudos.

"Ab jetzt kannst Du das Tor zur Wüste durchschreiten, wann immer Du willst", erläuterte sie weiter. "Dort findest Du den Geistertempel, in dem sich die herrliche Naboru zur Zeit aufhält."

Noch immer starrte Link etwas skeptisch auf den bekritzelten Zettel in seinen Fingern.

"Ein verdammtes Stück Papier kann die ganze Welt bedeuten", murmelte er vor sich hin.

"Willst Du es nicht?", zischte die Kriegerin und hob fragend eine Augenbraue.

"Doch, doch!", versicherte Link schnell. Er wurde furchtbar verlegen.

"Dann mecker nicht", antwortete die Gerudo im Herumdrehen. Geschmeidigen Schrittes verließ sie den Raum.

Link beeilte sich, ihr zu folgen. "Vielen Dank! Für den Pass, meine ich", fügte er hinzu und verstaute den Ausweis in einer Gürteltasche. "Ich bin übrigens Link."

"Ich heiße Jude", sagte sie. "Wie zum Teufel kommst Du eigentlich dazu, einfach so unsre Gefangenen zu befreien?"

Link hob beschwichtigend die Hände. "Es sind doch bloß Handwerker! Ich meine, was sollen die denn groß verbrochen haben?"

Jude warf ihm einen grimmigen Blick zu. "Sie jaulen uns die Ohren voll!"

"Hä? Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz..."

Die Gerudo seufzte resigniert und schüttelte den Kopf. "Der eine von ihnen, George, er hat sich offenkundig in mich verknallt, dieser Idiot. Da brauchst Du gar nicht so zu grinsen!"

"Entschuldigung." Link wurde wieder ernst. "Fahre bitte fort."

"Jedenfalls hat er alles versucht, in meiner Nähe zu sein", grummelte Jude, während sie weiter den langen Gang entlangschritt. "Er hat sogar seine Kumpels dazu überredet, ihm dabei zu helfen. Er hat es wirklich übertrieben, als George mit seinen drei Affen hier angetanzt kam und verkündete, sie wollen den Gerudos beitreten. Aber Waschlappen lassen wir nicht in unsere Mitte. Doch das war ja nur die Spitze des Eisbergs. Du solltest mal ihr Gejammer hören, das sie als Musik bezeichnen! ...Oder nein, lieber nicht. Das will ich noch nicht mal meinem ärgsten Feind antun."

Link war stehen geblieben und starrte Jude verdutzt nach. "Sie ... singen?"

Jude hielt an und wandte sich zu ihm um. "Das kann man nicht singen nennen! Und überhaupt, diese Texte! Wenn ich es mir recht überlege, bin ich sogar fast froh, dass Du sie hier raus gebracht hast."

"Weil?", hakte Link nach.

Das Gesicht der Kriegerin verfinsterte sich bei dem bloßen Gedanken. "Selbst, als sie hier eingesperrt waren, in Einzelhaft, die Zellen so weit von einander entfernt, wie nur irgend machbar, haben sie mit einander kommuniziert. Singend. Sie haben so laut geheult, dass die Festung in ihren Grundmauern gewackelt hat. Ich habe noch immer diesen bescheuerten Text im Ohr:

Help, I need somebody,

Help, not just anybody,

Help, you know I need someone ... help!

So ging das fast ununterbrochen."

Als Jude in Links verständnisloses Gesicht blickte, erklärte sie: "Das ist ein Gerudo-Dialekt, wie er in Hyrule anscheinend nirgendwo gesprochen wird. Grob übersetzt, die vier Jungs haben nach Hilfe gerufen. Oder nach Hilfe gesungen. Wie auch immer. Es zeigt bloß, wie bescheuert dieser George geworden ist. Er hat sich und seinen Kumpanen sogar unsere Sprache beigebracht. Wenn ich herausfinde, wer ihr Lehrer war, verarbeite ich denjenigen zu Hackfleisch und röste ihn auf kleiner Flamme."

Damit machte sie eine halbe Drehung, sodass ihr langes, tiefrotes Haar in hohem Bogen um ihre Schultern herumflog, und verließ den Gang. Auch Link setzte sich wieder in Bewegung und folgte ihr nach draußen. Die untergehende Sonne bemalte den Himmel mit allen nur erdenklichen Farben, die zwischen Pastellrosa und Weinrot lagen. Das rötlich-braune Gestein, aus dem die ganze Festung gehauen war, färbte sich langsam dunkel. Schatten begannen zwischen winzigen Sanddünen und Fußabdrücken zu tanzen. Obwohl sich der Tag dem Ende zuneigte, flirrte die Luft noch immer vor Hitze. Als Link sich mit wenigen Schritten von dem Gang entfernte, kam er sich vor, als renne er gegen eine massive Wand, statt einfach durch Luft zu gehen. Er brauchte einen kleinen Moment, sich an die veränderten Verhältnisse zu gewöhnen, denn innerhalb des Gebäudes war es zumindest schattig und kühl gewesen. Dennoch verschlug ihm die Schönheit des Anblicks den Atem. Von seinem Standort aus konnte er über das geschlossene Tor hinweg bis in die Gespensterwüste sehen. Die Sonne war nur noch zu einem Halbrund am Horizont geworden. Er schirmte sie mit den Fingern ab und ließ seinen Blick über die sandige Ebene gleiten. Was immer ihn dort für Gefahren erwarten mochten, er würde sie auf sich nehmen um den Geistertempel aufzusuchen und den letzten gefangenen Weisen zu befreien. Doch dafür war es an diesem Tag bereits zu spät.

Link wandte den Kopf und richtete seinen Blick prüfend zu den Gebäuden. Wer immer sich die Mühe gemacht hatte, diese Festung aus dem blanken Felsgestein zu hauen, er hatte ganze Arbeit geleistet. Es musste ein unvorstellbares Bauprojekt gewesen sein, das vielleicht schon vor Jahrhunderten stattgefunden hatte. Und es hatte sich gelohnt. Das Refugium der Gerudos konnte sich mit Fug und Recht eine stolze Festung nennen. Auf der einen Seite lag die Gespensterwüste. Wer immer sich dort hindurchkämpfte, war am Ende der Reise zu müde, um den Gerudos tatsächlich schaden zu können. Auf der andren Seite gab es nichts als eine Brücke zwischen dieser Hochburg und Hyrule. Es hatte eine Brücke gegeben, berichtigte sich Link in Gedanken. Die Gerudo hatten ja immerhin ganze Arbeit geleistet, das Ding einstürzen zu lassen. Was diese vier verrückten Bänkelsänger trotzdem nicht davon hatte abhalten können, hier ein Ständchen nach dem andren zu geben. Link fragte sich, ob sie die Brücke nun reparieren und auf diesem Wege abhauen würden. Er wusste nämlich nicht mit letzter Sicherheit, ob er Epona noch einmal dazu bewegen konnte, über diesen gewaltigen Abgrund zu springen. Bei diesem Gedanken fragte er sich gleich, wo sie wohl abgeblieben war. Doch wie er den kleinen Ausreißer kannte, hatte sie sich irgendwo ein ruhiges Fleckchen gesucht, wo sie grasen und warten konnte, bis ihr Herr wieder kam. Kluges Pferd. Lud keine gefährlichen Abenteuer auf sich. Link hatte manchmal das Bedürfnis, mit ihr zu tauschen. Andererseits war er sich nicht sicher, ob ihm Gras tatsächlich schmecken würde. Und Epona mit dem Triforce auf dem Huf und einer grünen Mütze zwischen den Ohren...

"Wenn Du fertig bist, Löcher in die Luft zu starren", riss ihn Jude in ungeduldigem Tonfall aus den Grübeleien, "dann können wir ja endlich mal weiter."

"Klar", antwortete Link etwas aufgeschreckt und wandte sich der Kriegerin zu. "Ich hätte sowieso nicht gewusst, wie ich mein Pferd hätte auf meinem Rücken tragen können." Dann fragte er: "Wohin eigentlich?"

Die Gerudo bedachte ihn mit einem Blick, als würde man von ihr verlangen, einen Baum zu heiraten. "Was?", hauchte sie vollkommen perplex.

"Na, wohin?", wiederholte Link nachdrücklich. "Ich meine, wohin wollen wir? Wo willst Du mich hin führen?"

Jude schüttelte den Kopf, wie es jemand tun würde, der ein lästiges Insekt loswerden wollte. Oder einen abstrusen Gedanken. "Folge mir einfach", antwortete sie, nun schon etwas gefasster. "Gehen wir feiern, dass Du nun ein ... skrupelloser Bandit bist. Ein echter Gerudo." Sie schritt auf eine Treppe zu.

"Du musst meinetwegen keine Party geben", erklärte Link. Er dackelte ihr nach.

"Tu ich nicht", antwortete Jude. Zum ersten Mal wirkte das Lächeln auf ihren Lippen echt, und Freude blitzte in ihren dunklen, golden schimmernden Augen. "Wie es der Zufall will, bist Du an einem ganz besonderen Tag zu uns gestoßen."

Link dachte nach. "Freitag?"

"Heute ist Samstag, Du Null." Die Gerudo legte sich seufzend die Hand über das Gesicht. Wahrscheinlich wog sie gerade ab, ob es das wert gewesen war, George und seine Kumpels gegen Link getauscht zu haben. "Und nein, das meine ich nicht. Heute ist Ref-Shaikar al'Tak, die Feier der großen Schlangengöttin Shetája. Sie ist die höchste Göttin für uns Gerudo. Sie wacht über das Volk der Wüste und über die Geister. Die Feier wird Dir gefallen. Meine Mädels haben wochenlang geübt wie die Bekloppten."

"Geübt?"

Doch Jude ließ sich nicht mehr Informationen entlocken. Sie warf dem jungen Kämpfer nur ein Du-wirst-schon-sehen-Grinsen zu und führte ihn weiter Treppen, Pfade und Gänge entlang. Der Hylianer verlor sehr schnell die Orientierung, was ihm ansonsten nicht so leicht passiert wäre. Doch er musste feststellen, dass die Tunnels und Wohnebenen noch sehr viel weiter ins Felsinnere vordrangen, als er das an dem einen Tag hatte auskundschaften können. Er war nur froh, dass er die vier Gefangenen verhältnismäßig schnell hatte aufspüren und befreien können, ansonsten hätte er sich möglicherweise hoffnungslos verlaufen.

Die Wände der Häuser und Gänge waren gespickt mit Schlangenmalereien, und Skorpionstatuen grinsten ihm an jeder Ecke entgegen. Das und Hunderte weiterer Details waren ihm entgangen, als er das erste Mal auf leisen Sohlen durch die Festung geschlichen war, um die Handwerker zu finden. Nun, da er sich nicht mehr davor in Acht nehmen brauchte, ob ihm jemand an den Kragen wollte, hatte er eher Augen für seine Umgebung. Neben Ornamenten an den Decken und den Wandmalereien gab es noch Gemälde von Palmen oder Dünen oder Sonnenuntergängen oder Kriegerinnen in heroischen Posen. Halbnackte Skulpturen prangten aus präzise behauenem Gestein. Link gab sich Mühe, nicht länger als unbedingt nötig hinzusehen. Steintafeln kündeten von den Taten großer Banditinnen. Hier und da lagen schon mal eine Golddublone oder ein grüner Rubin herum. Vasenmalereien erzählten von den Wesen, die in der Wüste lebten. Der Hylianer konnte sich gerade noch davon abhalten, den Inhalt der Vasen näher zu studieren, indem er sie, zum Beispiel, mit voller Wucht gegen die Wände gepfeffert hätte. Vielleicht steckte tatsächlich weitaus mehr von einem Gerudo in ihm, als er das selber die ganze Zeit gewusst hatte.

Jude gab sich nicht die Mühe, auf die Kunstgalerie einzugehen, in der sie schon ihr ganzes Leben verbracht hatte. Sie blieb nur irgendwann stehen, schob einen Vorhang zur Seite, wies auf den dahinter verborgenen Gang und grinste. "Da sind wir. Bitte nach Dir."

Nach wenigen Schritten und einer Biegung war der Gang zu Ende und Link fand sich in einem Tanzsaal wieder. Die Decke hing zwar relativ niedrig, doch der Raum dehnte sich unglaublich in die Länge und in die Breite. Er befand sich tief im Inneren des riesigen Felsens, aus dem die ganze Festung gehauen worden war, und Link wollte lieber nicht wissen, wie viele Tonnen Gestein über seinem Kopf hingen. Die Luft war dick, stark nach Sandelholz duftender Rauch hing darin. Es war beinahe schon stickig, das allerdings auf eine unbeschreiblich angenehme Art, wie nur dieses sanft duftende, aphrodisierende Räucherwerk es erzielen konnte. Die Beleuchtung bestand nur aus Fackeln, die in regelmäßigen Abständen in metallenen Halterungen an der Wand angebracht waren.

Der Saal war in zwei Abschnitte unterteilt: Im hinteren Teil fand sich eine gewaltige Tanzfläche. Verschleierte Gestalten huschten darauf hin und her und trafen letzte Vorbereitungen. Etwas näher an der Wand auf einem langgezogenen Podest richteten sich Musikerinnen der Gerudo mit ihren Instrumenten ein. Wie auch im Rest der Festung waren hier die Mauern mit Ornamenten, Emblemen, Wappen, Reliefs, Malereien und Schlangenskulpturen geschmückt.

Der vordere Abschnitt des Saales war vollgestopft mit niedrigen Tischen, um die sich Sitzkissen in vielen Farben gruppierten, wobei besonders Rot- und Lilatöne die Vorherrschaft einnahmen. An den Wänden entlang waren Tische mit einem üppigen Buffet aufgebaut. Auch eine Bar war zu finden, wo ein Dutzend Gerudos schon wie wild Getränke mixten. Durchsichtige, rötliche Tücher mit gestickten Verzierungen und Perlen verschönerten Tische, die Theke, hingen an Wänden oder von der Decke, oder aber wurden von einigen der Kriegerinnen um die Hüften herum getragen.

Die Luft war geschwängert mit dem leisen Fiepen einiger Instrumente, die noch in Ordnung gebracht werden mussten, mit Gesprächen, Murmeln und Lachen, mit dem Geruch von gebratenem Fleisch, mit dem Rauch von Shisha-Pfeifen und Räucherwerk, und vor allem mit Anspannung. Eine derart mystische Aura und Fremdartigkeit ging von dem Treiben aus, dass Link lange Zeit nur mit offenem Mund starren konnte.

"Da staunst Du, was?", raunte ihm Jude ins Ohr, sodass ihm ein angenehmer Schauer über den Rücken lief und er Gänsehaut bekam. "Willkommen beim Ref-Shaikar al'Tak. Wie ich sehe, scheint es Dir bislang zu gefallen. Such Dir einen Platz und setz Dich. Der Tanz der Wüstenwinde wird gleich beginnen." Dann verließ sie ihn, um noch ein paar Worte mit den Tänzerinnen zu wechseln.

In all dem Gewusel fühlte er sich ein wenig verloren. Die gesamte Festung schien hier versammelt zu sein. Was nicht weiter verwunderlich war, wenn dieses Fest eine derart hohe religiöse Bedeutung hatte.

Erst jetzt wurde er sich der Stimmen in seiner unmittelbaren Umgebung bewusst, die leise tuschelten, sich hinter vorgehaltenen Händen verschanzten oder durch den dünnen Stoff eines Schleiers hindurch gesprochen wurden.

"Ein Mann!"

"Mehr noch, eines dieser Bleichgesichter."

"Was will die Käsefresse hier?"

"Jude hat ihn angeschleppt. Er muss wohl was Besonderes sein."

"Sieh mal diese spitzen Ohren! Damit kann man jemandem ein Auge ausstechen."

"Mir hat man erzählt, damit kann man kilometerweit hören."

"Blödsinn!"

"Irgendwie ist er ja schnuckelig."

"Bleibt der länger?"

"Sag mal, glotzt der Kerl Dich an?"

"Verdammter Hylianer."

"Wessen Liebhaber ist der denn? Und was läuft er hier frei rum?"

"Was für ein Waschlappen. Hat noch nicht mal ordentliche Muskeln."

"Wie viele Rubine sind wohl in seinen Taschen?"

"Unzivilisierter Barbare. Steht dumm in der Gegend herum und gafft."

"Die Länge des Schwerts ist umgekehrt proportional zum Inhalt der Hose."

"Ist verschwitzt wie ein Affe. Dabei war es heute gar nicht so heiß."

"Hübsche blaue Augen..."

"Schmeiß mal einer diesen Sackträger hier raus."

"Komm mit mir."

"Was?", fragte Link etwas überfordert, als er merkte, dass der letzte Satz an ihn persönlich gerichtet war. Eine Gerudo hatte sanft seinen rechten Unterarm ergriffen und zog sachte daran. Sie schien etwas jünger zu sein als die meisten andren, aber immer noch um eine Winzigkeit älter als Link. Ihre Augen strahlten im sanften Gold wie sonnenbeschienener Wüstensand und ihr Lächeln wirkte warm und ehrlich. Mit sanfter Gewalt zog sie ihn vom Eingang fort und auf eine Sitzecke am Rand des Saales zu, recht nah an der Tanzfläche. Blicke und leises Raunen begleitete sie auf ihrem Weg. Die Frau bedeutete ihm, sich zu setzen und erklärte:

"Jude hat Dich hier her gebracht, also bist Du in Ordnung. Magst Du etwas zu trinken haben?"

"Ähm", machte Link, "ääh, ja, klar, warum nicht? Öh ... was ... was gibt es denn?"

"Alles, was Du Dir vorstellen kannst." Sie legte kurz nachdenklich den Kopf schief. "Du wirkst, als hättest Du Dich noch nicht so ganz zurecht gefunden. Weißt Du was? Bleib einfach sitzen, ich finde schon was Passendes für Dich." Damit verschwand sie in der Menge.

Eine Gerudo am Nachbartisch starrte ihn an. Er winkte ihr verlegen zu. Sie rollte die Augen und führte das Gespräch mit ihrer Tischnachbarin fort.

Ein Saal voller männerfeindlicher Amazonen, dachte sich Link. Wie bist Du hier bloß reingeraten? Und was noch wichtiger ist: Wie kommst Du wieder raus?

Er stocherte etwas missmutig im halbgeschmolzenen Wachs einer Kerze auf dem Tisch herum. Auf jedem Tisch befand sich eine, manche davon umhüllt von Windlichtern mit buntem Glas, die verzerrte, farbige Schatten auf die Tischtücher warfen; andere auf Kerzenständern befestigt, die mit Juwelen und Edelsteinen verziert waren und das Licht brachen, zurückwarfen, in Farben tauchten und bunte Flecke über den ganzen Raum verteilten. Als ein Luftzug die Flamme der Kerze vor Link tanzen ließ, sah der junge Krieger auf und entdeckte erst jetzt die Schachtausgänge an der Decke, die mit Metallgittern verschlossen waren. Er konnte sich nicht erklären, welches System dafür sorgen konnte, dass selbst hier, tief unter der Erde, noch Wind wehen konnte, doch er war sehr dankbar für das bisschen frische Luft zwischen all dem Rauch und den Gerüchen; außerdem wurde so die Raumtemperatur etwas heruntergekühlt, sonst hätte man es mit all den Fackeln und Kerzen und Menschen und Kochstellen hier nicht ausgehalten.

"Lass es Dir schmecken." Ein Glas mit einer hellen, rötlichen Flüssigkeit wurde mit leisem, hölzernem Knallen auf dem Tisch abgestellt. "Es ist ein Saft aus verschiedenen hiesigen Früchten. Ich schätze mal, Du kennst so etwas noch nicht." Die Gerudo nahm auf einem Sitzkissen neben dem Helden der Zeit Platz. "Mein Name ist Natiima. Und wie heißt Du?"

Link nannte seinen Namen, bedankte sich für das Getränk und griff nach dem Glas. Der Saft war kühl und schmeckte sehr süß und fruchtig. Er musterte Natiima, sie lächelte zurück. Er war wirklich froh, unter all dem Fremdenhass endlich jemanden zu treffen, der nicht nur auf seine weiße Hautfarbe oder auf sein Geschlecht achtete. Er hatte schon so viele Hylianer schlecht von den Gerudos reden gehört, nun kannte er auch mal die andere Seite. Und sie gefiel ihm kein bisschen. Vielleicht fand er deswegen ziemlich rasch Vertrauen in die junge Kriegerin. "Würdest Du mir etwas erklären?"

"Frag einfach", ermutigte sie ihn.

"Was wird hier eigentlich genau gefeiert?" Er nippte wieder an seinem Saft.

"Das Ref-Shaikar al'Tak wird einmal im Jahr zelebriert, immer am selben Tag. Die Tänze der Wüstenwinde, die jetzt jeden Augenblick beginnen werden, erzählen von den uralten Legenden der Gerudos. Sie berichten von der Schlangengöttin Shetája, die eine Tochter des Windes und des Sandes ist. Sie schickte einst ihre Kreaturen los, die Skorpione und die Schlangen, die Echsen und die Geier, die Käfer und die Wühlmäuse, um sich die Wüste untertan zu machen. Als ihr einer der Skorpione von den Gerudo erzählte, machte sich Shetája auf, um uns persönlich zu sehen. Sie hatte Mitleid mit den menschlichen Schwächen und wies meinen Vorfahren den Weg zu einer Höhle. Sogleich griffen die Gerudos nach Werkzeugen und bauten diese Festung. Die Göttin wacht seitdem über dieses Volk, denn wir sind ihre liebsten Kinder."

Endlich begriff Link. "Und dieser Tag heute war damals – vor Jahrhunderten wohl – derjenige, als die Göttin den Weg zur Höhle wies", mutmaßte er.

"Völlig richtig", bestätigte Natiima.

Nach Kämpfen gegen Naturgewalten, Hitze, giftige Viecher und Trockenheit endlich eine sichere Zuflucht zu finden war tatsächlich ein guter Grund zu feiern. Link nickte verstehend. "Aber sag mal ... nur aus Dankbarkeit für eine Göttin aus der Wüste verehrt ihr auch gleich die ganzen Schlangen mit?" Er wies auf die Skulpturen und Wandmalereien. "Ich meine, eine Schlangengöttin, gut und schön, aber deswegen gleich bissige, zischelnde, giftige Viecher anbeten?"

Natiima lachte, wie man über die Naivität eines kleinen Kindes lachen mochte. "Oooooh, wenn Du viel Zeit in der Wüste verbringst, fängst Du sehr schnell an, Schlangen den größten Respekt entgegen zu bringen."

Link beschloss, sich diesen Satz zu merken, für die Zeit, wenn er durch die Gespensterwüste kriechen würde, um zum Geistertempel zu kommen.

Er beobachtete, wie zwei Gerudos jede zweite Fackel an den Wänden löschten. Allmählich machte sich Ruhe im Saal breit, als die Gespräche nach und nach verstummten. Trommelschläge von verschiedenen Tonhöhen erklangen. Der Takt steigerte sich allmählich, die rhythmischen Klänge wurden lauter ... und endeten abrupt mit einem Beckenschlag. Dann setzten hohe Flöten ein und die Tänzerinnen betraten die Bühne. Mehrere Tamburine schellten und klingelten zusammen mit einem Paar Zimbeln. Nach und nach stimmten die Trommeln wieder ein.

Die fließenden Bewegungen der tanzenden Gerudos passten sich dem Takt an, Körper wogten hin und her, Stoff raschelte, Schritte hallten leise nach, Schmuck klimperte an Füßen, Handgelenken, Hälsen und Ohren. In unaufhörlichem Huschen schienen die Frauen geradezu über den Boden zu schweben, jede Bewegung war von Kraft und Wildheit und unglaublicher Fremdartigkeit begleitet. Die Schleier vor den Gesichtern, die Stoffe der Kleidung und die Tücher in den Händen flogen umher, beschrieben Kreise und Wellen, ließen die Flammen der Kerzen und Fackeln tanzen und zauberten geheimnisvolle Schattenspiele an die Decke.

Die Klänge von Violinen, Lauten und Zithern gesellten sich zu den andren Instrumenten. Der dazu anstimmende Gesang verzauberte Link auf eine fast schon hypnotische Art und Weise, obwohl er nur das verstand, was ihm hastig von Natiima übersetzt wurde. Sein Blick schweifte über die Gruppe der Tänzerinnen, die im schnellen Takt umherhuschten. Dunkel gebräunte Haut bewegte sich hin und her, fremdartige Augen mit der Farbe von Gold blitzten hinter blutroten Schleiern auf, Schmuck und Piercings reflektierten das spärliche Licht der Fackeln und blitzten in der Dunkelheit auf, lange Haare flogen wie wild umher und verströmten einen Duft des Geheimnisvollen, Körperbemalungen und Tätowierungen schienen ein Eigenleben zu führen und ihrerseits über die Haut der Tänzerinnen zu springen. Die Juwelen, die auf jeder einzelnen Stirn glänzten, schienen das spärliche Licht einzufangen und damit zu spielen, bis sie wirkten, als würden sie von innen heraus glühen.

Weitere Instrumente setzten ein, wie die Nay-Flöte oder ein Holzblasinstrument namens Mizmar, wie Natiima erklärte. Sie gab sich alle Mühe, Link so rasch und ausführlich wie nur möglich Namen und Bedeutungen beizubringen, die für diesen Tanz wichtig waren. Eine große symbolische Kraft lag in jedem Kleidungsstück, in jeder Bewegung, in jedem Klang, in jedem Wort. Dies alles war für das Volk der Gerudo weit mehr als nur tanzen und feiern. Es war das höchste und heiligste Fest im Jahr, ein Zeichen für die Hoffnung und für den Überlebenswillen in der lebensfeindlichsten Region der ganzen Welt. Das Lied der Wüstenwinde besang die Schönheit der Natur, aber auch die damit verbundenen Gefahren. Es gemahnte, vorsichtig zu sein und niemals leichtsinnig zu werden. Es erklärte, man solle nie den Göttern trotzen, sonst würden einen schwere Strafen ereilen. Doch auch von Hoffnung war die Rede, und von einer Herausforderung der Windgeister; wer diese bestand, dem winkten unbeschreibliche Schätze und Abenteuer und die Möglichkeit, Unsterblichkeit in den Legenden der Nachfahren zu erlangen.

Der blonde Hylianer war überwältigt von dieser schieren Menge an Eindrücken und Informationen. Eine Welle von Begeisterung und Erregung fuhr ihm durch den Körper und seine Haut fühlte sich wie elektrisiert an. Die Zeit schien still zu stehen und doch gleichzeitig unendliche Bewegung zu ermöglichen. Der Tanz der Wüstenwinde war das ultimative Symbol von Kraft und Zeit und Geschichte und Kultur und uraltem Aberglauben. Für einen winzigen Augenblick konnte Link verstehen, dass das Triforce-Fragment der Kraft ausgerechnet an einen Gerudo gegangen war; mehr noch: an den König der Gerudos. Wenn Din, die Göttin der Kraft, ein menschenartiges Aussehen hatte, dann sicherlich mit denselben leuchtend-roten, langen Haaren der Gerudokriegerinnen; mit demselben Stolz und demselben Kampfeswillen. Doch der Gedanke wurde sofort wieder aus seinem Kopf gefegt. Zu fesselnd und eindrucksvoll waren die rhythmischen, heißen Klänge der Trommeln, zu atemberaubend das Arbeiten von kräftigen Muskeln beim Bauchtanz, zu stark das würzige Aroma des Einzigartigen.

Als das Lied der Wüstenwinde gesungen war und die letzten Klänge der Flöten verhallten, legte sich schwermütige Stille über den Raum. Jude, die in Naborus Abwesenheit die nächsthöchste unter den Gerudos war, trat nach vorne und stimmte ein Gebet an. Im Flüsterton erklärte Natiima, dass Jude im Namen des ganzen Volkes um die Gunst der großen Schlangengöttin Shetája bat. Shetája wurde dabei als die Tochter von Wind und Sand angerufen, sie möge die Sandstürme fern halten, Wasser fließen lassen, Palmen zum Wachstum verhelfen und ihre Gerudo-Kinder auf der Suche nach Macht und Reichtum schützen.

"Wir gehören Dir mit Leib und Seele", stimmten alle Gerudos in ihrem eigenwilligen Dialekt ein, um das Gebet zu beenden.

Einen langen Augenblick herrschte andächtige Stille. Als Jude die Bühne wieder verließ, erklangen die Instrumente von Neuem und leise gemurmelte Gespräche begannen wieder unter den Zuschauern.

"Das war..." Link suchte mit leuchtenden Augen nach passenden Worten. "...Es ... also das ... absolut unglaublich."

"Es freut mich, dass es Dir gefallen hat", lächelte Natiima überglücklich. "Und es ist schön zu sehen, welches Interesse Du unserer Kultur entgegenbringst. Wenn Du noch irgend etwas wissen möchtest, frag mich einfach. Ich erkläre es Dir gerne."

"Da wäre tatsächlich etwas", meinte Link. Er wirkte etwas verlegen, als er versuchte, seine Frage möglichst neutral zu verpacken. "Wie kann es sein, dass ihr, wo ihr doch so einen wundervollen Dialekt sprecht, auch noch Hylianisch dazulernt? Ich meine, Du sprichst die Sprache meiner Heimat perfekt ... wenn ich Dich nicht sehen könnte, würde ich Dich für eine der Unseren halten."

"Danke für das Kompliment", lachte sie. Ein interessiertes Funkeln lag in ihrem Blick; sie musterte ihn ein wenig so, wie man ein exotisches Tier betrachten mochte. Natiima strich sich eine kirschrote Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe sie fortfuhr: "Eigentlich gibt es einen ganz profanen Grund, warum wir Gerudos eure Sprache lernen. Stell Dir mal folgendes vor: Wenn ich versuchen würde, jemanden auszurauben, aber statt seiner Rubine versucht er mir nur, die Eier von seinem Hof in die Hand zu drücken, weil er nicht weiß, was ich von ihm will ... das wäre doch unglaublich umständlich. Nicht jeder versteht sofort die Sprache einer scharfen Klinge an seinem Hals, weißt Du?"

Nun wich Links Gesichtsausdruck völliger Verblüffung. "Ihr lernt Hylianisch ... nur zum Plündern?"

"Na ja", räumte sie mit einem Schulterzucken ein, "auch zum Handeln. Gold und Rubine sind nur so viel wert wie das, was man dafür bekommt. Wir können nicht alle Lebensmittel und Luxusgüter selbst herstellen. Glaub es oder lass es bleiben, aber wir stehlen nicht alles. So mancher Gerudo hat auch schon mal ehrlich was gekauft. So besagen zumindest Gerüchte." Sie lachte amüsiert.

"Ehrlich gekauft", wiederholte Link. "Mit unehrlich geklautem Geld." Er hob missbilligend eine Augenbraue, doch ein verspieltes Schmunzeln zog seine Mundwinkel zu einem Grinsen nach oben. Er konnte das Banditentum dieses Volkes nicht gutheißen, doch andrerseits war es ihm beim besten Willen nicht möglich, sich auch nur vorzustellen, er könne die Moral und die Tradition eines gesamten Volksstammes über Nacht komplett umschreiben. Außerdem war da etwas Unglaubliches in Natiimas Aura, das es ihm unmöglich machte, sie zu tadeln. Mehr als das: Etwas an ihrer Art war ungemein interessant. Und Link wollte ungern ihre Persönlichkeit verändern, aus Angst, ihr genau dadurch das zu nehmen, was sie so unnahbar wirken ließ. Ein kleines Detail mehr oder weniger konnte die gesamte Komposition eines Kunstwerks verändern.

Die Gerudo öffnete gerade ihren Mund, um etwas zu erwidern, wurde dann aber offensichtlich abgelenkt und sah mit verwundert zusammengezogenen Augenbrauen an Link vorbei in Richtung Eingang. Als sich der blonde Held umwandte, sah er sofort, was ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.

"Das ist nicht wahr, oder?", fragte er kopfschüttelnd.

Sie beiden waren nicht die Einzigen, die einen entgeisterten Blick zum Eingang warfen. Etliche Gerudos wandten die Köpfe und starrten John, Paul, George und Ringo entgegen, die sich dort in Reih und Glied aufstellten – rausgeputzt und in ihren besten Klamotten, George mit einer Gitarre in der Hand – und die tatsächlich ein Lied anstimmten. Natürlich wieder, wie wohl ungezählte Male zuvor, im Dialekt des Wüstenvolkes:
 

"In the town where I was born

Lived a man who sailed to sea

And he told us of his life

In the land of submarines
 

So we sailed up to the sun

Till we found the sea of green

And we lived beneath the waves

In our yellow submarine..."
 

Mitten in ihrem Refrain, "We all live in our yellow submarine", waren sie bereits von Wächterinnen mit gezückten Krummsäbeln umzingelt. Und die Frauen hatten unbeschreiblich bösartige Gesichter aufgelegt. Es war dieselbe furchterregende Art, wie Link sie schon an Ganondorf gesehen hatte, als dieser dem damals noch kindlichen Helden der Zeit begegnet war, auf der Verfolgungsjagd nach Zelda. Diese Gerudokriegerinnen hier und jetzt machten Link allerdings weitaus mehr Angst. Er wollte wirklich nicht mit den vier Handwerkern tauschen.

Sie wohl aber mit ihm; jedenfalls brachen sie ihren Gesang ab und drängten sich verängstigt an einander. Als Jude zwischen ihren Wächterinnen auftauchte, nahm George all seinen Mut zusammen und sprach sie direkt an: "Jude, oh Du Wunderschönste aller Wunderschönen, Stärkste aller Starken, Sanftmütigste unter den Sanftmütigen..."

Link hätte schwören können, Flammenzungen in den Augen der <Sanftmütigsten unter den Sanftmütigen> auflodern zu sehen.

"Halt endlich die Klappe, Saftsack!", fuhr sie den dicklichen Mann auf breitestem Hylianisch an. Er verstummte gehorsam und zitternd.

Link lehnte sich zu seiner Übersetzerin herüber und wisperte tonlos: "Was hat er denn überhaupt gesungen? Ich meine, was ist ein ... eine ... ein ... <iellou sapmariin>?"

Natiima schüttelte den Kopf. "Das Wort hab ich nie gehört. Submarine ... wirklich, ich glaube fast, das haben die vier erfunden. Ansonsten ging es um..."

Genau in diesem Moment zeigte Jude den vier Kerlen einen Vogel. "Überhaupt, seid ihr durchgeknallt? Kommt hier her und singt mir einen vom Wasser! Halloooooo~o! Wir sind in der Wüste, falls es euch nicht aufgefallen ist! Hier ist weit und breit kein Meer, ihr hirnlosen Hornochsen."

"...um das Segeln, das Meer, die Wellen", führte Natiima etwas verspätet ihren Satz trotzdem noch zu Ende. "Grob gesagt."

"Ich ... ich dachte..." George schluckte kräftig, ehe er seinen Satz weiterführen konnte. "Ich dachte, Wasser ist in der Wüste immer willkommen. Deswegen hab ich ein Lied über das Wasser geschrieben. Für Dich. Mein Goldstück." Er war gegen Ende seiner Rede immer leiser geworden und hatte das letzte Wort nur noch geflüstert.

Fast die komplette Breitseite der Halle lag zwischen Link und Jude, und dennoch war er sicher, über die Entfernung hinweg eine Ader an ihrer Stirn bedrohlich heftig pochen zu sehen. "Wenn ihr nicht wollt", zischte die Gerudo, "dass ich euch mit meinem Säbel einen neuen Scheitel ziehe, dann würde ich euch raten, macht dass ihr hier weg kommt. Und zwar schleunigst."

"Einen kurzen Moment, bitte." John hatte beim Sprechen einen Finger erhoben. Nun standen die vier Jungs im Kreis und berieten sich. Die Wächterinnen sahen sich nur an, teils verwundert, teils verärgert, doch allesamt mehr oder weniger geduldig abwartend.

Aus dem Kreis der Handwerker hörte man nur vereinzelte Wortfetzen.

"...Friedensangebot."

"Hältst ... gute Idee?"

"Ich weiß nicht recht. Hauen wir lieber ab."

"...kommt auf einen Versuch an."

"...dagegen! Verdammt, John, das hast Du doch ganz alleine auf die Beine gestellt. Was haben denn wir damit zu tun? Ich meine..."

"...tun es. Und wir tun es besser schnell, ehe sie uns köpfen. Ich mag meinen Kopf."

"Ich mag Deinen Kopf auch. Meinen Kopf, meinte ich, meinen Kopf..."

Die vier Musikanten stellten sich wieder auf. John trat einen Schritt vor und sprach:

"Eine Nachricht haben wir für euch noch. Nur eine. Danach könnt ihr immer noch entscheiden, ob ihr uns rauswerft. Falls ihr es dann überhaupt noch wollt."

Jude warf einen fragenden und skeptischen Blick in die Runde, doch John wartete ihre Antwort gar nicht erst ab.
 

"Imagine there's no heaven"
 

"Wäre sicherlich recht dunkel", kommentierte Jude augenrollend.
 

"It's easy if you try

No hell below us"
 

"Unter meinen Füßen ist Wüstenboden", warf eine Gerudo ein. "Und ich mag diesen Wüstenboden unter meinen Füßen. Er ist meine Heimat!"
 

"Above us only sky"
 

"Sieht mehr nach Höhlendecke aus", sagte eine Wächterin kopfschüttelnd.
 

"Imagine all the people

Living for today..."
 

"Und was ist mit dem Morgen?", unterbrach Jude.
 

"Imagine there's no countries

It isn't hard to do"
 

Die Kriegerinnen brachen in schallendes Gelächter aus. "Keine Ländereien? Wo sollen wir leben? Was sollen wir rauben?"
 

"Nothing to kill or die for

And no religion too"
 

"Stellt euch bloß nicht gegen unsere Schlangengöttin Shetája!"
 

"Imagine all the people

Living life in peace..."
 

Das Gelächter erreichte einen neuen Höhepunkt.
 

"You may say I'm a dreamer"
 

"Träumer ... oder eher Idioten ... kommt beides ganz gut hin."
 

"But I'm not the only one"
 

"Ja, ich sehe hier auch eher vier von euch Scherzkeksen."

"Ach, das sind wirklich vier?", warf eine Kriegerin ein. "Und ich hatte schon gehofft, ich sei nur besoffen."
 

"I hope someday you'll join us

And the world will be as one"
 

Einige der Gerudos konnten inzwischen nicht mehr stehen vor Lachen.
 

"Imagine no possessions

I wonder if you can"
 

"Fällt mir ehrlich schwer", gab Jude nickend zu. Sie bekam kaum noch Luft vor Lachen.
 

"No need for greed or hunger"
 

"Es liegt in der Natur der Gerudos, habgierig zu sein!", protestierte eine Frau an der Bar.
 

"A brotherhood of man"
 

"Aha. Es geht natürlich nur wieder um Brüder und Männer", schimpfte eine Wächterin mit gezücktem Säbel.

"Das Wort <man> kann aber auch in seiner Bedeutung die ganze Menschheit einschließen", übersetzte Natiima in Windeseile für Link.
 

"Imagine all the people

Sharing all the world..."
 

"Wie jetzt? Etwa gleichberechtigt teilen? Wir sollen uns auf die niedere Stufe der andren Völker dieser verdammten Welt stellen?"
 

"You may say I'm a dreamer

But I'm not the only one

I hope someday you'll join us

And the world will live as one"
 

"Ich bin beeindruckt", erklärte Link, "mit welch stoischer Ruhe und Entschlossenheit die vier trotz allen Spottes das Lied zu einem Ende gebracht haben."

Jude schien gute Ohren zu haben, denn sie griff seine Aussage auf und erklärte: "Zu einem Ende gebracht ist ein gutes Stichwort. Und jetzt raus hier."

"Ihr..." Pauls Stimme klang nun plötzlich doch zittriger. Er musste schlucken und den Satz neu beginnen. "...Ihr ... wollt uns nicht in Frieden und Freundschaft begrüßen?"

"HINAUS, IHR BASTARDE!", platzte es aus der stellvertretenden Anführerin. "Wenn ihr euch noch ein einziges Mal innerhalb der Festung sehen lasst, werde ich euch skalpieren! Damit das klar ist! Ich spieße eure Köpfe auf den höchsten Türmen auf! Ich..."

Sie schrie der Hals über Kopf flüchtenden Bande von Handwerkern noch ganz andere Drohungen nach, eine grauenvoller und schmerzhafter als die vorherige, aber Link wollte sich das alles nicht allzu bildlich vorstellen und hörte weg.

"Oh, Mann", keuchte er. "Was für ein Repertoire an Foltermethoden." Er sah ein wenig blass aus.

"Das ist noch gar nichts", winkte Natiima ab. "Soll ich Dir erzählen, welche Strafe einen erwartet, der es wagt, eine Gerudo zu bezirzen, bloß um ihr Gold zu stehlen?" Sie wirkte begeistert, wie ein Hündchen, das darauf wartete, dass man endlich das Stöckchen warf.

Link sah verstört in ihre Richtung und ließ die spitzen Ohren hängen. "Es gibt Dinge, die will ich gar nicht wissen." Man bedenke, geistig war er sieben Jahre jünger als sein Körper. Natiima wusste das zwar nicht, beließ es aber doch dabei und grinste nur mit einem Schulterzucken. "Jedem das Seine."

Link beobachtete die Wächterinnen, die ihre Säbel nun wieder in die entsprechenden Scheiden zurück steckten, um dann fröhlich weiter zu feiern. Er legte nachdenklich den Kopf schief. "Ihr kommt bewaffnet zu einem religiösen Fest?"

"Ha!", machte Natiima belustigt. "Du hast in der Öffentlichkeit Klamotten an?"

"Das ist etwas Anderes", nuschelte er und wurde rot bei der Vorstellung, ohne Klamotten rumzulaufen.

"Ist es das?", fragte seine Übersetzerin nach. Sie hatte ein keckes Lächeln aufgesetzt. "Nicht für uns Gerudos jedenfalls. Unsre Waffen sind ein Symbol für unsren Status. Erst mit einem gewissen Alter und einer gewissen Erfahrung bekommen wir unsre Waffen verliehen. Sie zeichnen aus, wer und was wir sind. Sie erinnern uns an unsre Aufgaben und bieten uns Schutz. Sie abzulegen wäre leichtsinnig."

Links Blick fiel auf den schimmernden Langdolch, den sie seitlich am Gürtel trug. Er als Kind des Waldes, das unter dem Schutz des großen Deku-Baumes großgezogen worden war, hatte keine Vorstellung davon, was es bedeutete, sein Leben in der Wüste zu verbringen. Die Waffe schien für dieses Volk so wichtig zu sein wie es die tarnende, grüne Kleidung für die Kokiri war.

"Davon abgesehen trägst auch Du Deine Waffen bei Dir", ergänzte sie.

"Ich..." Link musste schlucken. "Ich will keinen Ärger provozieren oder so..." Natiima winkte ab. Er fuhr fort: "Ich wusste ja nicht mal, dass hier so ein wichtiges Fest stattfindet. Und es ist ja auch nicht meine Religion. Und ich wüsste auch nicht, wohin ich mein Schwert..."

"Ist ja schon gut!", beruhigte ihn Natiima lachend. "Ich sagte doch schon, Waffen sind hier sogar gerne gesehen. Mach Dir nicht ins Hemd."

"Erheben wir unsre Gläser!", rief eine Gerudo unvermittelt durch den Raum. Ein großer Teil der Anwesenden kam der Aufforderung nach. Link war lieber vorsichtig und mischte sich nicht in fremde Bräuche ein. "Auf unsren hohen König Ganondorf!" Und er war froh um seine Entscheidung. "Ein wahrer Jammer, dass er nicht hier sein kann, um mit uns zu feiern! Auf unsre Göttin Shetája! Sie lege ihre Hände schützend über uns! Auf die herrliche Naboru! Möge sie gesund und mit Bergen von Schätzen wieder nach Hause kommen! Auf das große Volk der Gerudos!" Damit hob die Wüstenbewohnerin ihr Glas und leerte die dünne, bräunliche Flüssigkeit in einem Zug. Ihr verzogener Gesichtsausdruck hinterher ließ darauf schließen, dass der Inhalt des Glases sehr sauer oder sehr alkoholhaltig gewesen war. Vielleicht auch beides.

"Wirklich, ein großartiger König", warf eine andere Gerudo ein. Ihre Stimme klang verächtlich. "Welche wahre Größe beweist unser König doch, der das höchste Fest seines Stammes missachtet! Shetája hat auch ihn beschützt, als er als kleiner Bub durch den Wüstensand gekrabbelt ist. Und wie dankt er es ihr? Er hat unsere Göttin verraten. Er hat unser Volk verraten!"

"Er hat sich zu einem noch größeren König aufgeschwungen", gab eine andre Frau zu bedenken. "Er hat Hyrule besiegt und den dortigen Thron bestiegen."

Die Fremde von gerade eben ergriff wieder das Wort. Sie schien nicht überzeugt. "Ist das ein Grund, seinen Wurzeln den Rücken zu kehren? Seit sieben Jahren interessiert er sich nur noch einen Scheißdreck für uns. Wann lag er das letzte Mal im Schatten unter einer Palme? Wann ist das letzte Sandkorn glitzernd durch seine Hände gerieselt? Wann ist er zuletzt frei wie der Wind auf edlen Hengsten durch die Wüste galoppiert?"

Link beugte sich Natiima zu und flüsterte: "Hengste? In dieser frauenverherrlichenden Gesellschaft hätte ich auf Stuten getippt."

"Na ja", erklärte sie grinsend, "männliche Pferde sind gut genug, unter uns zu dienen, uns die Arbeit abzunehmen und uns mit ihren herrlichen Muskeln zu tragen. Hengste sind dazu da, dass man auf ihnen ... reitet."

Mit Genuss beobachtete sie, dass Link sich der Doppeldeutigkeit durchaus bewusst war und errötete. Er zog sich die Zipfelmütze über Augen und glühende Ohrspitzen.

Derweil ging die Diskussion unter den Gerudo weiter.

"Ein König sollte sein Volk nicht vernachlässigen! Ein König soll sich wie ein König verhalten!"

"Er ist nun mal unser König! Verstehst Du? Unser König! Er kann tun und lassen, was immer ihm beliebt."

"Ich sehe nicht ein, dass wir ihn als König akzeptieren müssen, nur weil er ist, wer er ist."

"Aber jahrhundertealte Gesetze verlangen es von uns."

"Er ist doch bloß ein Mann!"

"Nein, er ist sogar der Mann! Er ist der eine Mann!"

Link lugte interessiert unter seiner Mütze hervor. "Der eine Mann?" Er gab sich Mühe, Natiimas noch immer amüsiertes Grinsen ob seiner Gesichtsfarbe zu ignorieren und sah sie fragend an. "Wie meint sie das?"

"Es ist ein Mysterium unsres Volkes." Sie hob die Schultern. "Aber Gerudos gebären nur weibliche Nachfahren. Mit einer Ausnahme. Genau alle hundert Jahre erblickt ein einzelner männlicher Gerudo das Licht der Welt. Unsre Gesetze verlangen, dass dieser eine ungefragt und unangefochten unser König wird."

"Das ... das ist..." Link suchte sichtlich nach Worten. "Aber das ist konfus. Eine Nation von Frauen, wo nichts und niemand akzeptiert wird, der... der..."

"...der einen Schwanz zwischen den Beinen hat", half ihm Natiima aus. Link überging den Halbsatz und fuhr einfach ungerührt fort.

"...und sie werden alle hundert Jahre von einem Mann regiert?"

"So schaut es aus", bestätigte sie.

"Einfach so?", fragte er nach.

"Einfach so."

"Ihr macht mich fix und fertig", seufzte er ergeben und konzentrierte sich wieder auf den verbalen Schlagabtausch. Offenkundig war das Thema von großer politischer Bedeutung für dieses Amazonenvolk.

"Mädels, ich muss euch wiedersprechen", warf eine Gerudo gerade ein. Ihr Blick war starr auf Link gerichtet. "Ganondorf ist nicht mehr der eine Mann. Es ist etwas passiert, das in der Geschichte der Gerudos nie zuvor geschehen ist. Es gibt zwei Männer." Ihre Augen wanderten nun zu Jude hinüber. Mit einem Grinsen fügte sie hinzu: "Und Du bist daran schuld, meine Teuerste." Es lag aber kein wirklicher Vorwurf in ihrer Stimme, es klang eher neckisch.

Einen Moment dachte Jude nach. Sie kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. "Es kann aber keine zwei Könige geben", erklärte sie schließlich sehr sachlich.

Natiima mischte sich zum ersten Mal aktiv ein. Ihre Augen leuchteten vor Begeisterung. "Und wenn Du Link zum König machst?"

Gemurmel wurde laut, Stimmen erhoben sich, Diskussionen brachen aus. Der Haufen beruhigte sich erst wieder, als Jude beschwichtigend ihre Hände hob.

"Das kann ich nicht", erläuterte sie ganz explizit. "Von mir wird höchste Königstreue erwartet. Ich bin Stellvertreterin für die herrliche Naboru. Und sie untersteht Ganondorf persönlich. Ich lasse mich nicht hinreißen zu Hochverrat an der Königskrone." Ihre Stimme klang ruhig und sachlich. Man konnte nicht raushören, ob sie mit ihrer Position glücklich war oder sich tief im Herzen auch eine Veränderung wünschen würde.

"Aber wenn Link unser König wäre", gab eine Gerudo zu bedenken, "und Du ihm dann treu wärst, dann wäre es doch kein Verrat mehr."

"Das wäre es doch", beteuerte Jude kopfschüttelnd. "Und zwar von dem Augenblick an, wenn ich die Entscheidung treffe, mich gegen Ganondorf zu stellen, bis zu dem Moment, wenn Link die Krone trägt."

"Jetzt ... wartet ... Momentchen mal!", warf Link ein. Er war in den letzten paar Sekunden unglaublich blass geworden. "Ich?! König? Und wann hattet ihr vor, mich mal nach meiner Meinung zu fragen?"

"Das ist der Lauf der Dinge", antwortete Natiima. Sie legte den Kopf schief. "Es ist so, wie ich es gerade erklärt habe. Jeder männliche Gerudo ist König. So sagt es die Tradition. Und Du hast Dich als würdig erwiesen und wurdest als Gerudo aufgenommen. Das war früher in seltenen Ausnahmen der Fall, wenn ein König sehr jung gestorben ist und fast hundert Jahre bis zum nächsten König vergangen wären. Du bist ein vollwertiges Mitglied unseres Stammes geworden. Also hast Du auch Anspruch auf den Thron. So einfach ist das."

"Der Gerudo-Pass, den ich Dir gegeben habe", fügte nun auch Jude hinzu, "er ist mehr als nur ein altes, vergilbtes Stück Papier. Er ist eine Lebenseinstellung. Selbst, wenn das Dokument verloren gehen sollte oder vernichtet wird, Du wirst für den Rest Deines Lebens einer der Unseren sein. Wen auch immer Du aus unseren Reihen wählst, wird auf ewig Deine treue Partnerin sein und Dir gesunde Kinder gebären, sofern Shetája ihr diese Fähigkeit in den Schoß gibt. Das heißt, falls sich Deine Auserwählte denn tatsächlich für Männer interessiert. Ich hoffe, so viel Verständnis hast Du."

"Aber ... aber ... ich ... ich...", stammelte Link. Er wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Hätte er nicht sowieso schon gesessen, er hätte sich vor Verwirrung nicht mehr auf den Beinen halten können, so tief saß der Schock in seinen Knochen.

Jude grinste ihn an. "Und ich habe Dich noch gefragt, ob Du den Pass haben willst. <Doch, doch>, hast Du gesagt. Na, bitte. Jetzt leb damit."

"Das ist ein Scherz. Ist es doch, oder?", fragte der Hylianer. Doch ein Blick in die Runde zeigte ihm überdeutlich, dass dies nicht der Fall war. Dieses männerverachtende Volk würde ihn niemals als König akzeptieren, hätte ihn niemals auch nur für den Titel des Königs vorgeschlagen, wenn sie ihn nicht voll in ihrer Mitte aufgenommen hätten. Doch das hatten sie. Es waren stolze, traditionsbewusste Kriegerinnen, denen nichts so wertvoll war wie Ehre. Am heiligsten Tag im Jahr machte man keine Witze über solch ernste Angelegenheiten.

"Uff", gab er von sich.

"Schön, dass Du es einsiehst", antwortete Jude. Dann schraubte sie den spöttischen Ton herunter. Zum ersten Mal lächelte sie ihn sanft an, wie eine große Schwester es wohl tun würde. "Nun bist Du aber noch ein sehr frischgebackener Gerudo. Es fehlt Dir noch an so vielem. Du kennst unsre Gebräuche noch nicht, musst unsre Kultur kennen lernen... Verdammt, Du kannst ja nicht mal unsre Sprache. Und Du bist schwer auf Achse, so wie ich das mitbekommen habe. Deine Reise durch die Welt solltest Du wohl zuerst beenden. So wie ich das sehe, kannst Du nicht König werden, solange Du nicht an Ganondorf vorbeigekommen bist. Also biete ihm die Stirn. Ein Kampf ist sicher die gängigste Methode, den besseren und stärkeren Führer unter euch auszumachen. Der Ausgang des Kampfes wird über die Zukunft entscheiden. Bis dahin hast Du noch Zeit, zu wachsen."

Ihr Blick fuhr prüfend über seinen Körper. Link verspürte plötzlich den Drang, sich trotz der brüllenden, stickigen Hitze in der Höhle noch eine Kleiderschicht mehr anzuziehen. Oder vielleicht auch zwei.

"...Körperlich, wie auch geistig", fügte Jude mit leichter Verspätung hinzu.

"Jedenfalls", warf nun eine weitere Gerudo ein, "wirst Du uns von nun an immer willkommen sein."

Natiima meldete sich wieder zu Wort: "Sag mal, Link, freust Du Dich schon darauf, von nun an als ruchloser Bandit zu leben? Na?"

"Ähm ... also..." Link dachte einen Moment nach. Seine folgenden Worte wählte er sehr bedächtig. "Wenn ich ... nein, falls ich eines Tages König sein sollte ... wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich das – zweifellos ehrenwerte – Volk der Gerudos ... zur Ehrlichkeit bekehren kann?"

Betretenes Schweigen machte sich im Raum breit. Link war sich sicher, es hätte keiner Stecknadel bedurft; schon das Fallen eines dünnen Garnstücks hätte im Vergleich einen Heidenkrach verursacht.

Nach einem hellen Räuspern war es Jude, die als erstes ihre Stimme wieder fand: "Lassen wir es besser so, wie es ist."

Zustimmendes Nicken aus allen Richtungen antwortete ihr.

Die Gerudo am Tresen hob erneut ihr inzwischen wieder gefülltes Glas, so wie sie es zu Anfang zum Gruße Ganondorfs getan hatte. "Auf Link!", brüllte sie. "Auf unsren über-ehrlichen Möchtegern-Pseudo-König! Mögen die Wüstenwinde seinen Weg eines Tages zu uns zurück führen!"

"Auf Link!", stießen die andren Gerudos ihre Gläser an. Heitres Gelächter folgte, Gespräche setzten wieder ein, die Musikantinnen nahmen ihre Arbeit abermals auf, die Tänzerinnen betraten erneut die Bühne.

Der junge Mann wandte sich Natiima zu und hob grinsend eine Augenbraue. "So schnell wird man hier befördert ... vom Waschlappen zum – na ja – fast-König."

"Oh, wir degradieren aber auch gerne", erklärte die Angesprochene mit kokettem Augenaufschlag. "Vom Handwerker-Sänger-Quartett ... zu Aasgeierfutter."

So sehr Link übertriebene Gewalt auch verabscheute, aber er musste lachen. Inzwischen verstand er die Abneigung der Kriegerinnen gegen diese impertinenten, aufdringlichen Minnesänger. Zudem war er erleichtert, endlich nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, auch wenn er die verborgenen Blicke bemerkte, die man ihm zuwarf. Doch ihn beruhigte, dass diese Blicke nun nicht mehr feindlicher Natur waren. Sie zeigten eher Interesse.

"Mir fällt gerade auf", erklärte Link, "dass ich mich gar nicht großartig vorgestellt habe. Dennoch schien ich ganz plötzlich ... bekannt zu sein. Seltsam."

"Du bist ein Mann", antwortete Natiima als wäre das Erklärung genug.

"Was Du nicht sagst." Link bedachte sie mit einem dieser Blicke, die man Kindern zuwarf, die gerade etwas Dummes gesagt haben.

Endlich erklärte sie sich: "Ich meinte, Deinesgleichen ist hier nicht gerade ein oft gesehenes Phänomen. Wenn es ein Mann an unsrem heiligsten Tag in unsre Mitte schafft, in Begleitung unsrer derzeitigen Führungskraft, dann erregt das Aufsehen. Ich schätze, Jude wird von Dir erzählt haben. Neuigkeiten verbreiten sich hier wie Feuer im trocknen Gehölz."

"Aha. Ich bin von Tratschtanten umgeben." Er zwinkerte. Natiima schüttelte den Kopf, grinste aber breit.

Das Fest nahm seinen Lauf. Link schlug sich so richtig den Bauch voll mit würzigem Lammfleisch, süßem Obstsalat, leckeren Marzipan-Küchlein und etlichen andren Delikatessen. Staunend beobachtete er die Darbietung einiger Feuerspuckerinnen. Er ergötzte sich an den beeindruckenden Bewegungen der tanzenden Gerudos. Von den Verzierungen an ihrer Kleidung, von den Stickereien in ihren Schleiern und Tüchern, von den Körperbemalungen und vom Blinken und Blitzen ihres Schmucks konnte er gar nicht genug sehen. Die Farbenpracht und die glitzernden Perlen und Pailletten an ihren samtenen Armstulpen, am Schuhwerk und an den sehr knappen Oberteilen ihrer Bauchtanzkostüme zogen unwillkürlich die Aufmerksamkeit des jungen Mannes auf sich. Erst, als er das dumpfe Gefühl nicht mehr loswurde, dass sich der Tanzstil verändert hatte – von den traditionellen Geschichtenerzählungen hin zu (alles andre als prüden) Balztänzen mit schwingenden Hüften und wackelnden Busen – wandte er beschämt den Blick ab und suchte fast schon verzweifelt woanders nach Ablenkung.

Bei Natiima fand er sie schließlich. Er amüsierte sich pseudo-königlich über einige Anekdoten, die sie ihm erzählte. Sie hatte eine unglaublich offene, warme, liebenswerte und geduldige Art an sich, ihm ihre Kultur und Lebensart zu erklären, sodass die Schüchternheit von Link abfiel. Er konnte sich zu allem erkundigen, ohne Angst haben zu müssen, seine Neugierde oder eine falsch gestellte Frage könnte sie kränken. Und er spürte, wie viel Freude ihr bereitete, ihm auf alles eine Antwort zu geben.

Schon bald war das Gespräch nicht mehr ganz so einseitig und Natiima stellte ihrerseits Fragen zum Leben der Kokiri und der Hylianer. Sie hatte überhaupt recht wenig vom östlichen Teil Hyrules gesehen und war noch nie in Hyrule-Stadt gewesen. Sie wusste das Eine oder das Andre über die Shiekah, die Goronen, die Dekus und die Zora, doch es gab auch viele Dinge, die Link ihr an diesem Abend beibrachte. Noch während er von seinen Abenteuern erzählte, verließen beide den Festsaal, wo noch ungehindert gefeiert wurde. Doch der zeremonielle Teil war abgeschlossen, und Link brauchte unbedingt wieder frischere und kühlere Luft abseits vom Lärm ... und von Blicken, die einem die Kleider vom Leib reißen wollten. Er spazierte mit Natiima durch die Festung. Hier und dort huschte ein Käfer davon, der Sand knirschte unter ihren Schuhsohlen und der Wind pfiff angenehm kühl, ansonsten war es still. Es dauerte nicht lange, und sie hockten sich einfach auf den Boden, lehnten sich an eine Hauswand, plauderten einfach nur und sahen dabei in den Himmel. So heiß ein Tag in der Wüste auch werden mochte, so kalt war die darauffolgende Nacht. Kein einziges Wölkchen befand sich am Himmel, dafür war dieser mit abertausend Sternen bestückt, die umso heller strahlten, je weiter die Nacht voranschritt und je stärker die Luft abkühlte. Und es schienen jeden Augenblick mehr zu werden.

Link stellte dank Natiimas Erklärungen fest, dass die Gerudos eigene Sternbilder hatten, die ihm völlig fremd waren. Er fragte sich gerade, ob die Sternenstellungen für die Goronen und für die Zora auch anders aussahen. Er hatte nie gefragt, weil er daran keinen einzigen Gedanken verschwendet hatte. Aber nun war ihm auch klar, weshalb man hier etwas völlig Andres in den Himmel hinein interpretierte. Es waren nicht bloß kulturelle Unterschiede. Es lag eher daran, dass man von hier aus ganz andre Sternkonstellationen sah. Selbst in der Dunkelheit der verlorenen Wälder hatte Link niemals eine solche Pracht am Nachthimmel gesehen. Es war in seiner Heimat nachts deutlich wärmer, was einige Sterne verschwimmen ließ; der Wald speicherte die Wärme noch dazu bis zu einem gewissen Grad, und außerdem gab es eigentlich nur äußerst selten einen freien Platz, wo kein Baum mit seinen Blättern die Sicht versperrte. Dazu kam, dass im Kokiridorf eigentlich immer irgendwo eine Fackel brannte, eine Laterne an war oder eine leuchtende Fee umherflog. Doch hier und jetzt, umgeben von der Einsamkeit der Wüste, kamen die Sterne so richtig zur Geltung. In seinen Grübeleien versunken fragte sich Link für einen Augenblick, was die Kokiri wohl gerade taten und wie es dem jungen Deku-Spross ging. Ob der Kleine wohl zurecht kam mit seiner Aufgabe? Immerhin trug er allein nun die Verantwortung für den gesamten Verlorenen Wald. Doch diese Gedanken währten nicht lange, denn es galt immer wieder etwas Neues zu erzählen, eine neue Frage zu stellen, oder eine Frage Natiimas zu beantworten. Der junge Hylianer war froh, nicht sofort zum Geistertempel weitergezogen zu sein. Man verlor nur zu leicht den Blick für die Schönheit der Natur, wenn man gerade um sein Leben kämpfen musste.

In einem kurzen Augenblick des Schweigens bemerkte Link, wie sich das Sternenlicht in Natiimas Augen spiegelte. Es war wie eine Flut einzelner bläulicher Punkte auf schwach golden glitzerndem Untergrund. Er war sich nicht völlig sicher, ob er sich den metallischen Schimmer in ihren Augen nicht einfach nur einbildete. Sein Blick wanderte weiter. Fasziniert stellte er fest, dass nicht nur ihre Augen dieses gewaltige Meer an Sternen reflektierte, sondern dass auch das Juwel auf ihrer Stirn und die goldenen Ohrringe einen sanften Widerschein von sich gaben. Er musterte die Schmuckstücke – und alles, was sich in der Nähe befand – als betrachte er sie zum ersten Mal. Es kam ihm wie ein merkwürdiges Gefühl vor, das zu gleichen Teilen auf Fremdheit und Vertrautheit zu bestehen schien.

"Was siehst Du Dir an?", wisperte Natiima.

"Deine Ohren", entgegnete Link. Er kam nicht umhin, neugierig mit seinem Finger über den oberen Rand der Rundung zu streichen. Sie ließ es in aller Ruhe geschehen. "Sie ... sehen komisch aus."

Natiima lachte amüsiert auf. "Und wir sind stolz darauf!", verkündete sie mit angehobenem Kinn. Doch sofort ließ sie wieder von ihrer gespielten Hochnäsigkeit ab und erklärte: "Diese Sorte Ohren ist selten. Eure spitzen Ohren findest Du unter den Hylianern, bei den Shiekah, unter den Bewohnern von Termina, bei den Kokiri ... selbst eure Göttinnen scheinen sie zu tragen, wenn man alten Gemälden glauben schenken möchte ... aber diese runde Form ist typisch für uns Gerudos. Sie macht uns zu etwas Besonderem."

Link grinste. "Und etwas Besonderes seid ihr in der Tat." Er lehnte seinen Rücken gegen die Hauswand, streckte seine Arme aus und starrte wieder in den funkelnden Himmel. "Ich habe nie etwas so Beeindruckendes gesehen wie diese Festlichkeiten heute und all dieses Gebaren und ... diese ... Fremdartigkeit ... ich meine das positiv."

"Ich verstehe schon", entgegnete sie lächelnd. Ihr Blick wanderte nicht wie der seine zu den Sternen hoch, sondern verharrte eher auf seinen glänzenden, dunklen Augen, die im Lichtermeer strahlten. "Ein altes Gerudo-Sprichwort besagt: <Gehe in die Fremde. Du magst Dein Leben dabei verlieren, doch wenn Du bleibst, verlierst Du es in tödlicher Langeweile.>" Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Neugierde um das Unbekannte ist unter uns ein gern gesehenes Attribut. Sie verheißt Abenteuer. Und nur diejenige, die das Abenteuer eingeht, hat auch die Chance auf einen Schatz." Sie sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. "...Oder derjenige, meinetwegen."

Link winkte ab. "Ihr seid Emanzen, das hab ich schon verstanden. Ist ganz natürlich, dass dies auch in eure Sprache Einzug hält."

Natiima hob eine Augenbraue. "Sag nicht <Emanze>. Das klingt so pejorativ."

"Was?", fragte Link mit überrascht angehobenen Augenbrauen. "Wie?"

Sie seufzte. "Das Wort <Emanze> beschreibt eher eine Frau, die um Gleichberechtigung in der Welt der Männer kämpft. Doch hier ist das andersherum. Hier würden Männer um die Gleichberechtigung in der Welt der Frauen kämpfen ... wenn es denn mehr Männer gäbe als den einen König. Also quasi Deine Position." Sie grinste breit. Ein spöttisches Funkeln glitzerte in ihren Augen. "Nenn uns nicht <Emanzen>. Sag lieber <Gynozentrikerinnen>."

"Das ist mir zu kompliziert." Der Hylianer kratzte sich am Kopf.

Natiima gluckste erheitert. "Sagen wir, es ist die weibliche Form von <Macho>."

"Dabei wollte ich mich doch eigentlich aus diesem Geschlechterkampf heraushalten", seufzte Link theatralisch auf.

Darauf zuckte die junge Frau nur mit den Schultern. "Du lebst hier unter Gerudos. Unsere Gesellschaft besteht nun mal aus Frauen, Kriegerinnen und Schatzjägerinnen. Deswegen sind die drei häufigsten Gesprächsthemen hier eben Gold, Waffen und die Periode. Da kann man nichts machen."

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Es schien alles gesagt zu sein. Und dennoch hatte der junge Krieger das Gefühl, er sollte etwas darauf antworten. Auf die Monatsbeschwerden wollte er nicht eingehen. Er kannte sich damit sowieso nicht wirklich aus. Waffen waren in diesem friedlichen Augenblick auch nicht das Gesprächsthema der Wahl. Da blieb wohl nur noch eines übrig.

"Schatzjägerin, ja?", murmelte er. Ein herausforderndes Schmunzeln legte sich auf seine Lippen. "Muss ich nun auf meine Geldbörse aufpassen?"

"Ich bitte Dich", antwortete sie brüskiert. In gespielt beleidigter Weise zog sie die Mundwinkel nach unten. "Vergiss niemals, dass auch Du ein Gerudo bist. Du bist einer der Unseren. Wir Gerudos bestehlen uns doch nicht gegenseitig." Sie lehnte sich nahe zu ihm herüber. "Aber ... wie viel ist denn drin?"

"Untersteh Dich!", lachte Link auf. Auch Natiima stimmte in das Gelächter ein. Die beiden steigerten sich so sehr in ihren Freudentaumel, dass sich die Gerudo nicht mehr aufrecht halten konnte und ihren Kopf gegen Links Schulter stützte. Ihre Stirn rutschte am Stoff der Tunika ab und kam erst in Höhe seines Herzens wieder zum Stehen. Sie hörte rasches Pochen, Atmen, lautes Lachen, das Rascheln von Stoff; all die kleinen Nebengeräusche, die beim Luftholen entstanden und die auf längere Distanz rasch verklangen, aber nun direkt von seinem Körper auf ihr Ohr übertragen wurden. Sein Duft stieg in ihre Nase, ein Gemisch aus Schweiß und Schmutz und männlichen Hormonen, gepaart mit der frischen Nachtluft der Wüste und möglicherweise einem Hauch von getrocknetem Blut, das wohl irgendwo in kleiner Menge unentdeckt im Stoff klebte. Ein Duft von Abenteuer und wilder Freiheit.

Ihre Finger fuhren über das Kleidungsstück. Durch zwei Lagen Stoff hindurch spürte sie die Muskeln, die unter dem allmählich ersterbenden Lachen noch leicht zuckten und bebten. Erstaunt stellte Natiima fest, dass die locker sitzende Tunika doch weit mehr verbarg, als man es bei Links Anblick glauben mochte. Doch sie hätte eigentlich von selbst drauf kommen müssen, dass Schwert und Schild auf seinem Rücken ein gewisses Gewicht besaßen und dass ein Nahkämpfer ohne Geschick, Schnelligkeit und Kraft kein solches Abenteuer überleben konnte wie das, von dem der junge Hylianer ihr den Abend über erzählt hatte. Mehr noch, seine Muskeln waren sogar regelrecht beeindruckend.

Auf dem weiteren Weg nach unten wanderten ihre Finger über den Stoff hinweg und am Gürtel entlang.

Der Blonde war inzwischen wieder zu Luft gekommen. "Das kitzelt", beschwerte er sich. "Was zum Henker friemelst Du da eigentlich herum?"

Natiimas Hand hatte inzwischen etwas Knubbeliges gefunden, das dort am Gürtel befestigt war und betastete es neugierig. "Was ist das?", wollte sie wissen.

"Ach, das meinst Du." Er hätte noch nicht einmal das verhältnismäßig spärliche Licht im Dunkel dieser Nacht gebraucht; Blind öffnete er flugs mit routinierten Bewegungen den ledernen Verschluss und zog die Okarina der Zeit aus der Halterung. Er wischte den Wüstenstaub hinfort, spielte ein paar zusammenhanglose Töne, nahm das Instrument wieder von den Lippen und liebkoste es zärtlich mit den Fingerspitzen.

"Das ist also das wertvolle Erbstück der Königsfamilie von Hyrule", stellte Natiima mit einem ehrfürchtigen Unterton in der Stimme fest. Vorhin erst noch hatte sie begeistert zugehört, wie Link von den Fähigkeiten dieser Okarina erzählt hatte. Sie lächelte begeistert, als ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss. "Hey, Held der Zeit, kannst Du Dich damit hier und jetzt in einen kleinen Jungen verwandeln? Das würde ich zu gern sehen, Du warst als Kind sicherlich unbeschreiblich niedlich!"

"Nicht niedlicher als andre Kleinkinder", erklärte er darauf kopfschüttelnd. "Außerdem ist es nicht möglich. Ich ... weiß selbst nicht genau, was mir den Titel <Held der Zeit> genau eingebracht hat. Ich meine, ich habe nur sieben Jahre lang in der Zitadelle der Zeit geschlafen. Ich wurde – aus meiner Sicht heraus – in einer Sekunde vom Kind zum Erwachsenen, aber ... ich meine, das war ja keine Leistung. Das Herausragendste an der ganzen Sache war eigentlich bloß, dass ich in den sieben Jahren von Ganondorfs Schreckensherrschaft überhaupt habe überleben können." Er seufzte. Doch dann wurde ihm etwas klar und er beeilte sich hinzuzufügen: "Nicht, dass ich seine Regierungsform kritisiere oder seine Autorität untergraben will! ...Äh, das heißt ... doch, ich kritisiere seine Politik, sogar auf's Heftigste, aber das ... das ist ... ich will nicht allgemein die Regierung der Gerudos schlecht machen, nur er ist halt ... ähm..."

"Beruhig Dich", kicherte Natiima. "Ich weiß ja Bescheid. Und ich kann verstehen, dass Du Deine Heimat beschützen willst, ebenso wie diese Prinzessin Zelda. Außerdem hast Du ja selbst gehört, dass sogar wir Gerudo in unterschiedliche Lager gespalten sind, was König Ganondorf betrifft. Du willst ihn töten ... damit kämest Du vielen unserer Kriegerinnen sehr entgegen. Du könntest ... nein, Du würdest sogar unser König sein..."

"Du weißt, dass ich es nicht deswegen mache", unterbrach er sie und verschränkte seine Arme im Nacken.

Natiima nickte. Ihr Blick blieb fast wie hypnotisiert auf dem schwachen Glanz haften, den die Okarina im Sternenlicht zurückwarf. Doch dabei wirkte sie ein wenig abwesend, als seien ihre Gedanken an einem ganz andren Ort; als sehe sie das Instrument vor ihrem Gesicht gar nicht.

"Erklär mir bitte was", murmelte sie, und ihre Finger strichen dabei über die Okarina und – wie zufällig – über Links Hand, die das Instrument festhielt. "Sieben Jahre ... seit sieben verdammten Jahren bist Du nun schon unterwegs für diese ... Sache. Geht es Dir nicht inzwischen gewaltig auf den Sack? Ich meine, Du musst immerzu suchen, kämpfen, rätseln, reisen, Dein Leben aufs Spiel setzen ... und das alles nur für eine Frau, mit der Du kaum mehr als ein paar Sätze gewechselt hast, und von der Du nicht mal weißt, ob sie überhaupt noch am Leben ist. Weißt Du, unter uns Gerudo wärest Du besser aufgehoben. Wir besorgen Dir alles, was Du brauchst. Mehr noch: alles, was Du willst. Alles, was Du Dir erträumst." Sie lächelte sanft. "Wie in einem Löwenrudel." Sie erwachte wieder aus ihrer geistigen Lethargie und sah in Richtung seiner Sternlicht reflektierenden Augen. "Du weißt nicht mal genau, wo Du Zelda suchen musst! Aber Du weißt, wo Du Ganondorf findest. Fordere ihn heraus. Kämpfe gegen ihn. Töte ihn. Ich weiß, Du würdest gegen ihn bestehen. Verdammt, wenn das einer schafft, dann doch nur Du; der erste Mann seit Jahrhunderten, der würdig war, als Gerudo aufgenommen zu werden. Du könntest unter uns so glücklich werden. Nimm seinen Thron ein, und Du bestimmst selbst über das Schicksal von Hyrule."

"Schicksal", murmelte er nachdenklich. "Na, ich weiß nicht. Natürlich mache ich mir Gedanken um meine Heimat und deren Bewohner. Und ein Feldzug, um den Tod des ehrwürdigen Deku-Baumes zu rächen, ist das Ganze ja auch. Jedoch ... von all dem abgesehen ... ich kann Zelda nicht im Stich lassen."

Natiima zog die Augenbrauen zusammen, auf ihrer Stirn bildete sich eine steile Falte. Allmählich machte sie einen verärgerten Eindruck. Doch sie beherrschte sich. "Warum nicht? Nenn mir einen guten Grund."

"Einen?" Er seufzte. "Hunderte. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Du es verstehen kannst, ohne ihr persönlich begegnet zu sein. Sie ist die Prinzessin von Hyrule, doch das ist weit mehr als ein Titel. Ihre bloße Anwesenheit ist ein Symbol des starken Willens, des Friedens und des großen Geistes. In ihrer Nähe fühlt man sich unweigerlich so, als gäbe es für alle Probleme dieser Welt eine Lösung. Zelda ist die Ruhe in Person. Ich habe sie als Kind kennen gelernt, aber schon damals war sie eine kleine Dame. Sie verkörpert Eleganz, gleichzeitig aber auch die Sehnsucht nach Freiheit. Hm. Impa hat sie mal als kleinen Wildfang bezeichnet." Er lächelte selig in seine Erinnerung hinein. "Ihr Göttinnen ... ich erinnere mich, als sei es erst gestern passiert. Dabei liegen sieben Jahre dazwischen. Wie mag es ihr in der Zwischenzeit ergangen sein? Ich wage mir nicht vorzustellen, was sie alles erlebt haben muss. Aber in einem Punkt bin ich mir sicher: Sie ist am Leben, irgendwo da draußen, in einem verflucht guten Versteck. Und sie hat garantiert nichts von ihrer Eleganz und ihrer unglaublich kraftvollen, faszinierenden Aura verloren. Ich wünschte, Du wärst ihr einmal begegnet. Anders kannst Du sicherlich nicht nachvollziehen, wie mächtig die Geduld und die Weisheit sind, die von ihr ausgehen."

Natiima war in grübelndes Schweigen verfallen. Sie hatte sich aufgerichtet und war leicht von ihm weggerückt. Nun hockte sie neben ihm auf dem Boden der steinernen Gerudofestung und starrte nachdenklich ihre Füße an. Ihr Gesicht lag dabei im Schatten.

Als sie kein Wort mehr von sich gab, hob Link die Okarina der Zeit an seine Lippen. Die sanften Klänge von Zeldas Wiegenlied bahnten sich ihren Weg über den stillen Platz hinweg, um dann vom Wind in die Leere der Wüste getragen zu werden.

Die Denkerfalten wichen allmählich aus dem Gesicht der Gerudo, als sie den Tönen lauschte. Es breitete sich sichtlich eine immer tiefer werdende Ruhe auf ihren Zügen aus, die auch von ihrem Herzen Besitz ergriff. Sie seufzte leise auf und rutschte nun doch wieder zu Link hinüber, um ihren Kopf gegen seine Schulter zu lehnen.

Er unterbrach sein Lied. "Du zitterst ja."

"Es ist kalt."

"Willst Du nach Hause?"

"Spiel einfach weiter", verlangte sie und schloss genießerisch die Augen. Er gehorchte.

Sie ließ sich von der Melodie einlullen. Es schien fast, als habe die Musik magische Kräfte, die alle Probleme und Sorgen fortwischen konnte. Die Gerudo wusste nicht genau, woran das lag: an der magischen Melodie, am mächtigen Instrument oder an Links wunderbarer, gefühlvoller Spielweise. Doch nun hatte Natiima den Hauch einer Ahnung davon, was Link gemeint haben mochte, als er von der Aura der Prinzessin von Hyrule gesprochen hatte. Wenn diese Aura mindestens solche Macht hatte, die Umgebung zu beeinflussen, wie dieses Lied, dann musste Zelda wohl tatsächlich eine außergewöhnliche Person sein.

Auch Link gab sich ganz der Melodie hin und ließ seine Gedanken schweifen, wie er es oft und gerne tat, wenn die Umstände es erlaubten. Er fragte sich gerade, wie es klingen mochte, wenn Shiek dazustoßen und das Lied mit seiner Harfe begleiten würde. Doch von dem mysteriösen Shiekah fehlte natürlich jede Spur. Eigenartig, dass Link gerade ausgerechnet an ihn denken musste.

"Weißt Du was?", flüsterte Natiima irgendwann so leise, dass man die Worte über den Klang des Wiegenliedes hinweg mehr erahnen als verstehen konnte, "Ich finde es schön ... hier ... jetzt ... dieses wundervolle Lied."

Sie seufzte leise. Link spielte sein Lied unbeirrt fort, als sie ihren Kopf von seiner Schulter hob und ihn einen Augenblick von der Seite ansah. Dann rückte sie noch etwas näher und stupste ihre kühle Nasenspitze an seine Wange; vorsichtig, um ihn in seinem Spiel nicht zu sehr zu stören. Der Hylianer fröstelte leicht unter der sanften Berührung.

"Ich ... alleine mit Dir ... und dem Sternenhimmel..."
 

"Lucy in the sky with diamonds..."
 

"Hörst Du das?" Link hatte die Melodie gerade unterbrochen und horchte nun mit aufgestellten Ohren. "Was ist das für ein infernalischer Lärm?"

Natiima war für einen Augenblick aus dem Konzept gebracht. "Wie? Was? Was meinst Du?" Sie lauschte nun auch angestrengt. "Jetzt höre ich es auch, aber..."

Sie stand auf und sah sich um. Mit mehrfach gebrochenem Echo schallte Gesang über die Festungsanlage hinweg.
 

"Follow her down to a bridge by a fountain,

Where rocking horse people eat marshmallow pies.

Everyone smiles as you drift past the flowers,

That grow so incredibly high."
 

"Das sind diese Kanalratten!", rief Natiima aus. Ihr Gesicht verwandelte sich in eine Fratze des Hasses. Sie war nicht wütend, sie war stinksauer. Ohne das Triforce des Mutes hätte Link bei der nachfolgenden Tirade sicher Angstzustände bekommen.

"Diese Hohlhirne! Wenn ich diese verfluchten Wichser erwische, reiße ich ihnen jeden Zeh und jeden Finger einzeln aus und stopfe sie ihnen ins Maul, bis sie dran ersticken! Ich häng sie an ihren eigenen Eingeweiden in der Schlucht auf und durchlöchere sie mit Pfeilen und Speeren! Ich..." Es folgten noch einige Flüche, gewürzt mit sehr detaillierten Todesarten. Das Harmloseste stand dabei noch ganz am Anfang. Dazwischen dröhnte immer weiter das Lied der vier Handwerker, und der Satz "Lucy in the sky with diamonds..." tauchte wieder und wieder darin auf.

Der verärgerte Blick der Gerudo streifte umher. Sie beide befanden sich auf einer der oberen Etagen der chaotischen, mehr oder weniger treppenförmigen Festungsanlage, und man konnte die Umgebung gut überblicken.

"Wo sind sie, verflucht?", zischte Natiima. Sie erinnerte Link in diesem Moment an eine sehr giftige Schlange. "Ich kann sie nicht entdecken. Aber ich höre sie doch!"

"Mach Dir nichts draus", versuchte Link sie zu beruhigen. "Hörst Du das Echo? Sie befinden sich außerhalb der Anlage. Sie dürfen sich innerhalb der Festung nicht mehr sehen lassen, laut Jude ... und sie halten sich auch gerade daran. Sie wissen wohl einfach nicht, dass Jude noch tief im Inneren des Berges feiert und diese vier dort draußen gar nicht hören kann." Er stand auf, verstaute die Okarina wieder in der Gürteltasche und legte sachte und vorsichtig seine Hand auf ihre Schulter. "Komm, lass es gut sein."

Das half. Sie beruhigte sich wieder, obwohl sie immer noch verächtlich schnaubte.

"Mir reicht es. Lass uns gehen. Mir ist sowieso kalt."

"Gerne, mir nämlich auch", nickte er darauf. "...Wohin?"

"Du kannst bei mir übernachten. Folge mir." Sie wandte sich um und schritt voraus. Stillschweigend suchten sich die beiden ihren Weg durch die sinnverwirrende Architektur der Gerudofestung hindurch, treppauf, treppab, weiten Gängen und schmalen Korridoren folgend, nur begleitet vom leisen Säuseln des Windes, ihren eigenen Schritten und dem verhallenden Gegröle der Handwerker.

Natiimas Wohnung war klein, ohne indes eng zu sein. Sie hatte ein großes Faible für Teppiche, am liebsten in dunklem Rot. Hunderte Kleinigkeiten zierten den Raum, darunter Vasen, Figürchen, Gemälde ... und eine uralte Truhe mit verrostetem Schloss und aufgequollenen Holzlatten, sodass der Eindruck entstand, sie stamme aus einem Piratenschatz, der Jahre unter Wasser zugebracht haben musste. Link glaubte nicht daran, dass Natiima dort drinnen etwas Wertvolles aufbewahrte – er war sich nicht mal ganz sicher, ob sich die Schatzkiste überhaupt noch öffnen ließ – aber das wuchtige Ding war auf jeden Fall ein Hingucker.

"Brauchst Du noch irgendwas?", fragte die Gerudo, die schon damit begonnen hatte, das Band aus ihren Haaren zu lösen.

"Nur noch ein Bett", erwiderte Link und kratzte sich an der Schulter. Ihm wurde mit einem Mal bewusst, wie ermüdend es war, durch eine bewachte Festung zu schleichen, Gefangene zu befreien und hinterher religiöse Feste zu feiern.

Natiima hatte ihre Haare inzwischen offen. Sie waren sehr lang und kirschrot, wie es für die Gerudo sehr typisch war. Wie ein Wasserfall aus dunklem Blut flossen sie über ihre Schultern und ihren Rücken. Im Kerzenlicht warfen sie einen sanften Schimmer.

Beim Anblick der roten Haarpracht fühlte sich Link plötzlich an Malon erinnert. Doch nur einen kurzen Augenblick lang. Nein, es gab zu viele Unterschiede. Malon war zu einer hübschen jungen Frau geworden innerhalb der sieben Jahre, das konnte niemand leugnen, doch sie hatte eine andre Ausstrahlung als die Gerudo; sanftmütiger irgendwie. Natiima indes wirkte eher elegant und unbeschreiblich raubtierhaft. Ihr Körper war schlank und geschmeidig, dabei doch für eine Frau sehr muskulös. Sie hatte den kraftvollen Gang einer graziösen Wildkatze. Eine Kämpfernatur durch und durch.

Link wischte sich mit den Fingern durch die müden Augen. Seine Gedanken schweiften ab und er konnte sich nicht erklären, weshalb er Natiima jetzt so unter die Lupe nahm. Sie war interessant anzusehen, das konnte und wollte er nicht leugnen, doch er ertappte sich dabei, sie abzuschätzen, wie er das in jahrelang antrainiertem Instinkt eines Schwertkämpfers tat, der seinen Gegner musterte. Doch war es nicht, wie sonst, ein Lauern auf der Suche nach Schwachstellen. Er wusste, sie war keine Gefahr für ihn. Es war eher ein tief sitzendes Interesse. Die Neugierde um das Fremdartige.

"Willkommen in meiner Schlafecke", erklärte Natiima mit diesem freudigen Funkeln, das Link nun schon so oft in ihren Augen aufgefallen war. Sie deutete auf eine lang gezogene Wand, entlang der sich etliche Kissen und Decken auf einer riesigen Matratze gruppierten.

"Fein", antwortete Link und sah sich um. "Wo schlaf ich?"

"Da." Ihr Finger deutete auf die Matratze.

"Okay." Link nickte. "Wo schläfst Du?"

"Da." Ihr Finger deutete auf die Matratze.

Etwas irritiert starrte er sie an. "Mit mir?"

Natiima zuckte mit den Schultern und grinste herausfordernd. "Meine Wohnung ist kein Luxushotel."

"Oh, ich ... ich wollte nicht meckern", beeilte sich Link mit abwehrend erhobenen Händen zu sagen.

"Hab ich auch nicht erwartet", sagte sie zufrieden. "Ich fürchte bloß, ich habe keinen Schlafanzug in Deiner Größe. Kannst Du auch ohne schlafen?" Sie zeigte ihm einen koketten Augenaufschlag.

Er winkte ab. "Wenn Du auch nur eine Ahnung davon hättest, auf welche Art und Weise ich in den Wochen seit Beendigung meines siebenjährigen Komas geschlafen habe... Ich habe Schlimmeres hinter mir, als auf den Luxus eines Schlafanzugs verzichten zu müssen."

"Dann bin ich ja beruhigt", kommentierte sie, während sie Link dabei beobachtete, wie er sein Schwert mitsamt dem Waffengurt und dem Schild abnahm und vorsichtig gegen eine Wand lehnte. "Jedenfalls gehe ich mich jetzt umziehen. Ich bin sofort wieder da."

Während sie im Bad verschwand, seufzte Link schwer und begann sich zu entkleiden. Er nahm Stiefel, Handschuhe, Mütze und Gürtel ab und türmte sie feinsäuberlich zu einem kleinen Berg neben seiner restlichen Ausrüstung. Er stellte fest, dass seine Tunika fast schon alleine stehen konnte vor lauter Dreck. Dass sie nicht auf ihn zugelaufen kam und <Papa> sagte, war auch schon alles. Nun entfernte er nur noch das Haarband aus seinem kurzen Pferdeschwanz.

Nur noch mit dem Hemd und der weißen Leinenhose bekleidet ließ er sich in die weichen Kissen fallen. Müdigkeit legte sich schwer wie Blei auf seine Augenlider. So langsam begann er sich zu fragen, wieso er nicht schon im Laufe des Tages im Stehen eingeschlafen war. Er schnappte sich eine der Decken und rutschte etwas zum Rand des Nachtlagers. War auf der andren Seite noch genügend Platz? Ja, mehr als genug! Da war ausreichend Raum für vier Natiimas und ein Kamel. Gut.

Für einen langen Augenblick schloss Link einfach die Augen und lauschte. Der Wind säuselte leise und warf immer mal wieder Sandkörner gegen die Fensterscheibe. Das Kissen unter seinem Kopf raschelte sanft bei seinen Atemzügen. Er hörte Natiima im Bad nebenan hantieren; Glasbehälter wurden auf Porzellan abgestellt, barfüßige Schritte gingen hierhin und dorthin, Wasser strömte und plätscherte, der Stoff eines Handtuchs wurde geräuschvoll geknüllt und für einen kurzen Augenblick summte die Gerudo ein leises Lied vor sich hin.

Die Luft, die über die gesamte Festung hinweg sehr würzig roch, war in Natiimas Wohnung noch mit einem andren Unterton geschwängert, ein Hauch von süßlich duftenden Blüten. Ein wenig wunderte sich Link darüber, wo in der Wüste Blüten herkommen sollten; gesehen hatte er weit und breit keine. Doch schon bald war er zu müde und der Gedanke entschlüpfte ihm wieder.

Als seine Gastgeberin wieder erschien, trug sie ein schlichtes, dünnes Nachthemd aus silbrig glänzender Seide. Sie durchquerte den halben Raum und musterte Link feixend.

"Na, so was", rief sie aus, "sehe ich Dich auch mal ohne Mütze! Siehst schon ganz anders aus." Doch er grunzte nur; er war zu müde, darauf großartig eine Antwort zu geben. Sie pustete die Kerze aus. Anmutigen Schrittes näherte sie sich ihm und legte sich zu seiner Seite nieder. Und das so deutlich nahe heran, dass immer noch vier weitere Natiimas und ein Kamel Platz gehabt hätten.

Na ja, dachte sich Link, ihr ist halt kalt.

Freundschaftlich legte er den Arm um sie und zog sie an sich, um sie zu wärmen. Der süßliche Blütenduft wurde dabei noch stärker. Parfüm, wie ihm nun endlich bewusst wurde. Das war ihm die ganze Zeit über nicht aufgefallen, aber möglicherweise war der Geruch auch während des Festes von zu vielen anderen Nuancen überlagert worden. Oder sie hatte gerade eine frische Ladung aufgetragen, doch er wunderte sich, wieso sie das vor dem Schlafengehen noch hätte tun sollen.

Ihre Finger strichen über seine Brustmuskulatur. Selbst durch den Stoff seines Hemdes hindurch fühlte sie sich beeindruckend fest an.

Immer noch müde hob Link nun seine Augenlider wieder an und beobachtete ihre Bewegungen. Nur das Sternenlicht, das durch das Fenster gefallen kam, sorgte für den sanften Unterschied zwischen Schatten und völliger Dunkelheit, und ließ hier und dort einzelne Lichtreflexe entstehen. Der Blick des Hylianers schweifte nur kurz über ihren Körper, der durch das dünne Nachthemd beinahe mehr enthüllt als wirklich verdeckt wurde. So sehr die Welt nun auch in bläulicher und gräulicher Düsternis lag, das Leuchten des Himmels reichte dennoch aus, sanfte Konturen auszumachen, wie die weichen Rundungen von Natiimas Hüften und ihrer Brüste. Sie war wirklich eine hübsche Frau. Trotz der Dunkelheit wirkte es so, als ginge von ihren Augen ein ganz eigener, goldener Schimmer aus, als sie nun seinen Blick suchte.

"Was denkst Du gerade?", wisperte sie. In ihrer Stimme schwang ein sehr schwaches Zittern wie von beherrschter Aufregung mit.

"Ich erinnere mich", antwortete er. "Ich habe heute so vieles gesehen, was mir fremd erschien. Aber es hat mir gefallen." Er lächelte sanft. "Ich werde vielleicht niemals alles verstehen, was Dein Volk betrifft. Aber ich würde sehr gerne so viel wie nur möglich über euch lernen. Vielleicht werde ich einmal Gelegenheit dazu haben. In friedlicheren Zeiten."

Natiima setzte auch ein sachtes Lächeln auf. "Ich werde Dich gerne in meine Welt hineinlassen und Dir alles zeigen."

"Weißt Du, was ich sehr beeindruckend finde?" Links Lächeln verwandelte sich mehr in ein Schmunzeln. Er wartete gar nicht erst ihre Antwort ab und fuhr fort: "Ich bin ja schon so vielen Völkern begegnet ... so vielen Menschen ... aber ich habe niemals auf einem Flecken so viele Leute gesehen, die sich so derart ähnlich sehen wie ihr Gerudo."

"Findest Du?" Natiima hob eine Augenbraue. "Ist mir nie aufgefallen. Und ich höre es zum ersten Mal. Kann sein, dass mir mehr Unterschiede auffallen, da ich meine Mitstreiterinnen schon mein Leben lang kenne, aber ich finde, so ähnlich sind wir uns gar nicht. Und bedenke, George von unsren vier Sängerknaben findet Jude ja auch unter Tausenden Gerudos wieder." Sie lachte auf. "Ist vielleicht Schicksal, wer weiß?"

"Schicksal, hmm?" Link kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Aber Du musst zugeben, eine gewisse Zugehörigkeit verbindet euch schon. Das sieht ein Blinder mit dem Krückstock. Und ich meine nicht bloß Sprache und Kleidung. Ihr teilt euch sehr ähnliche Augenfarben, meist golden bis braun. Und die Haare variieren zwar leicht, doch halten sie sich zumeist im Farbspektrum zwischen hellrot, rotbraun und dunkelrot auf."

"Ach, das meinst Du." Sie fuhr mit den Fingern durch ihre lange, kirschrote Mähne. "Das ist tatsächlich etwas sehr Besonderes. Weißt Du, in gewisser Weise gibt es ja keine reinrassigen Gerudos, einfach aufgrund des Männermangels. In den meisten Fällen sind es Hylianer, mit denen sich Gerudokriegerinnen einlassen, einfach weil Hyrule das nächstgelegene, bewohnte Stück Land ist. Aber egal ob mit blonden Haaren, mit schwarzen, mit braunen ... wenn eine Gerudo mit einem Hylianer zusammenkommt, ist das Kind immer eine Gerudo. Helle Augen und rötliche Haare. Unser Blut ist stark!"

"Und Ehen gibt es hier nicht?", erkundigte sich der junge Held. "Ich habe außer mir und diesen Handwerkern hier niemanden aus Hyrule gesehen."

"Ehen gibt es. Aber ziemlich selten", erklärte Natiima geduldig. "Zumeist ist es eher der König, der einen Ehebund eingeht. Aber nicht mal das immer. Eine Ehe mit einem Hylianer oder jemandem aus einem andren Volk ist zwar möglich, aber bedenke, was das mit sich bringt! Ein Hylianer, der von weiblichen Gerudos umringt ist und sein Leben hier verbringt. Der wird doch wahnsinnig." Sie grinste vergnügt. "Außer natürlich, er ist stark genug – körperlich, aber ganz besonders mental – um das hier durchzustehen. Er müsste sich natürlich auch an das raue Klima gewöhnen. Vielen Männern ist es einfach zu viel. Deswegen hat es mehr Gerudos gegeben, die schweren Herzens ihr Land verlassen haben um der Liebe zu folgen, als dass es Hylianer gegeben hätte, die das auf sich genommen hätten. Da sieht man mal wieder, was für Schweine Männer doch sind. Äääähm ... zumindest einige von ihnen, meine ich..."

Link winkte ab. "Ich weiß, wie es gemeint ist."

"Jedenfalls ist das einer der Gründe, weswegen sich Gerudo-Frauen lieber kurzfristig auf Männer einlassen. Ein andrer sind natürlich die typischen Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Mann und Frau..." Sie überlegte kurz. "Sag mal, Link? Wie ist das eigentlich mit Dir? Ich meine, willst Du denn einmal heiraten?"

"Wa... was?", fing er zu stottern an. Sein Gesicht wurde glühend heiß. "Ich? Heiraten? Aber ... aber ... aber ich ... ich bin..."

"...Siebzehn Jahre alt", beendete die Gerudo den Satz auf ihre Weise. "Das beste Alter, um sich nieder zu lassen und eine Familie zu gründen."

"Ach, ja ... siebzehn...", murmelte er. An manchen Tagen kam es ihm immer noch vor, als sei er in seinem altbekannten, kindlichen Körper und er würde die Welt nur deswegen aus einem leicht andren Blickwinkel sehen, weil er auf Stelzen liefe, um sich größer zu machen. Besonders zu Anfang war es ihm schwer gefallen, sich an die neuen Proportionen zu gewöhnen. Er hatte automatisch mehr Kraft angewendet als wirklich nötig gewesen wäre und hatte sich so manches Mal verschätzt, wenn er nach irgendwas greifen wollte. Selbst die Orientierung am eigenen Körper war schwierig, wenn er eine juckende Stelle kratzen wollte aber mit den langen Armen ganz anders greifen musste. Er war in den ersten Tagen sehr verwirrt gewesen, doch inzwischen hatte er die Veränderungen weitestgehend akzeptiert. Was blieb – und das sehr hartnäckig – war die Tatsache, dass er immer wieder vergaß, wie ein Erwachsener zu denken und zu handeln. Genauer gesagt hatte er es nicht vergessen; er hatte es eher niemals wirklich gelernt. Alles, was er an Kenntnissen besaß, hatte er sich in Windeseile von anderen Erwachsenen abgeschaut. Schnelles Begreifen war schon immer eine seiner Stärken gewesen. Aber andererseits waren es zwei unterschiedliche Dinge, etwas nachzuahmen, oder es wirklich bis ins tiefste Innere zu verstehen.

"Ist irgendwas?", fragte sie. "Du wirkst mit einem Male bedrückt." Sie legte ihre Hand auf seine Wange und streichelte ihn sanft. Dazu lehnte sie sich ihm etwas entgegen und drückte ihren Busen gegen seinen Brustkorb.

Der junge Mann fühlte sich etwas überfordert. Irgendwie war es ihm peinlich, all diese Berührungen zu fühlen; doch gleichzeitig war es auch angenehm und wirkte beruhigend auf ihn. Eine wohltuende Hitze überschwemmte seinen Körper auf eine Art und Weise, wie Link es niemals zuvor gespürt hatte. Doch was schlussendlich über alle anderen Empfindungen obsiegte, war die Angst vor dem Fremdartigen. Der Träger des Triforce des Mutes war bei Weitem nicht furchtsam, doch hatte er besonders in letzter Zeit lernen müssen, vorsichtig zu sein. Wann immer er etwas nicht kannte, hielt er für gewöhnlich vorerst Abstand davon, bis er einen Schwachpunkt herausgefunden hatte. Doch das hier war kein Kampf; und Abstand war auf dem letzten Rest der Matratze nicht mehr zu finden. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Seine Muskeln verkrampften sich zu stahlharten Klumpen, die ihn bewegungsunfähig machten.

Als keine Antwort kam und Natiima die ungewöhnliche Starre auffiel, machte sie ein betretenes Gesicht. Sie zog zögernd die Hand zurück. "Wenn ... wenn ich etwas Falsches gesagt haben sollte..."

"Nein", unterbrach er hastig. Verunsicherung schwang in seiner Stimme mit. Dann beeilte er sich, nachdrücklich zu beteuern: "Nein, wirklich... Verzeih bitte. Es ist nur..."

Sein Schweigen beantwortete Natiima mit einer ermutigenden Aufforderung: "Was denn? Komm, erzähl es mir. Kann ich was für Dich tun?"

Verlegen kratzte sich Link am Hinterkopf. "Hmmm, ich ... also, ich..."

"Du bist einfach nur schüchtern, was?"

"Eigentlich..." Der Hylianer brach seinen Satz ab. Er fand einfach keine passenden Worte in dieser ausweglosen Situation.

Einen Moment zögerte Natiima und biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. Dann fällte sie ihre Entscheidung. Sie rückte wieder näher, langsam, bedächtig, vorsichtig. Ihr heißer Atem streifte seine Wange, dann platzierte sie sachte ihre Lippen neben Links Mundwinkel. Sie zog ihren Kuss in die Länge, wartete auf eine Reaktion ... doch vergeblich. Als sie ihren Kopf wieder leicht zurücknahm und in seine dunklen, blauen Augen sah, die selbst im schwachen Licht der Sterne irgendwie traurig und – ja geradezu mitleidig, aber auch ängstlich, verstört – wirkten, begriff sie endlich. Sie senkte betreten den Kopf.

"Es ist wegen Prinzessin Zelda, hab ich Recht? Du liebst sie."

Im ersten Moment seufzte er leise. Er presste die Zähne zusammen, seine Kaumuskeln arbeiteten angestrengt, als er nachdachte.

"Wenn ich mit einem Ja antworte, lüge ich", erklärte er murmelnd. Er sah sie dabei nicht an. Sein Blick klebte auf der Bettdecke, die er gerade mit seinen Fingern knetete, als sei sie schuld an allem. "Wenn ich mit einem Nein antworte, ist das aber ebenso gelogen. Du hast es selbst noch gesagt, das ist keine Stunde her: Ich habe mit ihr kaum gesprochen. Dennoch ist da ... etwas ... ich weiß nicht ... wie eine mentale Verbindung. Ich weiß nicht, wo sie ist, wie es ihr geht, ob sie noch lebt. Aber sie ist der Grund, der mich in den letzten Monaten am Leben gehalten hat. Allein der Gedanke, dass sie irgendwo da draußen ist, wartet, auf meine Hilfe hofft, ausharrt, sich gegen das pure Böse auflehnt, kämpft, den Frieden für ihr Land – unsere gemeinsame Heimat – wieder herstellen will ... das alles treibt mich voran; gibt mir mehr Kraft als alle Zaubertränke zusammen das vermögen würden. Manchmal, wenn ich die Okarina hervorziehe und ihr Wiegenlied spiele, dann kommt es mir vor, als hörte ich ihre Antwort, als singe sie über Kilometer hinweg mit mir. Wir sind verbunden, irgendwie. Ich verstehe es selbst nicht. Aber oft, wenn ich an sie denke, spüre ich so ein Kribbeln in dieser seltsamen Narbe, die ich schon seit meiner Geburt auf dem linken Handrücken trage..."

Er ließ mit links die Bettdecke los und hob die Hand. Obwohl es dunkel war, schien ein goldenes, dreieckiges Schimmern über seine Haut zu fahren, aber nur kurz, sodass sich Natiima nicht völlig sicher war, es tatsächlich gesehen zu haben.

Für eine kurze Ewigkeit herrschte Schweigen, in dem alle Müdigkeit vergessen war; wo nur noch Trauer und Erinnerung und Fremdartigkeit in der kleinen Welt hinter Links Stirn um die Herrschaft kämpften.

Dann endlich ergriff er erneut das Wort. "Es tut mir Leid, Natiima. Bitte, versteh mich nicht falsch. Du bist eine wundervolle Frau. Selten habe ich eine solche Lebensfreude und Offenheit in einer Persönlichkeit gesehen wie bei Dir. Du beeindruckst durch Schönheit und Intelligenz und eine Warmherzigkeit, wie man sie in diesen schweren Zeiten nur allzu selten finden kann. Aber mein Platz ist einfach nur woanders. Ich gehöre nicht zu den Gerudos, was auch immer Jude behaupten mag. Und ich kann nicht ruhen, solange ich eine Mission zu erfüllen habe. Ich weiß nicht, weswegen die Göttinnen ausgerechnet mir diese Bürde auferlegt haben. Aber ich kann es jetzt nicht mehr ändern. Keine Ahnung, wie ich mich entschieden hätte, wenn ich Dir unter anderen Umständen begegnet wäre. Du übst eine unbeschreibliche Faszination auf mich aus. Aber ich fürchte, unter den gegebenen Umständen könnte ich hier nicht glücklich werden. Nicht, ohne von meinem Gewissen zerfressen zu werden. Ich sehe vor meinem geistigen Auge so viele teure Freunde, die meine Hilfe brauchen. Sie vertrauen darauf, dass ich den letzten der sechs Weisen befreie. Dass ich Ganondorfs Herrschaft beende. Ich weiß nicht, was danach kommt. Möglicherweise überlebe ich diesen Kampf noch nicht einmal. Aber vielleicht, wenn die Welt gerettet ist, sofern mir das überhaupt gegeben ist ... ja ... dann kann ich über die Zukunft nachdenken und darüber, was ich tun will; und mit wem. Doch keine Sekunde früher. Ich bin mir nicht sicher, ob Du das verstehen kannst."

Der letzte Satz war nicht nur eine Aussage, er war zugleich eine Frage. Natiima spürte das, und sie nickte zur Antwort.

"Dann ist es wohl Schicksal."

Zum ersten Mal seit einem langen Augenblick hob Link wieder seinen Blick von der Bettdecke und sah sie nachdenklich an. "Ich weiß nicht, ob <Schicksal> die Sache wirklich trifft ... ich habe diesen Weg immerhin zu einem gewissen Teil selbst gewählt. Ich meine, ich hätte auch einfach wegrennen und meine Waffen wegwerfen können."

"Nein, hättest Du nicht." Entschieden schüttelte die Gerudo den Kopf. Ihr Haar flog hinter den Schultern hin und her. Nach langer Zeit lächelte sie endlich wieder. "Du bist für diesen Kampf geboren worden. Und Du wirst siegen, das spüre ich einfach. Aber beantworte mir bitte eines: Egal wie die Schlacht ausgehen mag und gleichgültig wie lange sie auch dauert ... sobald alles zu Ende ist und sich Dein Schicksal erfüllt hat ... was wirst Du dann tun? Ich ... ich meine..." Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern. "...kommst Du mich danach einmal besuchen?"

Links ernstes Gesicht verwandelte sich in ein warmes Lächeln. Seine Hand griff nach einer der ihren und hielt sie fest. "Ich verspreche es Dir. Ich werde danach zu Dir zurück kommen."

"Als der König der Gerudo", zwinkerte sie.

"Das kann ich natürlich nicht versprechen." Er hob seine Augenbrauen.

"Ich bin aber zuversichtlich", beteuerte sie. Sie wirkte nun sichtlich besser gelaunt. "Und weißt Du was? Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Du Deine Meinung bis dahin geändert hast. Du wirst die wilde Freiheit lieben, die Du nur unter uns Wüstenkindern finden kannst. Nach Deiner Reise, wenn Du viel Zeit hast, machen wir beide mal einen langen Ausritt in die Wüste. Du wirst danach nie wieder woanders hin wollen."

Er wagte es nicht, ihr nun ihre neugewonnene Hoffnung wieder auszureden. Doch er erwiderte: "Das werde ich gerne mit Dir machen."

"Super", freute sich Natiima. Das altgewohnte Glitzern trat in ihre Augen zurück. "Dann ist das also ein Versprechen! ...Und falls Du doch mal eine Familie gründen möchtest – hey, ich stelle mich gern zur Verfügung. Kinder wachsen ja nicht auf Bäumen."

"Doch!", entgegnete er mit einem amüsierten Grinsen auf den Lippen. In gespielt naivem Tonfall erklärte er: "Also, ich weiß ja nicht, wie es in der restlichen Welt ist, aber bei den Kokiri bringt der Deku-Baum die Kinder auf die Welt. Das hat irgendwas zu tun mit Bienen und Blüten..."

Natiima massierte sich mit Zeigefinger und Daumen den Nasenrücken. "Na, was für eine wunderbare Vorstellung", seufzte sie. Dann drückte sie seine Hand etwas fester. "Aber jetzt weiß ich zumindest endlich, wo ich dran bin. Danke für Deine Ehrlichkeit."

"Aber ich hab doch überhaupt nichts...", begehrte er auf, doch dann wurde ihm bewusst, wie wichtig es der stolzen Kriegerin war, nicht bloß aus Mitleid eine falsche Liebe vorgeheuchelt zu bekommen, oder angelogen worden zu sein. Er hätte seinen Satz sowieso nicht beenden können, denn sie hatte ihm plötzlich ein kleines Küsschen auf die Wange gegeben; nicht mehr als das, was eine große Schwester mit ihrem kleinen Bruder machen würde. Doch es reichte aus, Links Gesicht die Farbe reifer Tomaten zu verpassen, was man im Dunkeln glücklicherweise nicht sehen konnte.

"Gute Nacht, Du großer Held."

Damit drehte sie sich rum, rückte endlich etwas ab und zog sich eine Decke bis zu den Schultern hoch.

Der Spott in ihrer Stimme gefiel Link nicht, doch nun fühlte er sich endgültig zu müde, um noch groß drüber nachzudenken.

"Gute Nacht."

Er ließ sich in sein Kissen sinken. Nur noch ein paar Gedanken flogen durch seinen verwirrten Kopf. Er fragte sich, ob Zelda wohl mit fremden Männern in ähnliche Situationen geraten war, und falls ja, wie sie reagierte; die Prinzessin hatte immerhin die letzten sieben Jahre im Wachzustand erlebt und nicht, wie er, das Heranwachsen verschlafen. Schließlich aber fand auch er den Weg ins Reich der Träume.
 

~*~*~*~*~*~
 

Es gab verschiedene Wege, aufzuwachen.

Man konnte ausschlafen bis in alle Ewigkeit. Mit etwas Glück konnte man von süßen Träumen erwachen; oder – mit etwas Pech – von brutalen Alpträumen geweckt werden. Dann gab es da noch die Variante mit donnerndem Lärm oder heftigem Beben. Man konnte durchgeschüttelt werden. Link kannte sogar inzwischen die ziemlich unangenehme Variante, nach einem heftigen Tritt in die Magengrube wach zu werden.

Aber er war noch niemals von personifizierter Einsamkeit wach geworden.

Als er zu sich kam und müde ein Augenlid hob, wusste er, dass er etwas vermisste. Die Sonne draußen stand inzwischen hoch oben am Himmel und brannte unbarmherzig auf den Sand der Gerudowüste. Die Hitze kroch selbst durch das Fenster und durch Ritzen und Spalten in der Tür bis in die Wohnung hinein. Winzige Staub- und Sandpartikel schwebten in der Luft und führten einen lautlosen Tanz in den Sonnenstrahlen.

Link blinzelte. Es war viel zu hell und seine Augen konnten sich noch nicht ordentlich daran gewöhnen. Er drehte den Kopf zur andren Seite; dort hin, wo Natiima genächtigt hatte. Sie war fort.

Mit einem Seufzen senkte er die Lider wieder. Die Helligkeit biss unangenehm in seinen Augen und das Bett war einladend gemütlich. Dennoch fegte die dumpfe Frage durch seinen Hinterkopf, wo seine Gastgeberin wohl geblieben sein mochte.

Nach einem ausgiebigen Gähnen und Strecken lauschte er in die Wohnung hinein. Ein leises Wasserplätschern zog sich durch die Räume. Link konnte die Schritte, die sich leise näherten, erst hören, als Natiima dicht neben ihm stand und sich dann hinkniete.

"Ach, wie süß, der Kleine", flötete sie fröhlich vor sich hin.

Der Hylianer bohrte seinen Kopf tiefer in das Kissen. "Ich bin nicht klein", tönte es aus den Daunen hervor. Er konnte es sich nicht recht erklären, aber das Gefühl des Verlassen-Seins war in dem Augenblick verflogen, als er die Stimme der Gerudo neben sich gehört hatte. Nun war er schon viel beruhigter.

"Ich habe doch nicht von Dir gesprochen." Dieser kaum verhohlene Spott, der offenbar so typisch für Gerudos war, ließ Link alarmiert aufhorchen. Er öffnete wieder ein Auge, sah der jungen Frau entgegen, folgte ihrem Blick ... und dann riss er die Decke, die er im Laufe der Nacht von sich fort gestrampelt hatte, über seine Körpermitte.

"Nun hör auf zu glotzen", knurrte er mit hochrotem Kopf. "Das ... hab ich fast jeden Morgen, seitdem ich in dieser verdammten Zitadelle der Zeit aufgewacht bin."

Er war in diesem Augenblick halbwegs froh, dass er über Nacht Hemd und Hose anbehalten hatte.

Natiima prustete vergnügt. "Gewöhn Dich dran. Das wird Dich nun den Rest Deines Lebens begleiten. Falls Dich das beruhigt: Du bist damit nicht alleine, Kerl. Und nun steh auf. Du gehst nun baden, und danach gibt es Frühstück." Sie stockte. "Spätstück", korrigierte sie sich. "Aber mach Dir nichts draus, ich bin auch noch nicht lange wach. Das gilt für die komplette Festung. Hier kämpfen alle noch mit dem typischen Kater nach den Feierlichkeiten. Genau deswegen gibt es ja immer am darauffolgenden Morgen unser traditionelles, gemeinsames Frühstück: Das hat nichts mehr mit Religion zu tun, sondern nur noch damit, dass wir gemeinsam in den Alltagstrott zurückkehren können. ...So, und nun heb Deinen Hintern aus dem Bett. Ich will nach Möglichkeit noch innerhalb dieser vierundzwanzig Stunden etwas zu Essen kriegen."

"....................Was?" Link fühlte sich noch nicht aufnahmebereit für so viele Informationen auf einmal. Er fuhr sich mit dem Handrücken durch die Augen und blinzelte.

Natiima bemerkte seine Müdigkeit nicht – oder ignorierte sie gekonnt. Sie fuhr mit ihren Ausführungen fort:

"Du kannst ins Bad gehen, das Wasser steht schon bereit. Ach, übrigens..." Sie unterbrach sich, um ihn einige Sekunden lang diabolisch anzugrinsen. "Ich hoffe, Du störst Dich nicht dran, aber ich habe keine Tür zum Bad, nur einen Vorhang. Mehr braucht man ja nicht, wenn man eh allein wohnt."

Das Gehirn des Hylianers kam allmählich in die Gänge. Er starrte die Gerudo an und wusste im ersten Moment nicht, ob er das für einen schlechten Scherz halten sollte, oder ob er sich hilflos fühlte; oder ob es womöglich die beste Lösung war, ihren Vorschlag, zu baden, ganz auszuschlagen.

"Öhm ... also ... na ja, ich..."

In einem Ton, der keine Widerrede zuließ, bestimmte die Frau: "Du wirst baden, Freundchen. Du stinkst wie ein vor drei Wochen verstorbener Iltis. Und wenn Du es nicht bei mir tust, dann im öffentlichen Badehaus; Aber Du wirst baden, so wahr mir Shetája helfe!"

"Du übertreibst", nörgelte Link mit gesenktem, hochrotem Kopf. "Aber gut, ich gebe mich geschlagen. Ähm ... wo ist denn dieses ... Badehaus?"

"Ich kann Dich hinführen." Das Grinsen in ihrem Gesicht schien noch breiter zu werden. "Hey, vielleicht setze ich mich ja dazu! Wir werden uns ein schönes, großes Becken teilen; Du, ich und vielleicht noch ein gutes weiteres Dutzend Gerudos..."

"Was???", protestierte der junge Held.

"Na ja, wenn Dir das nicht gefällt ... hmmm, wenn ich so drüber nachdenke..." Sie stockte kurz und legte sich den Zeigefinger an die Unterlippe. "Es gibt eventuell eine Möglichkeit für Dich, ein eigenes Becken zu kriegen. Wenn Du Glück hast. Nämlich das Becken für die Frauen, die gerade ihre Tage haben; ich glaube, momentan betrifft das keine von uns. Oder vielleicht fast keine. Du brauchst keine Angst zu haben, das Wasser wird ständig frisch nachgefüllt."

"Ich bade hier", seufzte Link resigniert.

"Freut mich", antwortete Natiima und griff nach der Tunika und der Mütze, die beide noch immer als bräunlich-rötlich-grünlicher Haufen auf dem Boden lagen.

"Hey!", beschwerte sich der junge Mann. "Das ist mir!"

"Riecht man", antwortete sie nur, hielt die Textilien mit spitzen Fingern weit von sich und bedachte ihn mit einem Blick, als würde man den kleinen Bruder dabei erwischen, wie er im Schlamm spielte. "Ich werde es waschen. Spar Dir die Widerrede."

"Und wann gedenkst Du mir das Zeug zurück zu bringen?", knurrte er unbehaglich.

Sie winkte lässig ab. "Je früher ich alles zusammen habe, desto eher kriegst Du es wieder zurück; Also beeil Dich und hüpf endlich in die Wanne, damit ich auch mal an Deine Hose und das Hemd rankomme. Leg das Zeug einfach bei der Tür neben den Vorhang, sodass ich es bloß noch holen brauche. Keine Angst, die Wüstenhitze lässt Klamotten ziemlich schnell trocknen, es ist also rechtzeitig wieder da, wenn Du fertig bist mit dem Baden. Ich lass Dich doch hier nicht nackig rumrennen ... wenn Du lieb bettelst."

Ein Schauer fuhr über Links Rücken, wenn er daran dachte, wie hilflos er dieser Situation momentan ausgeliefert war. Einen Augenblick zögerte er noch, dann seufzte er abermals und stand auf. Immerhin hatte ihm die Diskussion genug Zeit verschafft, um die Erektion völlig abklingen zu lassen. Er tapste ins Bad. Die Wanne war, wie so vieles in dieser Festung, aus dem Stein herausgehauen, das allerdings auf meisterhafte Art: Sie war geräumig und die Wände recht hoch, vielleicht hätten auch zwei Personen Platz darin. Das Wasser dampfte heiß vor sich hin und verströmte einen angenehmen Duft nach Rosenblüten, Schaum trieb auf der Oberfläche. Diverse Seifen und ein Schwamm lagen auf einer kleinen Ablage am Beckenrand bereit. Link kratzte sich nachdenklich am Kopf. Er fragte sich, wie man in der Wüste wohl an solcherlei Güter herankommen mochte. Schlussendlich zuckte er aber bloß mit den Schultern und vergewisserte sich, dass der Vorhang an der Tür wirklich jede Ritze abdeckte. Als er sich entkleidete, war es ihm nicht wirklich recht, Natiima einfach die schmutzige Wäsche zu überlassen, aber dennoch legte er sie wie abgemacht in die Nähe des Eingangs. Diese Frau ließ einfach nicht mit sich diskutieren. Und eigentlich war er dankbar dafür, dass sie ihm dieses Angebot gemacht hatte.

Der Beckenrand und die an der Wanne angrenzende Wand waren ziemlich warm, wie Link feststellte, als er sich beim Reinklettern dagegen stützte. Irgendwo darin mussten Röhren verlaufen, die als Heizsystem dienten. Der junge Krieger fragte sich, ob es hier wohl einen Vulkan oder etwas Ähnliches gab, um diese Hitze zu erzeugen, doch sicher war er nicht. Der Todesberg war der einzige Vulkan in ganz Hyrule, von dem er je gehört hatte. Andererseits war er nun weit von seiner Heimat entfernt und das Gebiet der Gerudo gehörte politisch gesehen schon gar nicht mehr zum hylianischen Königreich.

Er ließ sich in das heiße Wasser sinken und lehnte sich zurück. Der Blütenduft, der von der Flüssigkeit aufstieg, wirkte ungemein angenehm und umnebelte seine Sinne. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie verspannt er war. Erst nach und nach konnte er seine Schultermuskulatur lockern.

Mit angehaltenem Atem tauchte er den Kopf unter Wasser und fuhr mit den Fingern durch die Haare. Dabei zählte er die Sekunden. Für ihn als Krieger war es wichtig und auch beruhigend zu erfahren, wie lange er ohne frischen Sauerstoff auskam. Niemand konnte ahnen, ob ihm dieses Wissen eines Tages mal von Nutzen sein konnte. Und nebenbei schulte er seine Konzentration und mentale Gelassenheit. Beim Schwertkampf kam es nämlich auch nicht nur auf pure Muskelkraft an, sondern auch darauf, auch in beklemmenden Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Link ließ einfach nur all seine Muskeln entspannt und zählte; weiter und weiter.

Als sein Schädel wieder die Wasseroberfläche durchbrach, holte er einige tiefe Luftzüge. Es tat ihm ganz gut, sich den Kopf so einmal ganz freigemacht zu haben. Seine Hände fuhren ihm durch das Gesicht und wischten das Wasser fort, während er sich zurücklehnte.

"Das war beeindruckend."

Erschrocken wandte Link den Kopf. Natiima stand unter dem Türrahmen, hatte den Vorhang halb zurückgeschlagen und betrachtete den Badenden eingehend.

Unauffällig verteilte der Hylianer den Schaum gleichmäßig auf der Wasseroberfläche, bis der dicke weiße Teppich den Wanneninhalt komplett verdeckte.

"Und was willst Du jetzt hier?" Wenn Skepsis einen Namen hatte, so lautete dieser: Link.

"Weißt Du eigentlich, wie sexy Du aussiehst, mit nassen, offenen Haaren?" Sie wartete einen Augenblick vergeblich auf eine Antwort. Der junge Mann starrte sie nur mit einem mach-sofort-dass-Du-weg-kommst!-Blick an. Sie fuhr fort: "Eigentlich bin ich nur wegen Deiner Klamotten hier her gekommen. Als ich die geholt habe, ist mir noch was eingefallen: Ich habe vergessen, Dir das hier zu geben."

Sie winkte ihm mit einem Badetuch entgegen.

"Danke schön", murrte er, "leg's dort vorne hin und gut ist."

"Du wirst mir nicht mein komplettes Bad nass machen, bis Du hier angekommen bist, um es zu holen. Es gehört nahe an die Badewanne..." Mit jedem Schritt, den sie sich ihm näherte, versank er einige Zentimeter tiefer im Wasser. "...Hier hin." Sie kniete sich neben dem Wannenrand nieder und legte das Tuch neben sich auf den Boden. Dann schenkte sie Link einen kecken Augenaufschlag.

"Danke, und jetzt raus." Er fühlte sich zunehmend unwohler in seiner Haut.

Natiimas Antwort bestand aus einem selbstsicheren Lächeln. "Du willst mich aus meinem eigenen Badezimmer rauswerfen?"

"Ja", kam es knapp.

Sie lachte kurz auf. "Niedlich. Dazu müsstest Du erst aus der Wanne raussteigen. Ich bin gespannt, wie Du das machen willst, ohne dass ich es sehe." Ein herausfordernder Unterton schwang in ihrer Stimme mit.

Darauf fiel dem Helden der Zeit nicht mehr viel ein. Als ihm die neugierigen Blicke wieder bewusst wurden, versank er bis zu den Schultern im heißen Nass.

"Nun zier Dich doch nicht so", meinte Natiima fröhlich. Je weiter sie Link in diese Situation hinein manövrierte, umso belustigter schien sie. Allmählich kam es ihm so vor, als sei der einzige Zweck dieser Sache, dass sie ihren Sadismus ausleben konnte.

"Halt mal grad still..." Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus. Link fragte sich im ersten Moment, ob sie einfach einen Fussel gefunden hatte, den sie entfernen wollte, doch dann strichen ihre Finger über seine Schultern und er zuckte unter der Berührung zusammen.

"Du bist ja völlig verkrampft", stellte sie fest. "...oder liegt das etwa an der Gegenwart einer schönen Frau?"

In Situationen wie diesen war jede im entferntesten denkbare Antwort falsch. Link biss seine Kiefer zusammen und starrte mit erröteten Wangen auf die Wasseroberfläche, als hätte er in seinem Leben noch niemals Schaum gesehen. Tolles Zeug, so schön weiß, und man konnte Seifenblasen ploppen lassen...

"Wie wäre es, wenn ich Dir ein wenig helfe?", fragte Natiima, und ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern, das so nahe an seinem Ohr ausgesprochen wurde, dass eine Gänsehaut über seinen Rücken lief: "Ich könnte Dich etwas massieren..."

Ohne jegliche Antwort – genau genommen erwartete sie gar nicht erst, überhaupt eine zu bekommen – ließ sie ihre Finger über seine Haut kreisen. Mit festem Griff fuhr sie über die Muskelstränge hinweg und brachte dabei sogar das Kunststück zustande, nicht ihre Fingernägel in sein Fleisch zu rammen, obwohl diese doch eine recht beeindruckende Länge hatten.

Einen langen Augenblick wusste Link nicht, was stärker war: seine Scham, weil er in völliger Nacktheit von einer fremden – und zudem noch sehr attraktiven – Frau berührt wurde ... oder das unglaublich wohltuende Gefühl der Massage, die in Kombination mit dem duftenden, heißen Wasser eine schier magische Wirkung auf seine Muskulatur hatte. Doch als seine Muskelpartien auch wesentlich weiter abseits der Schultern auf eine Art und Weise zu arbeiten begannen, die ihm doch zu viel wurde, legte er seine Hände auf ihre und stoppte sie in ihren Bewegungen.

"N...nicht...", presste er aus noch immer verschlossenen Zahnreihen hervor.

Natiima war zwischenzeitlich etwas näher heran gerutscht und kniete nun hinter dem Kopfteil der Wanne. Sie bewegte ihren Schädel vor, bis ihre Wange dicht an seiner war. Ihre Hände verharrten in den Bewegungen, das allerdings nur für einen Augenblick. Dann glitten sie tiefer, in das Wasser hinein, über seine Brustmuskulatur hinweg und Richtung Bauch...

Link griff etwas beherzter zu und stoppte sie abermals bei ihrer Wanderung. Er war ganz froh, dass er sich eine solche Kontrolle über seine Atmung antrainiert hatte.

"Lass es", wisperte er so leise, dass die Worte selbst in seinen eigenen Ohren kaum zu hören waren, denn sein Herz pochte mit einer Lautstärke wie Donner in einem tobenden Sturm. Etwas musste unterschwellig in seiner Stimme mithallen, denn nun zog Natiima nach kurzem Zögern ihre Hände zurück und gab ihn aus ihrer Umarmung frei. Wortlos schritt sie durch das Badezimmer, wobei sie eine Spur aus Wassertropfen hinterließ, die ihr von den Armen troffen. In der Tür blieb sie stehen und drehte sich noch einmal zu ihm um. Link hatte ihr nachgeschaut und halbwegs erwartet, Enttäuschung, Trauer, vielleicht sogar Wut wegen seiner Ablehnung zu finden ... doch was er in ihren Augen und in ihrem Lächeln las, das war ... Anerkennung.

"Weißt Du eigentlich, dass Du jemand ganz Besonderes bist?", fragte sie leise. "So völlig anders als alle andren Kerle, denen ich jemals begegnet bin. Ich bewundere das. Du musst wirklich ein Kind des Schicksals sein."

Damit trat sie endgültig durch die Tür, zog sorgfältig den Vorhang zu und ließ einen verdutzen Hylianer alleine in seinem Wasser sitzend zurück.

"Kind des Schicksals?", brachte er erstaunt hervor. Doch er erhielt keine Antwort darauf. "Kind des Schicksals", murmelte er nachdenklich vor sich hin. Dann griff er schwer seufzend nach der Seife.

Er hatte sich nie als etwas Besonderes erachtet. Und dann kam diese stolze Kriegerin hocherhobenen Hauptes zu ihm geschritten und betitelte ihn als ein Kind des Schicksals. Wenn er das war, hätte er dann nicht mit Leichtigkeit schon am ersten Tag in die feindliche Burg stürmen, den Bösewicht in Scheibchen schneiden, die Prinzessin finden und auf Händen in eine friedliche Zukunft hinein tragen können?

Und was meinte Natiima mit dem Schicksal? Ihm war noch kein Prophet im Traum erschienen, der ihm gesagt hätte, was zu tun sei, weil das Schicksal es verlange...

Link hielt einen Moment inne und starrte die weiße Schaumschicht der Seife auf seiner Haut an, ohne sie indes tatsächlich wahrzunehmen. Doch. Er hatte seltsame Träume gehabt, korrigierte er sich in Gedanken. Grübelnd zog er die Augenbrauen zusammen. Er hatte von Hyrule-Stadt geträumt, noch ehe er das erste Mal in seinem Leben davor gestanden hatte. Und ausgerechnet in seiner Heimat, in der Abgeschiedenheit der Verlorenen Wälder, hatte er den Kokiri-Smaragd bekommen; einer der Schlüssel zum Tor der Zeit. Konnte das Zufall sein?

Gedankenverloren nahm Link die Seife in die rechte Hand und fuhr damit über den linken Handrücken, wo das dreieckige Zeichen leicht golden vor sich hin schimmerte. Er hatte dieses Symbol nun schon des öfteren gesehen. Das Triforce war das Emblem der drei Göttinnen, und von Hyrule, und von der königlichen Familie. Er trug es auf seinem Schild, auf dem Master-Schwert und auf der Okarina der Zeit. Aber wie kam das Zeichen der Göttinnen ausgerechnet auf seine Hand?

Das untere, rechte Dreieck schimmerte ein wenig stärker als die anderen beiden. Das Zeichen von Farore, der Göttin des Mutes. Courage hatte Link, das konnte wohl niemand abstreiten; er selbst noch am aller wenigsten. Aber war er deswegen gleich ein auserwähltes Kind dieser Göttin?

"Blödsinn", brummelte er vor sich hin und versank im Wasser, um sich Schaum aus den Haaren zu spülen. Er konnte sich nicht vorstellen, Farore sei bei seiner Geburt vom Himmel gestiegen und habe ihm seinen Mut zum Geschenk gemacht, nur damit er dieses Abenteuer bestehen konnte.

Und was war er ohne seinen Mut?

Link hob seinen Kopf wieder aus dem Wasser, lehnte sich zurück und starrte an die Decke, wo sich der heiße Wasserdampf zu kleinen Wölkchen sammelte. Ohne Mut? Wenn man ihm diese Eigenschaft nahm, blieb nichts andres mehr übrig. Neben Farore gab es noch Din, die Göttin der Kraft, und Nayru, die Göttin der Weisheit. Dass Din ihm nicht sonderlich wohlgesonnen war, sah er daran, dass er erst hatte erwachsen werden müssen, ehe er mit dem Master-Schwert hatte umgehen können. Und Nayru schien sich auch weitestgehend von ihm abzuwenden, sonst hätte er womöglich einen weniger gefährlichen Weg gefunden, seine Ziele zu erreichen. Doch sein Pfad hatte ihn zu dem legendären Schwert geführt, das er nun voller Mut und Zuversicht, voll Selbstvertrauen und Hoffnung gegen seine Feinde in die Schlacht trug.

Und er lebte noch.

Horden von Monstern hatten ihm nichts anhaben können. Er allein gegen eine Hundertschaft ... vielleicht sogar gegen etliche Legionen an mächtigen, bösartigen Wesen. Wer sonst hätte das überleben können, außer ein Kind des Schicksals?

Link schöpfte sich etwas Wasser ins Gesicht und versuchte, die Gedanken hinfort zu spülen. Es behagte ihm nicht, nun einen ähnlichen Gedankengang wie die Gerudo einzuschlagen. Er wollte ... er konnte nicht an das Schicksal glauben. Denn das würde bedeuten, von vorn herein aufzugeben und hilflos ins Verderben zu rennen, nur weil die Göttinnen das forderten. Nein, niemals.

Der hylianische Held ließ sich Zeit beim Baden. Als er aus der Wanne stieg, sich abtrocknete und das Handtuch um seine Hüften schlang, warf er einen abschätzenden Blick zur Tür, wo nur der Vorhang ihn vom Wohnraum trennte. Er zierte sich ein wenig davor, hindurchzutreten. In erster Linie, weil er nicht wusste, was ihn dort erwartete. Natiima konnte wieder zu Späßen aufgelegt sein und alles Menschenmögliche tun, ihm das Tuch vom Leib zu reißen – das traute er ihr durchaus zu. Verspielt genug war sie sicherlich, und Link wusste nicht recht einzuschätzen, wie weit ihre Besessenheit ihm gegenüber reichte. Auf der anderen Seite allerdings, vielleicht hatte sie noch an seiner Zurückweisung zu kauen. In dem Lächeln, das sie ihm zuletzt zugeworfen hatte, ehe sie aus dem Raum gegangen war, lag nicht nur die Bewunderung, die sie laut ausgesprochen hatte – auch ein sanfter Schimmer von Trauer war darin mitgeschwungen. Wenn sie tatsächlich so sehr an ihm hing, wie er den Eindruck hatte, dann sah er schon große Probleme auf sich zukommen, wenn er weiter in ihrer Nähe blieb. Er mochte sie, keine Frage, Natiima war eine unglaublich liebenswerte Person. Doch er empfand für sie nicht mehr als für so viele andere Freunde, die er auf seinen Reisen kennen gelernt hatte.

Er durchquerte das Zimmer und schlug den Vorhang zur Seite. Direkt davor lagen seine Klamotten auf dem Boden, fein säuberlich zusammengelegt. Sie waren noch außergewöhnlich warm, wie frisch gebügelt. In Links Augen war es ein kleines Wunder, dass sie so schnell hatten gewaschen und getrocknet werden können, trotz der Hitze an einem Tag in der Wüste. Oder hatte er beim Baden tatsächlich so sehr sein Gefühl für Zeit verloren? Er wischte seine Gedanken beiseite, schnappte sich seine Kleider und zog den Vorhang wieder zu, um sich anzuziehen. Als er danach das Wohnzimmer betrat, kämmte er sich mit den Fingern grob die blonden Strähnen aus dem Gesicht.

"Natiima?"

Er sah sich suchend um, doch sie war nicht zu Hause. Link zuckte ratlos mit den Schultern. Er griff nach dem Haarband, das er am vergangenen Abend rausgenommen hatte, und band sich seinen Pferdeschwanz zusammen. Als er seine restliche Ausrüstung anlegte, hörte er die leise Melodie, die von draußen drang. Die Mütze streifte er sich noch über, dann öffnete er die Haustür, die, wie er jetzt erst bemerkte, nur angelehnt war, und trat hinaus in die grelle Sonne. Er musste sich die Augen abschirmen. Der sanfte Wind brachte keine Abkühlung, er trieb nur Sand vor sich her, der sich als feine, rötliche Ablagerung auf Links frisch gewaschene Kleidung setzte.

Vor dem Kämpfer erstreckte sich nach links und nach rechts ein Weg, der noch zu anderen Gebäudeeingängen führte. Dahinter fiel der Fels steil ab und bildete die Wand für das darunter gelegene Gebäude, auf dessen Dach Link nun stand. Diese treppenartige Bauweise verschaffte ihm einen guten Überblick über den kompletten vorderen Teil der Festung. Der Anblick war beeindruckend: Sonnenlicht wurde von feinen Sandkörnchen reflektiert und diese glitzerten nun rot und ockerfarben vor sich hin. Die Hitze ließ die Luft flimmern und gaukelte Bewegung im Boden vor, wo keine war. Link konnte sich gut vorstellen, wie unachtsame Wanderer nicht mehr feststellen konnten, ob sich gerade eine Schlange aus dem Wüstensand vor ihren Füßen grub, oder ob die heiße Luft nur ihre Sinne narrte. Das Volk der Gerudos hatte sich wahrlich ein gefährliches Stückchen Erde zum Leben ausgesucht.

Er trat an den Rand der Gebäudeebene und sah nach unten. Eine Etage tiefer hatte sich Natiima auf den Boden gehockt und ließ die Beine zum darunter gelegenen Stockwerk runterbaumeln, während sie leise ein Lied vor sich hin sang. Etwas zu seiner Linken entdeckte der Blonde eine Treppe und setzte sich in Bewegung, um Natiima Gesellschaft zu leisten. Wenige Schritte hinter ihrem Rücken blieb er stehen und lauschte ihrem Lied. Er verstand den Dialekt der Gerudo nicht, doch das Lied war langsam und unglaublich sanft, möglicherweise ein Schlaflied. Er wusste nicht, ob Natiima gehört hatte, wie er ihr näher gekommen war, doch sie ließ sich in ihrem Lied jedenfalls nicht beirren, als er sich nun doch neben ihr auf dem Boden niederließ. Einige Takte lang lauschte er noch ihren Strophen, dann zog er seine Okarina hervor und begleitete sie, zunächst noch leise und etwas unsicher, doch schon bald hatte er den Bogen raus. Das tönerne Blasinstrument passte sich der Stimme der Frau an, als seien beide für einander geschaffen; Sie ergänzten sich, wurden lauter und leiser, umgarnten einander, wogten in gemeinsamem Takt und erzählten dabei von unerreichbaren Träumen und großen Sehnsüchten. Als die Gerudo verstummte, wiederholte Link ein letztes Mal das Thema dieser bezaubernden Melodie und ließ die letzen Töne sachte verklingen, dann hob er die Okarina von den Lippen.

Sein Blick wanderte zu Natiima. Die ganze Zeit über hatte sie nicht ein Mal ihre Augen zu ihm gewandt. Sie starrte nur geradeaus in die Ferne, als sei ihr Geist weit abseits allen Geschehens. Er wartete darauf, dass sie irgend etwas sagte, und als nichts kam, und er die Stille nach diesem wundervollen Lied nicht mehr ertragen konnte, fragte er:

"Wie heißt es?"

Ein kurzer Augenblick verstrich. Link rechnete beinahe schon nicht mehr mit einer Antwort, doch sie kam, leise, beinahe lautlos.

"Das Lied?", wisperte sie. "Es nennt sich Gesang des Windes. Es erzählt von einer jungen Frau, die bei ihrer Geburt von einer Windgöttin adoptiert und aufgezogen worden ist. Nichts und niemand kann sie halten; Sie ist frei."

Link lächelte. "Es gefällt mir. Ich werde es in meinem Herzen behalten."

Eine Weile verharrten die Augen der Gerudo noch in den unendlichen Weiten. "Ich kenne es, seit ich ein kleines Kind war. Es hat irgendwie eine unglaublich beruhigende Wirkung auf meine Seele."

Beruhigung, dachte Link. Wegen mir? Hat sie meine Zurückweisung so tief getroffen? Hat sie möglicherweise sogar geweint? Er fand zwar keine Anzeichen dafür – weder waren ihre Wangen feucht noch ihre Augen gerötet – aber so ganz ausschließen konnte er es nicht. Immerhin hatte er lange Zeit im Bad verbracht; genug für Natiima, um ihren Körper soweit wieder unter Kontrolle zu bringen.

Link spürte einen Kloß im Hals. Ihm tat Leid, dass er ihr nicht den Gefallen tun und ihre Gefühle erwidern konnte, doch Liebe war etwas, das man nicht erzwingen konnte: weder von andren, noch von sich selbst.

"Natiima", begann er zögernd. "Wegen gestern Abend ... und wegen vorhin..."

"Vergiss es." Erst jetzt wandte sie den Kopf. Da war nichts in ihren Augen, was an Zorn oder Trauer erinnerte. Es war aber auch keine Gleichgültigkeit. Eher etwas wie ... Akzeptanz. Oder möglicherweise Geduld. Sogar ein kleines Lächeln schlich sich nun wieder auf ihre Gesichtszüge. "Es ist Schicksal... Ich verstehe schon, dass der große Held die Prinzessin verdient."

"Schicksal...?", murmelte Link. "Also, hör mal, was das betrifft..."

Doch sie ließ ihn nicht ausreden. "Und hey, sagt man nicht im Volksmund, dass man nie aufgeben soll?"

"Aufgeben?", vergewisserte sich Link mit fragend angehobener Augenbraue.

"Klar!" Nun kicherte Natiima sogar wieder. "Ich meine ... wenn sich die Prinzessin innerhalb der letzten sieben Jahre in eine hässliche, aufgetakelte Tussi mit Pferdefresse entwickelt und Hüften wie ein Schwein angesetzt hat ... dann entscheidest Du Dich ja vielleicht doch noch für mich!"

Sie zwinkerte. Link setzte dazu an, etwas zu erwidern, doch dazu ließ sie ihm keine Gelegenheit: "Also, ich sterbe inzwischen vor Hunger, Du etwa nicht? Los, komm, Du Trantüte! Heb Deinen Hintern hoch, wir wollen jetzt was essen!"

Sie sprang auf die Füße, klopfte den Staub vom Hosenboden und zupfte am Ärmel seiner Tunika. Er kapitulierte, erhob sich und folgte ihr durch das Labyrinth der Festung.

Es herrschte schon eine etwas regere Betriebsamkeit auf den Straßen. Frauen trugen Körbe, aus denen es nach frisch gebackenem Brot duftete, und quasselten dabei mit einander. Eine Schar kleiner Mädchen spielte mit Murmeln. Jemand klopfte vor der Wohnung einen kleinen Teppich aus und wirbelte dabei Unmengen Staub in die Luft. Eine junge Frau stimmte gerade eine Gitarre und schlug dabei immer wieder probeweise die Saiten an. Einige wenige Wachen patrouillierten und ließen ihre Blicke in die Ferne schweifen. Zwei Jugendliche – Zwillinge, wie Link erkannte – kicherten leise und winkten ihm zu. In Ermangelung einer besseren Idee winkte er dümmlich grinsend zurück.

Er folgte Natiima einfach nur, und solange er sie nicht aus den Augen verlor, hatte er nun etwas mehr Zeit, seine Umgebung zu betrachten. Dabei fiel ihm auf, dass sich ein regelrechter Strom von Leuten gebildet hatte: nicht konstant, es waren auch nicht übermäßig viele Personen beteiligt, aber sie alle gingen so ziemlich in dieselbe Richtung. Noch eine Treppe durch einen von Fackeln erhellten Tunnel entlang, dann wusste Link auch, warum das so war.

Natiima hatte ihm gegenüber erwähnt, dass die Gerudos den Tag nach den großen Feierlichkeiten gerne mit dem gemeinsamen Frühstück begannen, doch das hier hatte er irgendwie nicht erwartet. Für ihn war die erste Mahlzeit am Tag – so er denn auf seinen beschwerlichen Reisen überhaupt Zeit dafür fand – ein einfaches Essen, ohne großen Aufwand.

Nun fand er vor sich ein Festbankett, das dem von gestern Abend in nichts nachstand.

Er befand sich hoch oben auf der höchsten Plattform oberhalb der Felsen, aus denen die Festung gehauen worden war. Von hier aus konnte man kilometerweit ungehindert über das Land schauen. Am östlichen Horizont erstreckte sich sogar eine dünne, hellgrüne Linie, wo auf der hylianischen Steppe die einen oder andren Grasbüschel wuchsen. Im Westen hingegen erstreckte sich eine tote, ockerbraune Ebene, die sich rasch in einer dunkelbraunen Wolke verlor. Ein Sandsturm. Link war es mulmig zumute, als er sich vorstellte, sich da später noch durchkämpfen zu müssen. Weit am Horizont glaubte er für einen kurzen Augenblick einen dunklen Umriss gesehen zu haben, doch er war sich nicht sicher, ob das tatsächlich der Geistertempel war, den Jude erwähnt hatte, oder ob ihm seine Augen einen Streich gespielt hatten.

Das Plateau, auf dem er nun stand, war weitläufig und hätte der doppelten Anzahl an Festungsbewohnern immer noch mehr als genügend Platz geboten. In der perfekten Mitte davon stand ein Blickfang der besonderen Sorte: ein Springbrunnen von atemberaubender Architektur prangte dort und dünne Wasserstraßen zogen ihre Bahnen in verspielten, wohlplatzierten Kurven von dort aus über den ganzen Platz hinweg. Der Brunnen selbst war kreisrund, die äußere Mauer war verziert mit ziselierten Ornamenten und Schlangensymbolen, von denen einige mit einer Goldschicht verziert worden waren und im grellen Licht der Sonne glänzten. Innerhalb des Brunnens ragten vier steinerne Schlangen empor, Rücken an Rücken; Aus ihren Mäulern schoss das Wasser hervor. Jede einzelne Schuppe ihrer Körper war perfekt gemeißelt. Ihre Augen starrten wachend in alle vier Himmelsrichtungen, als seien sie reglose, unsterbliche Hüter. Über ihre Bäuche hinweg waren schwungvolle Symbole aufgemalt, deren Bedeutung Link allerdings verborgen blieb. Er fragte sich, ob die Wasserkanäle, wenn man sie von weit oben betrachtete, auch ein Symbol bilden mochten, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass sie willkürlich angelegt waren.

Zwischen den Wasserläufen und den Pfaden befanden sich künstlich angelegte Blumenbeete, Sträucher mit fleischigen Blättern, dürres Gestrüpp, und einige hitzeresistentere Baumsorten, darunter in erster Linie schattenspendende Palmen.

Und abseits dieser einladenden Oase, am Rand des Plateaus entlang gruppiert, standen langgezogene Tische, wo das Büfett aufgetischt war. Die Auswahl war gigantisch. Alleine vom Brot gab es fünf unterschiedliche Sorten, alle nur erdenklichen Variationen von Wurst, Schinken, Käse, Marmelade und sonstigen Belägen waren bereitgestellt worden; Obstsalat war kiloweise vorzufinden; gekochte Eier, gebratener Speck und sogar heiße Würstchen wurden angeboten; selbst Gartensalat und diverse Suppen waren im Sortiment enthalten, was Link für ein Frühstück recht seltsam fand, doch er verlor kein Wort darüber. Viele weitere Platten, Körbe und Schüsseln waren aufgestellt, viele davon mit ihm unbekanntem Inhalt. Auch an Getränken war von Wasser und Tee über Saft bis hin zu einem seltsamen, heißen Gebräu namens Kaffee alles da, was das Herz begehrte.

Während Link noch ganz in der Nähe des Tunnels stand, der ihn hier oben ausgespuckt hatte, und sich staunend umsah, füllte sich die Plattform weiter mit Leuten. Es konnte nur noch Augenblicke dauern, bis sich die gesamte Festung hier versammelt hatte. Einige Frauen waren wohl schon seit wenigen Stunden hier, aßen die letzten Bissen oder waren damit sogar schon fertig. Sie saßen im Schatten der Palmen oder im Halbdunkel einiger sporadisch aufgestellter Zeltplanen und unterhielten sich über die Göttinnen und die Welt.

"Link? Hallo, noch wach?" Natiima wedelte mit ihrer Hand vor seinen Augen herum und lachte. "Willst Du das Futter nur anstarren, oder willst Du davon auch was essen?"

Sie ergriff seinen Arm und zerrte ihn zu den Tischen herüber. Es roch herrlich, und ganz besonders die Würste und einige Käsesorten gaben ein kräftiges Aroma von sich. Ein wenig skeptisch nahm Link den Duft des dunklen Kaffees wahr, doch dann entschied er sich doch dagegen. Er hatte gelernt, seine Neugierde zu zügeln, denn Unbekanntem haftete oft eine gefährliche Eigenschaft an. Und so, wie das Zeug dampfte, machte es nicht den Eindruck, als ob es in naher Zukunft würde abkühlen wollen.

"Gefällt Dir, was Du siehst?"

Link drehte sich zu der Stimme um. Jude stand dort, sie lächelte etwas verkniffen. Sie machte den Eindruck, als sei sie noch nicht ganz wach, die Augen waren klein, dunkle Ränder lagen darunter. Sie sah aus, als kämpfte sie gegen Kopfschmerzen und Muskelkater. Als sie nach einem Brötchen griff, waren ihre Bewegungen langsam und ein wenig abgehackt.

"Hey, Jude", begrüßte Link sie, "guten Morgen. Sieht super aus, eure Vorstellung von einem Frühstück ist sehr..."

Er hielt inne, als er einige inzwischen wohlbekannte Stimmen hörte, die irgendwo hinter ihm ertönten:
 

"Hey Jude, don't make it bad.

Take a sad song and make it better.

Remember to let her into your heart,

Then you can start to make it better."
 

"Bitte sag mir, dass das jetzt nicht wahr ist...", knurrte die angesprochene Gerudo und ließ ihren Blick suchend über das Plateau schweifen.

"Da unten sind die Ratten", erklärte eine etwas ältere Frau und wies über den Rand der Plattform hinaus. Dort hockten die vier Handwerker, auf einem Felsen, der nicht ganz die Höhe der Hochebene erreichte, und der nicht mehr direkt zu dem Gestein gehörte, aus dem die Festung errichtet war; technisch gesehen befanden sie sich ganz knapp außerhalb der Grenze, die sie nicht mehr betreten durften.

"Sie sind hartnäckig", zischte Jude.

"Sie sind gar nicht mal so dämlich", kommentierte Link und kratzte sich am Kopf.

Die Sänger und ihre Gitarre ließen sich auch nicht beeindrucken, als einige Gerudos mit Brötchen – und eine davon sogar mit einem Marmeladenglas – nach ihnen warfen. Stur sangen sie ihr Lied weiter. Und begannen direkt im Anschluss ein neues.

"Wenn sie nur mit diesen peinlichen Liebesbekundungen aufhören würden..." Ein resignierender Unterton schwang in Judes Stimme mit. Sie schien einfach zu müde zu sein, um sich mit den Sängern herumzuschlagen. Und keine der Wächterinnen wollte das Frühstück unterbrechen, um näher zu den vieren zu klettern und sie zu vertreiben. Sie hätten sich für ihre penetranten Näherungsversuche keinen besseren Zeitpunkt auswählen können.

"Und wenn wir sie einfach ignorieren?", gab der Hylianer einen gutgemeinten Ratschlag.

Natiima nickte nur. "Halte ich für 'ne gute Idee." Sie zupfte schon wieder an dem Ärmel seiner Tunika. "Und nun komm endlich und besorg Dir was zu Futtern. Oder brauchst Du ne Extraeinladung?"

"Nein." Er grinste sie an. "Alles, was ich jetzt brauche, ist was zu essen!"
 

"All you need is love

All you need is love

All you need is love, love

Love is all you need", tönte es ihm da gerade von unten entgegen.

Einige der Wächterinnen waren inzwischen dazu übergegangen, mit Steinen zu werfen. Die flogen besser. Die Handwerker unterbrachen ihren Gesang, um sich nun hinter dem Felsen zu verschanzen, auf dem sie gerade gesessen hatten, und dort mit dem Gesang fortzufahren. Sie lugten dabei nur halbwegs um die Ecke, wohl in der Hoffnung, Jude könnte sie endlich mit offenen Armen empfangen. Selbstredend war diese Hoffnung vergeblich.

Natiima schnaubte ärgerlich in ihre Richtung: "Diese verdammten Käfer!"

Überrascht sah Link sie an. "Wie kommst Du jetzt auf Käfer?"

Seufzend erklärte sie: "So nennen sie sich. Beatles. Die Käfer. Haben es wohl nur falsch geschrieben. Müsste Beetles heißen."

Sie schrieb einige Zeichen in den Sand, um ihm zu verdeutlichen, welchen orthografischen Unterschied sie meinte.

"Wir sollten sie zerquetschen wie die Insekten!!", knurrte sie hinterher.

Link winkte nur mit dem letzten Rest Geduld ab, den er den Sängern gegenüber noch aufbringen konnte: "Lohnt sich nicht. Lass es sein."
 

"Speaking words of wisdom, let it be.

Let it be, let it be.

Let it be, let it be.

Whisper words of wisdom, let it be."
 

Nun legte sich der junge Krieger auch die Hand über das Gesicht. "Langsam kann ich es nicht mehr hören. Wie haltet ihr das schon seit ein paar Wochen aus? Allmählich bereue ich, dass ich diese Kerle tatsächlich freigelassen habe gestern..."
 

"Yesterday, all my troubles seemed so far away,

Now it looks as through they're here to stay oh I believe in yesterday

Suddenly I'm not half the man I used to be, there's a shadow hanging over me

Oh, yesterday came suddenly..."
 

Mit bettelndem Blick wandte er sich zu Jude um. "Ich habe zwar keine Ahnung, was sie singen, aber das ist mir gerade mal ziemlich Wurst. Können wir sie bitte wieder einsperren? Bitte?"

"Sagt der große Held, der sie überhaupt befreit hat!", brummte sie darauf.

Er versuchte sich zu verteidigen: "Ich hatte ja keine Ahnung..."
 

"I was alone, I took a ride,

I didn't know what I would find there

Another road where maybe I

could see another kind of mind there..."
 

Noch ehe sie die Zeile Got to get you into my life beenden konnten, hatte Link seinen Bogen bereit. Er zielte kurz aber sorgfältig und schoss einen Pfeil vor Ringos Fuß. Die Vier verstummten mit einem Schlag, ebenso die bisher keifenden und fluchenden Gerudo-Weiber.

"Der nächste Pfeil trifft! Das ist ein Versprechen!", rief er den Handwerkern zu. Er war nicht außergewöhnlich laut, doch ein schneidender Unterton schwang in seiner Stimme mit, der noch bedrohlicher wirkte als es die eigentlichen Worte taten. Noch ehe das Echo völlig verhallt war, hatten sich die Beatles herumgedreht und die Flucht ergriffen.

Stille herrschte, als Link seinen Bogen schulterte. Dann brachen die Gerudos in tosenden Beifall aus. Der junge Kämpfer wusste nicht recht, wie er reagieren sollte. Für gewöhnlich vollbrachte er seine Heldentaten weit abseits der Zivilisation und ohne dass ihm irgendwer Dank zollte. Ein schüchterner Rotschimmer schlich sich über seine Wangen. Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und verneigte sich vor seinem Publikum. Sehr schnell jedoch ging man wieder dem Frühstück nach, nun die Stille und das fantastische, wenn auch sehr heiße Wetter genießend.

Endlich hatte Link Gelegenheit, sich einen Teller zu schnappen und sich über das Buffet herzumachen. Er hatte kein Problem damit, Obstsalat neben Waffeln und gebratenem Speck auf seinem Teller zu stapeln, und machte sich gerade über den Käse und ein Glas Gurken her, als Jude an ihm vorüber ging, ihren eigenen Teller in der einen Hand balancierte und mit der andren an seiner Schulter entlang fuhr.

"Beeindruckende Vorstellung", schnurrte sie mit einer Stimme, die Link wieder einmal an eine große und majestätische Katze denken ließ. "Mich würde echt mal interessierten, was die herrliche Naboru über Dich denken würde, Süßer." Sie verpasste ihm einen Klaps auf den Hintern und schritt dann weiter.

"Hey!", beschwerte er sich. Leiser murmelte er zu sich selbst: "Ihr Gerudos seid ein lustiges Völkchen..."

Jude hatte es gehört und antwortete ihm im Weggehen noch: "Japp, Lust wird bei uns großgeschrieben."

Mit hochrotem Kopf wandte sich Link um und suchte sich seinen Weg zu Natiima. Er hatte es wirklich nicht leicht mit all diesen paarungsbereiten Weibchen um sich herum.

Er fand seine Gastgeberin am Rand der Plattform. Sie hatte sich im Schatten einer Palme auf den Boden gesetzt, etwas abseits vom Trubel und den lauten Gesprächen, und vor ihr lag ein mehrere hundert Meter tiefer, steiler Abgrund, der einen Blick bis weit in die Wüste hinein ermöglichte.

"Ich habe eine Frage", bekundete Link, als er sich ächzend neben Natiima niederließ und dabei darauf achten musste, den leicht überfüllten Teller gerade zu halten.

"Spuck's aus", ermutigte sie ihn, während sie mit skeptisch zusammengezogenen Augenbrauen die außergewöhnliche Zusammenstellung auf seinem Teller inspizierte und sich selbst gerade eine Waffel in den Mund schob.

Er rutschte noch etwas herum, bis er eine einigermaßen gemütliche Position auf dem Steinboden gefunden hatte. Seinen Rücken lehnte er gegen eine Palme.

"Warum sprecht ihr eigentlich immer von der herrlichen Naboru? Was soll das?"

Sie zuckte mit den Achseln und wischte einige Krümel von ihrer Pluderhose.

"Was soll mit ihr sein? Sie ist – nach Ganondorf – unsere Anführerin."

"Ich meinte, was macht sie so herrlich?" fragte Link nach und kaute auf einem Scheibchen gebratenem Speck herum.

Natiima setzte wieder dieses spitzbübische Grinsen auf, das er inzwischen so sehr an ihr gewohnt war. "Sieh Dich um, Link. Was siehst Du?"

Der Held kaute genüsslich zu Ende, schluckte und schaute sich die Umgebung an. "Mal sehen... Staubkorn, Staubkorn, Steinchen, Staubkorn, Steinchen, Steinchen, Staubkorn, großes Steinchen..."

"Link..." Sie warf ihm einen schiefen Blick zu.

"Was soll ich sehen?!", beschwerte er sich achselzuckend. "Hier ist doch nichts! Hier ist bloß Wüste!"

"Ganz genau", bestätigte Natiima nickend. Sie machte eine raumgreifende Handbewegung, die alles vom Plateau bis zum Horizont einschloss. "Und mitten in diesem Nichts muss unser Volk überleben. Naboru ist eine großartige Anführerin. Das kannst Du Dir gar nicht vorstellen. Sie motiviert ihre Truppe; Sie ist einfühlsam, intelligent, wunderschön, gewitzt und voller Tatendrang! Sie teilt die Beute immer gerecht auf..."

"Ja, sie verlagert die Beute sehr gerecht: von den Bestohlenen zu euch...", warf er mit erhobenen Augenbrauen ein.

Sie zuckte als Antwort gleichgültig mit den Schultern. "Es gibt aber sonst nichts, wovon wir leben könnten, Link. Dieses Land ist unwirtlich. Wir haben Wasser für uns, ja, wir haben sogar diesen hübschen Brunnen hier ... aber wenn Du Viehzucht betreiben oder Felder bestellen wolltest, wären das ganz andre Dimensionen. Ich weiß nicht, ob Du Dir vorstellen kannst, welche Wassermengen das zusätzlich verschlingen würde. Dennoch würden wir diesen Ort jedem andren auf der Welt jederzeit vorziehen. Das hier ist unsere Heimat. Wir können das Gerudotal nicht verlassen. Und wir wollen es auch nicht. Und hey! Wenn es uns nicht gäbe, was hätten die Stadtwachen der beraubten Städte sonst zu tun? Sie verdienen ihren Lohn mit uns! Wenn sie uns nicht abwehren müssten, würden sie sich zu Tode langweilen. Sie sollten uns dankbar sein." Sie zwinkerte Link zu.

Dieser meinte in gespielt ernstem Ton: "Äußerst selbstlos von euch." Doch ein Grinsen konnte er sich nicht verkneifen.

Auch sie feixte wie ein kleines Kind, das gerade etwas ausgefressen hatte. Dann wanderte ihr Blick wieder über die Wüste hinweg, in die Richtung, von der Link vermutete, dass der Geistertempel dort liegen musste. "Jedenfalls warten wir schon seit sieben Jahren auf ihre Rückkehr. Bislang zwar ohne jedes Lebenszeichen, doch das macht nichts, denn sie ist sehr stark und abenteuerlustig. Sie wird mit Bergen von Schätzen zurückkommen, das weiß ich ganz sicher!"

"Sieben Jahre?", fragte er nach. Das war seltsam. Es war sieben Jahre her, als alles seinen Anfang genommen hatte und er sich auf die große Reise begeben hatte, um Prinzessin Zelda zu finden. Manchmal hatte er den Eindruck, als sei die Welt in den sieben Jahren seines Komas stehen geblieben und habe den Atem angehalten, nur um auf seine Rückkehr zu warten. Alle großen Ereignisse schienen sich vor sieben Jahren angebahnt zu haben, nur um jetzt fast gleichzeitig über ihm hereinzubrechen. Er teilte Natiima seine Überlegungen mit. "Was macht Dich eigentlich so sicher, dass es Naboru gut geht? Ich meine, was ist, wenn ihr etwas passiert ist? Wenn sie nie mehr zurückkehrt?"

Natiima schüttelte entschieden den Kopf. "Ich weiß zwar nicht, was sie tut", gestand sie, "doch es ist ganz sicher, dass sie ihr Abenteuer bestehen wird."

"Aber woher willst Du das wissen?" Link war noch nicht überzeugt.

"Ganz einfach." Sie sah ihm direkt in die Augen. Ihr Blick war klar und voller Hoffnung. "Es ist schlicht und ergreifend ihr Schicksal."

"Schicksal?!", echote er. "Nun hör mir aber mal zu: Ich weiß nicht, was Du es andauernd mit diesem Schicksal hast, aber solange die Zukunft nicht zwingend feststeht – und das tut sie eigentlich nie! – so lange kannst Du nicht wissen, was mit Naboru ist! Meine Güte ... Du und der Rest all dieser Kriegerinnen hier, ihr habt nur deswegen noch keinen Suchtrupp nach ihr ausgeschickt, weil ihr ... weil ihr glaubt, das Schicksal würde schon alles regeln?"

"Link", sagte sie sanft und legte ihre Hand auf seine, genau über das Triforce, das gerade vom Handschuh verdeckt wurde. "Warum bist Du als zehnjähriges Kind losgestiefelt, um Dich gegen einen übermächtigen Gegner aufzulehnen? Hast Du Dich tatsächlich hingesetzt und Deine Vorgehensweisen mit Logik argumentiert? Zumindest nicht, soweit ich es aus Deiner Geschichte herausgehört hätte. Du hast intuitiv gehandelt, und es war richtig. Du lebst, das ist alles, was zählt. Manchmal muss man seinen Weg eben gehen, vollkommen egal, wie weit und lang und wie gefährlich er auch werden mag. Ja: Vielleicht ist Naboru tot und der Sand schmirgelt die letzten Reste von ihren Knochen herunter. Na und? Bringt es sie dann vielleicht zurück, wenn wir unser Leben riskieren, um die Wüste nach ihr zu durchkämmen? Du machst Dir keine Vorstellungen davon, wie gigantisch dieses Gebiet ist. Wenn sie nicht beim Geistertempel ist – und allein dieses Gebiet ist riesengroß – dann könnte sie überall sein. Was sollen wir Deiner Meinung nach tun? Die ganze Festung aufgeben, nur um sie zu finden? Es mag hart klingen, aber in der Wüste ist jeder auf sich allein gestellt. Doch wer unserer Göttin Shetája treu ergeben dient und vorsichtig über den Sand wandelt, der wird die Prüfungen der Wüste bestehen. Dort lebend wieder herauszukommen bedeutet für eine Gerudo die höchste Ehre und ihr Ansehen innerhalb unserer Gemeinschaft steigt ins Unermessliche. Möglicherweise verstehst Du das nicht, weil Deine Kultur sich von unserer unterscheidet, aber sieh es doch mal von der Warte: Wenn unser Glaube an das Gute und unsre Hoffnung und unsere Gebete an Shetája eine Hilfe – vielleicht die einzige Hilfe – für Naboru sind, dann ist es unsere Pflicht, sie auf diese Art und Weise zu unterstützen."

Sie ließ seine Hand wieder los.

"Es ist der Wille des Schicksals, der uns am Leben erhält. Und wenn es Schicksal ist, dass unser Leben auf die eine oder auf die andere Art endet, dann soll es so sein. Keine sterbliche Macht der Welt könnte sich dagegen auflehnen."

Zögerlich bemerkte Link: "Es scheint Dir viel zu bedeuten..."

"Von uns Gerudos wird behauptet, wir seien sehr abergläubisch", antwortete sie, als ob alleine das als Erklärung reichen würde. "Hey, sag mal: Was wäre, wenn Du Dein Schicksal verändern könntest?"

Er prustete, was dazu führte, dass er sich fast an der Ananas verschluckte, auf der er gerade kaute. Keuchend erklärte er: "Dazu müsste ich es erst einmal kennen."

"Na gut, dann frage ich eben anders", nickte sie. "Was ist Schicksal für Dich?"

Link schluckte und antwortete darauf: "Ich glaube nicht an so was."

"Warum?", wollte sie wissen und stellte ihren leeren Teller neben sich auf den Boden. Sie zog die Knie an den Körper und schlang die Arme drum herum, ihr Kinn legte sie obenauf.

"Warum sollte ich?" Er ließ ihr aber nicht die Zeit, auf seine sowieso nur rhetorische Frage eine Antwort zu geben. "Wenn das Schicksal besagt, dass ich das Böse besiege, soll es mir Recht sein. Wenn es aber verlangt, dass ich zum Märtyrer werden soll oder zum Scheitern verurteilt bin, dann lehne ich mich doch dagegen auf! Es heißt, man habe sein Schicksal in seiner Hand. Das ist Blödsinn. Schicksal ist Bestimmung, ist unabänderlich, steht fest geschrieben. Sobald man es selbst in Händen hält, hat man eine Wahl, kann das Kommende ändern. Deswegen mag ich das Konzept des Schicksals nicht. Es ist widersinnig. Wenn ich siegreich bin – ist es gut. Falls nicht ... nun, dann will ich eine Option haben, die mich nicht einfach kampflos aufgeben lässt! Sich in sein Schicksal zu ergeben, heißt aufgeben; heißt, alles über sich ergehen zu lassen. Lieber lehne ich mich gegen das gottgegebene Schicksal auf, als dieses wundervolle Land kampflos einem Tyrannen zu überlassen. Alles andere sehe ich überhaupt nicht ein: Wenn das Schicksal verlangt, dass ich mich aufspießen lasse, warum sollte ich freiwillig in die Klinge springen?"

Die Gerudo brummte nachdenklich vor sich hin. Dann fasste sie zusammen:

"Entweder es ist Schicksal – dann ist es unabänderlich; oder ich kann es selbst bestimmen – dann ist es aber kein Schicksal. Ja, damit hast Du Recht. Sich gegen das Schicksal auflehnen ... das nennt man Hybris."

"Was?" Der junge Mann zog die Augenbrauen zusammen. Er schob sich den Rest Käsebrötchen zwischen die Kiefer und meinte mit vollem Mund: "Das Wort hab ich nie gehört."

"Das haben die Wenigsten", meinte sie und hob in einer gleichgültigen Geste die Schultern. "Es bedeutet, dass man sich gegen die Götter oder gegen göttliches Gesetz oder aber gegen das Schicksal auflehnt. Dummerweise geht das meistens mit einer negativen Konsequenz einher. Zumindest in etlichen der alten Legenden."

"Das ist dämlich." Link schüttelte verständnislos den Kopf. "Wenn ich die Wahl habe, ob ich sterbe, weil das Schicksal es so will, oder ob ich sterbe, als Strafe dafür, dass ich mich gegen das Schicksal aufgelehnt habe, weil ich nicht sterben wollte ... nun, dann wähle ich lieber letzteres. Im Kampf habe ich zumindest die Chance, eine Veränderung herbei zu führen. Wer kämpft, kann verlieren – wer nicht kämpft, hat schon verloren."

Natiima lachte leise in sich hinein. "Du bist wirklich ein Kind des Schicksals – zum Kämpfen geboren." Sie unterband die Einwände, die Link nun gegen den Titel Kind des Schicksals hervorbringen wollte, und redete direkt weiter: "Hey, das finde ich mutig. Weißt Du was, Träger des Triforce des Mutes? Wenn Du in einem Abenteuer das Schicksal herausfordern und Deinen Mut beweisen willst, dann hab ich was für Dich. Einen geheimen Gerudo-Schatz." Es blitzte abenteuerlustig in ihren Augen.

"Ein Schatz?" Er sah sie mit gemischten Gefühlen an. Da war zum einen ein unbehagliches Empfinden in ihm, das ihn eigentlich zur Eile drängte. So sehr er die Gesellschaft des Gerudo-Volkes auch genoss, doch er sollte allmählich daran denken, weiter zu reisen. Er war nicht auf einem Abenteuerurlaub, sondern eine wichtige Mission forderte seine Aufmerksamkeit. Wenn die Welt gerettet war, konnte er sich immer noch als Pirat verkleiden und Schatztruhen ausbuddeln gehen. Auf der andren Seite erwachte seine Neugierde zu neuem Leben. Wozu trug man das Triforce des Mutes, wenn man sich nicht in wilde Abenteuer stürzte? Was blieb, war die Skepsis. Er hatte nur so lange überleben können, weil er kein unnötiges Risiko eingegangen war. Na gut, um ehrlich zu sein: Das Risiko war bloß bislang noch nicht hoch genug gewesen. Aber man musste sein Schicksal ja nicht herausfordern.

Für diese Gedanken – einen Gedanken an das Schicksal – hätte sich Link ohrfeigen können, er ließ es aber dann doch bleiben, denn er wäre in ziemliche Erklärungsnot geraten.

Natiima musste das Hin und Her in seinem Kopf erraten haben, denn nun fügte sie hinzu: "Ich meine, ich könnte mich natürlich auch alleine auf die Suche begeben. Ich dachte nur, wo Du doch eh gerade hier bist, könntest Du mich doch direkt beschützen und mich davor bewahren, Blödsinn zu treiben ... nicht?" Sie klimperte verführerisch mit den Wimpern, aber Link verdrehte bloß seufzend die Augen. Ihm war klar, dass sie ihn gerade nur zur Schatzjagd überzeugen wollte, aber in einem Punkt musste er wohl oder übel zustimmen: Ihm behagte der Gedanke nicht, sie könne sich alleine auf den Weg machen und dann, wie Naboru, Ewigkeiten verschollen bleiben. Er verschränkte die Arme hinter dem Genick.

"Also, Du musst mir natürlich alles sagen, was Du über diesen sagenumwobenen Schatz weißt. Außerdem brauchen wir Wasserflaschen, am besten Laternen, Öl, eventuell eine Schaufel, ein Kompass wäre nicht verkehrt, Pfeile müsste ich gerade noch nachkaufen..."

"Das heißt, Du kommst mit?" Sie stieß einen Freudenschrei aus, als er es ihr resignierend bestätigte, und drückte ihm überraschend einen Kuss auf die Wange. Während er noch – wieder einmal – gegen die rote Gesichtsfarbe ankämpfte, erklärte sie: "Es ist noch nicht einmal sonderlich weit. Es soll einen Geheimgang in den Kellergewölben unter der Festung geben, den ich schon suche, seit ich ein Kind war. Aber nun, wo Du mir hilfst, wird es sicher ein Klacks!"

Der Hylianer fragte sich, welche Sorte Schatz ein Kind in den Kellergewölben des eigenen Zuhauses suchen mochte. Er hoffte, nicht hinterher eine Kiste mit Puppen zu finden. Obwohl ... das war vielleicht die ungefährlichere Variante, wenn er Glück hatte.
 

~*~*~*~*~*~
 

Eine halbe Stunde später fand er sich in einer Art Abstellkammer wieder, tief, wirklich tief im Inneren der Gerudo-Festung. Natiima hatte ihm tatsächlich die Ausrüstung zusammengesucht, nach der er verlangt hatte, auch frische Pfeile hatte sie ihm besorgt. So bestückt leuchteten sie den riesigen, von Spinnenweben durchsetzten Raum aus, in dem die Kriegerin ihren geheimen Gang vermutete. Staub lag auf dem Boden und hing an den Wänden. Wasser tropfte aus undichten Stellen an der Wand und bildete tiefschwarze Pfützen. Eine schmierige, klebrige Schicht von unbekannter Herkunft zog sich hier und da über die Decke hinweg. Die Luft war stickig und unglaublich warm. Ansonsten war der Raum mit Hundert und Aberhundert Gegenständen vollgestopft: man fand etliche alte Regale, von denen einige kurz vor dem Zusammenbruch standen, Töpfe, Vasen, Kisten, abgetragene Kleidung, ausrangierte Waffen, Schaufeln, öliges Werkzeug, Ausrüstungsgegenstände wie Kletterhaken, kaputte Lanzen, ein Wagenrad, Seile, staubige Trommeln mit gerissenem Fell, Spinnen, von denen mehr tote herumlagen als lebendige umherhuschten, Skorpionfiguren, vergilbte Gemälde von Schlangen und noch so viele Dinge mehr. Der durchdringende Geruch von Staub, Verwesung und unglaublichem Alter hing in der Luft und machte das Atmen schwer.

Der Hylianer wies mit ausgestrecktem Finger auf einen alten Sack voller Stofffetzen: "Können wir den vier jaulenden Affen vielleicht diese Dinger in den Rachen stecken?"

"Nun redest Du schon wie ein Gerudo!", erklärte Natiima voller Begeisterung.

Link verzog angeekelt das Gesicht, als er die Laterne etwas höher hielt und eine Spinne beobachtete, die gerade eine andere Spinne fraß.

"Und hier hast Du als kleines Kind gespielt?", fragte er ungläubig.

"Jawoll!", bestätigte sie stolz. "Kein Wunder, dass ich so exzentrisch geworden bin, richtig? Komm, hier lang!"

Link verkniff sich eine Antwort und folgte ihr gehorsam. Am Ende eines Ganges, der von zwei Regalen gebildet wurde, fand sich eine steinerne Statue, die direkt an die Mauer platziert worden war. Sie war groß, sicherlich knappe vier Meter, und wirkte unglaublich massiv. Es handelte sich dabei um einen Menschen, der im Schneidersitz hockte, beide Hände vorgestreckt und eine Schüssel haltend. Über dem Kopf war der Schädel einer gigantischen Schlange, die sich nach unten hin spiralförmig um den Körper der Person wandte. Eine Schwertscheide mitsamt Schwert ragte über die Schulter hinaus und die Kleidung war die einer Gerudo. Der Gesichtsausdruck war neutral bis ernst, mehrere rote Dreiecke zogen sich wie Kriegsbemalung darüber hinweg.

"Das ist sie", erläuterte Natiima und ein ehrfürchtiges Funkeln trat in ihre Augen. "Das ist unsere Göttin Shetája! Die Herrin der Schlangen und der Geister."

Link sah sich um und nickte. "Toller Ort, um einem Gott zu huldigen. Echt gemütlich und heimelig hier unten. Ich bekomme direkt Lust auf ein paar Gebete ... und Kekse."

Sie gab ihm einen Klaps auf die Schulter und schüttelte grinsend den Kopf. "Witzbold! Die Statue ist hier, um den Geheimgang zu beschützen! Und somit natürlich auch den Schatz."

"Geheimgang?" Link sah sich um. Er trat neben die Figur und überprüfte die Wand dahinter. "Das hier ist eine massive Mauer. Dieses Ding versperrt keinen Durchgang, der Übergang zur restlichen Wand ist glatt wie ein Babypopo, ich fühle auch keinen Luftzug oder..."

Er hielt inne und drehte sich verblüfft zu Natiima um, als ihm ein Gedanke durch den Kopf schoss.

"Sagtest Du gerade, das hier ist die Göttin Shetája?"

Sie blinzelte. "Hast Du heute Morgen Schnecken gefrühstückt oder bist Du immer so langsam? Soll ich noch mal ganz von vorne anfangen? Hallo, mein Name ist Natiima."

"Spaßvogel", knurrte er durch geschlossene Zahnreihen. "Ich meinte, das hier ist eine Göttin? Also, GÖTTIN? Ein weiblicher Gott? Ich weiß nicht. Das Gesicht sieht so ... neutral aus. Irgendwie männlich. Finde ich."

Natiima verschränkte ärgerlich dreinblickend die Arme vor der Brust. "Hmpf! Mach Dich nicht über unsre Göttin lustig! Natürlich ist sie eine SIE!"

Link hob abwehrend die Hände. "Ich wollte Dich nicht beleidigen! Aber ... bist Du Dir sicher?"

Natiima hob eine Augenbraue und verdrehte dann die Augen. "Link .............. Sie hat Brüste."

Sein Blick wanderte etwas an der Statue nach unten. Dann kehrte die altbekannte, rötliche Farbe auf seine Wangen zurück. "Oh."

"Schön, dass wir das geklärt hätten", nickte die Gerudo. Dann erhellten sich ihre Gesichtszüge wieder. "Aber weißt Du, was mir gerade auffällt? Du bist Linkshänder ... genau wie sie."

Link sah das Schwert hinter Shetájas linker Schulter an und grinste. "Tatsächlich ... eine absolute Seltenheit."

Seine Gefährtin nickte zustimmend. "Uralte Legenden berichten übrigens von einem magischen Schild, der sich tief im Labyrinth des Geistertempels befinden soll. Der Spiegelschild unserer Göttin. Sie soll ihn persönlich bei großen Schlachten getragen haben. Er ist angeblich extra für sie als Linkshänderin konstruiert. Vielleicht wirst Du ja mal über ihn stolpern im Verlauf Deiner weiteren Abenteuer!"

"Möglich", murmelte er, während er seinen Blick wieder nachdenklich über die Statue gleiten ließ. "Was ich vorhin noch sagen wollte: Ich finde nicht das leiseste Anzeichen für einen Geheimgang. Woher willst Du wissen, dass es tatsächlich einen gibt? ...Und bevor Du irgendwas sagst: Fang nicht an mit den Worten die uralten Legenden berichten von..., klar?"

Natiima ließ die Luft wieder aus ihren Lungen und formulierte ihren Satz neu. "Schau Dir die Schüssel an", sagte sie und wies mit dem Finger dort hin.

Link gehorchte. Er kletterte auf den Schoß der Göttin und hielt die Laterne dichter an das Gefäß heran. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass sich im Inneren das Triforce befand. Er fragte sich, wie das Wüstenvolk eigentlich genau zu Din, Nayru und Farore stand ... oder ob es eine direkte Beziehung der Göttinnen Hyrules zu Shetája gab.

Vielleicht trafen sich die vier regelmäßig im Himmel zu Tee und Gebäck.

In der Mitte zwischen den drei goldenen Dreiecken war in winzigen Zeichen einer veraltet anmutenden Schriftart etwas geschrieben. Link musste noch etwas näher ran, um die Buchstaben entziffern zu können und wischte den Staub fort.

"Gold und Silber verwahre ich, herrliche Juwelen. Wer sie begehrt, der tausche dafür den größten Schatz der Wüste", las er laut vor.

"Ich weiß ja nicht, wie Du das siehst", fing Natiima an, "aber Gold, Silber und Juwelen klingen in meinen Ohren irgendwie nach Schatz. Und da ich hier keine Schatztruhe sehen kann, geschweige denn Gold, muss die Statue wohl einen Geheimgang verstecken."

"Möglich", sagte er nun schon zum zweiten Mal binnen kürzester Zeit. "Woher weißt Du, ob der Schatz nicht schon lange geborgen ist?"

Natiima legte den Kopf schief und grinste neckisch. "Ob es Dir passt oder nicht ... aber daran sind die uralten Legenden schuld. Weißt Du, man braucht innerhalb eines Volkes keine Geschichten über einen möglichen Schatz lebendig zu halten, wenn er schon lange aus seinem Versteck gehoben worden ist. Und um Dir das vorweg zu nehmen, nein, das hat kein Gerudo klammheimlich getan, denn wir teilen in unsrem Volk alles mit einander."

"Warum sind wir zwei dann alleine hier?", fragte Link und ließ dabei seinen Blick nicht von der Schüssel weichen.

Die Wüstenfrau seufzte. "So viele haben den Schatz gesucht. So oft. Es gab keine, die nicht schon ihr Glück versucht hätte. Jüngere Generationen kommen dann und wann hier herunter. Aber ansonsten hat das hier ein wenig seinen Reiz verloren. Wie ein Puzzle, das man einfach nicht zu lösen imstande ist. Aber Du hast damit inzwischen schon mehr Erfahrung."

"Hmm-hmm", grunzte er nur bestätigend und beugte sich vor, um unter die Schüssel gucken zu können, die fest in den Fingern der Figur verankert war.

Natiima machte Anstalten, sich auf den Boden zu setzen, um dort wartend zu verharren, bis ihr Freund einen Weg zum Schatz gefunden hätte, doch als sie dort etwas Pelziges von grünschwarzer Farbe wachsen sah, überlegte sie es sich doch anders.

"Hast Du schon etwas von dem Wüstenkoloss gehört?", fragte sie, um die Zeit zu überbrücken. "Dabei handelt es sich um eine riesige Statue am Eingang zum Geistertempel. Sie ist fast so hoch wie der Tempel selbst. Sie ist ähnlich geformt wie diese Statue, aber sie hält die Hände anders. Und es gibt keine Schüssel."

Link nickte. "Könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Schüssel hier an diesem Ort etwas Wichtiges ist."

Die Gerudo verschränkte ihre Arme im Nacken. "Der Wüstenkoloss ist aber nicht annährend so gut erhalten wie diese Statue hier. Sondern das Gesicht ist von Wind und Wetter und natürlich vom Zahn der Zeit schon schwer in Mitleidenschaft gezogen. Gut die Hälfte davon wurde von Sandstürmen abgeschmirgelt oder ist unter der Last des Alters abgebrochen."

"Spricht nicht gerade für eine stabile Bauweise", kommentierte er. "Da bekommt man Bammel, auch das Innere zu betreten. Könnte ja genauso einstürzen."

Sie gab ihm Recht. "Es ist schade um das schöne Bauwerk", seufzte sie. "Es ist uraltes Kulturgut."

Zum ersten Mal seit mehreren Minuten wandte sich Link von der Statue ab und grinste Natiima bösartig an. "Fragt doch die vier jaulenden Handwerker, ob sie die Restaurierung übernehmen. Wenn sie damit fertig sind, könnt ihr sie ... in die Wüste schicken!"

Sie lachte auf, trat näher und klopfte ihm auf die Schulter. "Dich möchte man nicht zum Feind haben! Aber gute Idee, wirklich. Ich denk drüber nach, das den Andren zu unterbreiten."

Der Blonde kletterte wieder von der Statue herunter und kramte in seinen Taschen. Er zog die Okarina der Zeit hervor und spielte Zeldas Wiegenlied. Als er das Instrument wieder von den Lippen absetzte, hatte sich nichts spürbar verändert.

"Nach wie vor ein schönes Lied", kommentierte Natiima mit schief gelegtem Kopf, "aber ist mir noch etwas zu früh, um schlafen zu gehen."

"Das Triforce in der Schüssel...", erklärte er. "Ich habe schon öfter erlebt, dass dieses Zeichen auf Zeldas Melodie reagiert." Die Okarina verschwand wieder in der Tasche an seinem Gürtel. Nachdenklich rezitierte er erneut die Zeilen des Rätsels: "Gold und Silber verwahre ich, herrliche Juwelen. Wer sie begehrt, der tausche dafür den größten Schatz der Wüste."

"Was könnte damit gemeint sein?" Natiima nahm die Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger und zupfte überlegend daran. "Gold? Rubine?"

"Ich weiß nicht. Hast Du was davon hier?", entgegnete er.

Natiima streifte sich einen goldenen Armreif ab und legte ihn in die Schüssel. Nichts geschah.

Seufzend kratzte sich Link am Hinterkopf. "Was gibt es denn Besonderes in der Wüste?"

"Du meinst, außer Sand?", meinte sie abfällig, als sie sich das Schmuckstück wieder überstreifte.

"Nun ... warum auch nicht?" Er zuckte mit den Achseln. "Einige Sorten Sand glitzern in der Sonne wie Gold. Und ohne diesen Sand wäre die Wüste keine Wüste; Sand ist für die Wüste also so wichtig wie ein Schatz."

"Muss ich jetzt wirklich all die Treppen wieder hoch, um eine handvoll Sand zu holen?" Leises Entsetzen schwang in der Stimme der Gerudo mit. Es waren wirklich so einige Treppen bis zur Oberfläche.

Link schwenkte die Laterne über den Boden. "Na ja ... etwas davon ist ja sogar bis hier her geweht worden. Ein Haus staubfrei zu halten muss in dieser Gegend eine Lebensaufgabe sein, schätze ich."

Er ging näher zum Eingang, wo sich der meiste Sand gesammelt hatte, kniete sich nieder und kratzte etwas wiederwillig über den schmierigen Boden, bis er ein Häuflein Sand zusammengesammelt hatte, welches er dann zur Statue trug und in die Schüssel rieseln ließ.

"Hier würde ich keine Putzfrau sein wollen", gestand er währenddessen.

Natiima hob anklagend eine Augenbraue. "Und warum müssen immer Frauen typischerweise diese Aufgabe übernehmen?"

Er grinste darauf nur schief. "Ich habe hier noch keinen Putzmann herumlaufen sehen."

"Das ist nur wegen des Männermangels", wich sie aus. Beide grinsten. Als sie feststellten, dass sich die Statue noch immer keinen Millimeter bewegt hatte, fegte Link seufzend den Sand wieder aus der Schüssel heraus.

"Was wäre...", überlegte Natiima, "...wenn wir die Schüssel ganz mit Sand füllen müssten? Ich meine, nicht des Sandes wegen, aber wenn wir ein Gewicht benutzen würden, das der Menge Sand entsprechen würde, die nötig ist, die Schüssel zu füllen?"

"Ist einen Versuch wert", meinte Link, doch er verschwieg ihr, dass er inzwischen daran zweifelte, ob Sand tatsächlich als größter Schatz der Wüste gewertet werden sollte. Er fand in diesem Keller recht schnell einen kleinen Sack feuchter Kohle – dieser war dummerweise genau dort gelagert worden, wo sich offenbar irgendwann später ein Rinnsal aus Wasser den Weg durch die brüchige Wand gebahnt hatte – und legte diesen quer über die Arme der Statue, da er nicht so ganz in die Schüssel gepasst hätte. Wenn es tatsächlich um das Gewicht ging, nahm Link lieber ein bisschen zu viel als ein bisschen zu wenig. Er trat ein paar Schritte zurück und wartete. Kein Geheimgang tat sich auf, keine Schatztruhe fiel von der Decke, kein Teufelchen tauchte auf, um ihn seiner obskuren Ideen halber auszulachen. Manchmal, in Situationen wie diesen, wünschte sich Link, er hätte einen Begleiter, der ihn mit Ratschlägen und klugen Ideen unterstützte; vielleicht ein wohlgesonnener Geist, ein Engelchen, oder eine gute Fee...

Den Kohlesack stellte Link nun an einer trockenen Stelle ab – oder zumindest hoffte er, sie würde trocken bleiben. So wertvoll Wasser auch war, manchmal war es einfach nur fehl am Platze...

"Aaaah, natürlich!" Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Mit der Laterne in der Hand kroch er abermals auf den Schoß der Statue und sah sich die Innenseite der Schüssel nochmals genau an. Er fegte die letzten Reste Sand und einige schwarze Kohlekrümel, die vom Sack abgefallen waren, zur Seite und betrachtete das Triforce. Jetzt erst fielen ihm die drei kleinen Löcher auf, die jeweils an den Spitzen des Symbols angebracht waren. Link grinste, während er wieder in seinen Taschen wühlte. "Der größte Schatz der Wüste!", sagte er andächtig und hielt seinen Wasserschlauch in die Luft. Als er die Flüssigkeit vorsichtig in die Schüssel schüttete, stiegen aus den Löchern kleine Bläschen auf. Da aber das Wasser nicht unten heraustropfte, ging Link davon aus, dass die Arme der Statue, welche die Schüssel hielten, innen hohl waren und das Wasser nun darin entlang lief.

Das Gewicht von einem guten Liter Wasser reichte schließlich aus, um irgendwo in der Wand einen Mechanismus auszulösen. Zuerst war ein lautes Klacken zu hören, dann ein Summen und Vibrieren; schließlich, als Link und seine Gefährtin einige Schritte in Sicherheit gegangen waren, löste sich die Statue zusammen mit einem Stück der Wand in ihrem Rücken aus der Mauer heraus und kroch auf unsichtbaren Schienen vorwärts, bis man den Durchgang dahinter locker betreten konnte.

Anerkennend pfiff Natiima durch die Zähne hindurch und klopfte dem großen Helden auf die Schulter. "Du bist ja doch nicht so dämlich, wie Du aussiehst", meinte sie und ging an ihm vorüber.

"Danke ... hey!"

Missbilligend zog er die Augenbrauen zusammen, beeilte sich aber dann doch, ihr in den Gang zu folgen. Er hoffte, das Wasser, das den Mechanismus in Gang gesetzt hatte, würde nicht einfach durch einen weiteren Riss versickern. Er hatte keine Lust, lebendig eingesperrt zu werden, sollte sich das System ohne dieses Gewicht wieder in die Ausgangssituation zurück bewegen.

"Sag mal, sollten wir nicht spätestens jetzt den Andren Bescheid sagen?", fragte der Hylianer und deutete mit dem Daumen über die Schulter in Richtung Ausgang. "Je mehr Leute hier sind, desto mehr Leute können auch gemeinsam gegen eine Gefahr ankämpfen."

"Und mit umso mehr Leuten muss ich mir hinterher das Ansehen teilen", erklärte sie und leuchtete vorsichtig den Gang aus, durch den sie schritt.

"Ich hätte es mir denken können...", seufzte Link und hielt sich eine Hand vors Gesicht. "Hast Du mir nicht vorhin noch gesagt, Gerudos teilen alles?"

"Gerudos teilen Schätze und Beute, Lebensmittel, Arbeiten...", entgegnete sie schmunzelnd. "Von Ruhm war nie die Rede."

Die beiden Laternen leuchteten den steinernen Gang aus, der eindeutig künstlich angelegt worden war. Der Fels hatte hier eine tiefrote Farbe und war mit ähnlichen Schlangensymbolen bemalt, wie Link sie oben an den Festungswänden gesehen hatte, aber der Stil war einfacher und die Machart wirkte älter, primitiver. Wer auch immer all das hier angelegt hatte, er hatte es vor einigen Jahrhunderten getan. Er fragte sich, ob der Schließmechanismus erst deutlich später hinzugefügt worden war. Eines war jedenfalls sicher: Seit Ewigkeiten hatte kein menschliches Wesen mehr diesen Gang betreten. Ruß klebte als schwarze Schicht an der Decke. Der Stollen war selbst für Spinnenweben und ihre Bewohner zu abgeschieden. Nur der feinste Staub hatte es durch die schmalen Ritzen geschafft, die zwischen der Statue und der restlichen Mauer gewesen waren.

Der Schacht ging bald in eine ausgetretene Treppe über, die so lang war, dass die Laternen sie nicht bis ans Ende ausleuchten konnten. Es war, als stiegen die beiden in ein Loch, das direkt in die Hölle führte. Die Luft war auch entsprechend warm und stickig. Schweiß rann in Strömen über Links Körper und schon bald konnte er nur noch erschöpft keuchen. Er mochte sich gar nicht vorstellen, wie viele Tonnen Gestein über seinem Kopf sein mochten. Wenn all das ausgerechnet jetzt bei einem Erdbeben einstürzte...

Der Träger des Triforce des Mutes hatte in seinem Leben noch nie unter Klaustrophobie gelitten. Doch heute schien ihm ein guter Tag zu sein, damit anzufangen. Noch dazu scheute er sich vor der Vorstellung, beladen mit Kisten voller Gold all diese Treppen wieder an die Oberfläche steigen zu müssen. Doch noch unbehaglicher war ihm der Gedanke, tiefer und immer tiefer in diesem Gestein versinken zu müssen. Irgendwann kam er um die Vorstellung nicht mehr herum, der Berg sei ein gewaltiges, steinernes Lebewesen, in dessen Maul er freiwillig gestiegen war, und das jederzeit seine zahnbesetzten Kiefer schließen konnte, sodass er in alle Ewigkeit im Labyrinth seiner Eingeweide umherirren musste. Das Gefühl für Zeit hatte er schon vor endlos erscheinenden Augenblicken verloren.

Als er das Gefühl bekam, all das nicht mehr aushalten zu können, erreichten sie das untere Ende der Treppe. Vor ihnen erstreckte sich der Gang nur noch ein halbes Dutzend Schritte weit, dann erweiterte sich der Stollen zu einem großen Raum. Das flackernde Licht der Laternen erreichte gerade noch so die gegenüberliegende Wand und ließ dort den Eindruck von huschenden Schatten entstehen. Irgend etwas reflektierte das Licht und schien die beiden nicht willkommenen Besucher aus rotglühenden Augen anzustarren.

Link wechselte die Laterne in die rechte Hand und zog mit links sein Schwert, dann schritt er vorsichtig auf die Mitte des Raumes zu. Am Anfang machte er nur einen undeutlichen Schemen aus, der bloß nicht ganz so dunkel war wie der Hintergrund. Erst, als er näher kam, erkannte der Kämpfer, dass es eine Statue war wie die, die den Eingang bewachte. Shetája hielt etwas in den Händen, das golden und rubinrot funkelte.

"Wir haben unsren Schatz!", wisperte Natiima. Aufregung ließ ihre Stimme hoch und piepsig erscheinen, obwohl sie nur geflüstert hatte. Sie ergriff Links Unterarm, und er spürte, wie sie leicht zitterte. Ihr Atem ging ebenso schnell wie seiner und diese gewaltige Strapaze des langen Abstiegs hatte ihr einen großen Teil ihrer Kraft gekostet, doch es schien so, als würde der bloße Anblick des Schmuckstücks ihr neue Energie zuführen.

"Sollen wir erst eine Pause einlegen?" keuchte Link. Ihm war schwindelig vor Anstrengung, Hitze und dem beklemmenden Gefühl, eingesperrt zu sein.

"Einen Moment", murmelte seine Partnerin und hob die Laterne etwas an. Der Raum war von sechs Stützsäulen durchzogen, die in zwei Reihen links und rechts von der Statue angeordnet waren. Von jedem einzelnen Pfeiler hing eine metallene Halterung an Eisenketten herab, bestückt mit jeweils einer staubtrockenen Fackel.

Natiima hantierte eine Ewigkeit mit ihrer Laterne daran herum, bis sie das Feuer endlich entzünden konnte und sich der nächsten Halterung zuwandte. Der Hylianer tat es ihr an den drei Säulen der anderen Reihe gleich, und darauf war der Raum hell erleuchtet. Es half Links klaustrophobischen Anfällen, denn nun konnte er sich einen besseren Überblick über die Umgebung verschaffen, und er verlor so allmählich das Gefühl, ihn könnte jederzeit ein Monster von hinten überraschen und angreifen. Die Laternen wurden inzwischen gelöscht, um Öl zu sparen.

Beide hockten sich auf den Boden und lehnten sich gegen die Wand nahe des Eingangs, während sie gierig aus ihren Wasserschläuchen tranken. Die eben entfachten Fackeln trugen nicht unbedingt dazu bei, Kühlung in diesen Raum zu bringen, der wohl recht nahe dran zu sein schien an der heißen Quelle oder an den unterirdischen Lavaströmen oder was es auch immer war, das selbst die Wände hoch oben in der Festung noch beheizte. Die Abenteuer im Todesberg hatten Link gezeigt, dass er nicht fahrlässig mit dieser Hitze umgehen sollte. Zu leicht unterschätzte man diese hohe Temperatur und konnte einen Kreislaufkollaps erleiden. Er wollte nicht testen, ob Natiima kräftig genug wäre, gegebenenfalls seinen bewusstlosen Körper all die Treppen nach oben zu schleifen, wenn es hart auf hart kam. Auch die Gerudo wirkte trotz Enthusiasmus angeschlagen. Das Kind der Wüste war zwar hohe Temperaturen gewohnt, doch oben in der Festung wehte zumindest der Wind, der wenigstens die Illusion von Kühlung erweckte. Hier unten stand die Luft still und war stickig. Sie wirkte unendlich träge und hing wie dampfender Sirup im Raum. Das Atmen fiel den beiden Abenteurern sehr schwer. Ein Belüftungssystem wie in dem unterirdischen Tanzsaal der Gerudos gab es hier nicht. Der Raum war nicht für einen längeren Aufenthalt von menschlichem Leben gedacht.

"Vielleicht sollten wir uns doch lieber beeilen mit dem Schatz", murmelte Link und drehte seinen Wasserschlauch wieder zu. "Bevor uns die Luft ausgeht."

"Ich bin dafür", ächzte Natiima. Mit dem Handgelenk wischte sie sich den Schweiß von der Stirn.

Link stand auf und trat näher an die Statue heran, um sie einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Wie schon bei der Götze am Eingang war dies hier derselbe weibliche Körper, umschlungen von einer Schlange, hinter der linken Schulter ragten Schwert und Scheide hervor. Das Gesicht war ausdruckslos und mit denselben Kriegsbemalungen verziert: Unter den Augen befanden sich jeweils zwei Dreiecke aus roter Farbe, Letztere war hier allerdings schon stark verblasst. Der breite Hals der Kobra umfing Shetájas Kopf wie ein Helm, das Schlangengesicht blickte bedrohlich drein; viel zu lange Eckzähne brachen aus dem Kiefer hervor.

Der Oberkörper der Göttin war mit einem Panzer aus Schlangenschuppen von grünlich-bräunlicher Färbung bekleidet, von dem Link nicht ganz sicher war, was die ursprüngliche Farbe gewesen sein mochte. Über die Brüste spannten sich dunkle, lilafarbene Kreise mit je einem gelben sechszackigen Stern. Dazwischen war in der Mitte der Brust ein langgezogener, blutroter Stein eingelassen. Möglicherweise roter Jaspis, doch damit konnte sich Link auch irren. Bauch und Arme waren nackt, bis auf breitere Armbänder aus dem gleichen Schuppenpanzer. Ein breiter Gürtel, verziert mit inzwischen vergilbten blauen und gelben Zacken, hielt die weite Pluderhose fest, von der die Farbe inzwischen zur Unkenntlichkeit abgesprungen war, aber einst wohl irgend etwas zwischen beige und ocker gewesen sein mochte. Barfuß saß die Göttin auf einem einfach gehaltenen Steinthron, anstatt, wie bei der andren Statue, im Schneidersitz auf dem Boden zu hocken. Und noch etwas war anders: Die Arme waren hier nicht in die Luft gereckt, sondern ruhten direkt auf den Knien. Die Hände schlossen sich um den legendären Schatz der Gerudos.

Das Licht der Fackeln wurde von dem sicherlich gut anderthalb Meter messenden Stab aus Silber reflektiert. Ähnlich einem Äskulapstab wand sich eine Schlange drum herum, deren Körper aus Gold gefertigt war. Im weit geöffneten Maul funkelte ein faustgroßer Rubin, die Augen bestanden aus tiefgrünen Smaragden. Einem exotischen Schuppenmuster folgend, zogen sich etliche winzige Diamanten über den Rücken des Reptils. Ein kugelförmig in Facettenschliff gefertigter Blautopas bildete den oberen Abschluss des silbernen Stabs, knapp oberhalb des goldenen Schlangenschädels.

Die Finger von Shetájas beiden Händen umschlossen den Stab so perfekt, dass sich Link fragte, wie um alles in der Welt die Steinmetze das überhaupt hatten fertig bringen können. Er kratzte sich ratlos am Kopf.

"Beeindruckende Arbeit", kommentierte er.

"Unglaublich wertvoll", wisperte Natiima, die um Statue und Schatz herumschlich wie die Katze um den metaphorischen heißen Brei.

"Sehe ich das eigentlich richtig...", begann Link und blickte demonstrativ suchend um sich, "...dass der Schatz nur aus diesem einen Stück hier besteht? Ich meine, hier ist nicht noch ein Geheimgang, von dem uralte Legenden berichten, und den ich bislang übersehen habe?"

Natiima sah ihn grübelnd an und leckte sich über die spröden Lippen. "Nicht, dass ich mich erinnern könnte. Und ich sehe auch nicht den geringsten Hinweis auf einen weiteren Gang."

"Noch tiefer in diesen Höllenschlund würde ich aber auch nicht gehen wollen", quengelte Link und rieb sich den Schweiß aus dem Nacken. Seine goldblonden Haare klebten längst an Stirn und Wangen und er fragte sich, wofür er an diesem Tag überhaupt in eine Badewanne gestiegen war.

"Sag mal, Link, worauf stehst Du eigentlich?"

"Hm? Na ja ... Milch, gebratene Oktoroks und friedliche Abende in der Hängematte. Wieso fragst Du?"

"Ich meinte das da!", sagte die Gerudo und wies auf die Füße des Hylianers. Dieser machte hastig einen Schritt zurück und sah herab. Vor der Göttin war eine steinerne Tafel in den Fußboden eingelassen. Die eingravierten Schriftzeichen darauf waren klein und deswegen unauffällig. Der Held kniete daneben nieder und murmelte halblaut die Inschrift vor sich hin: "Mein Herz kennt nur Gnade für meines Volkes Schicksal."

Er verzog unglücklich das Gesicht. "Schicksal. Jetzt fängt Shetája auch noch mit diesem Humbug an."

"Es ist eben kein Humbug", erklärte Natiima zwinkernd. Sie streckte ihre Hand aus.

"Nein, Natiima! NICHT!" Link sprang vom Boden hoch und versuchte sie zurück zu reißen, doch ihre Hand lag bereits auf dem Stab.

Nichts rührte sich.

Nach einem endlos scheinenden Augenblick erlaubte sich Link, wieder zu atmen.

"Natiima!", zischte er vorwurfsvoll. Er ließ die Hände sinken, die wie zupackend mitten in der Luft verharrt hatten, als seien sie in Stein verwandelt worden.

"Mach Dir nicht in die Hosen, Süßer", antwortete sie. Mit der freien Hand winkte sie ab. "Es passiert doch nichts! Du hast es selber gerade vorgelesen. Shetája hat Gnade mit uns Gerudos."

"Ich finde das nicht witzig", maulte er und strich sich die klebenden Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Ich habe schon zu viele Fallen erlebt, als dass ich mir nicht – wie Du es ausdrückst – in die Hosen machen würde. Nimm einfach die Pfoten davon und lass den Profi das machen."

"Ach..." Das herausfordernde Funkeln war in ihre müden Augen zurückgetreten. "Und was schlägt der Profi jetzt vor?"

"Der Profi kümmert sich jetzt um diesen vermaledeiten Text zu Füßen dieser elenden Wüstenhure, die ihm das alles eingebrockt hat", fluchte er und kniete sich erneut nieder, während er im Stillen versuchte, seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Einen Augenblick lang hatte er Todesängste um seine Partnerin ausgestanden. Im Augenblick hatte er nicht den Nerv für gepflogene Umgangsformen. Es war schlicht und ergreifend zu heiß hier.

"Sieh mal einer an", sagte Natiima darauf in leisem Ton. "Ich billige zwar nicht, in welchem Ton Du von unsrer heiligsten Göttin redest ... aber in Dir steckt ja wirklich ein verfluchter Hurensohn von einem Draufgänger. Meinen Respekt!" Nun grinste sie schnippisch. "Du verwandelst Dich tatsächlich mehr und mehr vom Muttersöhnchen in einen echten Gerudo."

"Halt die Klappe", zischte er, inzwischen doch peinlich berührt von den Worten, die er eben noch selbst so gedankenlos dahingesagt hatte. Sein schlechtes Gewissen meldete sich prompt. Es war sonst nicht seine Art, so aus der Haut zu fahren. Die Hitze machte ihn völlig fertig und Natiima half ihm auch nicht gerade mit ihren Sticheleien und den eigenartigen Kulturzugehörigkeiten; und besonders nicht mit ihrer naiven, viel zu vorschnellen Art, mit jahrhundertealten und völlig fremdartigen Objekten umzugehen.

Seine Finger glitten tastend über die Schrift, die zu seinen Füßen in den Stein eingraviert war.

"Das hier könnte ein Hinweis auf eine Falle sein", murmelte er überlegend und sah sich um. "Natiima, nun lass verflucht noch mal den Stab in Ruhe und hilf mir lieber, das Rätsel zu lösen!"

Sie ließ sich von seiner donnernden Stimme nicht beeindrucken; allerdings tat sie ihm tatsächlich den Gefallen und löste ihre Finger von dem Schatz. Wenn auch nur für einen kurzen Moment.

"Was für ein Rätsel?", beschwerte sie sich mit trotzigem Blick. "Siehst Du hier eine Auswahl an Schaltern, von denen Du den einen richtigen drücken musst? Siehst Du hier Trittfallen, die es zu umgehen gilt? Siehst Du ein Licht, das Du erst anknipsen musst, um eine Falle zu deaktivieren? Hier drinnen ist doch nichts! Nichts außer dem Schatz und unsrer Göttin. Sie beschützt Dich und mich, denn wir sind Gerudo. Und nun stell Dich nicht so an und hilf mir, den Stab aus ihren Fingern zu ziehen."

Damit drehte sie sich wieder um, stapfte wütend den einen Schritt wieder zu der Statue zurück und zerrte diesmal mit ihrem ganzen Gewicht an dem Stab. Auch ihre Geduld schien in dieser Gluthitze und der sauerstoffarmen Luft hier unten allmählich zu einem Ende zu kommen. Es war Link klar, dass sie es eigentlich nicht böse meinte. Vielleicht hatte sie sogar Angst, die sie sich nicht anmerken lassen wollte. Nur noch schnell den Schatz zu schnappen und in Höchstgeschwindigkeit zu verschwinden war möglicherweise sogar das Intelligenteste, was man in dieser Situation tun konnte, ehe der Streit noch völlig eskalierte.

Entweder das, oder Link war gerade bloß ein Opfer der Gier einer Gerudo geworden. Seine nächsten Worte wählte er bedachter und in deutlich sanfterem Tonfall, um sie nicht noch weiter zu reizen: "Wirklich, Natiima. Bitte. Es wäre besser, wenn..."

Er brach mitten im Satz ab. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, bis steile Falten auf seiner Stirn entstanden. Er kannte dieses Gefühl, das nun plötzlich auf übermächtige Art und Weise Besitz von ihm ergriff. Ihm fiel es schwer, es in passende Worte zu kleiden, aber da war etwas, das seine Alarmbereitschaft auf Hochtouren brachte. Beinahe wie das unterschwellige aber dennoch untrügliche Empfinden, das ein Tier haben mochte, wenn ein Erdbeben drohte.

"Natiima", wisperte er tonlos, "lass von dem Stab ab und sei ganz leise."

"Fängst Du schon wieder mit dem Bockmist an?", zeterte sie, doch als sie den Kopf zu ihm wandte und seinen Gesichtsausdruck sah, überkam sie eiskaltes Entsetzen. Echte Gefahr in der Mimik eines Andren zu erkennen gehörte zu einem instinktiven Schutzsystem der Natur und war unmissverständlich. Sie zog schlagartig die Finger von dem Stab zurück, als hätte sie sich daran verbrannt, und hielt den Atem an, um ganz leise zu sein.

Auch Link zwang sich dazu, ruhig zu atmen, was ihm aufgrund seines rasenden Herzens nicht leicht fiel. Seine Sinne verschärften sich zusehends. Er lauschte in den Raum hinein, doch alles, was an seine Ohren drang, war das nun überlaut wirkende Knistern der Flammen über ihm an den Fackeln. Seine Finger, die auf den Boden gepresst waren, registrierten keine unbekannte Vibration. Nichts im Raum regte sich. Und dennoch, da war irgend etwas, das Links Blut in seinen Adern gefrieren ließ. Etwas Lauerndes. Etwas Uraltes. Etwas, das man vielleicht als magisch bezeichnen konnte, oder als mystisch, und das vielleicht weder das eine noch das andre war, sondern viel, viel mehr als das...

Menschen spürten es, wenn sich ein starrender Blick auf sie legte, selbst, wenn sie nicht wussten, aus welcher Richtung er kam. Ein eben solches Gefühl durchdrang jeden einzelnen Knochen, jeden Muskel und jede Nervenfaser des jungen Helden. Er sondierte seine Umgebung. Doch so sehr er sich umsah, da war keine Bewegung. Keine Veränderung.

Und dann sah er zu Natiima.

Und an ihr vorbei.

Und in die fremden Augen.

Die Augen einer Göttin.

Augen, von denen er wusste, dass sie eben noch blind und leer und aus leblosem Stein gewesen waren.

Augen, die sich nun zu zornigen Schlitzen verengten.

Als Natiima den nun reglosen Blick ihres Partners sah, der sich starr an einen Punkt hinter ihrer Schulter heftete, wusste sie, dass ihr Leben an einem seidenen Faden hing. In unendlich langsamen Bewegungen drehte sie sich um, folgte seinem Blick ... und genau in diesem Moment drehten sich die schwarzen Augen Shetájas in ihre Richtung. Die Gerudo stieß einen spitzen Schrei aus.

Und dann passierte alles gleichzeitig.

Beinahe zu schnell für das menschliche Auge ließ die linke Hand der Göttin den Stab los, griff nach oben und hinter ihre Schulter, wo sich die Finger zielsicher um den Schwertgriff legten. In einer einzigen, fließenden Bewegung glitt die scharfkantige, metallene Klinge aus ihrer Halterung heraus, beschrieb eine enge Wende und stürzte sich auf Natiimas Hals. Die Gerudo fühlte nur noch, wie eine gewaltige Wucht in ihre Seite prallte und sie von den Füßen riss. Gerade noch rechtzeitig hatte Link seine Muskeln angespannt und sich auf sie gestürzt wie ein Leopard auf seine Beute. Die Schneide der Wüstengottheit verfehlte den Hals der Gerudo nur um eine Winzigkeit und hinterließ bloß ein widerliches Zischen in der Luft. Link wurde indes vom eigenen Schwung weitergerissen, rollte mit Natiima unkontrolliert über den Boden und landete schließlich hart an der Wand. Sein Körper meldete ihm den Schmerz eines Blutergusses am rechten Ellenbogen, wo er den Sturz zu bremsen versucht hatte, doch das ignorierte er. Mit zusammengebissenen Zähnen richtete er sich auf, warf einen kurzen Blick auf Natiima, die keuchend am Boden lag, dann löste er den Schild vom Rücken und zog das Masterschwert aus seiner Scheide heraus. Die leichte Waffe vibrierte, als würde sie sich auf den bevorstehenden Kampf freuen, doch lag die Ursache nur im Zittern des Schwertarmes. Die Muskeln bereiteten sich auf schwere Anstrengung vor.

Shetája stand nun von ihrem Thron auf, langsam, gemächlich; wie ein Wesen, das weder Furcht noch Aufregung kannte und dem die Bedeutung der Zeit unbekannt war. Ihre Augen mochten im ersten Moment menschlich wirken, obwohl die Iris so schwarz war, dass man die Pupillen nicht ausmachen konnte; doch in ihrem Blick lag etwas, das man nur als überirdisch bezeichnen konnte. Es war eine Aura der Weisheit und der Macht; aber irgendwie lag darin auch Desinteresse für die kurzlebigen, unbedeutenden Wesen, die es gewagt hatten, ihr Reich zu betreten.

Sie bewegte sich zwei Schritte von ihrem Thron fort und blieb stehen, fast so, als sollten sich die beiden Abenteurer ein Bild dessen machen, was nun über sie richten würde für ihre Freveltaten, diese heilige Halle mit ihrer Anwesenheit zu beschmutzen. Bedrohlich stand die Göttin da, mit dem wertvollen Stab in ihrer Rechten, dem Schwert in der Linken; ihre Augen starrten beinahe reglos geradeaus, der restliche Körper wirkte noch so tot und steinern wie eh und je. Die Schlange um ihren Körper schien zu einem eigenen Leben erwacht zu sein, doch sie regte sich kaum, abgesehen von einem gelegentlichen leisen Zischeln und der sanft zuckenden Bewegung ihrer Schwanzspitze. Diese Kombination aus Göttin und Schlange erreichte gemeinsam eine Höhe von guten zweieinhalb Metern – eine stolze Größe, zudem über alle Maßen beeindruckend wie auch furchteinflößend.

Natiima war inzwischen wieder zu Atem gekommen. Der Aufprall musste ihr die Luft aus den Lungen gepresst haben, doch nun hatte sie sich wieder zur Genüge gefasst, um aufzustehen. Mit ihrer rechten Hand zog sie den Langdolch aus der Scheide an ihrem Gürtel, mit der linken stützte sie sich gegen die Wand in ihrem Rücken. Verängstigt sah sie ihrem Gott entgegen, aber dennoch lag etwas vom typischen, trotzköpfigen Starrsinn der Gerudos in ihren Zügen. Ein Starrsinn, den man an den Tag legte, wenn man nicht einfach kampflos seinen Tod akzeptieren wollte.

Die Statue machte keine Anstalten, anzugreifen; eine Ewigkeit regte sie sich gar nicht. Und solange das der Fall war, verhielt auch Link sich ruhig. Langsam stellte er sich zwischen Natiima und der lebendig gewordenen Statue auf, den schweren Hyliaschild vorgereckt. Gerade als er dachte, sein rechter Arm müsste unter dem Gewicht des Metalls lahm werden, kam wieder sachte Bewegung in den schlanken Körper vor ihm. Der Mund der Statue öffnete sich langsam, doch die Lippen bewegten sich ansonsten nicht weiter, als Worte den Raum erfüllten. Der offene Mund schien eher nur ein symbolischer Akt zu sein; eine Anpassung an menschliches Gehabe.

"Beweise mir Dein Schicksal", forderte eine Stimme, die allgegenwärtig war und viel zu dröhnend für diesen Raum wirkte. Der Ton klang weder ausgesprochen weiblich, noch definitiv männlich; eher neutral oder wie eine Mischung aus beidem oder vielleicht auch wie etwas ganz Andres, das der menschliche Geist nicht erfassen konnte. Ein blecherner Unterton wie von Stein, der über Metall kratzte, schwang darin mit und hinterließ ein dumpfes Echo. In den vier Worten, die sich direkt in die Schädelknochen der Zuhörer zu hämmern schienen, lag keinerlei Emotion. Der Gesichtsausdruck blieb ununterbrochen reglos in Stein gemeißelt, als sei dies nur eine Puppe; eine von göttlicher Hand gesteuerte Marionette. Vielleicht wäre die wahre Anwesenheit der Göttin mehr gewesen, als ein menschliches Wesen ertragen oder ein von Menschenhand erbauter Raum halten konnte.

Dann klappte ihr Mund wieder zu. Als nach diesem Satz keine weitere Reaktion mehr kam, wagte sich Link, vorsichtig hinter seinem Schild hervor zu lugen. Er hatte den Eindruck, die Statue würde auf etwas warten.

"Das Schicksal beweisen?", fragte er und versuchte, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Schweiß rann in Strömen über seine Stirn. Er war nervös. So ganz konnte er nicht einschätzen, wie diese Situation enden würde; doch er hoffte, für alle Eventualitäten noch genug Kraft zu haben. Die Hitze zehrte nicht nur an seinem Körper sondern auch an seinen Nerven; die leibhaftige Göttin vor seinen Augen tat dabei natürlich ihr Übriges.

Er erhielt keine Antwort. Natiima streckte ihre rechte Hand vor, die Spitze ihres Langdolches wies auf Shetájas Herz. Die Muskeln zuckten leicht, die Haut glänzte vor Schweiß.

"Will sie uns etwa zum Kampf herausfordern?", flüsterte sie. Link war sich nicht sicher, ob es überhaupt einen Unterschied gemacht hätte, wenn sie ihre Worte gebrüllt hätte. Wenn das dort vor ihnen tatsächlich eine Göttin war, dann machte ihre Allmacht sicherlich keinen Halt vor Lautstärke. Laut sagte er:

"Ich weiß nicht. Wenn, dann hätte sie uns angegriffen. Sie wartet auf etwas Bestimmtes ... aber auf was?"

"Auf unser Schicksal", murmelte Natiima. Ihr Blick verdunkelte sich. "Sie wartet darauf, dass wir ihr unsren Mut bekunden. Sie verlangt von uns, dass wir zuerst angreifen. Erinnere Dich an die Schriftzeichen zu ihren Füßen. Mein Herz kennt nur Gnade für meines Volkes Schicksal. Wir müssen ihr beweisen, dass wir würdig sind, ihre Gnade zu erhalten."

Link schüttelte verwirrt den Kopf. "Das macht keinen Sinn", erklärte er. "Gnade ist etwas, das man freiwillig hergibt. Etwas, das sich ein Andrer nicht erst mühevoll erkämpfen muss. Entweder, Du hast Mitleid mit einem Fremden, oder Du hast es eben nicht."

"Schicksal ist etwas, das wir in uns tragen", begehrte Natiima auf. Die Spitze ihres Dolches fuchtelte noch immer in Richtung der reglosen Gestalt der Göttin. "Und was wir Gerudos in uns tragen wie kein andres Volk ist Temperament! Wir sind tapfer, wir sind mutig, wir sind stolz! Wir wissen uns zu wehren! Wir sind Meister des Kampfes! Shetája ist unsere Göttin; sie kennt die Eigenschaften des Volkes, das sie mit so viel Liebe beschützt! Und ich werd's Dir auch beweisen..."

"NEIN!" Noch ehe Link hätte reagieren können, stürzte sich Natiima mit vorgereckter Waffe nach vorn. Der Fackelschein spiegelte sich auf der kurzen aber scharfen Klinge, als diese sich der Göttin näherte. Die Schneide hatte die steinerne Haut kaum berührt, da entfachte neues Leben in Shetájas Körper. Den Bruchteil einer Sekunde später zuckte ihr Schwert durch die Luft und stieß mit einem hellen, metallischen Klirren gegen den Langdolch. Noch während die Stichwaffe mit Wucht an der Wand knapp neben und hinter Links Kopf abprallte, wurde Natiima von Shetájas Ellenbogen getroffen und flog ebenfalls davon. Das Geräusch, mit dem ihr Körper auf dem Boden aufkam, ließ Links Herz einen Moment schmerzhaft still stehen.

"Natiima!"

Er verfluchte den Stolz der Gerudos und näherte sich ihr, doch als er die Bewegung im Augenwinkel bemerkte, reagierte er nur noch instinktiv. Er riss seinen Schild hoch und sprang los. Die Breitseite des feindlichen Schwertes traf den Schild und schleuderte den Helden davon. Durch seinen Sprung rettete er Natiimas Leben, denn sonst wäre er mit seinem vollen Gewicht auf ihr gelandet; so aber setzte er über sie hinweg, kam auf dem Rücken auf, rollte sich mit dem verbliebenen Schwung über die Schulter ab und kam kniend zum Stehen. Doch er wollte den nächsten Angriff nicht einfach abwarten. Sofort spannte er seine Muskeln an, dass er fast meinte, sie könnten jeden Moment reißen. Er schleuderte sich hoch und nach vorn, täuschte einen Stich nach links an, drehte sich dann aber weiter nach links, um seine eigene Achse, hinter den Gegner, und ließ das Schwert zur andren Seite mit voller Wucht in seinen Feind krachen.

Shetája parierte seine Attacke mit dem Schlangenstab und setzte ihm nach, doch Link nutzte seinen Schwung, drehte noch eine weitere Pirouette und lockte seinen Gegner so mehr in die Raummitte; weg von Natiima, die immer noch ächzend am Boden lag. Der Held hatte zwischen den Stützsäulen nicht den Platz, den er sich gewünscht hätte, um seine Schwertkünste voll ausnutzen zu können. Der einzige Vorteil, den er sah, lag darin, dass seine Feindin das auch nicht konnte. Ihre Arme waren zudem länger und würden entsprechend noch mehr Platz beanspruchen. Und einen weiteren Vorteil bemerkte Link im Verlaufe der nächsten paar Sekunden: Shetájas nächstem Schlag entging er nur, weil er sich hinter eine dieser dicken, steinernen Stützen retten konnte. Auf der andren Seite der Säule stürzte er sich sofort wieder vor für einen nächsten Angriff. Dabei fiel ihm die tiefe Kerbe auf, die das Schwert der Göttin im Stein hinterlassen hatte. Staub und kleinere Steinchen rieselten herab und bildeten eine ockerfarbene Wolke. Die Scharte auf der Oberfläche der Säule war beeindruckend. Link war sich nicht sicher, ob der Schild ihn davor hätte bewahren können. Möglicherweise schon, aber der Arm wäre ihm dabei sicher unweigerlich gebrochen worden. Der Held der Zeit nahm sich vor, es lieber nicht zu testen. Er durfte sich nicht treffen lassen. Doch das war leichter gesagt als getan. Er hatte es mit einer kundigen Schwertkämpferin zu tun. Die Geschwindigkeit, mit der sie attackierte und zurückwich, um dann eine noch bessere Angriffsposition zu finden, war mehr als imposant. Sie lieferte sich mit ihm einen heftigen Schlagabtausch. Funken sprühten. Abgesplitterte Steine flogen davon. Metallteile klirrten in rascher Folge auf einander. Schweißtropfen spritzten weg. Links Keuchen und seine Kampfschreie verhallten in den langen Gängen zur Oberfläche. Er wehrte das Schwert der Göttin mit seinem eigenen ab, setzte zum Konter an, doch sein Feind zuckte mit dem Schlangenstab nach vorne und traf ihn in der Magengrube. Keuchend klappte Link zusammen, und noch in derselben Bewegung riss Shetája den Stab nach oben und verpasste ihrem Gegenüber eine heftig blutende Platzwunde an der Stirn. Dunkle Schleier tanzten vor seinen Augen umher und er wäre wohl nach hinten weggekippt, wenn die Wand seinen Fall nicht äußerst unsanft gebremst hätte. Als ihm klar wurde, dass er in seiner Verwirrung und seinem Schmerz sekundenlang ohne Deckung dastand, riss er den Schild in die Höhe, doch zu seiner Verblüffung regte sich Shetája gerade nicht. Sie hielt den Stab in ihrer Rechten nach oben, doch ansonsten machte sie keine Anstalten, anzugreifen.

Mit einem kurzen Seitenblick vergewisserte sich Link, ob es Natiima gut ging. Sie hatte sich inzwischen aufgerichtet und war wenige Schritte näher gekommen. Über ihren rechten Arm zog sich ein dunkelvioletter Bluterguss von beeindruckender Größe. Es war nicht unwahrscheinlich, dass ihr Oberarm angebrochen war, möglicherweise sogar mehr als das. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, doch ihr Blick klar. Auch sie schien überrascht angesichts Shetájas Reglosigkeit.

"Beweise mir Dein Schicksal", so ertönte wieder die unmenschliche Stimme. Der rote Stein, der auf ihrer Brust prangte, glühte auf und nahm dabei eine etwas hellere Rotfärbung an.

Sekunden verstrichen, in denen nichts geschah. Nervös trippelte Link ein paar Schritte zur Seite, wobei er die Figur vor sich nicht aus den Augen ließ. In ihrer Stimme lag etwas, das ihn aufhorchen ließ: eine Aufforderung. Doch solange er nicht wusste, was sie von ihm verlangte, wollte er sich lieber auf nichts einlassen. Möglicherweise ließ sie ihm ja sogar seinen Frieden, solange er nicht angriff; Er hatte nämlich die Vermutung, dass nur das der Auslöser für diese scheinbar aussichtslose Konfrontation war. Wenn er nicht angriff, und sie auch nicht, hatte er vielleicht genug Zeit, darüber nachzudenken, was die Göttin mit ihrem neuen Rätsel meinte. Sein Gehirn verknotete sich schier bei der rasanten Suche nach einer Antwort. Er war sich sicher, das Glühen des blutroten Steins auf ihrer Brust hatte etwas zu bedeuten. Was nur konnte es sein?

Nun begann auch der Rubin zu glühen, der im Maul der goldenen Schlange steckte. Der Stab war noch immer hoch erhoben und das Licht tauchte die Kammer in ein unheimliches, blutfarbenes Pulsieren, wie beim Schlagen eines riesigen Herzens. Der Takt des auf- und abflackernden Lichtes wurde schneller und immer schneller. Als es nur noch ein wirres Zucken war, das in den Augen schmerzte, brach aus dem Schlangenstab ein Feuerstrahl los. Orangerote Flammen bahnten sich ihren Weg in Links Richtung, leckten an Stützsäulen, fauchten und zischten wie ein Nest wütender Schlangen und strömten eine Hitze aus, als seien sie der Hölle selbst entsprungen.

Nur mit einem gewaltigen Satz in letzter Sekunde konnte Natiima Link zur Seite stoßen; beide rollten in eine Ecke des Raumes und wurden nur durch eine Steinsäule vor den Flammenzungen beschützt, die zufällig zwischen ihnen und dem Inferno stand.

"Danke", keuchte Link, ließ sein Schwert los und rieb sich den Hinterkopf, auf dem er mit Wucht gelandet war. An dieser Beule würde er noch lange Freude haben.

"Immer wieder gerne", presste Natiima zwischen geschlossenen Zahnreihen hindurch. Ihr Grinsen war verbissen und schmerzdurchzogen, aber das abenteuerlustige, spöttische Funkeln in ihren Augen hatte sie noch behalten. "Ich habe Dir die Suppe eingebrockt, ich löffle sie auch wieder aus."

"Nimm 'ne große Kelle", schlug er knurrend vor, ergriff seine Waffe und richtete sich wieder auf. Mit der Rechten half er der Gerudokriegerin auf die Füße, dann spähte er vorsichtig um die Säule herum. Ruß bedeckte den Stein, Rauch stieg auf. Shetája hatte den Schlangenstab inzwischen wieder gesenkt. Dafür erhob sie nun wieder drohend ihr Schwert. Die Geste war allerdings das einzig wirklich Drohende; ihr Gesichtsausdruck hatte sich vom ersten Augenblick an nicht verändert.

Sie ist nur ein Schutzmechanismus, überlegte Link fieberhaft. In dieser Statue steckt keine Persönlichkeit, keine eigenständige Intelligenz. Komm schon, Junge, denk nach! Es gab einen Auslöser für ihr Schutzverhalten, nämlich das versuchte Entwenden des Stabes; und es gibt sicherlich einen Abschaltmechanismus, um sie von weiteren Angriffen abzuhalten. Aber was bloß? Sie will den Stab beschützen. Wenn Natiima Recht hat, bewahrt Shetája ihren Schatz nur vor Leuten, die nicht zum Stamm der Gerudo gehören. Sie greift also an, weil wir noch nicht bewiesen haben, dass wir doch zu diesem Volk gehören ... oder zumindest, dass Natiima zu diesem Volk gehört. Aber die Göttin wartet zwischen ihren Angriffen immer wieder einen Augenblick darauf, dass wir ihr genau diesen Beweis liefern.

"Beweise mir Dein Schicksal", rezitierte Link murmelnd. "Was kann sie damit meinen?"

Er wischte sich Blut von Stirn und Schläfe und verzog dabei entgeistert das Gesicht. Die rote Flüssigkeit klebte an seinen Fingerspitzen und färbte seine ledernen Handschuhe dunkel ein. Der Hylianer hob den Blick wieder gerade rechtzeitig davon, um zu sehen, wie die Göttin ihr Schwert höher hob und sich ihm langsamen Schrittes näherte. Die zweite Runde der Schlacht um den alten Gerudoschatz hatte begonnen. Link riss Schwert und Schild in die Höhe und schirmte Natiima ab.

"Hey, Großer", beschwerte sie sich mit leiser Stimme. "Ich kann auf mich selbst aufpassen."

"Das habe ich gesehen", maulte Link und ging mit kleinen, vorsichtigen Schritten auf seine Gegnerin zu. "Es wäre das Intelligenteste, Du verschwindest von hier. Geh zur Oberfläche."

"Ich lass Dich nicht allein", versicherte sie kopfschüttelnd.

"Wenn Du was für mich tun willst, dann trommle meinetwegen Deine besten Kriegerinnen zusammen", schlug er vor. Seine Muskeln zitterten zusehends stärker unter der Belastung seiner Ausrüstung. Er konnte nicht abschätzen, wie lange er noch durchhalten konnte, aber sehr lange würde es sicherlich nicht mehr sein. "Aber hier unten bist Du mir nur im Weg. Ich habe eine Chance, mich selbst zu beschützen, aber wenn ich auch noch auf Dich aufpassen muss, ist das zu viel."

Er war sich sicher, dass seine Worte in den Ohren der stolzen Gerudo sehr harsch klingen mussten, möglicherweise waren sie geradezu eine Beleidigung. Aber hier ging es um Leben und Tod. Freundlich sein konnte er auch noch ein andermal ... falls er das hier überlebte. Er war sich dessen nicht völlig sicher. Mehr noch: Wenn er die Stärke und Unverwundbarkeit seines Gegners bedachte, konnte er sich ein ebenso baldiges wie unrühmliches Ende seines Heldendaseins ausmalen. Aber dann wäre wenigstens Natiima in Sicherheit.

Einen Augenblick lang konnte sich Link nicht vergewissern, ob die Gerudo seinen Ratschlag befolgen würde. Shetája schwang ihr Schwert und zielte mit einem horizontalen Hieb auf seinen Kopf. Der Held ließ sich zur Seite fallen, rollte seitlich um seinen Kontrahenten herum, sprang auf, wirbelte dabei mit dem Masterschwert herum und traf den Rücken der Göttin. Kaum ein Kratzer war in der steinernen Haut entstanden. Völlig unbeeindruckt sprang Shetája los, wirbelte mit den Beinen durch die Luft, machte mit ihrem Schwung eine hundertachtzig Grad Drehung und stieß ihren Stab mit Wucht in Links Richtung. Die Waffe kratzte eine breite Scharte in den Hyliaschild und rutschte mit einem metallischen, reißenden Geräusch daran ab. Link tauchte augenblicklich wieder unter seiner Deckung hervor, seine Stichattacke wurde aber vom Schwert der Göttin pariert. Ihre Klinge führte die Bewegung weiter, beschrieb einen engen Bogen und schlitzte die linke Seite von Links Brustkorb auf, ehe er in Sicherheit springen konnte. Ein feiner Regen Blut spritzte auf den Boden, als der junge Mann aufkam und rückwärts torkelnd um Gleichgewicht rang. Sein Atem ging keuchend und er presste seinen linken Unterarm gegen die brennende Wunde. Allerdings gab er sich Mühe, seiner Verletzung nicht allzu viel Beachtung zu schenken. Seine Konzentration verweilte bei Shetája, die ihm keine Zeit für eine Erholung gab. Schon schoss ihr Ellenbogen in seine Richtung und zielte auf seinen Hals. Die Steinhaut prallte mit einer derartigen Wucht gegen den Hyliaschild, dass Link rückwärts davonflog, unsanft auf der Schulter landete, über den Boden hinweg schlitterte und mit dem Kopf den Sockel einer Säule rammte. Stöhnend und benommen blieb er einen Moment lang liegen und blinzelte die Schleier vor seinen Augen weg. Das Schwert war ihm aus der Hand geglitten und über den Boden hinweg gerutscht. Es hatte an der nächstbesten Wand Halt gemacht und war somit außerhalb von Links Reichweite.

Schmerz hämmerte in seinem Schädel, Blut verklebte seine Augen, sein Herz pochte viel zu schnell und Schwindel hielt sein Bewusstsein gefangen. Die Blutergüsse und die Schnittwunde an der Brustseite brannten wie Feuer. Seine Lungen arbeiteten rasselnd und die Muskeln zuckten vor Anstrengung. Schweiß verklebte ihm die Haare und vermischte sich mit dem Blut auf seinem Schädel. Link spürte die feine Vibration im Boden, als der massige Körper der Göttin langsamen Schrittes auf ihn zu kam. Er presste seine nun waffenlose linke Hand gegen den Kopf. Irgendwo im tiefsten Inneren seines Bewusstseins war ihm vage klar, dass er unbewaffnet war und in höchster Lebensgefahr schwebte, doch er hätte noch nicht einmal weglaufen können, geschweige denn kämpfen, wenn sich die Welt um ihn drehte wie irr. Link konnte die Bewegung vor sich mehr verschwommen erahnen als tatsächlich sehen, als Shetája vor ihm stehen blieb und die im Fackelschein blitzende Klinge hob, deren Spitze auf sein Herz zeigte. Der junge Held versuchte noch verzweifelt zu reagieren, doch jede Bewegung kam zu spät. Alles, was er sah, war eine rasche, verwaschene Bewegung, mit der sich Natiima auf den Rücken des Feindes stürzte. Sie hatte inzwischen ihren Dolch aufgelesen, der nun unansehnlich verbogen war, dessen scharfe Klinge jedoch noch immer gefährlich sein konnte. Mit der Spitze visierte sie Shetájas Augen an. In einem halbkreisförmigen Bogen sauste die Schneide nieder, direkt auf das Gesicht der Steinstatue zu; doch die Bewegung war erst halb ausgeführt, als die Schlange an Shetájas Hinterkopf zu eigenem Leben erwachte und mit weit aufgeklappten Kiefern nach vorne zuckte. Ihre Fangzähne gruben sich in Natiimas Unterarm, rissen tiefe Löcher in Haut und Fleisch und zerfetzten Blutbahnen auf ihrem Weg. Die Gerudo schrie auf und ließ den Dolch fallen. Sie verlor den Halt auf dem Rücken der Statue und rutschte daran herab. Ihr Arm wäre vermutlich gebrochen worden oder ihre Hand sogar völlig abgetrennt, wenn die Schlange ihren Biss nicht sofort nach dem Angriff wieder gelöst hätte. In einem Regen aus Blut stürzte Natiima zu Boden und blieb zitternd und zuckend liegen, während sie ihre unversehrte Linke um die Verletzung klammerte und aus Leibeskräften schrie.

All das hatte kaum drei Sekunden gedauert. Aber es hatte ausgereicht, um die Aufmerksamkeit Shetájas von Link abzuwenden. Sie war stehen geblieben und hatte den Kopf gesenkt, sodass sie nun aus schwarzen, reglosen Augen auf die sich windende Gerudo hinunter sah.

Ja, sieh es Dir an, dachte Link grimmig, während er sich wieder aufrichtete. Er kämpfte gegen das starke Schwindelgefühl an, arbeitete sich auf die Beine hoch und torkelte zu seinem Schwert. Sieh Dir an, was Du Deinem Schützling angetan hast. Sieh nur, wie die leidet, die unter Deiner Obhut steht. Wenn Du doch nur wüsstest, welch ein Verbrechen Du begehst an dieser wertvollen Person, die so voller Lebensfreude und Liebreiz ist! Wenn Du doch nur eine Ahnung davon hättest, was alles in Natiima steckt!

Er griff nach dem Schwertknauf und hielt dann inne, ohne die metallene Waffe vollends zu heben. Verblüfft starrte er auf das Blut, das an seinen Fingerspitzen klebte.

Schmerz, Hitze und Blutverlust beeinträchtigten seine Sinne und schwächten seinen Körper, doch sein Geist war mit einem Male völlig klar, als das Erkennen sich wie eine eiskalte Hand um sein Herz legte. Nun verstand er plötzlich. Er hatte das Rätsel der Göttin gelöst. Link musste nur noch...

Das Gewicht der Waffe spürte er kaum noch in seiner Hand, so sehr war er von Aufregung überspült, als er sich nun vollends aufrichtete. Sein Herz klopfte schmerzhaft schnell in seiner Brust, als er das Ende des Kampfes nun so nahe sah. Er richtete seine Augen auf Shetája, die nun wieder den Schlangenstab hoch in die Luft erhob. Sein unsteter Blick streifte umher, traf den rot erglühenden Stein auf ihrer Brust, wanderte über die noch immer zitternde Natiima, glitt über Staub und Blut und Sand...

Schicksal ist etwas, das wir in uns tragen, so hallten die Worte der Gerudo in seinem Geiste nach.

Ihm blieb keine Zeit.

Link stolperte mehr vorwärts, als dass er wirklich ging. Sein Blick war starr auf die verletzte Person am Boden gerichtet.

"Beweise mir Dein Schicksal!" Die dröhnende, allgegenwärtige Stimme der Göttin bohrte sich in den Schädel des Hylianers, doch sein Bewusstsein bekam dies nur noch am Rande mit. Es gab nur noch eines, das zählte, und er musste sich beeilen. Wie als Vorgeschmack auf das Flammeninferno, das bald erfolgen würde, leuchtete der Stein auf Shetájas Brust heller auf und begann sein an- und abschwellendes Zucken.

"Natiima!", keuchte der Held. "Deine Hand! ... Das Blut ... der ... der Stein..."

Mit zusammengebissenen Zähnen starrte die Angesprochene dem jungen Mann entgegen. Verständnislosigkeit machte sich in ihrem Blick breit. Ihr Arm zuckte unkontrolliert, als ununterbrochen Blut aus der Wunde rann. Ihre Schmerzen mussten unvorstellbar sein, doch sie hatte so weit zu ihrer Kontrolle zurück gefunden, dass sie nicht mehr schrie. Sie bewegte allerdings die Lippen, als wollte sie Links Namen flüstern.

Das Zucken des feurigen Lichtes beschleunigte sich und auch der Rubin auf dem goldenen Schlangenstab begann nun heller zu erstrahlen.

Klirrend fielen Hyliaschild und Masterschwert zu Boden, und neben ihnen ließ sich ihr Meister auf die Knie fallen. In ungelenken Bewegungen schlang er die Arme um Natiimas Körper und zog diesen an seinen eigenen heran ... um ihn dann zur Göttin zu schleppen.

Reines Entsetzen entsprang den Augen der Gerudo, als sie seine nächsten Worte hörte:

"Nimm Dein Blutopfer an, Du verfluchte Schlange unter den Göttern!"

Eilig packte Link nach dem blutenden Unterarm Natiimas, und ohne auf ihr schmerzverzerrtes Keuchen zu achten, presste er ihre verschmierte Handfläche auf den rot glühenden Stein. Zischende und schmatzende Geräusche ertönten. Dampf stieg auf, wo die Haut die göttliche Brust berührte. Der sonst so rot glühende Rubin im Schlangenmaul des Stabes leuchtete in einem weißen Blitz auf und verlosch dann. Shetája blieb einen Augenblick mit erhobenem Arm stehen, bereit, den Stab auf den Schädel ihrer Feinde niedersausen zu lassen.

Link sackte zusammen. Er konnte kaum sein eigenes Gewicht tragen, geschweige denn das von Natiima zusätzlich halten. Mit einem tiefen Seufzen, das fast schon mehr Ähnlichkeit mit einem Stöhnen hatte, kam er auf dem Boden auf. Argwöhnisch, besorgt, aber zum großen Teil auch einfach nur müde – vor allen Dingen aber trotzig – blickte er der Statue entgegen. Was auch immer nun kommen mochte: Wenn er sich geirrt haben sollte, so war dies seine letzte Tat gewesen. Zu mehr Anstrengung war er nicht fähig.

Das unheimliche, rote, pulsierende Licht hatte aufgehört, aber nun kam neue Bewegung in den Körper der steinernen Figur. Der Schlangenstab senkte sich herab, und gleichzeitig wurde das Schwert in der anderen Hand angehoben. Wie ein Damoklesschwert hing es einen Augenblick über den Köpfen der beiden Menschen in der Luft; bereit, wie ein Fallbeil nieder zu sausen und ihrem Leben ein schnelles Ende zu bereiten. Dann ruckte die Spitze herum, schoss nach oben, dann hinter den Rücken der Göttin ... und verschwand in der Schwertscheide.

"Du trägst das Schicksal meiner Schützlinge in Deinem Herzen", so erklang das dumpfe Dröhnen der unmenschlichen Stimme im Raum. Daraufhin wandte sich Shetája um, ihre massige Gestalt schritt anmutig zu ihrem Thron zurück, wobei jeder Schritt den Boden wie ein kleines Erdbeben vibrieren ließ. Die Figur setzte sich hin, wie sie ganz zu Anfang dort gehockt hatte, öffnete allerdings die Hand um den Gerudoschatz und erstarrte wieder zu reglosem Stein. Auch ihre Augen wurden wieder zu dem, was sie vorher waren, und die Bewegung des zuckenden Schlangenschwanzes um den Statuenkörper herum erstarb.

Stille legte sich wie eine schwere Decke über den Raum, und nur von dem rasselnden Keuchen der beiden Menschen wurde sie beeinträchtigt.

Natiima sog Luft in ihre malträtierten Lungen und setzte zum Sprechen an. Es gelang ihr erst beim dritten Mal. Ihre Stimme war nur ein leises Krächzen.

"Woher wusstest Du, dass dies der Schlüssel war?"

Link, der sich Waffengurt und Gürtel abstreifte, erwiderte nur: "Ich wusste es nicht. Ich hatte es nur gehofft." Er legte seine Tunika ab und wickelte sie um den bluttriefenden Arm seiner Partnerin. "Den entscheidenden Hinweis hast Du mir gegeben. Oh, ja! Du trägst Dein Schicksal tatsächlich in Dir ... wortwörtlich. Dein Blut zeichnet Dich als Gerudo aus. Das reichte der Göttin als Beweis."

Auch den Gürtel schlang er um den improvisierten Verband herum, doch die Konstruktion hielt nur mit viel gutem Willen. Überhaupt war sich Link dessen bewusst, dass ein verschwitztes, blutgetränktes und zudem vollkommen verstaubtes Kleidungsstück das Letzte war, was man mit einer offenen Wunde in Kontakt bringen sollte; doch nun war es erst mal das Wichtigste, die Blutung zu stillen. Es musste bloß so lange halten, bis er sie zurück an die Oberfläche gebracht hatte und dort professioneller versorgen lassen konnte.

"Geht's?", fragte er gehetzt, als er die Schwertscheide vom Waffengurt löste. Er warf einen Seitenblick auf Natiima, doch diese war inzwischen zumindest äußerlich sehr ruhig geworden. Zu ruhig. Sie stand womöglich mittlerweile unter Schock. Das angedeutete Lächeln auf ihrem schweißnassen Gesicht wirkte desorientiert und irgendwie ein wenig geistesabwesend.

"Na klar", antwortete sie. Sie wollte es wohl gut gelaunt klingen lassen, doch das ging in gleichgültiger Monotonie unter. Sie hatte sich nun mit dem Rücken gegen eine der Säulen gelehnt. Der verletzte Arm lag schlaff auf ihren Knien und die grüne Tunika färbte sich langsam, aber zusehends rot. Natiima wirkte ein wenig wie die makabre Marionette eines psychotischen Puppenspielers; so leblos und ohne Kraft, bar jeder Wärme. Die Haut war blass und kühl, die Muskeln fingen hier und da zu zittern an.

Link kam auf sie zu, schob seine Arme unter ihren Körper und hob sie so sachte an, wie er es nur konnte. Er setzte sie auf dem Schoß der hochgewachsenen Göttin ab, wo sie endgültig wie eine willenlose Puppe wirkte. Link drehte ihr den Rücken zu, schlang seinen Waffengurt um sie herum und schloss ihn vor seinem Bauch, sodass das Leder beide Körper an einander presste; dann tastete er nach Natiimas Armen und zog sie über seine Schulter, bis sie huckepack auf seinem Rücken saß. Ihre unversehrte Hand hatte den Schlangenstab von Shetájas Schoß genommen.

Missbilligend zog Link die Augenbrauen zusammen. "Natiima..." Doch dann beließ er es dabei. Die starrköpfige Gerudo würde sich ihren Schatz nicht abschwatzen lassen; mehr noch: man könnte ihn sicher nicht mal aus ihren Fingern reißen, wenn diese kalt und tot wären. Doch daran wollte Link nun nicht denken. Der Waffengurt um ihrer beider Hüften half ihm dabei, ihren Körper dort zu halten, wo er war, als er sich aufrichtete und so Natiima vom Schoß der Göttin hochhob. Als zusätzliche Stütze klammerte er seine Arme unter ihre Beine. Eine der Laternen brachte er noch an besagtem Gurt an, dann machte er sich auf den Weg. Schwert und Schild ließ er zurück; hier gab es so oder so niemanden, der die Ausrüstungsgegenstände stehlen würde. Außerdem war er froh um jedes Gewicht, das er nun nicht auch noch zusätzlich schleppen musste. Er wunderte sich, dass die schwächelnde Gerudo den schweren, goldenen Stab der Göttin festhalten konnte, doch als der Hylianer den Rückweg antrat und ihrer beider Gewicht die unzähligen Treppen hinaufquälte, vergaß er diesen Gedanken schnell wieder. Schmerz zuckte durch die offene Wunde an seiner Körperseite. Selbst seine Hose war in seinem Blut – und in dem seiner Partnerin – getränkt.

Natiimas Atem ging schwer und keuchend, und durch die Stoffe seines Hemdes und ihres Oberteiles hindurch glaubte er, ihren Herzschlag zu spüren. Die Pulsfrequenz erschien ihm viel zu hoch. Natiimas Herz arbeitete schneller, um den Blutverlust auszugleichen und den Körper mit genug Sauerstoff zu versorgen. Sie konnte sich noch mehr Blutverlust nicht leisten.

Die Angst um sie beflügelte Links müde Beide noch einmal. Seine Lungen brannten in der Hitze und unter der Anstrengung, Schweiß und Blut verklebten seinen Körper und seine Wunden und Hämatome machten ihm seinen Aufstieg auch nicht leichter. Doch mit zusammengebissenen Zähnen hielt er tapfer durch. Stufe um Stufe trabte er der Oberfläche entgegen. Das Gefühl für Zeit hatte er völlig verloren. Seine Muskeln zuckten und zitterten, bis er fast das Gefühl hatte, seine Knochen hätten an Festigkeit verloren und seien zu einer schwabbelnden Masse verformt worden. Er konnte schon bald nicht mehr sagen, wie weit er sich von der unterirdischen Kammer entfernt hatte oder wie weit er es noch bis zum Ausgang haben mochte. Er konnte seit zwei Minuten unterwegs sein oder vielleicht schon seit zwei Stunden. Irgendwann existierten in der kleinen Welt seines Bewusstseins nur noch Stufen, Gewicht, Hitze, Übelkeit, Schwindel, Sorge und Schmerz. Seine Gedanken kreisten nur noch um den einen Satz: Bitte, Natiima, halte durch! Er konnte seinen Wunsch schon lange nicht mehr laut aussprechen. Ihm hätte sonst die Luft gefehlt, einfach stur wie eine seelenlose Maschine weiter zu laufen. Immer wieder schwankte er. Er stieß gegen die Wand des engen Ganges, musste bremsen um das Gleichgewicht halten zu können, und kämpfte darum, nicht einfach rückwärts zu fallen und den ganzen Weg hinab bis in den sicheren Tod zu rollen. Natiimas Keuchen und ihr gelegentliches, leises Stöhnen trieben ihn jedoch immer wieder zu Höchstleistungen an, die sonst kein normaler Mensch hätte bewältigen können. Der junge Held aus Hyrule mobilisierte die letzten Energien, die noch in seinem Körper vorhanden waren, und brachte Kräfte zutage, wie sie nur aus purer Angst heraus geboren wurden.

Link realisierte zunächst gar nicht, dass er im Kellergewölbe angekommen war. Erst nach einigen Schritten, die nicht mehr nach oben, sondern nach vorne führten, erkannte er die große Abstellkammer wieder. Er blieb einen Moment stehen und schnappte mit pfeifenden Lungen nach Luft. Bunte Kreise drehten sich vor seinen Augen und er schwankte. Doch noch immer drang Blut aus der Tunika heraus und tränkte seine Hose, wo Natiimas verletzter Arm schlaff herunterhing. Der Gürtel löste sich langsam und rutschte allmählich ab, aber damit konnte und wollte sich der Hylianer nicht befassen. Ächzend nahm er seinen Weg wieder auf, durchquerte den Keller und stieg die letzten Treppenstufen empor.

Nach und nach drangen die Geräusche des pfeifenden Windes an seine Ohren und das Licht am oberen Ende der Treppe wurde heller, bis er die Eingangstür endlich erreichte und hindurchtrat. Dann brach er ächzend zusammen und kam auf den Knien auf. Mit einem dumpfen Schlag knallte der goldene Schlangenstab neben ihm hin, als Natiima das Gewicht nicht mehr halten konnte. Am Rande der Bewusstlosigkeit durchdrang ihn noch der Gedanke, er müsse sich vorsichtig zu Boden lassen, sodass er Natiima nichts zerquetschte. Doch schon in der nächsten Sekunde atmete er hellen Staub ein, keuchte auf und presste den überhitzten Körper gegen die kühle Erde. Er erkannte den kurzen Gang wieder, in dem er bäuchlings lag, mit der verletzten Gerudo auf seinem Rücken. Wenige Meter weiter verzweigte sich der aus dem Felsen gehauene Flur nach links und rechts. Die sanften, von Sandalen gedämpften Schritte, die sich von dort näherten, hörte Link über seinen rasselnden Atem hinweg nicht. In seinem desolaten Zustand bekam er nicht einmal den erschrockenen Aufschrei mit, den eine der Wächterinnen von sich gab, als sie um die Ecke schaute und die beiden Abenteurer dort liegen sah. Eine Gerudo untersuchte die beiden Schatzjäger, die andere rannte los um Hilfe zu holen. Wenige Augenblicke später traten weitere Kriegerinnen hinzu und packten an: Sie trugen die Verletzten vorsichtig davon. Ein paar Gänge, Treppen und Abzweigungen später erreichten sie die Krankenstation, wo einige Gerudo schon aufgeregt umherliefen und Vorbereitungen trafen.

Link kam erst wieder einigermaßen zu sich, als man ihm eine Schale Wasser an die Lippen hob. Er trank gierig, während man sich noch um seine Wunden kümmerte, ihn einsalbte und ihm Verbände anlegte. Doch er hielt nicht still, bis man damit fertig war, ihn zu verarzten. Ihm war vage bewusst, dass man ihn halbwegs entkleidet hatte, um ihn besser untersuchen und behandeln zu können – nur die stellenweise aufgeschürfte Hose und seine Stiefel hatte er noch an; doch all das verdrängte er in die hintersten Ecken seines Gehirns. Seine Gedanken kreisten gerade nur um eines: Natiima.

Als er versuchte, aufzustehen, hielten ihn ein halbes Dutzend Hände zurück, doch er schüttelte sie alle ab, krallte sich an der Bettkante fest und stand mit wackeligen Beinen auf. Torkelnd erreichte er das Bett seiner Partnerin, wo noch immer Heilerinnen geschäftig herumwuselten.

Das Laken unter ihrem Körper war voller Blut. Um ihren Arm schlang sich inzwischen ein Verband. Der durchdringende Geruch diverser Salben hing in der Luft, ebenso wie das beißende Aroma von Schweiß und trocknendem Blut. Die Haut wirkte blass, beinahe schon grau. Ihr Atem hatte sich noch nicht beruhigt, doch ansonsten machte sie den Eindruck, als störte sie sich an der Situation nicht; mehr noch: als sei ihr alles egal, was um sie herum geschah. Sie wirkte erschreckend geistesabwesend. Als sie jedoch den Kopf leicht drehte und in Links Augen sah, kehrte das Erkennen in ihren Blick zurück. In einer schwachen Bewegung winkten die Finger ihrer linken, unversehrten Hand Link näher heran. Er gehorchte.

"Der Schlangenstab...", wisperte sie kraftlos und stöhnte auf. "Wo ist er?"

Links Gesicht drückte ein Entsetzen aus, als hätte man ihn gerade geohrfeigt. Wie zum Teufel konnte sie gerade bloß an dieses verdammte Ding denken? Es gab wichtigere Sachen, um die sie sich nun gefälligst Sorgen machen sollte! Doch dann führte Link ihr Verhalten auf eine Schockreaktion zurück, bei der man bekanntlich nicht immer automatisch von Logik ausgehen musste. Im letzten Moment hielt er sich davon ab, mit den Schultern zu zucken. Er warf nur einen fragenden Blick in die Runde.

"Er liegt noch am Eingang zum Kellergewölbe", meldete sich eine der Wächterinnen. "Ich hole ihn." Damit ging sie eiligen Schrittes davon.

Link beugte sich tiefer zu Natiima herab und legte seine Hand vorsichtig in ihre linke. Seine Augenbrauen waren sorgenvoll zusammengezogen.

"Wie geht es Dir?", fragte er dümmlich. Er hatte keinen besseren Einfall, was er sonst sagen konnte und fühlte sich mies dabei, dass ihm nur so eine abgedroschene Phrase über die Lippen kam.

Natiima lächelte nur sanft und schüttelte sachte den Kopf, als wollte sie die Frage ungeschehen machen. "Erinnerst Du Dich?", fragte sie. "Weißt Du noch, was Du ... mir vergangene Nacht ... versprochen hast?" Das Sprechen schien ihr schwer zu fallen.

Link fragte sich, wie sie nun wieder auf solche Gedanken kam. "Was genau meinst Du?", vergewisserte er sich.

"Nach Deinen Reisen", erklärte sie, "wolltest Du ... doch hier her ... zurückkehren. Zu mir. Um dann..."

"...Um dann mit Dir einen Ritt durch die Wüste zu machen", beendete er nickend den Satz. "Ja, ich erinnere mich." Dann setzte er ein Lächeln auf, auch wenn seine Augen voller Sorge blieben. "Dazu musst Du aber erst ganz gesund werden."

"Es war ein Versprechen", vergewisserte sie sich, "nicht wahr? Du hast es ... versprochen! Du kommst zu mir zurück..."

"Und ich halte meine Versprechen", gelobte Link. Seine Finger griffen ihre Hand etwas fester. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn. Skepsis. Kummer. Vielleicht sogar regelrecht Angst. Worauf wollte sie nur hinaus mit ihren seltsamen Sätzen?

"Dann ist ja gut", seufzte sie, und ihre leise Stimme klang tatsächlich erleichtert. Link musste sich ihr noch stärker entgegen lehnen, dass er sie verstehen konnte. Ihr Atem streifte seine Wange dabei. "Link..." Sie sah ihm in die Augen und suchte sichtlich nach Worten. Er lächelte sie bloß ermutigend an, wartete aber geduldig darauf, dass sie ihren Satz im Geiste ausformulieren konnte, ehe er über ihre Lippen kam.

"Danke, Link", fuhr sie fort. "Ich bin glücklich, dieses ... Abenteuer mit Dir erlebt zu haben. Ohne Dich hätte ... ich das niemals gekonnt." Das Sprechen strengte sie immer mehr an. Doch sie gab sich wohl Mühe, stark zu wirken. Link fragte sich, ob sie wohl heftige Schmerzen hatte und sie sehr gut verbarg. Er wusste nicht, ob ihr schmerzstillende Mittel verabreicht worden waren.

Leise seufzte er. "Ohne mich lägest Du jetzt nicht hier." Es sollte scherzhaft klingen. Es klang erbärmlich. Ihm war, als würde sich ein dicker Knoten um seine Luftröhre legen.

Natiima löste ihre gesunde Hand aus seiner und hob sie an seine Wange. Einen Augenblick streichelte sie stumm über seine Haut, dann ergriff sie eine seiner Haarsträhnen und zog seinen Kopf näher zu sich herunter.

"Link", flüsterte sie, "ich habe eine Bitte an Dich."

"Alles", murmelte er. Sein Hals schnürte sich immer mehr zu.

"Geh in meine Wohnung", forderte sie, "zu meinem Bett. Hebe mein ... Kopfkissen an. Darunter wirst Du etwas finden. Es ist ... für Dich. Bitte hole es."

Er nickte ergeben. "Auf der Stelle", bestätigte er und wollte sich erheben, doch ihre Finger hielten sein Haar noch immer fest, sodass er gezwungen war, sich wieder hinabzubeugen. Dieses Mal zog Natiima ihn ganz herab, bis seine Lippen auf ihre trafen. Überrascht verharrte der junge Held mit angespannten Muskeln. In ihm brach ein Sturm gegensätzlicher Gefühle aus – Zuneigung, Angst vor dem Unbekannten, Sorge, Skepsis, Zurückhaltung, Verlangen, Traurigkeit, Freundschaft, Wut auf Shetája, Aufregung, die Befürchtungen, einen Fehler zu begehen – doch er ließ sie gewähren; dies allerdings, ohne den Kuss zu erwidern – doch er nahm seine Lippen auch nicht von den ihren.

Ihre Fingerspitzen glitten von seiner Haarsträhne herab und blieben auf der Matratze liegen. Es dauerte einen kurzen Moment, ehe Link realisierte, dass unter ihm keine Bewegung mehr war. Erschrocken nahm er den Kopf zurück und starrte sie an. Ihre Augen waren liebevoll auf seine gerichtet. Starr.

"Natiima?"

Die Heilerinnen traten näher, prüften Puls und Atmung. Aufgeregt versuchten sie sich an der Wiederbelebung. Doch ihre Bemühungen blieben erfolglos.

Natiima nahm nie wieder einen weiteren Luftzug.

Zaghaft wisperte Link ihren Namen. Dann sagte er ihn etwas lauter. Schließlich, als Tränen über die Wangen des jungen Helden rannen, schrie er den Namen heraus, so sehr seine Lungen sich belasten ließen. Zitternd ließ er sich auf die Knie fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Er drehte sich halb herum und lehnte seinen Rücken gegen die Bettkante. Abgehackte Schluchzer bahnten sich ihren Weg über seine Lippen.

Als Link ein Paar Arme spürte, das um ihn geschlungen war, hob er den Kopf aus seinen Händen und starrte in Judes tränenüberströmtes Gesicht. Er hatte sie nicht hereinkommen gehört; wusste nicht, wie lange sie schon da war; wusste nicht mal, wie viel Zeit er schon hier auf dem Boden hockend verbracht hatte. Doch so wenig er die aktuelle Anführerin der Gerudos kannte – ihr Trost tat ihm gerade unglaublich gut und ihre Umarmung war mehr als willkommen.

"Es tut mir Leid", flüsterte er. "Es hätte niemals so weit kommen dürfen."

"Erzähl mir alles", forderte Jude. Dann lockerte sie die Umarmung etwas, sodass sie ihm besser in seine unendlich traurigen Augen blicken konnte. "Doch zuerst geh zu ihrer Wohnung. Sie sagte, dort läge etwas für Dich. Das ist jetzt vielleicht wichtiger."

Einen Moment lang sah Link sie stumm an. Ihre Wangen waren tränennass, einzelne Haare klebten an der feuchten Haut. Sie kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum, während sie die Nase hochzog.

"Also gut", lenkte Link ein. "Ich will ja auch wissen, was es ist."

"Kannst Du aufstehen?", vergewisserte sie sich. Er nickte. Auf leicht zittrigen Beinen arbeitete er sich in den aufrechten Stand. Als sich die Verletzung an seiner Seite mit einem peinvollen Stich meldete, sog er mit verzerrtem Gesicht die Luft zwischen den Zähnen ein und biss die Kiefer auf einander, bekam den Schmerz aber bald wieder unter Kontrolle. Er nickte der besorgt dreinblickenden Jude zu, um ihr zu zeigen, dass alles in Ordnung war – genau genommen eine glatte Lüge.

Einen letzten Blick warf er auf die reglos daliegende Natiima. Er drückte ihr sanft einen Kuss auf die Stirn, dann wandte er sich ab und wischte Tränen von seiner Wange. Ihm wurde eine dünne Decke angeboten, in die er sich dankbar einwickelte, als Ersatz für seine zerschlissene Kleidung. Immerhin war davon nicht viel übrig geblieben außer seiner Hose, die allerdings auch nicht ganz heil aus dem Kampf hervorgegangen war. Die Decke verschleierte den Blick auf seinen Oberkörper, die Verbände, und die unansehnlichen, dunklen Blutergüsse.

Jude geleitete ihn durch die Gerudofestung hindurch zu Natiimas Wohnung. Link war sehr froh darüber. Er war sich nicht sicher, ob er den Weg alleine gefunden hätte, durch dieses Chaos an aufgeregten Frauen hindurch, die verwirrenden Pfade dieses gewaltigen Gebäudekomplexes entlang, und noch dazu in seinem aufgewühlten Zustand. Er bemerkte währenddessen weder die Hitze der grellen Sonnenstrahlen, noch den Staub in der Luft, noch die fragenden Blicke, die man ihm zuwarf. Seine Gedanken kreisten nur um das blasse, ausgemergelte Gesicht, das so wenig Ähnlichkeit hatte mit der lebensfrohen, frechen Natiima, die er in den letzten vierundzwanzig Stunden so sehr schätzen gelernt hatte.

Im kühlen Schatten der Wohnung ließ Link die Decke um seine Schultern achtlos zu Boden fallen und ging direkt zum Bett. Alles, was er unter dem Kopfkissen fand, war ein Blatt Papier, beidseitig beschrieben mit einer engen, aber hübschen Schrift.

Ein Blick genügte, und Jude verstand, dass es private Post war. Sie nickte erkennend und meinte, sie müsse sich nun um die Organisation des Begräbnisses kümmern. Sie würde später nochmals vorbeikommen, um nach Link zu sehen. Damit ließ sie ihn alleine. Mit einem niedergeschlagenen Seufzen ließ sich Link auf die Matratzen zu seinen Füßen fallen und begann den Brief zu lesen.
 

Wenn ich die Augen schließe, sehe ich Dich.

Lege ich mir eine Decke um die Schultern, stelle ich mir vor, es seien Deine Arme, die mich umschließen, mich sanft festhalten und meinen Leib wärmen.

Der Wind säuselt mir Deinen Namen ins Ohr und Deine Stimme verdrängt die Erinnerung an jedes andere Geräusch in mir.

Ist es ein Traum?

Doch wenn ich die Augen nun öffne, bist Du nicht verschwunden.

Du liegst dort drüben, in meinem Bett. Deine Brust hebt und senkt sich unter jedem sanften Atemzug. Noch vor wenigen Augenblicken, als ich neben Dir lag, spürte ich die Wärme Deines Körpers in meiner Nähe. Ich konnte nicht schlafen. Ich musste einfach aufstehen, weil ich mir sonst an Dir die Haut verbrannt hätte und innerlich verglüht wäre.
 

Weißt Du eigentlich, wie schön Du bist?

Ich habe stets die Farbe des Himmels bei Sonnenuntergang für den schönsten und reinsten Augenblick gehalten; habe das Gold der Sonne und das Blutrot ihrer himmlischen Krone und den dunklen, lapislazulifarbenen Ton des Wüstenhimmels und den Juwelenglanz der ersten Sterne für das schönste Farbenspiel auf Erden gehalten. Nun kenne ich das Gold Deiner Haare und die Farbe vom dunklen Lapislazuli Deiner Augen und den Juwelenglanz Deines Lächelns und frage mich, wie ich zuvor so töricht, so unwissend habe sein können. Es ist, als habest Du in meiner Seele ein Tor zur reinen Wahrheit aufgestoßen. Ich fühle mich, als sei ich mein Leben lang blind und taub und leer und ohne Empfinden in den Fingerspitzen durch eine triste, kalte Welt gewandert, und Du habest meine Hand ergriffen und mich in ein Paradies geführt. So, als erlangten Licht und Wärme und Farbe ihre Bedeutung erst durch Dich. So, als seiest Du die Essenz des Lebens, und der Erde, und allen Seins des Universums.
 

Bitte vergib mir, Link. Du musst mich für eine Närrin halten.

Solltest Du diesen Brief tatsächlich einmal zu Gesicht bekommen, bitte, lach mich nicht aus. Ich würde es nicht ertragen. Und vergib mir, dass dieses Stück Papier vor verträumter Poesie nur so trieft.

Doch ich brauchte etwas, um meine Gefühle aus dem Kopf zu verbannen und sie woanders festzuhalten. Ich musste sie klar vor mir sehen. Schwarz auf weiß. Damit ich sie wieder und wieder lesen kann. Um mir ihrer klar zu werden. Um nicht als Idiotin dazustehen. Denn würde ich all diese Worte und Gedanken nicht auf Papier bannen, ich würde rüber gehen, genau dort hin zu dem Bett, in dem Du schläfst, würde Dich wachrütteln und Dir all das ins Gesicht sagen. Und Du wärest ohne Vorbereitung damit konfrontiert, womöglich noch völlig verschlafen und desorientiert, würdest noch nicht mal die Hälfte dessen verstehen, was ich sagen würde...

Nein, ich mag nicht daran denken. Ich denke lieber an andre Sachen. Schöne Sachen. Mit Dir. Die Feier des Ref-Shaikar al'Tak heute Abend war wundervoll. Du warst wundervoll. Verdammt, ich konnte vom ersten Moment an die Augen nicht von Dir lassen. Du musst sonst was von mir gedacht haben.

Wir Gerudo konnten nie das Volk der hylianischen Frauen verstehen. Meine Freundinnen und ich haben immer rumgeblödelt. "Wieso sollte sich eine Frau mit nur einem Mann zufrieden geben?", haben wir gefragt. Jetzt kenne ich die Antwort. Weil es den einen Richtigen gibt. Oh, wie sehr haben wir euch Hylianer für unzivilisiert gehalten! Oh, wie sehr haben wir uns getäuscht!

Ich weiß, was Du jetzt sagen wirst. ...Nein, eigentlich weiß ich es nicht. Wie könnte ich? Ich kenne Dich kaum länger als ein paar Stunden. Ich weiß nur, was die fiese, sarkastische Stimme in meinem Hinterkopf in Deiner Tonlage zu mir sagt: "Natiima, wie kannst Du nur glauben, dass es wahre Liebe ist, die Du da empfindest; noch dazu für einen Fremden? Du solltest erwachsen genug sein, um unterscheiden zu können zwischen Liebe und Begierde."

Ja, das weiß ich. Aber es hält mein Herz nicht davon ab, wie wild zu schlagen, wenn Du lächelst, oder wenn ich Deinen Duft wahrnehme, oder wenn Du mich zum Lachen bringst, oder wenn Du mir von Deinen Erlebnissen erzählst. Genau genommen müsste ich längst am Herzinfarkt gestorben sein. Doch stattdessen fühle ich mich leicht und lebendig wie nie zuvor. Es ist fast, als könnte ich ewig leben! Du hauchst mir Leben ein und schenkst mir Kraft, wo zuvor nur bittere Einsamkeit war, die ich noch nicht mal realisiert hatte ... oder die ich womöglich auch nur verdrängt habe...
 

An dieser Stelle musste Link seinen Blick von dem Papier abwenden. Ein Zittern fuhr durch seine Glieder. Tränen zogen lange, nasse Bahnen über seine Wangen hinweg.

Wie konnte Natiima so etwas schreiben? Schlimmer noch: Wie hatte sie auf dem Sterbebett von ihm verlangen können, dass er es las? Verdammt, er hatte sie nicht mit Leben erfüllt. Im Gegenteil, er war nicht dazu in der Lage gewesen, ihr Leben zu beschützen. Musste sie ihm das auch noch im Tod vor Augen führen? Wenn er härter gekämpft, sich mehr Mühe gegeben, schneller nachgedacht hätte, dann hätte er sie womöglich retten können; oder aber sie wäre niemals in Gefahr geraten, wenn sie beide niemals in dieses Abenteuer aufgebrochen wären, oder wenn sie sich sogar niemals kennen gelernt hätten.

Bei dem Gedanken ließ ein heftiges Schluchzen seinen Körper erbeben und seine Finger krampften sich um das Dokument in seinen Händen. Etliche grobe Knicke verunzierten nun die hübsche Handschrift und warfen Schatten über die einzelnen Buchstaben. Mit der rechten Hand wischte sich Link über sein Gesicht. Er wollte – er musste noch einmal die nötige Konzentration aufbringen, um auch die restlichen Worte zu lesen. Vorsichtig, wenn auch noch immer zitternd, strich er den Zettel auf seinem Oberschenkel glatt und zwang sich, durch Tränenschleier hindurch die Schrift zu entziffern.
 

Aber ich schweife wieder ab. Ich kann mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken wagen sich von ganz alleine an die unmögliche Aufgabe, all diese wunderbaren Aspekte an Dir gleichzeitig zu erfassen, und sie scheitern dabei kläglich. Das Schlimmste daran ist, ich kann sie noch nicht einmal davon abhalten.

Was tust Du nur mit mir?
 

Etwas habe ich noch zu erledigen. Da ist ein letzter Gedanke, den ich niederschreiben muss. Ein letztes Wort, das Du lesen musst, ehe Du dieses wertlose Stück Papier zerknüllst und achtlos wegwirfst, oder vielleicht in winzige Fetzen reißt, weil der Inhalt idiotisch ist. Falls Du das nicht längst getan hast.

Ich muss Dir danken. Dafür, dass Du Deine Schritte in unsre Festung gelenkt hast. Ich danke Dir, dass Du mich Nervenbündel den ganzen Tag lang ertragen hast. Ich bedanke mich für jedes einzelne Lächeln, das Du mir geschenkt hast. Ich bin dankbar dafür, dass es Dich gibt, und dafür, dass Du so bist, wie Du bist.

Bleib so. Diese Welt sehnt sich nach einem Helden, dessen Herz rein ist wie das eines Kindes, dessen Verstand schärfer ist als jede Klinge, dessen Mut ihn nicht zögern noch zaudern lässt, und dessen Stärke die Menschen führt und ihnen Hoffnung schenkt, wo alles verloren scheint.

Ich sehne mich nach diesem Helden.

Du bist mein Held.

Ich liebe Dich, Link.
 

Der Kopf auf meinen Schultern fühlt sich mittlerweile so schwer an. Doch nun habe ich etwas Ordnung in dem Chaos darin geschaffen. Dieses Schriftstück hier hat mir geholfen, den wirren Veitstanz in meinem Schädel zur Räson zu bringen. Vielleicht zeige ich Dir diesen Brief ja eines Tages mal. Vielleicht gebe ich ihn Dir aber auch morgen schon, bevor Du gehst. Oder ich verstecke ihn in Deiner Ausrüstung; dort, wo Du ihn findest, aber nicht sofort über ihn stolperst. Mal sehen. Aber das entscheide ich, wenn es soweit ist. Nun bin ich müde. Ich packe diesen Brief weg, und dann lege ich mich neben Dich, und dann werde ich mich von Deinem Duft und Deinen leisen, sanften Atemzügen in den Schlaf wiegen lassen, bis wir uns in meiner Traumwelt wieder sehen.
 

Ich bete zu Shetája, dass ich morgen aufwache und Du liegst neben mir – lebendig, aus Fleisch und Blut, und nicht nur der Traum eines einsamen Geistes.
 

Er faltete das Papier zusammen. Ein Held sollte er sein? Ein Narr war er. Ein Schwächling noch dazu.

Oh ja, Link war hier, auf diesem Bett; doch wer nun fehlte, war Natiima. Sie war nun nicht mehr lebendig. Sie war nun nicht mehr aus Fleisch und Blut in diesem Raum. Sie war tot. Sie würde nicht wiederkommen.

Sie war tot.

Seine Augen brannten wie Feuer. Auf seiner Brust schien ein Tonnengewicht zu lasten. Die Hilflosigkeit hielt sein Herz umklammert wie eine unnachgiebige Eisenkette. Er fühlte sich nur noch unendlich ausgebrannt, leer, nutzlos, müde ... und vor allem schuldig. Er hätte ihr dieses Abenteuer ausreden sollen, dann wäre sie noch am Leben. Sie würden irgendwo sitzen ... sich unterhalten ... lachen ... musizieren... All das zerplatzte plötzlich wie eine große Seifenblase.

Er schloss die geschwollenen, rot umrandeten Augen. Erinnerungen schossen wie feurige Pfeile durch seinen Kopf.

Sie war ihm dankbar. Das zumindest hatte sie zuletzt zu ihm gesagt, ehe sie ihn in ihre Wohnung geschickt hatte. Auch in ihrem Brief hatte sie das erwähnt. Dankbar ... es kam ihm wie bösartige Ironie vor. Dankbarkeit? Wofür? Sie hatte Schmerzen und Todesängste ausstehen müssen. Und warum das alles? Für Ehre, einen goldenen Knüppel, und eine Safari ins Reich der Toten, von der sie nie mehr zurückkehren würde. Na, super. Außerdem noch für ein Abenteuer mit jemandem, den sie liebte, ohne ihn tatsächlich zu kennen. Den sie glaubte zu lieben. Oder steckte doch mehr dahinter? Gab es Liebe auf den ersten Blick? Was empfand Link eigentlich für sie? ...Zählte das überhaupt noch, nun, wo sie tot war?

Noch immer mit geschlossenen Augen dachte Link nach. Er ließ sich rückwärts auf die weichen Laken sinken – wobei glühende Pfeile sich in seine Wunden bohrten – und hing seinen Gedanken nach. Er mochte Natiima. Genau genommen war er in ihrer Nähe glücklicher gewesen als ungezählte Tage zuvor auf seiner einsamen Reise quer durch Hyrule. Er hatte in ihr eine Freundin gefunden; jemanden, der ihn verstand. Er erinnerte sich an das Lied, das sie noch vor wenigen Stunden gesungen hatte. Gesang des Windes, so hatte sie es genannt. Der Held der Zeit pfiff die Melodie leise vor sich hin. Und während er das tat, kamen ihm Bilder in den Sinn. Von der Feier des Ref-Shaikar al'Tak und von ihren Erklärungen zum Volk der Gerudo. Von ihrem gemeinsamen Frühstück und von dem Gespräch letzte Nacht im Bett. Von den Gerudos, die ihn zum König hatten ausrufen wollen und von Natiimas Begeisterung bei der Schatzsuche.

Und dann wurde Link bewusst, dass er auch dankbar war. Natiima hatte vielleicht nur in einen sehr kurzen Abschnitt seines Lebens eingegriffen, doch er war sehr froh darüber. Er hätte so vieles nicht gelernt, nicht gesehen und gehört, nicht erlebt, nicht verstanden, wenn sich beide nie kennen gelernt hätten.

Dem Hylianer wurde bewusst, wie wertvoll das Leben doch war. So viele unschätzbar kostbare Momente zogen an ihm vorbei, ohne dass er sie greifen und festhalten konnte. Er brauchte die Abwechslung und die Nähe und die Freundschaft der Menschen um ihn herum, denn sie machten sein Dasein erst lebenswert. Erst, wenn all diese Leute etwas veränderten, konnte sich Link dessen bewusst werden, dass die Welt nicht stagnierte. Und eine der bedeutendsten Veränderungen war nun mal der Tod.

Ihm wurde nun bewusst, dass der Verlust etwas Notwendiges war, um den Sterblichen klar zu machen, wie kurz das Leben war, aber auch wie wertvoll diese kurze Zeit sein konnte, und dass man sie so intensiv wie nur möglich nutzen musste. Alles auf dieser Welt hatte ein Ende; auch die Welt selbst. Es gab nur eines, das Link nun tun konnte. Er musste dafür sorgen, dass Natiimas Ableben einen Sinn bekam. Und wenn Link diese wertvolle Erfahrung nur so hatte gewinnen können, dann war sie sicher nicht umsonst gestorben.

Er konnte nichts mehr für die lebensfrohe Gerudo tun. Doch dort draußen gab es eine ganze Welt, die sich auf ihn verließ. Ein weiterer Weise befand sich noch in Gefangenschaft, und wenn Link ihn retten wollte – und Zelda, und ganz Hyrule – dann war es nun an ihm, seinen Weg fortzusetzen.

Wenn eines Tages die Zeit des Friedens über das Land kommen sollte – das stand für ihn fest – so würde er seine Erinnerungen an Natiima weitergeben. Er würde von seinen Abenteuern erzählen und seine Partnerin so in den Herzen zukünftiger Generationen unsterblich werden lassen. All seine neuen Erfahrungen, all seine Erkenntnisse sollten die Welt wie ein Licht der Hoffnung erfüllen.

Als Link seine Augen wieder öffnete, hörte er sanfte Schritte im Raum. Er wandte den Kopf und sah gerade noch, wie eine schlanke Gerudo ihm den Rücken zuwandte, um aus der Wohnungstür zu gehen. Lange, kirschrote Haare fielen ihr über den muskulösen Rücken mit dem knappen Oberteil.

"Natiima?", krächzte Link leise. Sein Hals fühlte sich rau an.

Doch es war Jude, die sich nun umdrehte und ihm einen besorgten Blick zuwarf.

"Ich dachte schon, Du schläfst. Ich habe Dir frische Kleidung gebracht", erwiderte sie, ohne näher auf seine Frage einzugehen. "Ich hoffe, sie passt. Meine Näherinnen mussten schätzen. Wir hatten nur die ... die zerschlissenen Reste Deiner Tunika. Zieh Dich an und dann komm bitte zu uns. Wir würden gerne erfahren, was denn genau geschehen ist. Danach können wir alle etwas Ruhe gebrauchen, schätze ich..."

Ohne eine Reaktion abzuwarten verließ sie die Hütte und ließ Link mit sich alleine zurück.

Hatte sie eigentlich seine Tränen und die dick geschwollenen Ränder unter seinen Augen gesehen? Ziemlich unheldenhaft. Aber andrerseits, durfte ein Held nicht um einen verlorenen Freund trauern?

Link schlüpfte in die neuen Kleidungsstücke. Die Näherinnen mussten zaubern können, wenn sie derart schnell und geschickt ihr Werk hatten vollbringen können. Und gut schätzen konnten sie noch dazu. Die neue Tunika, das Hemd und auch die Hose passten wie angegossen. Nun würden diese Stücke ihn wohl auf seinem weiteren Abenteuer begleiten. Den Brief von Natiima nahm er noch einmal in die Hand, starrte ihn eine kleine Weile ratlos an, dann faltete er das Papier behutsam zusammen und steckte es ein.

Jude führte ihn ein weiteres Mal durch die Festung. Link hätte beinahe meinen können, die Gänge würden sich mit jedem Male zu einem anderen Labyrinth zusammenfinden. So gut seine Orientierung auch sonst gewesen war, wenn er einen der Schreine betreten hatte: Hier versagte sie völlig. Die Gänge ähnelten einander einfach zu sehr. In blindem Vertrauen ließ er sich lotsen. Jude brachte ihn schlussendlich wieder in den Tanzsaal zurück, in dem das Ref-Shaikar al'Tak gefeiert worden war. Hier hatten sich bereits einige Dutzend Gerudokriegerinnen eingefunden, die schlagartig mit sämtlichen Gesprächen aufhörten und Link anstarrten. Ihre Blicke waren indes allerdings keineswegs vorwurfsvoll; eher neugierig, traurig oder einfach nur geschockt. Sie alle wussten kaum, was geschehen war. Sie dürsteten nach Erklärungen.

Und es war nun an Link, ihnen eben jene zu geben.

Er seufzte ergeben auf. Das hier musste er nun über sich ergehen lassen, so sehr er es auch hasste, im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit zu stehen. Doch diese Frauen hatten ein Recht darauf, zu erfahren, was mit ihrer Mitstreiterin geschehen war. Link fühlte sich beinahe, als würde er vor einem Gericht aussagen. Und vielleicht würden die Kriegerinnen tatsächlich hinterher über ihn urteilen. Doch nun kam es darauf an, sich an jedes kleine Detail zu erinnern. Noch einmal musste sich Link jede Sekunde vor Augen führen, sich mit der beschwerlichen Situation auseinander setzen. Und es fiel ihm unendlich schwer. Doch es musste getan werden. Er musste das Andenken an Natiima aufbauen und aufrecht erhalten, das war er ihr schuldig.

Er hockte sich auf die Tanzfläche, wie ein Lehrer vor seinen Schülern sitzen mochte, und holte tief Luft. Seine Erzählung begann.
 

~*~*~*~*~*~
 

Auch als alle anderen längst gegangen waren, blieb Link noch auf dem Friedhof. Er starrte auf den breiten, flachen Stein, der dort aus dem Boden ragte, welcher nun die neue Heimat für die sterblichen Überreste Natiimas geworden war.

Bei der Bestattungszeremonie hatte sich Link schweigend im Hintergrund gehalten. Die Gerudos lebten nach eigenen Vorstellungen davon, wie man sich von einem geliebten Menschen verabschiedete, und Link wollte diese fremdartige Kultur nicht stören. Er hätte so oder so nicht gewusst, was er hätte tun sollen. Die Frauen hatten Klagelieder in der alten Sprache ihrer noch älteren Traditionen angestimmt, und eine Gerudo, deren Namen er schon wieder vergessen hatte, war seine Übersetzerin gewesen. Doch sie hatte vielleicht nur jeden zehnten Satz in kurzen, groben Worten wiedergegeben. Gerade genug, um eine Vorstellung vom Inhalt der Lieder zu bekommen. Es war nicht gewesen wie bei Natiima, die sich Mühe gemacht hätte, auch das Drumherum zu erklären.

Er vermisste sie.

Im Osten ging allmählich die Sonne auf. Die Zeremonie hatte in der Dunkelheit stattfinden müssen. Das hatte etwas mit dem Glauben zu tun, dass mit der Nacht das alte Leben verging, und mit dem Tag das neue anfing. Aber vielleicht war die Dunkelheit, die bloß von vereinzelten Fackeln, Kerzen und Laternen durchdrungen worden war, bloß ein Effekt, der für die nötige düstere Stimmung sorgte.

Link starrte weiterhin die Plakette an, auf der Natiimas Name vermerkt war, dazu noch das Datum der Geburt und der Todestag, darunter außerdem der goldene Schlangenstab von Shetája, der kunstvoll in diesen Stein versenkt worden war. Hände ragten aus dem Fels heraus und hielten ihn fest, allerdings so, dass es ein Leichtes wäre, ihn zu entfernen. Das allerdings würde sich niemand wagen. Niemals.

"Ein Mahnmal soll dies sein", waren die Abschiedsworte von Jude gewesen, ehe der tote Leib der Erde überführt worden war, "auf dass zukünftige Generationen sich dessen immer erinnern sollen: dass niemand ewig besteht und Leben vergänglich ist. Verfallt niemals der Sucht nach zu hoch angestrebten Zielen. Mäßigt euch, und zeigt Demut. So verlockend das Abenteuer auch sein mag, es birgt Gefahren in sich. Wer sich ihnen entgegenstellt, ist mutig; doch wer sich dessen bewusst ist, dass der Preis zu hoch sein kann, ist weise. Kein Schatz der Welt wiegt Leben auf. Mit Gold ist kein Herz zu kaufen. Keine Juwelen ersetzen das Blut in euren Adern. Perlen allein bescheren euch kein Glück. Seid zufrieden, denn ihr seid lebendig. Solang diese schöne Welt existiert und ihr auf ihr wandeln dürft, in Glück und in Frieden, ist alles gut."

Auch jetzt hallten diese Worte in Links Gedächtnis nach. Und nicht nur dies. Noch viel mehr Erinnerungen gingen ihm durch den Kopf, und sie alle kreisten um Natiima. Besonders heftig war dies am vergangenen Abend gewesen. Nachdem Link erzählt hatte, aus welchem Grund Natiima hatte sterben müssen, hatte er sich eine Laterne geschnappt und sich unter gewaltiger Anstrengung und allen Schmerzen zum Trotz ein zweites Mal auf den Weg in die tiefsten Kellergewölbe gemacht, tiefer, immer tiefer hinab, bis in Shetájas Kammer. Dort, in der Dunkelheit der verloschenen Fackeln, hatte er die Statue der Göttin vorgefunden, wie er sie zuletzt gesehen hatte: reglos, mit geöffneten Händen. Blut war inzwischen an diversen Stellen eingetrocknet. Steinerne Brocken lagen zerbrochen im Staub und Sand am Boden. Niemand würde sich jemals die Mühe machen, hier aufzuräumen. Der Zugang würde versperrt werden, sodass niemand mehr unbedacht in Gefahr geriet. Link hatte sich dort unten umgesehen, und sein Magen hätte sich fast verdreht, als die Erinnerungen in makabrer Frische auf ihn eingestürmt waren. Er hatte sich seinen Hyliaschild und das Masterschwert geschnappt. Natiimas deformierter Langdolch blieb allerdings an derselben Stelle liegen, an der er war. Fast, als hätte Link Angst, den Fluch einer Toten heraufzubeschwören, wenn er das Ding anfassen würde. Seit er die unterirdische Kammer verlassen hatte und den beschwerlichen Weg Hunderte Treppenstufen nach oben ein weiteres Mal erklommen hatte, war es dort unten wieder totenstill und menschenseelenverlassen.

Nach einem hastigen, aber äußerst stummen Abendessen hatte Jude ihm angeboten, er könne bei ihr übernachten. Doch das hatte er dankend abgelehnt. Die Nacht hatte er in Natiimas Wohnung verbracht, und niemand hatte dagegen etwas einzuwenden gehabt. Seltsam leer war ihm das Gebäude vorgekommen. Er wusste nicht, was mit all ihren Besitztümern weiter geschehen würde, doch das überließ er den Gerudos. Er selbst jedenfalls hatte eine viel zu unruhige Nacht verbracht, in der er Ewigkeiten wach gelegen und nachgedacht hatte. Seine Schlafphasen waren kurz und von Alpträumen geplagt gewesen, doch immerhin hatte es gereicht, um seinem geschundenen Körper ein wenig Ruhe zu gönnen. Er hatte auf seiner wichtigen Reise bereits einen Tag eingebüßt, einen weiteren konnte er sich nicht leisten. Das Schicksal Hyrules lag in seinen Händen, und es war wichtiger als sein Wohlergehen.

Das Licht der aufgehenden Sonne brach sich nun in den vielen unterschiedlichen Edelsteinen des Schlangenstabes von Shetája und glänzte auf dem Gold und dem Silber. Fast wie kostbarer Wein flossen die roten Strahlen über den Himmel und brachten die Sandkörner zum Glitzern. Ein wahres Meer aus Blut...

Link schüttelte den Kopf, um seine Gedanken und Erinnerungen zu vertreiben. Die Bewegung war zu heftig; Schmerz zuckte durch seinen Körper und erinnerte ihn an die Blessuren, mit denen er davongekommen war. Er unterdrückte ein peinerfülltes Keuchen. Seine Blutergüsse und die anderen Wunden waren ein weiterer Punkt gewesen, der ihn des Nachts nicht hatte schlafen lassen, und der ihn auch nun auf seiner weiteren Reise sicherlich noch ein paar Tage behindern würde. Doch das Schicksal drängte ihn. Was der Held der Zeit am wenigsten hatte, war ausgerechnet Zeit selbst.

"Und Du bist Dir sicher, dass Du heute schon aufbrechen willst?", fragte eine leise und sehr vorsichtige Stimme hinter ihm.

Link nickte. Sein Blick war aber noch immer auf den Grabstein gebannt, obwohl er ihn gar nicht sah, denn seine Gedanken waren noch immer an die Erinnerungen der lebendigen Natiima gefesselt. "Ich habe keine andere Wahl."

"Niemand drängt Dich", erwiderte Jude bestimmt. Sie trat vor, stellte sich neben ihn und starrte ebenfalls auf das Grab. Ihre Arme waren vor der Brust verschränkt. Sie wagte nicht, ihm ins Gesicht zu schauen; zu groß war ihre Angst vor der erbarmungslosen Härte und Entschlossenheit, die sie darin finden würde. "Doch Du könntest noch etwas Zeit vertragen. Erhole Dich. Bleib bei uns. Kurier Dich aus. Nicht nur die Wunden Deines Körpers müssen sich schließen. Ich kann mir vorstellen, dass Dein Geist ebenso leidet, womöglich sogar noch schlimmer. Verbring noch ein paar Tage hier, Link. Die Welt braucht einen Helden ... und kein ausgemergeltes, verhungerndes Klappergestell, krank, verwundet und kraftlos, das jeden Moment unter der Last auf seinen Schultern zusammenbrechen kann. Und diese Last ist groß ... ich spreche nicht nur von Schwert und Schild, mein Freund, ich rede von der gewaltigen Verantwortung; und nicht zuletzt von der gesamten Welt, die Du gerade wie tonnenschweres Dorngestrüpp auf diesen Deinen Schultern trägst."

"Menschen sterben, Jude", entgegnete er sachlich. "Monster überfallen die Städte, Armut plagt die Landstriche, selbst das Klima hat sich verändert. Es geht nicht anders. Ich muss weiterziehen."

Judes Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. "Ein echter Held eben... Wie dieses Sprichwort sagt: <Gehe in die Fremde. Du magst Dein Leben dabei verlieren...>"

Link unterbrach sie, um das Zitat seinerseits zu einem Ende zu bringen: "<...doch wenn Du bleibst, verlierst Du es in tödlicher Langeweile.> Ich weiß. Es ist Natiima zum Verhängnis geworden. Doch ich habe aus ihrem ... aus ihrem Schicksal gelernt..." Er betonte das Wort auf besondere Weise. Über die gesamte Zeit hinweg hatte er sich mit diesem Begriff nicht anfreunden können, und eigentlich wollte er das auch heute noch nicht. Aber möglicherweise steckte doch etwas mehr dahinter, als er wahrhaben wollte. Vielleicht war dieser so sinnlos erscheinende Tod nötig gewesen, um ihm die Augen zu öffnen und die Wahrheit erkennen zu lassen. Nun wollte er das wundervolle Leben führen, zu dem Natiima nie wieder in der Lage sein würde. Doch dazu musste die Welt in ihrer alten Pracht erst wiederhergestellt werden.

"...Ich werde auf mich aufpassen. Das versichere ich Dir."

"Nun gut, so sei es", erwiderte Jude widerwillig. Sie kam einfach nicht an gegen diesen jugendlichen Starrsinn, der vor Entschlossenheit und Energie nur so strotzte. Insgeheim bewunderte sie den jungen Helden dafür. Er machte weiter, wo jeder andere den Rückzug angetreten hätte. Sie verstand mit jeder Sekunde mehr, weswegen ihre verstorbene Mitstreiterin nicht von der Seite dieses einmaligen jungen Mannes hatte weichen wollen. "Ich wünsche Dir alles Gute, Link. Falls Du es Dir doch anders überlegst: Du bist jederzeit bei uns willkommen. Vergiss niemals, dass auch Du ein Gerudo bist. Du wirst in unserer Festung stets Schutz finden. ...Gute Reise."

Damit wandte sie sich um und ging. Der Sand rieselte leise in ihre frischen Fußspuren.

Vergiss niemals, dass auch Du ein Gerudo bist. Das waren ganz genau die Worte, die auch Natiima einmal zu ihm gesagt hatte, als sie ein wenig mit einander herumgeblödelt hatten. Nein, er würde es nicht vergessen. Ganz sicher nicht. Hyrule war seine Heimat, nicht nur der Wald der Kokiri, sondern inzwischen fast jeder Flecken des gesamten Landes – doch nun hatte er hier draußen, in der Wüste, ein weiteres, neues Zuhause gefunden, zusammen mit einer sehr großen und liebevollen Familie.

Link kniete vor dem Grab nieder. Eine Sache musste er noch tun; einige letzte Worte aussprechen:

"Natiima ... ich habe Dir ein Versprechen gegeben. Du hast gesagt, nach meiner Reise würden wir beide mal einen langen Ausritt in die Wüste machen. Daran würde ich mich ganz gerne halten. Jetzt gerade kann ich meine Stute nicht weiter mitnehmen. Unter Ganondorfs Schreckensherrschaft will der Sandsturm weit im Westen einfach nicht aufhören, und ich möchte Epona nicht in Gefahr bringen. Aber ich werde siegen, Natiima. Ich werde den Tyrannen zur Strecke bringen. Und dann haben auch die Naturkatastrophen ein Ende. Dann, Natiima, dann will ich gerne in wildem Galopp durch den Sand preschen. Im Herzen ein Gerudo sein, wie ich es offiziell schon bin. Und dann ... wäre es wundervoll, wenn Dein Geist auf den Winden reiten und mich begleiten würde. Ich werde die Ohren offen halten und dem Gesang des Windes lauschen. Und wenn ich dann darin Deine Stimme vernehme, werde ich ihr folgen, wohin auch immer Du mich führst. Bis dahin ... bitte wache über meine Schritte und führe mich wohlbehalten zum Geistertempel. Wirst Du das für mich tun?"

Nie zuvor hatte Link so vor einem Grab gesprochen. Und er erwartete eigentlich auch keine Antwort. Doch er fühlte sich ein wenig befreiter. Er hatte seiner Partnerin dieses Versprechen gegeben, und er würde sich daran erinnern und es einhalten, sowie seine Mission erfüllt war. Ja. Er würde zu diesem Grab zurückkehren.

Doch nun schaute er zunächst sorgenvoll in die Zukunft. Was mochte dort auf ihn warten? Was hielt das ... das Schicksal für ihn bereit? Er erinnerte sich mit Grauen an die gebrochenen, toten, leeren Augen, nachdem Natiima ihren letzten Atemzug getan hatte. Etwas Derartiges wollte er in seinem ganzen Leben nie wieder sehen. Und doch war es nötig, denn Ganondorf musste sterben; solange auch nur ein Funken Leben in ihm verbliebe, würde er seine Terrorherrschaft weiterführen.

Aber wie sollte Link das fertigbringen? Ja, Ganondorf war der bösartigste Tyrann, den sich das Land nur vorstellen konnte. Doch er war immer noch menschlich, nicht in seinem Herzen, aber doch in seinem Aussehen. Link hatte niemals einen Menschen getötet. Würde er das überhaupt über sich bringen können?

Mit zusammengebissenen Zähnen erhob sich Link keuchend. Seine Wunden taten ihm höllisch weh, doch danach fragte niemand. Er wandte sich ab und ließ das Grab hinter sich. Keinen weiteren letzten Blick warf er zurück.

Niemand war da, um ihn zu verabschieden, als er durch das große Tor am westlichen Ende der Gerudofestung trat. Vor ihm lag nur die erbarmungslose Wüste. Hinter ihm säuselte der Wind und schien in heller Stimme zu lachen. Die frischen Fußstapfen unter den Stiefeln des Helden wurden schon nach wenigen Sekunden verweht. Ein leiser, flüsternder, pfeifender Klang geleitete den Retter Hyrules, und er trug die Melodie mit sich, die Natiima mit dem Namen Gesang des Windes versehen hatte. Das Lied geleitete den Helden der Zeit sicher über die Dünen der Sandwüste hinweg, bis in ihr heißes, brennendes Herz hinein.

Link ging seinem Schicksal entgegen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Feuermalerin
2018-02-06T16:53:58+00:00 06.02.2018 17:53
Meine Güte, was für eine langes Stück.
Ich bin beeidnruckt. Beeindruckt von der Dynamik der Geschichte. Von Anfang an hat man gut hinein gefunden. Und es las sich nie stockend, trotz, oder gerade wegen der Dialogunterbrechungen und der Beschreibungen während des gesprochenen Worte.

Es hat mir wirklich außerordentlich gut gefallen.
Danke hierfür!
Von:  Istyar
2015-05-25T18:34:13+00:00 25.05.2015 20:34
Ich weiß, diese FF ist schon sehr alt, und wahrscheinlich wirst du diesen Kommentar nie lesen. Vielleicht ist es deshalb genau der Richtige Ort um zu sagen, wie sehr mich diese Geschichte berührt hat. Ich wollte es mir zur Angewohnheit machen, meine Kommentare immer weitgehend sachlich zu formulieren, aber hier versagte ich kläglich. Ich habe Natiima sehr gemocht, ich glaube fast, sie wie eine Person zu vermissen, die ich kannte, so eindrucksvoll hast du ihren Charakter beschrieben. Ich habe mich sehr amüsiert, über die Handwerker, über das Geblödel der beiden. Ich habe aber auch am Ende fast geweint, so traurig hast du geschrieben. Die Geschichte (auch wenn das ein viel zu geringer Begriff für so etwas ist) hat mich tief berührt und quasi meine komplette Einstellung zum Tod verändert. Diese Geschichte hat das Potenzial, zu etwas größerem zu werden als nur ein Text auf einer Internetseite. Ich entschuldige mich, so etwas vor Philosophie triefendes unter deinen genialen Text zu setzen, aber manches muss gesagt werden, damit man nicht daran erstickt.
Von:  Shimanai
2012-02-01T19:28:30+00:00 01.02.2012 20:28
Ich habe diese Geschichte, nein, diese Erzählung... ach, was auch immer gelesen und dachte mir: ich bewundere dich dafür, dass du es schaffst, auch nach so vielen Seiten alles genau zu beschreiben. Kein einziges Mal habe ich etwas gefunden, das erwähnt, aber nicht ausführlicher beschrieben wurde. Und das mit dem durch-die-Gänge-irren kenne ich vom Spiel her nur zu gut xDD
Ich wiederhole mich nur ungern, aber Links Charakter ist wirklich gut gelungen, genauso Natiimas.
Am liebsten würde ich dieses FF ausdrucken, wie bereits andere gesagt haben, nur hab ich derzeit keinen Drucker xP (sobald ich aber einen habe, dann kann sich das Geschäft freuen, in dem ich die Druckerpatronen kaufe xD)
Auch die Handwerker waren lustig, sie und Link erinnern mich ein bisschen an mich selbst, ich kann auch nie das Richtige sagen, ich Trampel xD
Naja, ich freue mich auf mehr, falls du dich dazu entschließen solltest, noch mal so etwas ähnliches zu schreiben :D
Auf alle Fälle finde ich es einfach nur GENIAL, dass du so etwas Schönes schreiben kannst!
Danke, dass du so etwas Tolles hier online gestellt hast!
Von:  Tisiphone
2010-09-28T21:19:18+00:00 28.09.2010 23:19
OK! ich habs geschafft es durch zu lesen...in einem Zug brauchte ich gut zwei Tage XD (auf Stunden gerechnet gute 7 mit pausen ungefähr)
UND...ich bin beeindruckt! Beeindruckt und STOLZ, dass ich dich dazu gebracht habe, so etwas tolles zu fabrizieren *g* hrhrhr
Kritik...Kritik eher weniger, da ich es schön finde, wie du Link darstellst. Du hast es geschafft eine lustige Geschichte zu gestalten, die ein dramatisches Ende findet und das sind mir IMMER die liebsten. Es ist vielschichtig. Jeder kann Drama schreiben, aber in eine Story viele Eigenschaften zu verbinden schafft eben nicht jeder^^ Gratulation! DU hast es geschafft! Ich bin Baff und freu mich XD
EIGENTLICH! Könntest du jetzt direkt weiter schreiben XD sozusagen Teil 2 :D du weißt ja, wies in OoT weitergeht XD Das Ende macht auf jeden Fall Lust auf mehr!
Und das mit den Handwerkern...hach XD JAAA die waren ne geile Einlage!
Von:  Caellon
2010-09-12T14:31:07+00:00 12.09.2010 16:31
Das ist... woah...

Heftig. Genial. Ich fühle mich regelrecht von Schauern malträtiert.
Von:  das_Diddy
2010-09-01T15:24:17+00:00 01.09.2010 17:24
So...JETZT bin ich durch. ^^°°°
Es war wirklich lang, obwohl ich schon befürchte, dass du noch eigentlich hundert Ideen gehabt hast, die du letztendlich lieber weggelassen hast. ^.~
Aber egal, nun lieber zum Inhalt....
Ich LIEBE deinen Erzählstil. ^^ Er ist leicht zu lesen, nicht allzu kompliziert mit gelegentlichen Fremdwörtern zur Erweiterung des allgemeinen geistigen Horizonts. XD
Ich mag es wie du Link dargestellt hast. Man bekommt einen wirklich guten Eindruck davon wie er sich fühlen muss, wenn er gerade noch ein Kind gewesen war und nun im Körper eines Erwachsenen steckt. Und doch stellt er sich den schier übermenschlich schweren Aufgaben vor denen so manche einfach weglaufen würden und denen man es noch nicht einmal übel nehmen könnte. Ein Zitat von Flix passt hier doch ganz gut:
"Held wird man nicht erst, Held ist man. An jedem verdammten Tag seines Lebens."
Link ist durchaus so ein Held, ganz besonders in deiner Geschichte.
Ich mochte Natiima sehr. ;___; Irgendwie hatte ich ab der Hälfte der Story schon so ein ungutes Gefühl....und als sie dann die geheime Kammer aufgekriegt hatten, wurde das immer schlimmer. >___<
Sie war irgendwie einfach ZU sympathisch...und sehr stolz und stark. °^° Ich meine...es gehört schon einiges dazu abgewiesen zu werden und das Ganze mit einem Lächeln zu akzeptieren. Das Ende hat mich fast zum Heulen gebracht....
Zum Schluss noch was zu den Handwerkern....die waren einfach nur genial! XD Ich hatte mich schon ein wenig über Judes Namen gewundert, da dieser mir für eine Gerudo doch irgendwie...merkwürdig vorkam, doch am Ende hat es super zu den ganzen Liedzitaten gepasst. XD Boah, die Typen möchte man aber auch wirklich in die Wüste schicken.
Alles in allem ist deine Geschichte ein echt gelungenes Meisterwerk, ganz gleich ob du selbst vielleicht skeptisch bist. ;) Es hat sich wirklich gelohnt sich durch 95 Seiten durchzuarbeiten. ^^
Von: Lupus-in-Fabula
2010-08-25T13:29:36+00:00 25.08.2010 15:29
Wow, diese Geschichte ist super! Link hat PERSÖNLICHKEIT! Ja, das vermisse ich manchmal in den FF. *Hüstel, meine ist nicht besser....*

Die Details, die Charakter und alles andere stimmt einfach. Bei deinen Schreibstil macht es Spass zu lesen. Warum du nur 2 Kommis hast, wundert mich.

Die FF kommt in meine Fav und wird ausgedruckt, damit ich es auch im Bett lesen kann ^^
Von:  Nalahime
2010-08-24T16:54:00+00:00 24.08.2010 18:54
Verdammt gut... Verdammt traurig... und ja so hätte es gehen können...
BEGEISTERUNG!!!!!!!!!
Aber sowas von! Ich liebe das Spiel und habe es schon 17 Mal durchgespielt, aber deine Story ist der Hammer! Das bringt Link einem einfach näher und gibt ihm eine unvverwechselbare Persönlichkeit. Kurz:
DAS WAR EINFACH NUR HAMMER!!! Ich liebe deinen Schreibstil. Emotional und doch nicht zu kitschig. Im Gegenteil immer genau passend, finde ich.
*Daumen hoch* Weiter so!


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