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Es liegt in der Familie

Ein Halbdämon, zwei Hundedämonen und zwei Organisationen
von

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Bombenstimmung

Im Büro des verlassenen Lagerhauses schwiegen sich die Halbbrüder in der abendlichen Dämmerung an. Sesshoumaru warf immer wieder einen scheinbar gleichgültigen Blick auf die Digitaluhr, deren Zahlen in geradezu widersinnig rasender Eile zurückliefen.

„Keh!“ machte Inu Yasha matt: „Dieser Drache und sein Berater…da fragt sich, wer der größere Schuft von beiden ist.“

Sesshoumaru holte tief Atem. Die Bannfesseln und die Verletzungen schmerzten, auch, wenn er das nie zugegeben hätte.

Der Jüngere hatte es jedoch gehört und bemühte sich, sich nicht zu bewegen. Diese dämliche, zu groß geratene Eidechse hatte gesagt, dass es umso schlimmer wäre, je stärker der Dämon sei – und das würde sein Halbbruder sicher zu spüren bekommen. Umgekehrt konnte er davon ausgehen, dass die Schmerzen an seinen Hand- und Fußgelenken und seinem Hals nur halb so arg waren. Moment mal. Heute war eigentlich kein Abend, an dem er normalerweise unterwegs gewesen wäre. Unwillkürlich versuchte er zurückzublicken: „Kannst du zum Fenster sehen? Geht die Sonne unter?“

„Ja. Bald.“ Und bald würde Vater sterben, würde er selbst sterben…Er warf erneut einen Blick auf die Uhr. Nur noch vierzig Minuten, ehe die Explosion hier alles in Stücke reißen würde. Und wie würde er sterben? An einen Bastard gekettet…nein, an Inu Yasha. Der Junge zeigte mehr Mut als er von einem Halbblut je erwartet hätte. Nun gut. Er war in der Tat chichi-ues Sohn.
 

„Wie lange noch?“ Der Halbdämon wusste, er brauchte nicht auszusprechen, dass es um die Uhr ging.

„Vierzig Minuten.“

„Und die Sonne..?“

Oder begann der Junge doch jetzt vor Furcht irre zu reden? „Was meinst du?“

„Dieses komische Reptil hat einen Fehler gemacht, wenn wir Glück haben.“

Glück könnten sie zur Abwechslung mal brauchen, aber was meinte der Halbdämon?

Inu Yasha zögerte einen Moment, ehe er beschloss, dass er sein Geheimnis auch gleich verraten konnte. Schließlich würde es Sesshoumaru bald sehen: „In einer Neumondnacht werde ich zu einem reinen Menschen. Und einem Menschen machen diese Fesseln nichts aus, das hat doch dieser Naraku selbst gesagt. Dann bekomme ich die Ketten ab und kann die Bombe entschärfen.“

Das klang nicht schlecht, aber Sesshoumaru unterdrückte seine einzige Hoffnung sofort wieder: „Du und eine Bombe entschärfen?“

„Hör auf, auf mir herumzuhacken! Ich habe immerhin Chemie-Leistungskurs. Und erzähle mir nicht, dass du einen besseren Plan hast!“

Nein, den hatte er nicht, das musste er zugeben: „Hast du Erfahrung?“ fragte er nur. Er selbst hatte zwar schon zugesehen, wie der Sprengmeister den Lagerschuppen des Clans samt den zu schmuggelnden Waffen in die Luft gejagt hatte, aber das half hier wohl kaum weiter.

„Die werde ich schnell bekommen“, meinte Inu Yasha ingrimmig. Es war ihre einzige Chance das hier zu überleben. Und Vater…ja….zu was hatte ihn der Drache erpressen wollen? Er stellte die Frage laut.

„Ein Duell“, kam die prompte Antwort. „Unter erschwerten Bedingungen, denn Ryuukossei wird behaupten, dass wir leben und er uns laufen lässt, wenn…“ Vater würde nicht richtig kämpfen können und ganz sicher würde man ihm verbieten den Höllendrachen zu beschwören. Eine langsame, unehrenhafte Hinrichtung.

Der junge Halbdämon holte tief Atem, ehe er einfach sagte: „Das tun wir. Wir leben. Und wie. Diese Eidechse wird sich noch wundern.“

Seltsamerweise spürte Inu Yasha, wie sich die Finger seines Halbbruders daraufhin zum ersten Mal kurz um die seinen schlossen. Sie waren sich also einig.

„Ich habe gerade eine Idee“, meinte er: „Diese Vollidioten haben mich nicht durchsucht. In meiner hinteren Hosentasche ist mein Handy. Wenn du es rausziehen kannst und wir jemanden anrufen…?“

„Der öffnet die Tür und löst die Zündung aus.“ Es fiel ihm immer schwerer sachlich zu denken. Nicht, wenn er auf diese rasende Uhr blickte.

„Das müsste man ihm eben sagen. Myouga könnte doch durch das Fenster…?“ Das war allerdings vergittert und zusätzlich auch noch mit diesen dämlichen Bannsprüchen versehen. Kein Dämon kam doch da durch, außer, wenn er ganz winzig wäre.

Wie alt war der Junge? „Deine Phantasie stammt aus dem Fernsehen, oder?“ Er hatte sich ab und an damit beschäftigt, das dann aber als irrelevant und irreal eingestuft. Nur noch Nachrichten sah er sich an.

Inu Yasha betrachtete das durchaus zu Recht als Kritik und knurrte daher: „Weißt du, mein Leben war eigentlich ganz friedlich, bis ich otou-san traf. Ich meine, ich will mich bestimmt nicht beschweren, er ist wirklich in Ordnung, aber irgendwie saß ich früher nie in einem alten Lagerhaus auf einer Bombe.“

Also war er doch nervös. Nun, er selbst ja auch. Das war kein ehrenhafter Tod für einen Dämon – wohl für niemanden. „Ich habe schon im Krieg mitgekämpft. Und Duelle bestanden. So ist das Leben von Dämonen.“ Das war alles, was er als Beruhigung sagen konnte.

„Na, klasse. Dann lass es mich so ausdrücken: es ist ja irgendwie auch nicht meine Vergangenheit, die mich beschäftigt, sondern meine mögliche Zukunft.“

Nur eine mögliche Zukunft? Der junge Hundedämon ertappte sich dabei, fast amüsiert zu sein. Optimist war der Kleine, das musste er ihm lassen.

„Endlich!“

Es war dunkel geworden und beide bemerkten die jähe Veränderung in der Magie, die körperliche Wandlung Inu Yashas. Sesshoumaru wandte den Kopf, als er dies spürte, auch fühlte, dass sein Halbbruder die Fesseln abstreifte. Seine Augen waren gut genug, um selbst in der Finsternis zu erkennen, wie sehr sich der Andere gewandelt hatte. Schwarze lange Haare, keine Ohren mehr auf dem Kopf, keine Klauen. Er war in der Tat zu einem schlichten, jämmerlichen Menschen geworden.

Der Jüngere tastete sich behutsam vorwärts: „Hier muss doch irgendwo die dämliche Tür sein…“

Mit Sorge, eher leiser Panik, erkannte der Hundedämon, wohin der Junge griff: „Vorsicht, das Kabel! Was machst du denn da?“

„Licht. In dieser Gestalt kann ich so nichts sehen.“

Auch das noch. „Der Schalter ist drei Schritte vor dir. Fass höher.“ Nicht, dass der jetzt noch das Kabel zerreißen würde.

Als Licht aufschien, drehte sich Inu Yasha um. Er fühlte sich schwach, die Verletzungen schmerzten jetzt auch wieder mehr, aber immerhin wirkte Sesshoumaru schon mal deutlich erholter. Falls jemand ihren kleinen Ausbruchsversuch bemerkte, würde der allein kämpfen müssen: „Ich mach dich auch los, dann guck ich nach der Bombe, ja?“

„Mach jedenfalls schnell.“

„Ja, schon klar. Und erst mal drehe ich den blöden Wecker um. Ich will gar nicht wissen, wie viel von den restlichen zwanzig Minuten schon um sind.“

„Sicher?“ fragte der ältere Halbbruder doch irritiert. Menschen- oder Halbdämonmanie? Er hätte immer gern gewusst, wann er zu sterben hatte.

„Sicher.“ Er drehte ihn um, ehe er sich um die Bannfesseln kümmerte: „Das könnte mich nervös machen. Und ich denke mal, dass auch dir klar ist, dass das im Moment nicht zu gebrauchen wäre.“

„Dann mach.“ Endlich waren diese peinlichen, schmerzenden Fesseln weg. Das erste Clamitglied, das ihm über den Weg lief, war schon so gut wie tot.
 

Inu Yasha trat vor das Alupaket und betrachtete es, ehe er behutsam begann, die Folie zu lösen. Dann erst fiel ihm ein, wie nervös er war – und wohl auch sein Zuschauer: „He, Sesshoumaru….ich meine, nii-san, kannst du mir einen Gefallen tun? Erzähle mir irgendetwas Nettes aus deiner Kindheit. Welche Ausbildung hast du bekommen?“

War der jetzt völlig verrückt geworden? Aber dann begriff Sesshoumaru, dass Inu Yasha seine Gedanken und Finger zwar auf den Auslöser konzertieren wollte, aber nicht auf seine Angst. „Nach der Trennung meiner Eltern blieb ich bei Vater. So war es zwischen ihnen abgemacht. Jeder Vater will seinen Erben schließlich selbst erziehen. Ich lernte Schwertfechten und auch Nahkampf, Klauentechniken. Das steht dir auch noch bevor.“ Er war nie gut im Reden gewesen, aber wenn dieser verwünschte Drache einmal die Wahrheit gesagt hatte, würde es nichts helfen die Tür aufzureißen, damit die Explosion auszulösen, und zu versuchen das Lagerhaus zu verlassen. Nicht einmal er wäre schnell genug. Und mit Inu Yasha als Beigepäck in dieser jämmerlichen Form schon zweimal nicht.

Was hatte er da gerade gedacht?

Doch, gab er zu. Er würde ihn mitnehmen. Ohne seinen Halbbruder wäre er diese Fesseln noch nicht einmal losgeworden. Und was auch immer der da gerade anstellte – das war mehr, als er vermocht hätte. Dämonen legten in der Regel keine Bomben – nun ja, er hatte eine durch einen Menschen legen lassen. So meinte er: „Auch andere Dinge wirst du noch lernen. Chichi-ue will dich studieren lassen.“

„Ja, ich würde gern Touristik studieren, viel reisen“, murmelte Inu Yasha, der behutsam an den Kabeln zog: „Das ist ja mal eine gute Nachricht.“

„Dass du studieren kannst?“ kam prompt die irritierte Rückfrage.

„Guck dich mal um. Das hier war doch ein Büro. Siehst du einen Kühlschrank?“

Sesshoumaru wusste zwar, wie ein Kühlschrank aussah, aber das war auch alles. Und was sollte dieses Gerede? Aber man musste wohl mit niemandem diskutieren, der gerade mit einer falschen Bewegung eine mörderische Explosion auslösen konnte: „Ein kleiner, dort. Aber der wird leer sein.“

„Wenn du gute Kontakte zu wem auch immer hast, bete, dass da Milch drinsteht. Das hier ist ein Säurezünder. Milch ist eine basische Flüssigkeit und würde ihn neutralisieren.“ Leider waren es drei Zünder. Der hier, der nach einer unbekannten Zeit auslösen würde, der andere an der Uhr und der dritte das Kabel zur Tür.

„Wasser nicht?“

„Nein.“

Der Hundedämon wandte sich um und öffnete den Kühlschrank Dabei fiel ihm auf, wie der Jüngere dastand: die Zündung in der Hand ohne zu zittern. Nein, feige war der nicht. Und das hier, egal wie es ausging, würde er ihm auch in der Unterwelt nie vergessen: „Keine Milch.“ Nun, gar nichts.

„Es ist wirklich nicht unser Tag….Verdammt!“

„Was?“

„Ich kann den Zünder nicht weiter ausbauen, ohne dieses blöde Kabel zur Tür zu sehr zu spannen.“

„Dann muss das zuerst beseitigt werden.“

„Zerreiß es ja nicht.“

„Halt mich doch nicht für töricht!“

„Schon gut. – Also, klar, du musst es von der Türklinke abwickeln und dann so zerreißen, dass die Spannung erhalten bleibt….am besten vielleicht da um das Schreibtischbein wickeln.“

Sesshoumaru konnte sich nicht entsinnen, je von jemandem außer seinen eigenen Eltern Befehle entgegengenommen zu haben, aber es war die beste Lösung, das gab er zu. Überdies – wenn der Welpe das Zittern bekam und den Zünder fallen ließ, würde ihm wohl kaum mehr Zeit genug bleiben, dem dafür auch nur noch einen Faustschlag zu verpassen. So löste er das Kabel ab und zerriss es, mit der Linken die Spannung haltend, ehe er es um das Tischbein wickelte, verknotete. „Wir können hier heraus….“ Warum war er nicht zuvor selbst auf die Idee gekommen? War er denn so nervös?
 

Beide erstarrten. Ihre Ohren, selbst Inu Yahas in Menschenform, waren gut genug um das leise Klick der Uhr gehört zu haben. Im nächsten Moment stand der Hundedämon an der Tür und stieß diese auf, machte einen gewaltigen Satz die beidseitige Rampe davor nach rechts hinunter. Als er hergeschafft worden war, hatte er nur den Boden gesehen und wusste daher nicht, welche Richtung die richtige war, aber dort war eine metallene Tür. Der Ausgang?

Inu Yasha hatte ebenfalls aus dem Klick geschlossen, dass ihre Frist abgelaufen war. Alles war ihnen noch blieb war die hauchdünne Chance weit genug wegzulaufen. Und das in dieser erbärmlichen Menschenform. Einen dümmeren Tag hatte sich der Neumond nicht aussuchen können. Er rannte, so hastig er es so vermochte, geradeaus die Treppe hinunter, die er hochgebracht worden war, die Rampen nach rechts und links in der Eile dabei ignorierend.

„Inu Yasha!“

Sein Name, so scharf ausgesprochen, ließ ihn seitwärts blicken, Sesshoumaru drehte an dem kreisrunden Griff einer Stahltür. Ja. Vielleicht wäre es dahinter sicher, vielleicht würde sich die Explosion mehr auf das Büro beschränken. Dieser dämliche Drache hatte doch gesagt, dass dort der Sprengstoff untergebracht worden sei. Er hastete hinüber, fühlte sich fast brutal gepackt und durch die Tür mitgezogen, die sein Halbbruder gerade aufriss. Dahinter war Dunkelheit.

Beide rechneten mit einer weiteren Halle und wurden von dem Sturz in die tiefe Schwärze überrascht. Ehe noch selbst Sesshoumaru mitbekam, dass sie durch den Absatz einer zerstörten Treppe fielen, prallten sie schon in das stinkende, eiskalte Wasser, das vom Hafen hier hereingedrückt wurde.
 

Für einen Moment erstarrten beide, ehe der junge Hundedämon um sich zu schlagen begann, um wieder an die Oberfläche zu kommen. In Menschenform konnte er nicht schwimmen. Inu Yasha hatte es dagegen gelernt und wollte eigentlich nur einen Armzug machen, um nach oben zu gelangen, als eine heftige Detonation alles um sie erzittern ließ. Irgendetwas Großes stürzte knapp vor ihnen in das Becken, verursachte selbst unter Wasser weitere Wellen, und ihnen wurde klar, dass ihre Glückssträhne noch angehalten hatte. Wären sie nicht im, unter Wasser gewesen, hätte die Explosion sie mit getroffen.
 

Da Stille herrschte, machte Inu Yasha jetzt doch den Zug um vorsichtig aus dem Wasser zu gucken und nach Luft zu schnappen. Erschreckt erkannte er, was da so knapp an ihnen vorbei gefallen war: die Stahltür von oben, denn Nacht schimmerte hinein. Bei ihrem Sturz hatte sie wohl die sowieso schon beschädigte Treppe weiter zerstört. Wo steckte denn eigentlich Sesshoumaru? Er sah sich im Dunkel um, so gut es ging: „He, Sess…?“ Er erkannte dann seinen Halbbruder, der etwas mühsam auftauchte. Konnte der etwa nicht schwimmen? Ohne nachzudenken packte er ihn am Arm: „Ich zieh dich hier zur Treppe!“

Gewöhnlich hätte Sesshoumaru jeden getötet, der ihn ungefragt anfasste, aber diesmal war er zu froh hinübergezogen zu werden. Anscheinend konnte der Jüngere schwimmen, selbst in dieser Menschenform, selbst mit ihm. Als er sich am Metall festhielt, setzte sein sachlicher Verstand wieder ein. Die Tür wurde ausgerissen. Also war vom Lagerhaus wohl nicht mehr viel übrig. Ryuukossei würde sie folglich für tot halten. Die Treppe war noch mehr zerstört worden. „Kommst du in dieser jämmerlichen Form hinauf?“

„Keh!“ Inu Yasha hätte zu gern gewusst, wie der Hundedämon aussah. Sicher ebenfalls vollkommen durchnässt, aber das wäre ein Foto wert gewesen, mit dem man ihn als Retourkutsche die nächsten hundert Jahre ärgern konnte. „Ich sehe nicht mal, wieweit die Treppe noch existiert, du Schlauberger.“

Statt einer Antwort fühlte er sich um die Taille gepackt und in die Luft gehoben. Anscheinend ohne jedes Problem nahm ihn sein Halbbruder mit empor und setzte ihn ab. Dann erst erkannten beide im Schimmer der Sterne, was passiert war. Das Büro existierte nicht mehr. Die eigentliche Lagerhalle lag vor ihnen in rauchenden Trümmern. Eine Art Feuersturm schien durchgetobt zu sein. Vereinzelte Feuerquellen verrieten noch die Hitze unter dem Beton. Nichts und niemand, weder Dämon noch Mensch, hätten dieses Inferno überlebt. Sie hatten schlichtweg ungeheures Glück gehabt, in diesem Moment unter Wasser gewesen zu sein, das tröstete darüber hinweg, gerade buchstäblich wie begossene Pudel auszusehen.

„Dein Handy.“

„Was?“

„Dein Handy“, wiederholte Sesshoumaru ungeduldig.

Inu Yasha nahm es heraus und gab es ihm. Wollte er jetzt doch Hilfe holen?

„Das funktioniert nicht.“

Dämonen waren zu dumm zum telefonieren? „Zeig her. – Mist. Das war bestimmt das Wasser. Die SIM-Karte ist wohl im Eimer. – Was jetzt, nii-san?“ Er selbst war momentan zu müde und erschöpft durch die ungeheure Anspannung und ihren jähen Abfall jetzt, um auch nur noch denken zu können.

„Vater. – Wir besorgen uns ein Auto und fahren in das Hotel.“ So nass und stinkend wie er war und dann noch Inu Yasha in seiner Menschenform – nein, er würde weder so noch in seiner wahren Gestalt durch die Stadt laufen. Das wäre schlicht unmöglich.Überdies drängte die Zeit.

„Vater? Ja, sicher, sie werden ihn in eine Falle locken. Weißt du denn, wo wir sind?“ Er war ja in einem Lieferwagen hergebracht worden.

„Am Hafen.“

„Und in dem alten Teil der Lagerstadt, der abgerissen werden soll, klar. Na, da wird es mitten in der Nacht kaum Autos geben.“

Das würde man sehen. Ohne weiteres Wort wrang Sesshoumaru seine Fellboa aus und seine Haare, ehe er losging, ein wenig zufrieden, dass auch der Mensch an seiner Seite die Feuchtigkeit ausgedrückt hatte. So war es irgendwie nicht ganz so peinlich.

Vater. Hoffentlich wäre der dem Drachen noch nicht in die Falle gegangen. Was hatte Ryukossei gesagt? Er würde ihn um Mitternacht anrufen und um drei das Duell ansetzen. Wie spät war es? Er warf einen Blick auf den Sternenhimmel. Gegen halb elf?

Ein leises Geräusch hinter ihn ließ ihn sich umdrehen. Auch das noch. Durch die Anstrengung oder die Aufregung oder beides hatte wohl der einfache Menschenkörper nachgegeben und Inu Yasha war in Ohnmacht gefallen. Was nun? Aber auch er selbst spürte die Nachwirkungen der Anspannung. Kein Kampf auf Leben und Tod, den er bestanden hatte, war so anstrengend, so belastend, so schweißtreibend gewesen wie dieser Blick auf die rückwärts laufende Uhr. Und Ryuukossei hatte das genau gewusst. Er hatte ihn langsam umbringen wollen – mit einem buchstäblich finalen Akt.

Pflichtbewusstsein und Loyalität trieben ihn zu Vater, zur Familie. Aber auch Inu Yasha gehörte zur Familie. Und er hatte ihm wohl gerade das Leben gerettet. Nun, er ihm dafür wohl auch, mit dem Sprung in das Wasser. Dennoch. Er konnte ihn nicht hier hilflos liegen lassen. Wenn der Drache nicht völlig dumm war, würde er jemanden vorbeischicken, um zu sehen, was passiert war. Hoffentlich hatte sie noch niemand bemerkt. Verdammt, was war nur mit ihm los? Er bewegte sich wie ein Anfänger und übersah einfachste Vorsichtsmaßregeln? Er musste müder sein als angenommen.

Ohne weiter nachzudenken, packte er den Bewusstlosen und warf ihn sich über die Schulter, ehe er aus dem zerstörten Lagerhaus eilte. Irgendwo klangen Sirenen. Menschen. Sie würden sicher Polizei und Feuerwehr schicken. Warum nur hatte er auch daran nicht gedacht? Er musste sich zusammenreißen. Oder eine Pause machen. Ja, eine Rast wäre gut. Nur kurz, dann wäre er wieder hergestellt und würde voll kampffähig sein.

Er trug seinen Halbbruder einige Lagerhäuser weiter, ehe er ihn in einer dunklen Ecke ablegte und sich daneben setzte, die Krawatte lockerte. Er brauchte nur einen Moment Pause, dann würde sein Verstand wieder wie gewöhnlich arbeiten. Dann benötigten sie ein Auto, um in das Grand Hotel zu fahren und Vater zu sagen, was passiert war. Wenn der nicht mehr da war, würde hoffentlich wenigstens Myouga wissen, wohin er gegangen war. Oder hatte er Dämonen der Familie dabei…?

Noch im Grübeln schlief er ein.
 

Inu Yasha erwachte mühsam, ehe die Erinnerung wiederkehrte. An das schreckliche Warten des Ablaufes der Frist, den Sonnenuntergang, seinen Versuch, den Zünder zu entschärfen und schließlich das kalte Wasser, das ihnen wohl das Leben gerettet hatte. Irgendwo in der Nacht vor ihm blinkten blaue Lichter. Feuerwehr, natürlich. Wie war er hierher gekommen? Der Grund saß neben ihm, an die Wand gelehnt, und schlief. Oder war er auch ohnmächtig? Konnten das auch Dämonen werden? Wie viel Zeit war vergangen?

Vater!

„Sesshoumaru! He, nii-san! Aufwachen!” Er setzte sich auf und wollte ihn anstupsen, aber der junge Hundedämon öffnete bereits die Augen.

Verdammt. Er war eingeschlafen. Jetzt war er zwar erholt und wieder kampfbereit, aber…Er blickte zum Himmel. Kurz nach halb zwölf nach menschlicher Zeit. Das wurde eng. Er sprang auf: „Komm.“

Inu Yasha folgte wortlos, nicht überrascht, dass der Dämon die Menschenansammlung um die zerstörte Lagerhalle mied und die entgegengesetzte Richtung einschlug.
 

Ein einsamer Pechvogel, der gerade an einer Ampel in der Nähe des Hafengeländes hielt, schrak zusammen, als die Autotür aufgerissen wurde und er selbst mit unwiderstehlichem Griff aus dem Wagen gezerrt wurde. Mit noch größerem Entsetzen bemerkte er, dass er nicht gerade in den Klauen eines Menschen hing, auch, wenn der andere wohl ein Mensch war, der sich gerade auf die Beifahrerseite warf und meinte:

„Lass ihn hinten einsteigen, nii-san. Dann kann er später weiterfahren.“

Das klang schon mal nicht so, als ob sie ihn umbringen wollten, dachte der panische Unglückswurm, als ihn Sesshoumaru ohne ein Wort auf die Rückbank stieß, ehe er sich selbst auf den Fahrersitz setzte und den Motor aufheulen ließ.
 


 

Through these fields of destruction, baptism of fire

I've watched all your suffering as the battles raged higher

And though they did hurt me so bad in the fear and alarms

You did not desert me, my brothers in arms
 

Brothers in arms, von Dire straits
 

**

Papa möchte seine Söhne retten, die wollen ihren Vater retten, Kikyou und Kagome sind auch unterwegs – es könnte noch rund gehen in dieser Nacht: Rettungsmission.
 

bye
 

hotep



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Kommentare zu diesem Kapitel (20)
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Von:  Natsuki13
2010-12-19T20:38:47+00:00 19.12.2010 21:38
Da hätte Inu Yasha "Überraschung!" rufen können. Eine schöne Abwechlung zum Original, wo der Hanyou seine Verwandlung als äusserst negativ betrachtet - hier hatte es sich auf jeden Fall gelohnt, ein Mal im Monat zu einem 'armseligen Menschen' zu werden. Müsste den grossen Bruder ganz schön wurmen, einem schwachen Sterblichen das eigene Leben zu verdanken.

LG
Natsu-chan
Von: -Suhani-
2010-12-15T16:29:47+00:00 15.12.2010 17:29
Okay, Neumond kann wirklich mal nützlich sein, um eine spektakuläre Flucht hinzulegen. Und Autodiebstahl ist in so einer Situation auch vertretbar.
Der arme Mann, dessen Auto die Brüder in die Finger bekommen haben. Wenigstens darf er mit und muss nicht mitten in der nächtlichen Pampa den Daumen raus strecken. Nachts als Mann zu trampen bringt glaub ich nichts.
Bin ja mal gespannt, wie dieses "Duell" endet.
lg
Hani
Von:  Weissquell
2010-11-06T16:38:08+00:00 06.11.2010 17:38
Inu Yasha steckt voller Überraschungen. Sogar Bomben entschärfen kann er. beachtlich. Ich frag mich jedoch ob ein Leistungskurs Chemie dafür wirklich ausreicht. Wie auch immer, die beiden sind der Explosion entkommen.
Dass Sesshomaru nicht schwimmen kann in der menschlichen Form, mag plausibel sein. Sicher kommt er nicht in die Notwendigkeit dazu, doch ich bezweifle ob ihn dieser Umstand in Bedrängnis bringen wird. Man sollte nicht vergessen, dass Sesshomaru in der Lage ist zu schweben und höchstwahrscheinlich sich sogar teleportieren kann. Lichtkugelform und so. Und vermutlich ist er sogar in der Lage dabei Menschen zu transportieren. Eine Erklärung für sein derzeitiges Unvermögen, scheint wohl der Energieverlust durch die Bannfesseln zu sein. Aber da er nun wieder fit ist, sollte einer Rettungsaktion von Seiten der Hundebrüder wohl nichts mehr im Wege stehn.
Ryuukossai zieh dich warm an!

L.G. Weissquell
Von: abgemeldet
2010-10-31T12:15:59+00:00 31.10.2010 13:15
Wow Neumond!
Glück für die beiden und wie die beiden zusammengearbeitet haben - toll^^
Das Sesshoumaru ihn wirklich mitretten wollte und es auch getan hat dann super!!
Er muss ihn also doch mögen^^
Ich hoffe sie kommen noch rechtzeitig um ihren Vater zu retten und das nächste Kapitel hört sich auch schon sehr spannend an^^
Der Autofahrer tut mir leid, von dem sich die Hundebrüder das Auto geborgt haben...der muss erstmal in Therapie...
Aber sonst tolles Kapitel^^
GLG
sesshoumarugirl
Von:  Sasuke_Uchiha
2010-10-28T15:29:16+00:00 28.10.2010 17:29
Der arme Fahrer hat jetzt wohl auch keinen ganz schönen Schock. Mal schauen, was noch auf die Familie zukommt...
Von:  Teilchenzoo
2010-10-27T11:46:40+00:00 27.10.2010 13:46
Ha! Neumond! Ich wusste es.
Meine Güte, die beiden haben wirklich Glück gehabt. Sonst wäre es aus mit ihnen.

Schön, dass sie Hand in Hand arbeiten mussten und nun die Fähigkeiten des jeweils anderen anerkennen konnten. Und dass sie sich gegenseitig das Leben gerettet hatten, dürfte sie auch weiter verbinden.

Der Pechvogel ist doch gar nicht so sehr Pechvogel, er hat halt nur einen Schrecken bekommen. Immerhin bleibt er sogar bei seinem Auto.

Sesshoumaru schläft? Und muss seine Krawatte lockern ;)? Nochmal Glück, dass Inu relativ zeitig aufgewacht ist. Hatte schon Sorge, dass sie Papas Duell komplett verschlafen. Das hätten sie sich nie und nimmer verziehen.

Lg neko
Von:  kiji-chan
2010-10-26T22:43:37+00:00 27.10.2010 00:43
Ich kann mir nicht helfen, ich liebe das Kapi.
Die Verwirrung der beiden ist soo *passendes Wort fehl*. Es wäre witzig, wäre die Situation nicht ernst.
Die Szene mit der Milchsuche... Und das Kabel, dass die eigentliche Lösung wäre, dass sie nicht sehen. Es schildert die Emotionen und Verwirrung der beiden so gut.

Was ich besonders mag ist das Verhältnis zwischen den beiden Brüdern, dass so geschmiedet wurde. Wie Sesshô, obwohl er an der Grenze seiner Kräfte ist, Inu trotzdem mit nimmt.

Und ich mag den Pechvogel. Ich nehme mal an, er kommt später auch noch vor, da er unwillig an der Fahrt ins Hotel teilnimmt.

Freu mich aufs nächste Kapi so richtig. Die Geschichte gewinnt an Spannung, Steigerung und Aktion.

ncha!
Kiji

p.s.
Hab festgestellt, dass Bratja die perfekte Hintergrundmusik für das Kapi ist.
Von: abgemeldet
2010-10-26T09:28:19+00:00 26.10.2010 11:28
Sessy ist im letzten Abschnitt aber sehr "böse"^^ Autdiebstahl und Entführung ts ts ts. Und er hält sich für besser als der Clan. Na aber wirklich.^^

Spaß mus auch mal sein^^

Die Idee, wie sie entkommen war sehr gut. Besonders hat mir gefallen, wie Inuyasha sich an der Bombe probierte.
Auch Sessomarus Gedanken um Inuyasha und Inuyashas über Sessomaru sind sehr schön und gut gewesen.

Weiter so^^

JLP
Von:  Haruko-sama
2010-10-25T14:24:01+00:00 25.10.2010 16:24
Du ahnst gerade nicht, wie froh ich bin im Chemie-Leistungskurs zu sein^^ Auch wenn meine Familie keine Rivalen wie in der Geschichte hat.
Die Ahnung mit dem Neumond hat sich also bestätigt, aber der Rest war super. Die kleinen Unterschiede zwischen Mensch und Dämon, die Sesshomaru hier vermutlich zum ersten Mal bemerkt (wie die Sache mit dem Todeszeitpunkt oder dem Ablenken durch alte Geschichten) waren stimmig und auch die Zusammenarbeit der Brüder - funktionierte, aber war nicht so begeistert, dass es unglaubwürdig wäre.
Und wenn jetzt noch das nächste Rettungskommando für Paps unterwegs ist, steht Ryukossei bald ziemlich dumm und allein da.

LG, Haruko
Von:  Lizard
2010-10-25T10:01:59+00:00 25.10.2010 12:01
Ui, das Kapitel hat mir wirklich gefallen. Irgendwie war ja zwar klar, dass Inu und Sess aus dieser Misere herauskommen und dass der Neumond wahrscheinlich damit was zu tun hat. Aber den genauen Vorgang zu erleben war dann doch sehr spannend. Und witzig. Besonders gefallen hat mir die Nervosität der beiden, die den Handlungen und Dialogen noch mehr Würze gab. Die ganze Situation war sehr nervenaufreibend, das übertrug sich auch auf den Leser. Dass am Schluss Inuyasha in Ohnmacht kippt und Sesshoumaru vor Erschöpfung einschläft und fast die Rettung seines Vaters verpennt setzte dem ganzen Geschehen noch die Krone auf.
Und irgendwie bin ich froh, dass keine Milch im Kühlschrank war (was vielleicht auch zuviel der glücklichen Zufälle gewesen wäre), denn eine falsch dosierte Neutralisierung kann eventuell auch verheerend sein. Im Praktikum Anorganische Chemie hat bei uns mal jemand den Säureabfallbehälter in die Luft gejagt und 'ne Riesenschweinerei im Labor verursacht, weil er die Wirkung einer unausgewogenen Säure-Base-Reaktion unterschätzt hat...


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