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Initium mortis

Volturi-OS-Sammlung
von

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Wenn die Ewigkeit endet

Hundertfünfundzwanzig, hundertsechsundzwanzig... nichts.

Die Herzschläge der jungen Frau waren verklungen. Genauso wie ihr Schreien, das die letzten Momente ihres Lebens erfüllt hatte. Achtlos ließ ich den toten Körper zu Boden sinken und wandte mich zu meinen Meistern um, die mit unnatürlicher Geduld auf das Ende des jungen Menschen gewartet hatten. Ihr Gebärden machte mich neugierig. Es war nicht ihre Art, einer Wache separat von den gewöhnlichen Festen ein Essen zu spendieren. Genau genommen geschah dies nie; wenn man von der ersten Mahlzeit der Frischlinge absah.

Kaum, dass ich meinen Blick zu den älteren Vampiren erhoben hatte, stand der Mittlere auf und kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.

„Wie ich sehe, hast du dich gestärkt, Felix“, begann er seine Rede mit einem einnehmenden Lächeln. „Sehr schön. Nun, ich möchte mit dir über einen Auftrag reden...“
 

Genervt verdrehte ich die Augen, als ich das besorgte Gesicht meines Freundes erfasste.

„Ich schaffe das schon, Demetri. Immerhin bin ich kein Anfänger mehr“, murrte ich missgelaunt. Seit ich ihm eröffnet hatte, dass Meister Aro mich für den nächsten Auftrag auserkoren hatte, konnte ich ihm nicht mehr in die Augen sehen, ohne mit seinem ängstlichen Blick konfrontiert zu werden.

„Das ist Selbstmord!“

So war seine erste Reaktion auf meine Eröffnung gewesen. Selbstmord. Darüber konnte ich nur schmunzeln. Es galt nur, einen kleineren Haufen wild gewordener Vampire in den Zaum zu bekommen. Damit war ich schon seit Jahren – Jahrhunderten – vertraut und hatte immer meine Aufgabe erfolgreich bewältigt. Warum also auch nicht dieses Mal. Doch mein Argument, dass dies nichts Neues sei und diese Aufgabe heutzutage nahezu alltäglich geworden war, überzeugte meinen langjährigen Kameraden nicht. Gerade diese Tatsache schien ihn nur noch mehr zu beunruhigen. Seit den Vorkommnissen mit den Cullens vor einem halben Jahrtausend hatten sich die Vampire um einiges vervielfältigt. Zu stark; so die Meinung der Meister. Sie fürchteten, dass diese Jungspunde irgendwann versuchen würden, sie vom Thron zu stürzen. Eine Angst, die keineswegs unberechtigt war. Um genau zu sein, hatten die Neulinge es vor ungefähr hundertfünfzig Jahren sogar versucht. Ohne Erfolg. Um den Aufstand niederzuschlagen, hatten wir jedoch große Verluste eingebüßt. Unter anderem Afton, Chelseas Mann und Renata, der Schutzschild Aros hatten bei dem Versuch die Meister zu retten ihr Leben gelassen. Genauso wie Gianna, die damals erst – für Vampirverhältnisse – seit Kurzem zu uns gehört hatte. Meine Hand, die wie von selbst bei dem Gedanken an meine Geliebte in die Tasche geglitten war, umfasste etwas fester das kleine Amulett, das ich ihr kurz vor ihrem Tod geschenkt hatte. Als sie verbrannt wurde, konnte ich es gerade noch vor den Flammen retten, bevor sie von diesen verschlungen wurde. Diese Handlung von Caius hatte ich ihm noch immer nicht verziehen. Unsere Feinde, okay. Aber die eigene Wache? Diejenigen, die kurze Zeit davor ihr Leben für ihn gelassen hatten? Gianna?

Langsam zog ich das Amulett heraus und betrachtete es kurz, strich mit dem Finger sanft über den rosafarbenen Edelstein in dessen Mitte. Sie war die erste Frau seit gut einem Jahrtausend gewesen, der ich mein Herz geöffnet hatte. Nicht, weil ich auf eine einfache und kurze Nacht aus war. Sondern weil sie es erobert hatte.

„Hör zu“, begann ich erneut und wandte mich wieder zu meinem Freund um. Dabei entging mir nicht, dass er meiner Bewegung gefolgt war. Genauso wenig, wie ich es übersah, dass ihm die altbekannte Frage auf den Lippen lag. Ich ignorierte es. Er wollte einfach nicht verstehen, dass seine Erkundigungen, ob es mir denn wirklich gut ginge, mit der Zeit einfach an meinen Nerven zerrten. Es würde nichts an meiner Antwort ändern, wenn er mir ein und dieselbe Frage einmal, zehnmal oder hundertmal stellte. Demetri schien meine Gereiztheit zu spüren, zumindest unterließ er seine Äußerung, dass ich ruhig mit ihm reden könne, wenn mir danach sei, dieses Mal.

„Du sagtest selbst, dass es nur fünfzehn Vampire sind“, fuhr ich schließlich entschlossen und mit fester Stimme fort. „Ich nehme einfach meine Truppe mit und damit hat sich die Sache erledigt.“

Die Truppe. Sie war eigentlich nicht mehr als eine Ansammlung jüngerer Vampire, die sich in den Kämpfen um den Thron der Volturi bewährt hatte. Ich hielt zwar noch immer nichts von unseren Frischlingen, doch das eine Ziel, die Meister zu beschützen, hatten junge wie alte Wachen zusammengeschweißt. So gut dies ging. Die Truppe war ein Resultat daraus. Ich hatte die stärksten der Neulinge um mich versammelt und sie trainiert – zunächst nur auf Geheiß Aros – wobei ich nach und nach eine Art Respekt vor ihnen entwickelte. Sie hatten sich wirklich gut gemacht, waren treu und hatten eigentlich alles, was einer guten Wache bedurfte.

„Du willst sterben, habe ich recht?“

Demetris Stimme holte mich ruckartig zurück in die Realität. Verwundert sah ich ihn an. Wie kam er zu so einer Annahme?

Mein Freund schaute mich nicht an, sondern hatte sich von mir abgewendet. Die Hände locker neben sich blickte er zu dem Wald, der sich vor dem Volturianwesen – an dessen Notausgang wir gerade Wache schoben – erstreckte. Ich antwortete nicht sofort, sondern betrachtete weiterhin stumm die letzte Erinnerung an meine Geliebte. Dann ließ ich es wieder zurück an seinen angestammten Platz gleiten.

„Wenn ich sterben wollte, wäre damals die beste Gelegenheit dazu gewesen, oder?“, murrte ich schließlich, kam etwas näher an ihn heran und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. „Abgesehen davon werde ich nicht eher verschwinden, bevor ich diesen feigen, mörderischen Hund gefunden und vernichtet habe.“

Meine Hand vergrub sich bei diesen Worten in der Schulter Demetris, doch dieser ließ es sich nicht anmerken. Stattdessen blickte er zu mir hinauf und nickte.

„Du weißt, dass du ihn dort finden wirst, nicht wahr?“

Ein Nicken, mehr gab ich nicht zur Antwort. Dann drehte ich mich um. Wenn ich heute Abend noch ausrücken wollte, musste ich meinen Leuten Bescheid geben, damit sie sich fertigmachen konnten.

„Felix?“

Noch einmal hielt ich in meiner Bewegung inne, wandte mich jedoch nicht mehr um.

„Es sind fünfzig.“

Erneut nickte ich. Aro hatte sich angewöhnt, uns falsche Informationen zu übermitteln, dass wir uns nicht bereits in der Burg verweigerten. In gewissem Maße sinnvoll, doch führte dies dazu, dass seine Wache oftmals unvorbereitet in die Schlacht zog. Demetri, der – genauso wie Jane und Alec – sich ohne die Meister nicht mehr weit von dem Volturianwesen entfernen durfte, war dazu angewiesen worden, niemandem seine Informationen zukommen zu lassen. So war dies wohl ein einzigartiger Freundschaftsdienst.

„Pass auf dich auf.“ Damit verschwand ich gänzlich im Gängelabyrinth des Schlosses.
 

„Du willst mir nicht allen Ernstes sagen, dass sich die Viecher in dieser Hütte aufhalten sollen?“

Achaz schaute zweifelnd zu mir auf. Wie jeder aus meinem Gefolge stand auch er auf dem Hügel hundert Meter von unserem Ziel entfernt und blickte auf die Bruchbude am Rande einer mittelgroßen Baumgruppe hinab. Im Gegensatz zu mir machte der junge Hebräer eher einen gebrechlichen Eindruck, doch dies täuschte. Im großen Kampf hatte er durch seine Wendigkeit jeden seiner Gegner umspielt und schlussendlich getötet. Dennoch war er nicht in der Lage gegen mich zu bestehen. Abschätzend blickte ich auf den in der Hocke sitzenden Mann herab.

„Stellst du die Angaben Demetris etwa in Frage?“, gab ich leise knurrend zur Antwort. Mir war nicht danach, irgendwelche Witzeleien auszutauschen. Dazu war der Auftrag einfach zu wichtig für mich. Seit ich hatte mit ansehen müssen, wie einer der angreifenden Jungvampire Gianna zerriss, war ich auf der Suche nach diesem Mistkerl. Damals hatte ich nicht die Möglichkeit gehabt, zu ihnen zu gelangen, weil mich mehrere Vampire gleichzeitig beschäftigt hatten und auch später konnte ich ihn nirgends auf dem Schlachtfeld finden.

Als ich dann jedoch hörte, dass er mit ein paar anderen kurz vor ihrer unwiderruflichen Niederlage geflohen war, hatte ich mir geschworen, ihn zu finden und zu töten. Und heute war es so weit. Ich würde diesen Parasiten zerfetzen, bis selbst die Einzelteile sich nicht mehr zusammenfinden konnten. So, wie er es bei meiner Frau getan hatte.

Achaz hatte auf meine Frage noch immer nicht geantwortet, sondern starrte betroffen zu Boden. Etwas gegen meinen Freund zu sagen war noch nie eine kluge Idee gewesen, das hatten meine Untergebenen bald begriffen. Schließlich nahm er doch den Mut zusammen, mir zu antworten: „Ich fragte mich nur wegen dieser Anzahl. Fünfzehn Vampire hätten in dieser Ruine ja kaum genug Platz, aber fünfzig?“

„Demetri hat uns diese Koordinaten gegeben, also wird es der Wahrheit entsprechen. Wahrscheinlich verstecken sich die meisten dieser Insekten im Wald. Unsere Anwesenheit wird nicht lange unbemerkt geblieben sein.“

„Du willst sie also wirklich frontal angreifen?“ Eine Mischung aus Entsetzen und Zweifel blickte mir entgegen.

„Wenn dir mein Plan nicht gefällt, kannst du ja wieder verschwinden“, knurrte ich, während ich vorsichtig das Amulett über meinen Kopf streifte. „Ich werde jedenfalls den Wünschen der Meister entsprechen. Und außerdem müssen wir Pál und Basia Zeit verschaffen, damit sie die Vorbereitungen für den Feuerring treffen können.“

Darauf folgte Stille, und als ich mich schlussendlich abstieß, um die letzten Meter zu unserem Ziel zu überbrücken, hörte ich, wie mir die Vampire ausnahmslos folgten.
 

Es war tatsächlich so, dass die Wilden sich in dem Buschwerk nahe des Waldrandes aufgehalten hatten und unsere Schritte von dort aus beobachteten. Zumindest brachen sie kurze Zeit später aus diesem hervor und griffen uns mit wütendem Fauchen an.

Der Erste, der mich erreichte, beklagte innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde das Fehlen seiner Arme, bevor das Abreißen seines Kopfes dem Jaulen ein Ende bereitete. Dies hatte zur Folge, dass die Vampire zunächst Abstand zu dem großen, bösen Vampir vor ihnen hielten. Doch selbst diese Vorsichtsmaßnahme brachte ihnen nichts. Wütend sprang ich in einen der kleineren Pulks und zerschmetterte dem Erstbesten die Schädeldecke, sodass er außer Gefecht gesetzt zu Boden sank. Dem Nächsten grub ich meine Finger in die Brust, bevor ich durch die steinerne Haut stieß und den Teil herausriss, der auf Höhe des nutzlosen Herzens lag. Gleichzeitig trennte ich seinen Kopf mit einem Ruck vom Körper, bevor ich zu meinem vierten Opfer sprang. Dieser fiel meinen Zähnen zum Opfer.

Dadurch mir wieder kurz Zeit verschaffend blickte ich mich nach meinen Gefährten um. Diese schlugen sich tapfer, wurden jedoch stärker angegriffen als ich. Achaz kämpfte gerade gegen fünf Vampire, die immer wieder hintereinander versuchten ihn zu überwältigen, jedoch sofort von ihm abließen, wenn er ihnen zu nahe kam. Naomi und Valerio wehrten sich Rücken an Rücken gegen die doppelte Anzahl und Juan drohte bereits überwältigt zu werden. Wenn dies so weiter ging, konnten wir es vergessen, die Missgeburten wieder zurück in den Wald zu drängen.

Fluchend stieß ich mich ab, um dem Jüngsten der Truppe zu Hilfe zu eilen, wurde jedoch von einer neuen Gruppe von fünfzehn Vampiren aufgehalten. Wütend fletschte ich die Zähne in der Hoffnung, dass sie so klug waren, mir den Weg zu öffnen, doch dies taten sie nicht. Hinter diesem Angriff lag also ein Konzept. Zuerst die Gegner trennen, dann durch die bloße Masse erledigen. Erneut schoss mein Blick zu dem jüngeren Vampir. Lange würde er es nicht mehr aushalten. Ich musste zu ihm. Nicht noch einmal würde ich zulassen, dass jemand, der mir nahe oder unter meinem Kommando stand, verletzt würde. Abgesehen davon brachte uns jeder Verlust der eigenen Niederlage näher. Wieder ruhte mein Blick auf meinen Gegnern. Es half nichts, zuerst würden diese Viecher das Zeitliche segnen.

Ohne Vorwarnung sprang ich auf sie zu.
 

Als ich das nächste Mal Zeit hatte, aufzublicken, sah ich gerade noch, wie eines unserer Beutetiere sich auf Juan zubewegte, um ihm den Rest zu geben. Nein. Nicht irgendeins. Das Gesicht dieses Mörders hatte sich vor langer Zeit in meine Netzhaut eingebrannt.

Es war Er!

Er, der Gianna getötet hatte! Er, der nicht den Mut bewiesen hatte, sich mir zu stellen! Dieser Parasit, der mir und meinem Freund bereits über hundert Jahre jedes Mal aufs Neue entwischte.

Mit einem Wutschrei, der jeden auf dem Kampffeld zusammenzucken und zu mir blicken ließ, stürzte ich mich auf dieses kümmerliche Stück Dreck.

Die Welt wirbelte um mich herum, als wir – von meinem Schwung gepackt – gemeinsam einige Meter durch die Luft flogen, bevor wir eine Schneise hinter uns herziehend wieder auf dem Boden ankamen. Meine Umwelt existierte nicht mehr für mich. Das Einzige, das ich nun noch wahrnahm, war diese vor Schreck verzogene Fratze unter mir, die sich bald in Todesangst verwandelte, als ich begann, auf den Mann einzuschlagen. Immer und immer wieder, ohne Unterbrechung. Es war mir egal, ob ich dabei ein gutes Ziel für angreifende Vampire bildete. Ja, ich bemerkte noch nicht einmal, wie mir meine Untergebenen – die erschrockene Starre unserer Gegner nutzend – zur Hilfe eilten, indem sie einen Ring um mich bildeten. Für mich gab es nur noch dieses Gesicht, das langsam seine Konturen verlor. Seine verzweifelten Versuche, mich loszuwerden, konnten mich nicht von seiner Marterung abbringen. Selbst als diese nachließen und letztlich ganz versiegten, verformte ich mit meinen Fäusten den Schädel. Blind vor Wut erkannte ich nicht, dass der Vampir schon längst dem lebenden Tod entronnen war und selbst wenn ich es bemerkt hätte... es spielte für mich keine Rolle.

Immer weiter schlug ich auf die Überreste des Gesichtes ein. Hörte mit Genuss, wie es bei jedem Schlag knackte. Sah, wie sich nach einem Schlag der Kopf gänzlich vom Körper losriss, beendete es jedoch nicht. Nicht einmal als ich offensichtlich nur noch in den Boden unter mir schlug, da die Splitter des Schädels zu Staub zerfallen waren. Erst als mich jemand gewaltsam von dem Rumpf meines Opfers losriss, hörte ich auf. Stattdessen wirbelte ich zu meinem vermeintlichen Angreifer herum und wollte ihn gerade selbst umbringen, als ich in die angstgeweiteten Augen Juans sah. Sofort hielt ich inne und starrte den Jungen eine Zeit lang verständnislos an, bis dieser sich mit stockender Stimme schließlich erklärte: „Basia hat das Zeichen gegeben und die Wilden sind auf dem Rückzug in den Wald... Wenn wir sie dortbehalten wollen, bis sie gänzlich eingekesselt sind, müssen wir uns beeilen.“

Bei seinen letzten Worten schlug er entschuldigend die Augen nieder und an seiner Haltung konnte ich erkennen, dass er es unseren Gegnern am liebsten gleichtun würde. Kurz fixierte ich ihn mit meinem Blick, wobei ich registrierte, dass er – je länger mein Schweigen dauerte – immer mehr den Kopf einzog, als habe er Angst, im nächsten Augenblick so zu enden, wie das verstümmelte Etwas auf dem Boden hinter mir.

Ein verächtliches Schnauben entfloh meinen Lippen, bevor ich mich von ihm abwandte und den Befehl zur Verfolgung gab. Geschickt trieben wir die verstörten Flüchtlinge gen Wald, der letztlich ihren Tod darstellen sollte. Dann ging ich noch einmal zurück zu dem Platz, an dem die Überreste meines letzten Gegners lagen. Von seinem Kopf war wirklich nichts mehr geblieben, doch der restliche Teil musste noch entsorgt werden, weswegen ich ihn schlussendlich packte und den letzten der Ratten hinterherwarf, als diese in die vermeintlich sichere Baumgruppe flüchteten. Dann gab ich das Zeichen, das Öl, mit dem das Feuer verstärkt werden sollte, in Brand zu stecken, bevor ich nach meinem Amulett tastete, um es erneut in meiner Tasche zu versenken. Die Arbeit war getan, also sah ich keine Veranlassung, es weiter sichtbar-

Verwundert hielt meine Hand an der Stelle inne, an der sich der Stein befinden sollte. Dann glitt sie langsam etwas hinunter, nach rechts... links. Mit jedem Taster wurden meine Bewegungen hektischer. Er war fort. Das Prüfen an meinem Hals bestätigte dies gänzlich. Fieberhaft schritt ich meine letzten Gänge ab, auf der Suche nach der Kette. Nichts. Sie war nicht da!

Schließlich kam ich an dem Platz an, an dem ich Rache an Giannas Tod genommen hatte. Nichts. Ich war mir sicher, dass ich bei dem Sprung noch das kühle Metall gespürt hatte, also musste sie...

Die Ahnung, die mich bei diesem Gedankengang überkam, ließ mich erschaudern. Langsam, als würde die Zeit stillstehen, wandte ich mich dem Flammenmeer vor mir zu. Die Hitze des Feuers brannte mir unangenehm auf dem Gesicht, während ich bereits die ersten Schreie jenseits der Todesbarriere hörte. Es gab kein Zurück mehr, wenn man erst eingeschlossen war, dessen war ich mir bewusst.

„Felix?“

Langsam drehte ich mich zu dem Sprecher um. Es war Achaz, der besorgt mein Gebärden beobachtet hatte und nun wohl nach einer Erklärung suchte. Vielleicht wollte er auch nur eine Anweisung, was sie als Nächstes tun sollten. Ich wusste es nicht. Langsam schritt ich der flammenden Hölle weiter entgegen. Es war nur eine Vermutung, aber... Fünf Meter vor dem lichterloh brennenden Waldrand blieb ich stehen. Wahrscheinlich war der Korpus schon längst den Flammen zum Opfer gefallen. So weit hatte ich ihn nicht hineingeworfen. Ja, er war womöglich der Erste gewesen, den das Feuer verschlungen hatte. Und doch...

„Felix!“

In der Stimme meines Untergebenen schwang nun Panik mit, doch ich drehte mich nicht mehr um. Ich wusste nicht einmal, wer gerufen hatte. Achaz? Juan? Vielleicht sogar Basia? Sie schien mir immer gefallen zu wollen. Vielleicht hatte sie ja vorgehabt, meine neue Gefährtin zu werden? Ich wusste es nicht. Erneut setzte ich einen Schritt näher dem Feuer entgegen. Noch unentschlossen, ob ich wirklich... wenn es nicht so war und das Amulett noch hinter mir...

Erst als ich die schnellen Schritte meiner Truppe, die mich wahrscheinlich zurückziehen wollten, hörte, löste ich mich aus meiner Starre. Durch eine Lücke, die die unruhigen Flammen für die Bruchteile einer Sekunde freigaben, stürzte ich mich in das Innere des Todesrings. Der Qualm störte meine Sicht und brannte unangenehm in der Lunge, weswegen ich das Atmen fürs Erste aufgab und versuchte, mich zu orientieren. Ich entledigte mich meines Mantels, der bei dem Sprung Feuer gefangen hatte und lief, die Rufe meiner Männer ignorierend, in Richtung der Stelle, von der ich meinte, den jämmerlichen Körper meines Feindes, fallen gesehen zu haben. Erstaunlicherweise begegnete ich auf der kurzen Strecke keiner meiner Gegner. Sie mussten sich wohl in der Mitte zusammengerottet haben, um dem unwiderruflichen Ende etwas länger zu entgehen. Wie erbärmlich. Statt eventueller Angriffe musste ich jedoch immer häufiger kleineren Brandherden ausweichen. Einige erinnerten auf groteske Art und Weise an Menschen, die unter Schmerzen den Flammen erlegen waren. Die Schreie von vorhin hatten mich also nicht getäuscht. Ich beschleunigte meine Suche und fand nach einiger Zeit tatsächlich – erstaunlicherweise unversehrt – den leblosen Körper auf einem Gebüsch wieder. Kurz schmunzelte ich. Rechts und links von mir brannten die Bäume bereits lichterloh, doch diesen einen Busch hatte das Feuer bisher verschont. Und tatsächlich... als ich mich über den entstellten Körper beugte, fand ich nach kurzer Zeit in der rechten Hand meine geliebte Halskette. Er musste sie mir wohl bei einem seiner Versuche, mich von ihm zu lösen, entrissen haben. Erleichtert nahm ich das Schmuckstück und drückte es fest an meine Lippen. Gianna... Ich genoss den kurzen Moment, der mir vorspielte, sie wieder bei mir zu haben. Nie wieder würde ich sie hergeben... nie...
 

Ich bemerkte nicht, wie sich das bedrohliche Knacken der tödlichen Flammen immer weiter näherte. Es hätte wahrscheinlich nicht einmal eine Rolle gespielt, hätte ich den Baum, der sich mir langsam zuneigte, früher gesehen. Denn... als ich mich umdrehte und dem brennenden Stamm entgegenblickte, wie er auf mich zustürzte, wich ich nicht aus...
 

Kleine Staubflocken wirbelten auf, als der Mann über das verbrannte Land schritt. Noch immer qualmten hier und dort einige Äste, doch das Leben schien den Ort bereits vor einigen Stunden vollständig verlassen zu haben. Gerade stieß er gegen einen bereits gänzlich verkohlten Stamm, um ihn aus seinem Weg zu räumen, als ein Blitzen in der Sonne seine Aufmerksamkeit erregte. Nicht weit von ihm entfernt auf einem kleinen Berg schwarzer Asche lag ein kleiner Rosenquarz in einer etwas verbogenen Herzfassung. Vorsichtig ging er in die Hocke und nahm den Edelstein an sich, bevor er sich schmerzlich lächelnd wieder aufrichtete.

„Du bist so ein Vollidiot...“, murmelte er der Asche, die sich bei einem leicht aufkommenden Wind etwas verstreute und ihm den Geruch von Weihrauch in die Nase trieb, zu. Dann drehte er sich um und verließ den Platz in Richtung seiner Meister, die auf der Wiese einige Meter entfernt auf ihn warteten.
 

„Hast du gefunden, was du gesucht hast?“

Aro blickte Demetri mit einem geduldigen Lächeln entgegen, während er auf eine Antwort seines Untergebenen wartete. Dieser umschloss die Überreste des Amuletts etwas fester, bevor er mit fester Stimme erwiderte: „Ja, Meister. Danke, dass Ihr mich hierherkommen lassen habt. Ich... Wir können gehen, wenn Ihr es wünscht...“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Chevelle
2014-04-04T15:49:54+00:00 04.04.2014 17:49
Oh nein, wie kannst du Felix nur so sterben lassen... Armer Felix :'(
Ich bin ehrlich gesagt nicht begeistert, dass du diesen Weg einschlagen musstest (da dies dann ja definitiv das letzte Felix-Kapitel von dir war) und den [s]kleinen[/s], armen Felix sterben lassen musstest. Abschied nehmen ist schwer :'(

Ich finde allerdings, dass dir der OS wirklich gut gelungen ist. Traurig, dass Felix seine Gianna verloren hat. Umso schöner, dass du so sehr seine Verbindung zu ihr über die Kette thematisiert hat. Er will am Ende letztlich nur noch die Kette retten, die ihn an Gianna erinnert (wahrscheinlich weil er damals Gianna selbst nicht retten konnte) (hach, ist das traurig q_q). Und dafür gibt er noch sein Leben. Wirklich armer, armer Felix. Aber nunja, vielleicht waren ca. 2500 Jahre Lebenszeit auch irgendwann einmal genug und alles hat ja bekanntlich ein Ende.
Ich finde, dass du den OS wirklich klasse geschrieben hast. An deinem Schreibstil ist ja ohnehin nichts auszusetzen. Alles sehr detailliert geschrieben, gute Worte gefunden und vor allem hast du nicht allzu dramatisch geschrieben. Ich zumindest schätze den Charakter Felix auch nicht so ein, dass er ein riesengroßes Drama aus seinem Ableben macht und so hast du das ja auch geschrieben. (Demetri hat er ja nach der Frage zum Selbstmord eher kühl abgewimmelt.)
Meiner Meinung nach sehr schön geschrieben und wohl ein würdiges Ende für unseren Felix. :)

Allerdings wollte ich noch auf diesen Satz eingehen:

"Der Qualm störte meine Sicht und brannte unangenehm in der Lunge, weswegen ich das Atmen fürs Erste aufgab und versuchte, mich zu orientieren."

Eigentlich leben die Vampire ja nicht mehr und ich glaube, dass der Qualm nicht mehr in der Lunge brennen kann, da ja quasi alle Organe versteinert/erstarrt sind und die Vampire dort kein Empfinden mehr haben. Ist jetzt ziemlich pingelig von mir, aber ich bin mir da selbst nicht mehr so sicher, wie die Autorin von Twilight sich das damals gedacht hat. Aber es gibt ja immer noch die eigene künstlerische Freiheit. :) Und ich denke, dass man sich darüber streiten kann, also nehme ich dir es nicht übel.

In dem Sinne, der OS war wirklich lesenswert, wenn auch etwas schade, dass dadurch deine OS Sammlung ein Ende findet. :)
Antwort von:  Luthien-Tasartir
04.04.2014 18:03
Hey, dankeschön für deinen lieben Kommentar. :)
Bei dem Qualm hast du durchaus einen Punkt, danke dass du mich darauf hingewiesen hast. Wenn ich mal die Muse dazu habe, werde ich das auch noch etwas umschreiben. :)
Antwort von:  Chevelle
04.04.2014 18:07
Ja, ist ja auch kein Fehler in dem Sinne. Kann ja noch jeder für sich entscheiden :)
Von:  Lingo
2013-05-06T06:27:13+00:00 06.05.2013 08:27
Türchen, das.... wieso? Q ___ Q
Es ist wunderbar geschrieben, ich hab gegen Ende des Epilogs halb geweint und es wäre eine absolute Lüge zu sagen, ich hätte deine OneShot-Sammlung nicht genossen.... aber warum tötest du Felix an meinem Geburtstag? D:
Ich bin ja immer noch hin und her gerissen, ob der Tod "ihm würdig" gewesen ist. Starb bei einem "kleinen" Auftrag, mehr oder minder freiwillig, nach dem Kampf gegen einen deutlich unterlegenen Gegner. Dass er es für Gianna macht, ist zwar seeeeeehr deutlich durchgekommen, aber... wieso? D:
Und der arme Demetri. D:
Außerdem gibt es jetzt keine OneShots mehr, weil alle sich um Felix drehen und es deinen Felix jetzt nicht mehr gibt. D:

Okay, um wenigstens ein wenig aus dem Gejammer herauszukommen, muss ich sagen, dass ich die Namen der Neulinggruppe toll fand, es hat mir total gefallen, dass du noch einmal ganz neue Nationalitäten hineingebracht hast. Übrigens ist es dir gut gelungen, der Neulinggruppe ein wenig Leben einzuhauchen, ohne jeden einzelnen von ihnen langweilig genau zu beschreiben.
Auch ist das Setting in weiter Zukunft nicht schlecht, wenn auch die Geschichte bis dato nicht allzu detailliert beschrieben worden ist, wekct es doch Interesse. ;)
Wobei ich zugeben muss, dass ich mir die letzten Filme Twilights nicht ansehen möchte/werde und mir nicht sicher bin, ob die Wachenleute da schon gestorben sind oder erst später in deiner Version.... :'D

Da mir gerade aufgefallen ist, dass ich dir für dein Geschenk und die Widmung gar nicht gedankt habe: 谢谢你, 我很高兴!
Antwort von:  Luthien-Tasartir
06.05.2013 10:09
Jaaaaa... tut mir leid. :'D Ich wollte eigentlich eine ganz romantische Schnulze reinbringen. GiannaXFelix halt, aber... naja, erinnerst du dich noch an den OS, den ich dir als aller erstes widmen wollte? Also den allerersten OS? DAS hätte er werden sollen und nach mehr als einem (anderthalb? 2?) Jahr, habe ich das dann endgültig aufgegeben und dann blieb nur noch der und... ja. :( Aber es ehrt mich, dass ich dich fast zum Weinen gebracht hätte. . . so merkwürdig das jetzt auch klingen mag. :')
Antwort von:  Lingo
06.05.2013 16:49
Daran hast du so ewig gesessen? Türchen, du bist hartnäckig. o _ o
Danke vielmals :)
Antwort von:  Luthien-Tasartir
06.05.2013 16:53
An der GiannaXFelix-"Schnulze", an der ich kläglich gescheitert bin. Das hier ist mir wesentlich einfacher gefallen.


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