Ryuukossei
Der Herr des Spinnenclans und sein Berater hatten das unerwartete Geschenk des Taishou mit sehr unterschiedlichen Gedanken empfangen und Takemaru noch immer gefesselt und geknebelt samt der Kiste wegschaffen lassen.
Als sie unter sich waren, kommentierte der nur scheinbar um die dreißig Jahre zählende Drachendämon: „Unser gutes altes Hundi wird verkalkt. Wie kann er mir jemanden lebendig schicken, der all seine kleinen, schmutzigen Geheimnisse kennt?“
Naraku verschwieg lieber seine Meinung, dass der Taishou das nie getan hätte, und eben darum Takemaru sicher nichts von Interesse wissen könnte, da er ansonsten höchstens als Leiche geschickt worden wäre. Ryuukossei wirkte so seltsam vergnügt.
Der fuhr auch fort: „Ich besitze, wie auch einst mein verehrter Bruder, den der Taishou so heimtückisch ermordete, ein Talent für die Kunst des Verhörs unter Folter. Und glaube mir, Naraku, das ist wirklich eine Kunst. Schließlich will man ja nichts hören, was man sowieso schon weiß.“ Er lächelte in gewisser Vorfreude.
Der Berater hoffte für einen verzweifelten Moment tatsächlich, dass diese Kunst nie an ihm ausprobiert werden würde, ehe er zu seiner gewöhnlichen Selbstsicherheit fand: „Nun, Sie können tun, was Sie wollen. Nur bedenken Sie, dass sich der Taishou bislang nicht gerade als Vollidiot erwiesen hat.“
„Er hat meinen armen hochverehrten Bruder ermordet!“ fauchte der Drache prompt in jähem Zorn.
In einem fairen Duell, aber nur ein Masochist mit Selbstmordplänen würde Ryuukossei in diesem Zustand daran erinnern: „Das weiß ich, mein Gebieter. Aber das allein beweist doch seine Heimtücke…“
Ryuukossei nickte beruhigt: „Oh, ja. - Nun, ich werde einmal hören, was dieser Takemaru zu sagen hat…“ Er ging.
Naraku atmete etwas auf. Die impulsive Unüberlegtheit des Drachens wurde langsam zu einer echten Gefahr für ihn als Berater und den gesamten Clan. Dazu kam die absolute Anbetung, die Ryuukossei seinem verstorbenen Bruder zollte. Nun gut, der hatte ihn aufgezogen, aber das dürfte die erste und letzte auch nur einigermaßen soziale Tat in dessen Leben gewesen sein. Und wer dumm genug war, den Taishou zu einem Duell herauszufordern, musste eben auch mit dem Ableben rechnen. Er selbst würde sich weder dem Herrn der Hunde noch dem Drachen stellen. Kampf war immer eine riskante Sache. Zu riskant. Nun, falls Takemaru doch noch interessante Informationen hatte, würde er sie sicher zu hören bekommen und in seine Pläne einbringen können.
Schade, dass sie ihn als Informanten verloren hatten. Wie war der Hund bloß darauf gekommen einen Spion bei sich zu haben? Nun, das würde auch der kaum wissen. Er selbst sollte sich einmal an die Arbeit machen und nachdenken. Den Taishou und seinen Welpen in die Finger zu bekommen würde Ryuukossei sicher erst einmal genügend lange ablenken, dass er selbst den nächsten Zug machen konnte, Herr des Clans – und damit dann auch der Familie - zu werden. Nur ein Narr hätte nicht gesehen, dass es unausweichlich geworden war, alle Dämonen unter einem Herrn zu vereinen. Und das wollte er, Naraku, sein. Dazu war es nur notwendig, die Furcht, ja, manchmal sogar den Hass, den die Dämonen des Clans gegenüber dem Drachen empfanden, weiter zu schüren und sich selbst als Alternative ins Gespräch zu bringen. Bislang hatte er das mit recht gutem Erfolg schon begonnen. Er galt als hart aber gerecht – und vor allem strafte er nie ohne Grund.
Ryuukossei war dagegen zu lange bedingungslos von seinem älteren Bruder geschützt worden, hatte stets ungestraft tun und lassen können, was immer er wollte, und so den Maßstab nie gelernt. Erst recht nicht, nachdem sein Bruder den alten Spinnendämon getötet hatte, der den Clan so lange angeführt hatte. Nach dem Duelltod des älteren Bruders gegen den Taishou war niemand außer Ryuukossei da gewesen, der diesen Platz gefordert hätte – und sich damit gegen den jungen Drachendämon gestellt hätte. Mittlerweile gab es noch immer niemanden und Naraku legte ebenfalls keinen Wert darauf. Stark war dieser ja, aber bedauerlicherweise geistig wie ein Kind. Ein sehr mächtiges, verzogenes Kind, das mit dem Leben der anderen Dämonen spielte wie ein Mensch mit Schmetterlingen.
Naraku saß fast zwei Stunden in seinem Büro, als Ryuukossei hereinkam. Er wirkte recht ausgeglichen und sein Berater empfand es als merkwürdig einfach Mitleid mit dem Menschen zu empfinden. Er hatte schon Leute, Dämonen, gesehen, die der Drache ins Verhör genommen hatte: „So ist er bereits tot, mein Herr?“
„Ja. Ich vergesse immer wieder, wie empfindlich diese Menschen sind. Nun gut. Er wusste nicht gerade viel. Was tust du hier?“
„Wie Sie wünschten überlege ich einen Plan, den Taishou samt seinem lieben Sesshoumaru in die Falle zu locken.“
Ryuukossei zeigte im Lächeln seine Zähne: „Dann überlege dir auch gleich, was mit seinem zweiten Kind passieren soll.“
„Wie bitte?“ Jetzt starrte ihn Naraku gegen alle guten Vorsätze an: „Hat Ihnen das Takemaru erzählt?“
„In der Tat. Als Hundi ihm sagte, dass er als Verräter aufgeflogen sei, erwähnte er auch ein zweites Kind. Und glaube mir, mein lieber Berater: der Gute war nicht mehr in der Lage mich anzulügen.“ Takemaru hatte doch tatsächlich gehofft sich damit das Leben zu erkaufen. Was für ein Narr.
Der Berater dachte laut nach: „Ein Junge oder ein Mädchen? Es müsste jünger als Sesshoumaru sein, ohne Zweifel, da dieser ja immer als Nummer Zwei gehandelt wird. Das würde auch erklären, warum man davon bislang nicht hörte. Das Kind ging wohl noch zur Schule.“
„Erspare mir deine Gedanken und erzähle mir lieber deinen Plan.“
Naraku dachte, dass es wohl wirklich besser für seine eigene Gesundheit war, dass der Drache seine Gedanken nicht kannte: „Eine unerwartete Möglichkeit. In der Zeitung steht, dass die Familie eine Spende an das städtische Waisenhaus gibt und zu diesem Zweck eine kleine Feier dort stattfinden soll. Den Scheck überreicht Sesshoumaru. Eine gute Gelegenheit ihn zu fassen. Haben wir ihn, wird sein Vater sicher…gesprächsbereiter sein. Nach dem, was Sie gerade über ein zweites Kind sagten, sollte man das auch suchen und zum gleichen Zeitpunkt bekommen.“ Die Zeit war knapp um alles herauszufinden, aber das würde schon gehen. Die meisten Dämonen fürchteten sich davor dem Herrn des Clans Versagen zu berichten. Nicht ohne Grund.
Ryuukossei nickte: „Ja, das klingt gut. Haben wir die Welpen muss der Taishou kriechen. Nicht, dass das die lieben Kleinen retten würde, nicht wahr? Ich kann Sesshoumaru nicht ausstehen. Such dir etwas aus, damit er schweißgebadet stirbt. Seinen Papi will ich mir allerdings persönlich vornehmen.“
„Und das zweite Kind?“
„Nenne es Kollateralschaden.“ Er ging.
Sein Berater sah ihm nach. Wenn der wüsste, dass dies der letzte Plan war, den er für ihn schmiedete und der erste gegen ihn, würde er selbst sicher das Schicksal Takemarus teilen.
Sesshoumaru behielt seine Miene bei, als ihm sein Vater seinen Halbbruder offiziell vorstellte. Er meinte nur: „Dann willkommen in der Familie“, wie er es zu jedem Neuen nach den Regeln sagen musste.
„Danke.“ Inu Yasha, der das nicht wusste, fand das eine recht freundliche Begrüßung. Um auch nett und höflich zu sein ergänzte er: „Nii-san.“
Der Taishou bemerkte das leichte Zusammenzucken seines Ältesten. Nein, „mein älterer Bruder“ genannt zu werden war der weder gewohnt noch wollte er es. Aber es war eine höfliche Anrede und so würde er kaum etwas dagegen unternehmen können. So meinte er eilig: „Komm, Inu Yasha. Ich werde dich noch den engsten Mitarbeitern entsprechend vorstellen.“
„Oyakata-sama!“ Myouga platzte in die Familienrunde, sichtlich aufgeregt: „Man hat soeben…oh, Verzeihung…“
„Ich komme. – Bis gleich.“
Er ließ seine beiden Söhne allein, für Sesshoumaru ein deutliches Zeichen, dass sein Vater trotz allem den Halbdämon nicht in die Geschäfte einbeziehen wollte. Etwas beruhigt darüber erklärte er daher kühl: „Ich möchte eines klarstellen, Inu Yasha. Mein verehrter Vater hat beschlossen dich anzuerkennen. Meine Loyalität gilt ihm und der Familie und so akzeptiere ich das. Solltest du jedoch gegen ihn oder die Familie etwas unternehmen, werde ich unverzüglich eine Verhandlung gegen dich beantragen. Und glaube mir, er wird objektiv entscheiden. Auf Verrat steht der Tod.“
Das war eine Drohung – oder eine Warnung? Inu Yasha starrte ihn an. Was sollte das? Dann fiel ihm ein, dass dieser Ryuu…dieser Drache wohl ein Gegenspieler war. Nahm Sesshoumaru etwa an, er würde für den arbeiten? Nun ja, da war dieser seltsame Beinahe-Unfall gewesen….So erwiderte er etwas spöttisch: „Keine Sorge. Ich habe mein Leben lang meinen Vater vermisst. Und ich habe keine Lust, ihn gleich wieder zu verlieren.“ Nein, ein netter großer Bruder war das wohl nicht. Der mochte keine Halbdämonen. Als richtiger Dämon hätte er wohl bessere Chancen auf brüderliche Zuneigung gehabt. Aber schön, er hatte nie einen großen Bruder besessen, also brauchte er auch in Zukunft keinen. Und vielleicht war dieser so kühl wirkende Typ auch schlicht eifersüchtig? Immerhin musste er Vaters Zeit und Zuneigung jetzt teilen.
Der junge Hundedämon hätte um ein Haar den Kopf geschüttelt. Wie ungemein menschlich das gedacht war. Hatte diese halbe Portion denn gar keine Ahnung von ordnungsgemäßem, dämonischem Benehmen? Anscheinend nicht. Da stand chichi-ue und einigen anderen Dämonen wohl eine gewisse Lehrzeit bevor. Ihm selbst nicht, hatte sein verehrter Vater doch glücklicherweise zugestimmt, dass er sich nicht mit ihm befassen musste. So wandte er sich nur ab und trat an das Fenster.
Inu Yasha nahm das zur Kenntnis. Nein, mögen tat der ihn nicht. Naja. Warum hätte er auch sollen. Sie sahen sich heute zum ersten Mal als Geschwister. Und, wenn er ehrlich war, war auch er nicht gerade in der Laune diesen Typen zu umarmen und liebevoll aufzunehmen. Vielleicht, irgendwann, wenn sie sich besser kennen gelernt hatten….immerhin teilten sie ja doch die Hälfte ihres Blutes.
Der Taishou hatte unterdessen den Bericht mit unbewegtem Gesicht entgegengenommen: „Ich habe mir gedacht, dass Ryuukossei ihn vielleicht töten würde. Aber das….“
„Das soll der Herr des Clans selbst gewesen sein“, bestätigte Royakan nervös: „Der…nun, ich erfuhr es über einige Ecken. Aber meine Informanten bestätigten immer wieder, dass Ryuukossei solche…Dinge persönlich mache.“
„Und ich ….Nun, ich habe ihn unterschätzt. Oder eher seine Grausamkeit. Dann hätte ich Takemaru selbst getötet. Sauber und schnell. Ein solcher Fehler wird mir nicht mehr unterlaufen.“ Der Taishou sah für einen Moment ins Leere: „Dieser Naraku…“
„Nein, Oyakata-sama. Solche Entscheidungen obliegen allein dem Herrn des Clans.“
„Ich verstehe.“ Ein Krieg wurde wohl langsam unausweichlich – außer Naraku würde seinen Herrn verraten und einen Putsch im Interesse des Clans unternehmen. Ryuukossei bedeutete eine wirkliche Gefahr für die Personen um ihn und alle anderen, die in seinem Weg standen. Schon sein Bruder war ein Sadist gewesen und er schien ihm in nichts nachzustehen. Leider hatte er aus der Vergangenheit gelernt und ihn, den Herrn der Hunde, bislang nicht zu einem Duell herausgefordert. Er hätte ihn gern um aller Dämonen willen ebenfalls in die Unterwelt befördert. „Dann komm, Royakan. Und auch du, Hatchi. Ich möchte euch meinen zweiten Sohn vorstellen.“
Ohne ihr Erstaunen zu zeigen folgten die beiden Dämonen dem Herrn der Hunde.
Inu Yasha trat von einem Fuß auf den anderen. Er stand schon seit halb sechs vor dem Museum, aber er hatte doch um jeden Preis pünktlich sein wollen.
Zum Glück hatte er im Hotel frei bekommen. Herr Shima wusste noch nicht, wer sein Vater war, und er hatte auch darum gebeten, das so zu lassen. Er wollte doch sein Praktikumszeugnis nicht nur der Tatsache verdanken der Sohn des Besitzers zu sein. Der Taishou, nein, sein Vater, hatte das mit einem leisen Lächeln versprochen und, wenn er sich nicht verguckt hatte, hatte sogar für einen Moment in Sesshoumarus Blick etwas Freundlichkeit gelegen, obwohl der ihn gewöhnlich kaum ansah. Anscheinend wartete der nur auf einen Fehler seinerseits um ihn anklagen zu können.
Inzwischen hatten Royakan und Myouga die Aufgabe erhalten ihn soweit auszubilden, dass er die Spielregeln, ja, Gesetze, der Dämonenwelt kennen lernte. Und davon, das gab er zu, hatte er sehr wenig Ahnung. In einem hatte Sesshoumaru jedenfalls Recht gehabt: Verrat galt als das schlimmste Verbrechen. Insgesamt gesehen gab es eine viel striktere Hierarchie als unter Menschen und bedingungslosen Gehorsam – gegen Schutz. Eigentlich recht altmodisch, wenn er sich das so recht überlegte. Wie alt sie wohl alle waren? Er selbst war ja bislang wie ein Mensch gealtert. Würde jetzt, wenn er erwachsen wurde, seine dämonische Seite übernehmen? Wie alt konnte ein Halbdämon eigentlich werden? Und wie alt ein Dämon? Sesshoumaru wirkte kaum fünf Jahre älter als er, aber das würde nicht stimmen. Und wie alt war dann gar Vater?
„Inu Yasha?“
Er fuhr herum: „Kagome! Ich habe dich nicht kommen gesehen.“
„Das habe ich bemerkt“, lächelte sie: „Und das bei deiner guten Nase? So in Gedanken?“
„Ja. Es ist in den letzten Tagen unheimlich viel passiert. – Wo ist jetzt das Eiscafé?“
„Ja? - Komm, da nach links. Erzählst du es mir?“
Er zögerte einen Moment, ohne Ahnung, wo er anfangen sollte, ehe er einfach herausplatzte: „Ich habe jetzt eine Familie.“
Das Mädchen erstarrte und wandte sich ihm zu: „Du, darüber macht….nein, du machst keinen Scherz.“
„Nein. Ich weiß jetzt, wer mein Vater ist. Und ich habe einen Bruder. Naja. Halbbruder.“
„Dann hoffe ich, dass sie nett zu dir sind. Weiß es denn Kikyou-sama schon?“
„Ja, klar. Der Taishou sagte es ihr selbst.“
Das waren ja wirklich aufregende Neuigkeiten und so sprudelte es aus ihr heraus: „Der Taishou? Du meinst, den Herrn der Hunde, den Chef der Familie? Und der hat sich selbst bemüht, Kikyou diese Neuigkeit mitzuteilen? Wer ist denn dein Vater? Ist er so wichtig unter den Dämonen?“
Er rieb sich ein Ohr: „Äh, ja, kann man so sagen. Ich meine, ER ist mein Vater.“
„Der Taishou ist dein Vater?“ Sie klang ungläubig. Natürlich wusste sie, dass das einer der reichsten und mächtigsten Männer der Welt war – aber ausgerechnet Inu Yasha? Das wäre ja Aschenputtel hoch drei.
„Ja. – Er ist sehr nett, denke ich. Ich meine, ich kenne ihn ja erst seit ein paar Tagen…“
Sie nahm sich zusammen: „Schon klar. Wie kam er denn darauf? Ach so, du hast ihn ja im Hotel getroffen…“
„Ja. Und ihm fiel mein Name auf.“ Mehr wollte er dazu nicht sagen. So fuhr er fort: „Sesshoumaru, das ist mein Halbbruder, ist dagegen nicht so nett.“
„Er ist wohl eifersüchtig.“
„Ja, möglich. Dabei tue ich ihm ja nichts…“
„Das ist nun einmal so. Nicht alle Leute sind freundlich.“ Sie lächelte: „Und er muss sich wohl auch erst an den Gedanken gewöhnen, einen kleinen Bruder zu haben. Wobei ich natürlich nicht weiß, wie das bei Dämonen so ist. Oh nein….“
Das galt drei Dämonen, die ihnen entgegenkamen. Kouga und seine zwei ständigen Begleiter Ginta und Hakakku.
Mist, dachte Inu Yasha nur. Das war es also mit seinem ersten Rendezvous.
Der Wolfsdämon blieb auch vor ihnen stehen: „Kagome, schön dich zu sehen. Du solltest nur aufpassen, in wessen Begleitung du gesehen wirst. Saubere Umwelt, sozusagen.“
„Ich gehe einmal davon aus, dass du dich dafür hältst“, fauchte sie unverzüglich: „Aber, danke, da ziehe ich noch einen der städtischen Abwasserkanäle vor.“
„Man merkt es an deinem Nachbarn. Na, Köter?“
Inu Yasha zwang sich zur Ruhe. Mutter und Kikyou hatten ihm immer gepredigt, er solle sich nicht provozieren lassen. Wie das sein Vater oder Dämonen im Allgemeinen sehen würden, wusste er nicht, aber es war sicher besser kein Aufsehen zu erregen: „Hast du eigentlich nichts anderes zu tun als auf der Straße andere Leute blöd anzumachen?“
„Lauf doch weg!“
„Komm, Inu Yasha“, sagte Kagome energisch: „Ich habe keine Lust, mir mein Abendessen verderben zu lassen. Gib den Weg frei, Kouga.“
Der zögerte kurz. Wäre der halbe Hund allein gewesen hätte er den Befehl zum Angriff gegeben. Leider hatte er selbst durchaus ein Faible für die temperamentvolle Schülerin und wollte in ihren Augen gut dastehen. Warum auch immer sie ein Herz für diesen lahmen Halbköter entdeckt hatte. „Weil du es bist“, meinte er darum nur und ging weiter.
Auch das Paar machte sich wieder auf den Weg.
„Das ist mir echt unangenehm“, gestand der Halbdämon nach einer Weile.
„Dass dich diese Idioten dauernd anmachen?“
„Nein, dass du mich beschützt.“
Sie holte Atem. Das hatte ja kommen müssen: „Hör zu. Ich bin sicher, du könntest dich gegen Kouga allein wehren, vielleicht ihn sogar in einem Kampf bezwingen. Aber der ist nie allein. Und gegen mindestens drei tust du dich sicher ziemlich schwer. Ich bezweifele nicht deinen Mut oder deine Stärke. Manchmal ist es eben besser, der Gewalt auszuweichen.“
„Du klingst wie Kikyou.“
„Oh.“ Kagome wurde etwas rot um die Nase. Wer wurde schon gern mit der Pflegemutter eines anderen verglichen? „Da ist das Café“, lenkte sie daher ab: „Gehen wir hinein. Und dann erzähle ich dir einmal, was ich so den ganzen Tag getrieben habe.“
Fast eine Stunde lang saßen die beiden Teenager an ihren Eisbechern und unterhielten sich über ihre Praktika und die Schule, alle zwei bemüht neutrale Themen zu wählen. Dann fiel Kagome versehentlich der Löffel aus der Hand. Viel schneller als ein Mensch griff Inu Yasha zu – und erwischte sowohl den Löffel als auch die Hand seiner Begleiterin, die instinktiv nachgefasst hatte.
Für beide fühlte sich die Berührung wie ein Stromschlag an.
Ohne sie loszulassen starrte der junge Halbdämon sie an. Ihre Augen waren so groß, so dunkel...sie war so hübsch, so warmherzig, so klug....
Sie sah auch ihn an. Dieser Blick in dem seltsamen Goldton zeigte nur zu deutlich, dass er kein Mensch war – aber was machte das? Ihr Herz schlug bis zum Hals. Irgendetwas schien mit ihrer Stimme los zu sein, denn sie konnte kein Wort herausbringen. Unbewusst öffnete sie etwas den Mund, unfähig sich zu bewegen, ihre Hand zurückzuziehen oder auch nur den Blick abzuwenden. Ob Inu Yasha auch so heiß war wie ihr?
Ihm ging es ähnlich. Eine solche Hitze in sich hatte er nie zuvor gespürt, niemals sich ohne eigenen Willen im Blick eines anderen verloren.
„Ihr solltet zahlen, meine Schicht endet.“ Die nüchterne Stimme der Kellnerin brach abrupt den Zauber.
Kagome spürte, dass ihre Hand freigegeben wurde und wandte sich eilig zu ihrer Handtasche, um ihre Geldbörse zu suchen. Oh ihr Götter! Er musste sie jetzt für komplett verblödet halten. Wie lange hatte sie ihn einfach angestarrt? Das war ja so peinlich! Bestimmt würde er jetzt nie wieder etwas mit ihr zu tun haben wollen. Wie konnte sie sich auch so unmöglich benehmen.....
Sie bezahlte und verschwand mit einigen gemurmelten Worten, sicher, dass dieser Junge sie nie wieder treffen wollte. Und sie war doch etwas überrascht, dass diese Erkenntnis so weh tat. Inu Yasha...
Kikyou hörte, dass Inu Yasha nach Hause kam und fragte: „Nun, wie lief das....“
Sie brach ab, denn der junge Halbdämon stürmte förmlich an ihr vorbei, in sein Zimmer, ließ die Tür hinter sich zufallen, so laut es nur ging, ohne sie zu zerstören. Oh je, dachte sie nur. Das hatte sie befürchtet. Er hatte sich zu viele Hoffnungen gemacht. Sollte sie ihm nachgehen? Nein, damit musste er wohl selbst fertig werden.
Er warf sich auf seine Matten. Wie dämlich konnte man sich nur anstellen? Er musste Kagome minutenlang wie ein Blödian angestarrt haben. Das war ja so peinlich! Sicher würde sie ihn jetzt nicht nur für einen hirnlosen Vollidioten halten sondern auch nie wieder etwas mit ihm zu tun haben wollen. Er hatte alles vermasselt, was nur ging. Und nie zuvor hatte er solch einen brennenden Schmerz im Herzen gespürt...
Kagome....
Naraku trat mit regungslosem Gesicht in das Büro seines Herrn. Immerhin war der Drache seit der Strafaktion gegen Takemaru wieder ruhiger. Ab und an schien der Morde oder Gewalt wie eine Droge zu benötigen – was die Meinung des Beraters bestärkte, dass es besser wäre, Ryuukossei auf eine Schnellstraße ins Jenseits zu setzen.
„Du hast einen Plan?“ Der Drachendämon lehnte sich zurück und verschränkte die Hände.
„In der Tat.“ Er setzte sich vor den Schreibtisch: „Es könnte Sie interessieren, dass das zweite Kind des Taishou aller Wahrscheinlichkeit nach ein Halbdämon ist.“
Ryuukossei grinste breit: „Nicht möglich! Hat sich Hundi mal mit unerwarteten Folgen im falschen Bett amüsiert? Wie peinlich für ihn. Also ein Junge?“
„Ja. Vermutlich handelt es sich um einen Praktikanten im Grand Hotel. Er wurde einige Male mit dem Taishou gesehen. Sein Name ist Inu Yasha.“
„Schnapp ihn dir.“
„Natürlich. – Am Freitagabend, morgen Abend, ist, wie erwähnt, die kleine Feierstunde im Waisenhaus. Sesshoumaru wird dort sein, aller Wahrscheinlichkeit nach wieder ohne Leibwächter. Er mag sie nicht.“
„Ich auch nicht. Genauso gut könnte man zahme Feldmäuse an der Leine mitführen. Dennoch ist es leichtsinnig.“
„Das wird er dann wohl lernen. Gleichzeitig werden andere Männer diesen Inu Yasha gefangen nehmen. Haben wir seine beiden Söhne wird auch der Herr der Familie williger gestimmt sein.“
Der Drachendämon lächelte: „Er ist ein Vollidiot und wird dann tun, was ich will. Hm. - Weiter.“
„Nun, da Sie erwähnten, den Taishou in die eigenen Klauen nehmen zu wollen – man könnte ihn zu den Lavafeldern zitieren, um ein Duell mit Ihnen zu bestreiten.“ Diese lagen drei Stunden vor der Stadt und waren unter Dämonen für Kämpfe beliebt, zumal sie weit genug entfernt lagen trotz gelegentlich ausgelöster Vulkanausbrüche nicht die menschliche Stadt zu bedrohen.
Ryuukossei setzte sich abrupt auf, die Hand drohend erhoben: „Bist du bescheuert? Glaubst du, ich habe vergessen, was dieses höllische Schwert anrichten kann, das er besitzt? Mein armer Bruder hat das nur zu deutlich zu spüren bekommen!“
„Bitte, beruhigen Sie sich, mein Gebieter. Alles, was man tun muss, ist doch zu verhindern, dass er dieses Schwert einsetzt, nicht wahr?“
Der Drachendämon lächelte wieder entspannt, ohne zu ahnen, dass seine Stimmungsschwankungen bei seinem Ratgeber immer dringender den Wunsch nach einem Umsturz weckten: „Nun ja, da wären seine Welpen….“
„In der Tat. Und eine kleine, zweite Sicherung, wenn ich vorschlagen dürfte. So wäre das Duell doch sicher zu gewinnen, bei Ihrer bekannten Stärke.“
„Natürlich. Es ist das Schwert, das mir Kopfzerbrechen macht, nicht der Besitzer.“
„So habe ich Ihre Erlaubnis?“
„Ja. – Welchen Tod hast du für Sesshoumaru und den Kleinen vorgesehen?“
„Wie Sie es wünschten. Sie werden wissen, was sie erwartet und nichts daran ändern können. Ich werde mich dann einmal um die Bannfesseln kümmern und entsprechende Dämonen aussuchen.“
„Das klingt wirklich hervorragend, mein lieber Naraku.“
Der Berater erhob sich. Nun, der Taishou und seine Welpen würden bald entgegen gesetzter Meinung sein.
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Freitag Abend setzt der Clan den Plan des Beraters in die Tat um: Entführung.
bye
hotep