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Cod3s

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Von Leere, Verzweiflung und Hoffnung

Das erste Mal seit Tagen schlief ich tief und lange und als ich am nächsten Tag aufwachte, fühlte ich mich erholt und wohl.

Doch etwas fehlte…

Die Augen noch geschlossen, tastete ich über das Bettlaken, in der Hoffnung, auf einen angenehm warmen und durchtrainierten Körper zu treffen- vergebens.

Stirnrunzelnd öffnete ich dann doch die Augen und sah mich um. Ich lag alleine in dem Bett, die Rollladen waren oben, sodass helles Sonnenlicht in den Raum fiel und die Tür war nur angelehnt. Ein Blick auf den digitalen Wecker ließ mich dann schnell in die Höhe fahren und aufstehen. Es war schon 10 Uhr durch… wahrscheinlich waren Nero und die anderen schon seit Stunden wach und planten alles genau durch. Mit eiligen Schritten ging ich zur Küche…

… und fand niemanden vor.

Vielleicht waren sie ja im Wohnzimmer…? Als ich dann auch hier niemanden antraf, begann mein Herz schmerzhaft schneller zu schlagen. Das konnte doch nicht sein- nein! Sie waren hier… irgendwo.

„Nero?!“

Nichts, keine Antwort. Ich rief noch einmal lauter, doch das Ergebnis war dasselbe. Ein Gedanke breitete sich in meinem Denken aus, den ich nicht wahrhaben wollte. Nero hätte mich hier nicht einfach zurückgelassen…

„Es war doch abgesprochen…“, murmelte ich unsicher und ging zurück in die Küche. Erst jetzt bemerkte ich die Kleidung, die auf dem Tisch lag- Neros Kleidung, die ich ihm damals besorgt hatte. Daneben lagen zwei Briefumschläge, einer davon mit meinem Namen beschrieben. Verwirrt nahm ich diesen und öffnete ihn. Ich habe damals zum ersten Mal Neros Handschrift gesehen. Die Buchstaben waren sehr kantig und mit wenigen Rundungen oder Bögen geschrieben worden, sodass ich das Gefühl bekam, dass sie nur ungern aufs Papier gebannt wurden. Der Text war an niemanden adressiert worden…
 

Ich möchte, dass du weißt, warum du heute Morgen alleine aufgewacht bist und es ist mir wichtig, dass du auch verstehst, dass ich alles, was heute passieren wird nur aus einem Grund tue. Wenn du das hier ließt, werden wir wohl schon lange unterwegs sein.

Mein Herz schlug schneller. Warum hatte er das nur geschrieben? Ich verstand doch alles, warum war er also ohne mich gegangen?

Ich habe lange nachgedacht- über diese ganze Situation, über Judgement und über uns. Du bist nur wegen mir hier, all die Sachen, die dir in den letzten Tagen widerfahren sind, waren meine Schuld- ich weiß, dass es damit wohl nicht getan ist, aber bitte glaube mir, dass mir das alles unheimlich Leid tut.

Entschuldigung angenommen, Idiot…, dachte ich schmunzelnd. Dennoch bereute ich nicht, mitgekommen zu sein.

Wenn ich es schaffe, Judgement zu zerstören, dann habe ich vielen Menschen geholfen, vielleicht sogar der ganzen Welt.( Der letzte Teil war fast bis zur Unleserlichkeit durchgestrichen) Aber das ist mir egal- wichtig ist mir, dass du in Sicherheit bist… Aber noch vielmehr will ich, dass du glücklich wirst.

Aber das bin ich doch…

Ich weiß, wie wichtig das für dich ist… für jeden Menschen.

Ich habe darüber nachgedacht, wie ich das schaffe…

Meine Hände begannen zu zittern. Was sollte das alles?

Ich möchte, dass du wieder lachen kannst.

Du bringst mich immer zum Lachen…

Du sollst ein normales Leben führen können.

Egal wie chaotisch es sein sollte, ich will es mit dir führen!

Du sollst keine Angst haben…

Die habe ich nicht, solang du bei mir bist!!

Ich möchte dich in Sicherheit wissen.

Und das kannst du nicht sein, wenn ich in deiner Nähe bin.

Meine Augen weiteten sich. Das konnte nicht sein…

Am besten wird es sein, wenn du dich gar nicht mehr an die Zeit erinnerst, in der ich in dein Leben getreten bin und alles durcheinander brachte.

Nichts soll dich an mich erinnern. Die Sachen, die ich von dir bekommen habe, hast du wahrscheinlich schon entdeckt und in dem Umschlag liegt das Geld, das ich dir schulde- es müsste genau stimmen.

Und bitte warte nicht auf uns in der Wohnung- Persephone wird diese Wohnung eh aufgeben. Mehr kann ich nicht tun, aber vielleicht ist irgendwann soviel Zeit vergangen, dass du alles vergessen hast. Du wirst glücklich werden und das ist mir wichtig.

Bitte bleibe so, wie du bist, denn du bist ein wunderbarer Mensch…
 

Ich liebe dich.
 

Es fiel mir immer schwerer das Blatt in den Händen zu halten. Ich starrte auf die Zeilen und dachte… gar nichts. Ich fühlte eine Leere in mir, eine Angst, als läge er tot vor mir. Ich bemerkte kaum, dass der Zettel durch meine Finger glitt, dass er beinahe lautlos zu Boden schwebte. Die Leere breitete sich aus und trotzdem hatte ich das Gefühl, als würde der Raum um mich immer kleiner werden. Ich bekam keine Luft mehr, fing plötzlich an zu keuchen und rannte, ohne darüber nachzudenken, zum Fenster und öffnete dieses weit. Ich lehnte mich raus, stützte meine Hände auf der kalten Fensterbank ab und atmete die eisige Luft ein. Ich schnappte regelrecht nach Luft, bis meine Lungen anfingen zu schmerzen. Die Leere verschwand, doch dafür wurde die Angst größer- ich hatte keine Angst vor der Höhe, in der ich mich befand oder vor den winzigen Autos, die unter mir herfuhren. Es war mehr die Angst etwas verloren zu haben und die Gewissheit zu verspüren, es nie wieder zu finden. Meine Finger umklammerten die Fensterbank krampfhaft.

Du wirst glücklich werden und das ist mir wichtig.

Tränen vernebelten meine Sicht, sodass ich sie einfach schloss und anfing zu schreien.

Nein, ich würde niemals glücklich werden. Das, was mich glücklich gemacht hätte, was ich zum Leben brauchte, war verschwunden.

Ich schrie, so laut ich konnte, Sekundenlang, Minuten, vielleicht auch sogar Stunden Ich wusste es nicht. Ich fühlte den kalten Wind, der mir mein Haar zerzauste und so heftig blies, als wolle er mir die Luft entreißen und mich so zum Schweigen bringen.

Irgendwann verlor ich den Kampf, meine Augen waren trocken und meiner Kehle entrang kein Ton mehr. Hilflos sank ich zu Boden und starrte in den Raum. Still und leblos breitete er sich vor mir aus und plötzlich wurde ich mir meiner Situation wieder bewusst. Ich war in einer fremden Wohnung irgendwo in einer Großstadt und hatte gerade alles verloren, was mir wichtig war. Aber…

Ich konnte wieder klar denken und erinnerte mich an ein Versprechen, dass ich mir, dass ich ihm gegeben hatte. Etwas flammte in mir auf. Das Versprechen, ihm zu helfen, egal was komme, bei ihm zu sein und ihm zu einem neuen Leben zu verhelfen…

Ich ballte die Hände zu Fäusten. Nein, es konnte doch nicht einfach so vorbei sein. Ich hatte die Möglichkeit gehabt, am Anfang auszusteigen, doch ich hatte es nicht getan, weil ich-

Hat er es jemals zu dir gesagt?, hallte mir Persephones Frage durch den Kopf. Die Hoffnung schien wieder zu erlischen, doch dann fiel mein Blick auf den Zettel am Boden. Zögernd nahm ich ihn in die Hand, flog über die Zeilen- und grinste.

Ja, antwortete ich Persephone in Gedanken, er hat es mir gesagt!

Ich las den letzten Satz fast zehnmal durch, immer wieder und jedes Mal flackerte das Licht in meinem Herzen stärker auf.

Nein, ich würde nicht aufgeben, niemals!

Doch meine Hoffnung bekam schnell wieder einen Dämpfer. Wo war er denn jetzt? Weg, nicht hier- diese Erkenntnis brachte mir recht wenig…

Energisch stand ich auf und lief in dem Zimmer auf und ab. Sie hatten nie erwähnt, wo genau sich Judgement befand… bei Hades, toll und wo war er? Ich war mir sicher, dass Olymp so etwas wie ein Hauptquartier besaß, doch darüber wusste ich noch weniger.

Ein Gedanke schoss beinahe schmerzhaft durch meinen Kopf. Hatte Persephone nicht vor kurzem etwas darüber erzählt, als ich heimlich gelauscht hatte? Etwas über die Hauptstadt?! Natürlich! Keuchend blieb ich stehen und fasste mir an den Kopf. Olymp musste seinen Sitz in der Hauptstadt haben! In einem Viertel, wo es nicht ungewöhnlich war, wie ein Matrix- Fanatiker rumzulaufen… und so etwas gab es meistens nur in größeren Städten. Hätte ich noch mehr Stimme gehabt, hätte ich wahrscheinlich wieder angefangen zu schreien- diesmal allerdings aus Erleichterung. Schnell lief ich in mein Zimmer und zog das erstbeste an, was ich in die Finger bekam- die Wahl fiel somit auf das lange T-Shirt, das ich am Vortag von Persephone geschenkt bekommen hatte, dazu noch meine Jeans und die Stiefel. Ich schnappte mir das Geld, das auf dem Tisch in dem Umschlag gelegen hatte und verließ eilig die Wohnung.

Ein Blick auf eine der unzähligen Uhren in der Stadt verriet mir, dass wir schon fast 12 Uhr hatten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Ares und Persephone vorhatten, am helllichten Tag in ein Gebäude einzubrechen, ich hatte also noch ein wenig Zeit. Eilig suchte ich die Straßen und Wege nach einem Taxi ab. Natürlich war keins da- wie immer, wenn man eines mal brauchte.

Irgendwann tauchte dann doch eines auf und erleichtert hielt ich dem heranfahrenden Auto den Daumen entgegen.

Vergebens… Es wurde nicht einmal langsamer.

Fassungslos schaute ich dem Taxi hinterher, dann machte sich Wut in mir breit.

„Mistkerl!!!“, schrie ich und warf ihm eine rüde Handbewegung nach, dass mich einige Passanten schräg anschauten. Meine Wut herunterkämpfend fuhr ich mir durchs Haar und sah mich weiter um. Irgendwie musste ich doch hier weg kommen…

Die Hauptstadt lag einige Kilometer von hier entfernt, was sollte ich also anderes-

Etwas weiter die Straße hinunter stand ein großer LKW mit dem Kennzeichen der Hauptstadt, in den gerade ein Mann einstieg.

… Sollte ich vielleicht trampen? Eine Möglichkeit wäre es, aber es wäre riskant. Viel Gutes hatte ich nun nicht über diese Art des Reisens gehört, aber hatte ich denn eine Wahl? Und vor allem: konnte mich denn eigentlich noch irgendetwas schocken? Im Gegensatz zu den Dingen, die ich erlebt hatte, war trampen ja wohl das kleinste Übel…

Ich hatte keine Zeit mehr, über die Folgen meiner Tat, mit fremden Männern Verhandlungen zu führen, nachzudenken- hatte ich das nicht auch schon erlebt?! – denn der Lkw setzte sich in diesem Moment in Bewegung. Hastig lief ich auf den Wagen zu und winkte heftig mit den Armen, doch die Reaktion blieb auch hier aus. Neue Wut stieg in mir auf. Nicht noch einmal!

Ich sprang auf die Straße, blieb stehen und breitete die Arme aus. Augenblicklich bremste der Lkw- Fahrer mit quietschenden Reifen ab und nur einen knappen Meter vor mir kam der Koloss zum Stillstand. Erschrocken blieben Fußgänger stehen, manche riefen mir sogar etwas zu. Obwohl meine Beine zitterten, beeilte ich mich zur Beifahrerseite des Führerhauses zu gehen, aus dem schon der Mann mit weit aufgerissenen Augen auf mich hinabstarrte.

„Bist du verrückt?!“, schrie der Fahrer entsetzt. Unbeirrt riss ich die Tür auf und kletterte halb in die Kabine. „Fahren Sie in die Hauptstadt??“

Der Mann blinzelte ungläubig und nickte. „Ja, da wollte ich hin, aber-“, er schien sich zu besinnen und schüttelte energisch den Kopf. „Was soll der Mist?! Wenn du lebensmüde bist, such’ dir einen anderen Wagen, vor den du dich schmeißen kannst!“

Ich machte eine wegwischende Handbewegung. „Das will ich doch gar nicht! Ich muss in die Hauptstadt!“

Er starrte mich erst fragend an, dann verstand er meine Worte und schüttelte wieder den Kopf. „Auf keinen Fall! Ich nehm’ dich nicht mit!“

„Bitte, ich muss dahin!“, flehte ich. „Ich bezahl auch! Ich habe Geld.“ Der Mann schwieg und schien noch mit sich zu ringen und erst als die Autos hinter ihm anfingen zu hupen, verdrehte er genervt die Augen. „Schön! Steig ein!“, murrte er.

Ich begann zu strahlen. „Danke!“, rief ich glücklich und setzte mich auf den großen Beifahrersitz.
 

Die meiste Zeit der Fahrt saß ich stillschweigend da und schaute in der Gegend herum. Ich hatte keine Lust weiter über mein Anliegen zu reden, geschweige denn meinem Fahrer die Wahrheit zu sagen- er hätte mir eh nicht geglaubt. Zum Glück fragte er auch nicht, sodass die Reise wortkarg verlief.

Der Laster hielt nach einigen Stunden Autobahn in einem noblen Viertel.

„Weiter kann ich dich nicht mehr mitnehmen.“, sagte der Mann. „Die Leute warten schon ungeduldig auf ihre Möbel.“

Ich schüttelte den Kopf. „Sie haben mir sehr geholfen- danke vielmals.“

Ich suchte in meiner Tasche nach dem Geld, was er mir hinterlassen hatte, aber der Mann legte plötzlich die Hand auf den Beutel und lächelte. „Lass’ nur. Die Fahrt ging aufs Haus.“

Ich schaute ihn lange an, wollte noch etwas sagen, doch dann war er schon ausgestiegen und ging seiner Arbeit als Möbellieferant nach.
 

Der Hauptbahnhof war zum Glück nicht weit weg von der Stelle, wo der Laster angehalten hatte. Kurz schaute ich auf den Fahrplan der Züge und nach langem hin und her fand ich einen, der mein Ziel ungefähr ansteuern würde. Wenig später saß ich in einem Zug, auf dem Weg ins wohl ungemütlichste Viertel der ganzen prächtigen Hauptstadt, die nicht ansatzweise mit meinem ruhigen Heimatdorf zu vergleichen war…

Die Station, bei der ich aussteigen musste, war die letzte auf der Route, sodass der Zug immer leerer wurde, bis sich nur noch ein paar Leute, die sehr gut in die Umgebung passten, in ihm aufhielten. Eine junge Frau mit auffallend roten Haaren saß mir gegenüber, die mich immer wieder misstrauisch anstarrte. Ich versuchte ihre Blicke zu ignorieren und stattdessen an meinen Schuhspitzen irgendetwas Interessantes zu finden. Eine mechanische Frauenstimme sagte die Endstelle an und mir wurde auf einmal mulmiger in der Magengegend. Ich wusste nicht was mich erwarten würde, aber es würde bestimmt nichts schönes sein. Ich spannte meinen Körper an um das aufkommende Zittern zu unterdrücken.

„Mach keinen Scheiß, Kleine…“

Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und starrte die Frau an, die mir gegenübersaß. Sie war sehr freizügig angezogen: Ein T-Shirt mit tiefen Ausschnitt, ein Rock, den ich wahrscheinlich als Gürtel benutzt hätte und schwarze Lackstiefel, die fast bis zur Mitte der Oberschenkel reichten.

„Egal was, es kann nicht so schlimm sein, dass du dein Leben so wegschmeißt.“, vollendete sie ihren angefangenen Satz und in ihrem stark geschminkten Gesicht las ich Mitleid.

Ich brauchte einige Sekunden, um ihre Worte zu begreifen, doch dann schüttelte ich heftig den Kopf. „Oh nein, Sie verstehen das falsch, ich-“

Die Frau stand plötzlich ruckartig auf, sodass ich verstummte.

„Dann hast du dort auch nichts zu suchen.“, sagte sie nun im veränderten Tonfall. „Da draußen herrschen andere Sitten und Regeln. Kehr um.“

Der Zug hatte in der Zwischenzeit angehalten. Die Frau warf mir noch einen warnenden Blick zu, dann machte sie kehrt und stieg aus. Mit klopfenden Herzen saß ich da und starrte zu Boden. Sie hatte Recht… ich gehörte da nicht hin, ich könnte mich nicht einmal richtig wehren, wenn-

Ich brach den Gedanken ab. Nein! Es war meine einzige Chance! Ich konnte nicht umkehren- nicht jetzt! Schnell stand ich auf und sprang noch rechtzeitig aus dem Zug, ehe sich seine Türen wieder schlossen.

„Warten Sie!“, rief ich atemlos und rannte ihr hinterher. Verwundert drehte sich die Frau um und schaute mich wütend an. „Du bist dumm! Hau endlich ab!“, fauchte sie und wollte weitergehen, doch ich erwischte sie noch am Arm.

„Das kann ich nicht…“, antwortete ich keuchend. Stirnrunzelnd starrte sie auf mich herab und schwieg. Einige Leute, die um uns herumstanden, schauten mich misstrauisch an, einige riefen mir etwas zu, was mich peinlich erröten ließ. Alles in mir sträubte sich, länger hier zu bleiben.

„Ich suche jemanden.“, sagte ich, als die Frau immer noch nicht reagierte. Ihr Blick wurde wieder weicher und sie fuhr sich mit der freien Hand durch die gestylten Haare.

„Mädchen, tu dir den Gefallen und such’ dir nen anderen Job.“, seufzte sie verzweifelt. „Glaub’ mir, so toll ist das nicht, das hast du nicht nötig!“ Wieder schüttelte ich energisch den Kopf. „Verdammt noch mal, deswegen bin ich nicht hier!“, rief ich wütend.

„Weswegen dann?!“

Ich zögerte. Was ist, wenn sie mit Hades in Verbindung stand? Wenn ich ihr dann von Nero und den anderen erzählte, könnte ich sie in Gefahr bringen…

„… Ich suche das Hauptquartier von Olymp.“, flüsterte ich. Die Brauen der Frau schossen augenblicklich in die Höhe. „Olymp? Was hast du mit diesen Spinnern zu tun?“

„Das kann ich nicht sagen… Wissen Sie was oder nicht?“

Die Frau schwieg kurz, dann zuckte sie mit den Schultern. „Ich nicht, aber ich kenne jemanden, der über Olymp bescheid weiß.“

Meine Augen weiteten sich und mein Herz begann schneller zu schlagen. „Könnten Sie mich zu ihm bringen?“

Sie nickte, aber gleichzeitig verfinsterte sich ihr Blick wieder. „Ja, könnte ich.“

„Bitte…“, flehte ich und schaute ihr tief in die Augen. Sie hatte wunderschön tiefgrüne Augen, die in ihrem sonst sehr unnatürlich geschminkten Gesicht hell und klar leuchteten. Sie schaute noch einen Moment misstrauisch, doch dann fiel jeder Zweifel aus ihren Zügen und ein Seufzen entrang ihrer Kehle. „Schön, komm mit. Aber ich garantiere für nichts.“

Ich wäre ihr am liebsten um den Hals gefallen, hätte sie sich nicht sofort auf dem hohen Absatz umgedreht und wäre gegangen.

„Danke!“, rief ich stattdessen und folgte ihr. Kopfschüttelnd ging sie die Straße hinunter. „Kleine Mädchen wie du sollten sich nicht mit solchen Vereinen wie Olymp einlassen. Die sind eine der Schlimmsten.“

„Ja, das habe ich auch schon mitbekommen.“, lachte ich bitter auf, doch die Frau ließ meinen Satz unkommentiert.

„Wie heißt du eigentlich?“

„Fin- eigentlich Finja, aber alle nennen mich Fin. Und Sie?“

„Nenn’ mich Rose.“, sagte sie lächelnd. „Und lass das Gesiezte… So alt bin ich auch wieder nicht.“ Ich musste schmunzeln und nickte.

Wir gingen etwa fünf Minuten einige Straßen entlang. Zu meiner Verwunderung wurden wir so gut wie gar nicht von irgendwelchen Männern angemacht oder belästigt. Rose sah nicht unschuldig aus, aber auch nicht unglaublich stark, sodass ich damit gerechnet hatte, dass sie von den Männern hier angesprochen wird- man schaute uns zwar hinterher, aber kein einziges Mal wurden wir aufgehalten und darüber war ich ganz froh. Ich fühlte mich immer noch unwohl, meine anfänglichen Zweifel und Ängste waren jedoch beinahe vergessen.

Irgendwann bogen wir in eine breite Straße ein und obwohl es gerade mal zu dämmern begann, leuchtete es überall von den Reklametafeln bunt und zuckend auf; einige warben für die alltäglichen Dinge des Lebens wie Getränke, Zigaretten oder Hautcremes, die meisten aber priesen ihre leicht bekleideten Damen an.

Rose steuerte eins der größeren Hochhäuser an, die sich hier sehr weit erstreckten, drängte sich an den unten wartenden Männern vorbei und ging schnellen Schrittes durch den weiten Raum des Gebäudes. Ich blieb zögernd stehen und begutachtete die Türsteher- oder auch anders herum…

Mit hochgezogener Augenbraue und verschränkten Armen standen sie da und ich fühlte mich unangenehm an Ares und Äneas erinnert. Rose war in der Zwischenzeit, nachdem sie anscheinend mein Zurückbleiben bemerkt hatte, zum Eingang zurückgekehrt.

„Die Kleine gehört zu mir.“, meinte sie bloß und zog mich am Arm herein.

„Wenn du so zaghaft durchs Leben gehst, überlebst du hier nicht lange.“, raunte Rose mir dann zu, als wir etwas Abstand zu den Männern hatten.

Als wenn ich das wollte, dachte ich. Wenn es nach mir gehen würde, würde ich jetzt zuhause sitzen, mir das Vorabendprogramm im Fernseher anschauen und Kaffe trinken- oder meine Wäsche waschen… oder putzen… oder sonst irgendetwas ungefährliches machen.

Da hatte ich den Beweis: Liebe machte nicht nur blind, sondern auch verdammt dumm- ich war wohl das beste Beispiel dafür…

Während ich meinem geregelten Leben nachtrauerte, hatte mich Rose zum Fahrstuhl am anderen Ende des Raumes gezerrt. Es schien sich bei diesem „Raum“ um ein Foyer zu handeln, allerdings sah ich keinen anderen Menschen- selbst die Rezeption war nicht besetzt.

Erinnerungen stiegen in mir hoch, die ich doch schnell genug verscheucht bekam, ehe ich in dem roten Teppich riesige Blutlachen zu sehen begann.

Der Fahrstuhl brachte uns in das 8. Stockwerk, das Rose erneut mit eiligen Schritten durchschritt. Türen reihten sich zu unserer linken Seite aneinander, während ich durch die riesige Fensterseite zur rechten die stetig untergehende Sonne beobachten konnte.

„Noch kann ich dich zurückbringen, Fin.“, riss mich Roses Stimme aus meinen Gedanken. Ich schüttelte ernst den Kopf. „Das brauchst du nicht.“

Wieder seufzte sie. „Gut. Dann komm mit. Aber ich sag’s dir gleich: ich weiß, dass er etwas über Olymp weiß- ob er es dir verrät, is’ ne andere Kiste.“

Ich nickte. Wir waren am Ende des Ganges angelangt und standen nun vor einer zweiflügligen Tür aus dunklem wertvoll aussehendem Holz. Rose zupfte ihre Sachen noch einmal zurecht, klopfte dann laut und drückte auf einem knappen „Herein“ beide Flügel gleichzeitig auf und trat in das dahinter liegende Zimmer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  blacksun2
2012-05-01T09:53:10+00:00 01.05.2012 11:53
OH NEIN
Was tut sie da. Ist sie vollkommen verrückt geworden?!
Da ist es ja ungefährlicher mit geschlossenen Augen quer über eine dichtbefahrene Kreuzung zu spazieren

Aber ich will mich erst einmal beruhigen, und zum Anfang des Kapitels springen
Das war wunderbar emotional. Ihre Verzweiflung hast du perfekt rübergebracht, aber auch wie langsam Hoffnung in ihr aufkeimt
Und eigentlich ist Nero schuld, dass sie ihm nun hinterherrennt, warum schreibt er denn bloß „ich liebe dich“ – das provoziert das ja gerade

Rose fand ich unglaublich freundlich, ohne sie wäre Fin wohl aufgeschmissen gewesen
Aus Fins Sicht verstehe ich ihr Handeln, aber aus der Sicht eines neutralen Lesers, halt ich sie für bescheuert – sie trifft sich mit irgendjemanden, der möglicherweise vom Olymp ist – der Organisation gegen die ihr Liebster gerade kämpft,
wenn das gut geht, dann fress ich nen Besesn o.O


du merkst, ich fieber mal wieder voll mit. Ich glaub ein besseres Feedback, als ein Leser, der beim Lesen fast vom Stuhl aufspringt, gibt es nicht ^^

glg
blacksun

Von:  Thuja
2011-10-19T04:51:23+00:00 19.10.2011 06:51
Bei dem Brief haben meine Beine geschlottert
Das passiert mir ganz selten
Doch er war sooo emotional *snief*
Gerade durch ihre gedanklichen Einwürfe. Das hast du grandios gemeistert
*wasser in den Augen habe*
*dich flehentlich ansehen.
Du lässt es glücklich für sie enden???
Richtig!!!!1
Alles andere könnte ich dir nicht verzeihen. Die beiden gehören zusammen. Fins Reaktion auf den Brief war auch wieder so überdurchschnittlich genial geschrieben. Und dann ihr Entschluss. So mutig und auch clever, wie sie Olymp auf eigene Faust näher gekommen ist. Aber sie tut es aus Liebe. Und feige war sie eigentlich noch nie.
Hoffen wir nur, dass ihr Mut auch belohnt wird.
Für deinen Stil würde ich dir am liebsten eine Auszeichnung verleihen.
Mädel, du schreibst genial!!!
Tja, nun bin ich gespannt, wem sie in diesem Büro gegenübertritt.



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