Der Taishou
Please allow me to introduce myself,
I`m a man of wealth and taste
Rolling Stones: Sympathy with the de´il
Inu Yasha zupfte ein wenig sein Jackett zurecht. So im Anzug herumzulaufen war er nicht gewohnt, aber das verlangte das Hotel von seinen Angestellten und auch von ihm als Praktikanten. Kikyou war extra mit ihm ein Gewand für diese vier Wochen kaufen gegangen. Eine Ausgabe, die er ihr hoffentlich irgendwann einmal zurückzahlen konnte. Er betrachtete den Manager, der gerade zum zwanzigsten Mal auf die Uhr der großen Halle blickte, sichtlich aufgeregt. Aber heute kam auch ein äußerst wichtiger Gast.
Der Inu no Taishou, der Herr der Hunde. Das war der Anführer einer der beiden mächtigen dämonischen Organisationen und zu allem Überfluss der Besitzer dieses Hotels. Auch Inu Yasha wusste, dass das einer der einflussreichsten und zahlungsfähigsten Männer der ganzen Welt war. Wenn Herr Shima einen Fehler beging, konnte er sich schon in wenigen Minuten in die Schlange des Arbeitsamtes einreihen. Man sagte Dämonen nach, dass sie keine Geduld besaßen.
„Inu Yasha.“
„Ja, Shima-san?“ fragte der Halbdämon eilig. Er benötigte hier eine gute Praktikumsbenotung. Das würde ihm doch sicher bei der Bewerbung um ein Stipendium für einen Studienplatz und auch später bei den Praktika helfen. Das Geld, um sich das selbst bezahlen zu können, besaß er nicht.
„Du hast dir die Präsidentensuite gut angesehen?“
„Ja. Ich war mit Miyako-san...ich meine, mit der Hausdame schon mehrere Mal drin.“
„Dann wirst du die Führung übernehmen.“
Inu Yasha spürte, dass ihm heiß wurde: „Ich? Aber, Shima-san, ich bin nur ein Praktikant…“
„Vor allem bist du ein halber Dämon. Ich denke, dass es den Taishou freuen wird, dass wir ohne Ansehen der Rasse einstellen. – Sie kommen…!“
Der Junge entdeckte mehrere dunkle Autos, die vor dem Glasportal hielten. Aus dem ersten sprangen vier Dämonen, die sich sorgfältig umblickten, ehe sie zu dem zweiten Wagen traten, dessen hintere Türen gleichzeitig öffneten. Zwei Männer stiegen aus, in denen unschwer Vater und Sohn zu erkennen waren. Jeder besaß die langen, weißen Haare und goldfarbenen Augen der Hundedämonen, die spitzen Ohren ihrer Art. Alle beide hatten weiche, weiße Fellteile an den Schultern: der Vater zwei, der Sohn eine. Der Jüngere schien um die Zwanzig zu sein, aber das war sicher falsch. Dämonen alterten anders als Menschen. Beide trugen lange, dunkle Mäntel, wie auch die Mitarbeiter, von denen einer nun dem Älteren der beiden die Aktentasche abnahm. Das musste der Herr der Hunde sein.
Neugierig beobachtete Inu Yasha, wie dienstbeflissen Menschen und Dämonen um ihn eilten, dann allerdings hastig beiseite wichen, als er und sein Sohn auf die Tür zugingen, der Jüngere deutlich einen Schritt hinter seinem Vater. Respekt und strikte Rangordnung, ja, so hatte er gehört, dass es die Dämonen hielten, auch, wenn seine Mitschüler davon wenig erkennen ließen. Nein, das stimmt nicht ganz. Kouga war unter den Dämonen eindeutig der Ranghöchste, und was immer er tat und sagte, dem folgten die anderen. Sie respektierten nur ihn nicht. Aber er war ja eben auch bloß ein halber Dämon.
Herr Shima verneigte sich ebenso ehrerbietig wie sämtliche übrige Angestellten in der Halle: „Oyakata-sama, ich bin erfreut, Sie bei uns begrüßen zu dürfen.“
Inu Yasha ahmte eilig dieses Beispiel nach, wenn auch in dem Bedauern, die zwei Hundedämonen vor sich nicht genauer betrachten zu dürfen. Diese weißen Haare, diese Augen…er war ja nur ein halber Hundedämon, aber er sah ihnen so ähnlich…, auch, wenn er keine Zeichnungen im Gesicht besaß wie diese beiden. Unter den Mänteln schienen sie ebenfalls Anzug zu tragen.
„Danke, Shima-san“, erwiderte der Inu no Taishou ruhig: „Es ist alles vorbereitet.“ Darin lag keine Frage.
„Selbstverständlich. – Darf ich Ihnen und Ihrem Sohn Inu Yasha vorstellen? Er wird Sie in die Präsidentensuite begleiten…?“ Dem Hotelmanager war klar, dass er das selbst machen sollte, falls der Gast – und sein eigener Arbeitgeber – dies wünschte, aber er nahm an, dass der lieber mit einem Halbdämon als einem Menschen umging.
„Inu Yasha.“ Der Herr der Hunde schien für einen Moment zu stutzen, ehe er meinte. „Dann gehen wir.“
Der Halbdämon nickte hastig. Wenn er eine gute Bewertung wollte oder gar dieser mächtige Mann ihn irgendwo empfehlen könnte, wäre das für seine berufliche Laufbahn nur förderlich. Soweit er gehört hatte, war eine Aufmerksamkeit dieses Dämons geradezu ein Türöffner – und eine negative Beurteilung würde jede Karriere zunichte machen. So ging er zum Aufzug voraus. Seltsamerweise spürte er fast körperlich wie ihn der Sohn des Inu no Taishou musterte. Was hatte der denn?
Im Lift, als sie zu dritt waren, erfuhr er es.
„Du bist nur ein Halbdämon?“ fragte dieser.
„Ja.“ Der Junge hätte um ein Haar die Faust geballt. Das klang so verächtlich, wie der das aussprach, wie er es sonst von Kouga hörte.
„Sesshoumaru.“ Der Inu no Taishou sagte bloß den Namen, aber sein Sohn schwieg unverzüglich.
Inu Yasha war etwas überrascht unerwartet Unterstützung zu finden, meinte jedoch: „Ich darf Ihnen die Präsidentensuite zeigen. Waren Sie bereits einmal hier?“ Wie lautete die Anrede: „Oyakata-sama?“
„Ja. Du brauchst also nicht viel zu reden.“ Das klang fast amüsiert.
„Wie Sie wünschen.“ Er musste sich etwas zwingen, so höflich zu bleiben, aber ihm war klar, dass das im Hotelgewerbe dazu gehörte. Man konnte sich Kunden nicht aussuchen. Am liebsten hätte er jedoch diesem Sesshoumaru eine gelangt. Zwar schwieg der nun, aber der Halbdämon war sicher, dass dessen Gedanken alles andere als nett waren. Da lag ein Blick in den Augen, als ob er selbst von der nächsten Müllkippe stammen würde. Der Inu no Taishou betrachtete ihn dagegen mehr sachlich interessiert.
Er trat voran, als die Tür sich öffnete: „Darf ich bitten? – Ihr Begleitung hat zehn Zimmer im Stockwerk direkt hier darunter. Sowohl mit Lift als auch mit Treppe zu erreichen. Unten wurden alle Türen entsprechend abgesperrt, so dass niemand der anderen Gäste Sie belästigen kann. Dies ist, wie Sie wissen, die Tür zu der Präsidentensuite. Sicherheit wird durch Kameras und so weiter gewährleistet.“ Er hielt den beiden die Tür auf, um sich ihnen dann wieder anzuschließen: „Auf der linken Seite befinden sich zwei Zimmer für Ihre Begleiter. Ihre eigentlichen Räume liegen hier rechts. Wenn ich Sie in den Aufenthaltsraum bitten dürfte… Hier rechts geht es in das Schlafzimmer mit anschließendem Badezimmer. Links…“ Er musste sich zwingen, in Sesshoumarus Augen zu sehen und dennoch höflich zu bleiben. Gegen diesen Typen war Kouga ja echt harmlos: „…wäre Ihr Zimmer, ebenfalls mit eigenem Badezimmer. So können Sie sich treffen, ohne über den Flur gehen zu müssen….“ Er hörte, dass der Lift erneut emporkam, sicher mit den engsten Mitarbeitern: „Falls Sie etwas wünschen, wählen Sie bitte hier am Telefon die Null. Die Rezeption wird alles unverzüglich veranlassen. Weitere Telefone befinden sich an den Betten. – Haben Sie noch Fragen, Oyakata-sama?“
Der Inu no Taishou ließ seinen Mantel von den Schultern gleiten, um ihn in der gleichen Bewegung auf den Sessel zu legen: „Nein, danke, Junge. Inu Yasha war dein Name? Du kannst gehen.“ Er reichte ihm einen Schein.
„Danke, Oyakata-sama“, sagte der junge Halbdämon respektvoll, der seinen Augen nicht traute. Das war beim Zeitungsaustragen ein Monatslohn. Nun ja, dies war einer der reichsten Männer der Welt. Er verneigte sich höflich etwas vor den beiden Gästen ehe er ging.
„Ein Halbdämon!“ Sesshoumaru zog seinen Mantel ebenfalls aus und ordnete seine Fellboa: „Will Shima Sie beleidigen, verehrter Vater?“
„Ich vermute eher, dass er annahm, das sei besser als ein Mensch. Übrigens, mein Sohn: niemand kann etwas für seine Eltern. Es ziemt sich nicht, dem Jungen daraus einen Vorwurf zu machen.“
„Ich bitte um Verzeihung.“
„Du hast natürlich in einem Punkt Recht.“
Sesshoumaru, nur zu vertraut mit der Art seines Vaters, wurde aufmerksam: „Dann ist es Ihnen auch aufgefallen?“
„Ein Elternteil des Jungen war ein Hundedämon, ja. Und ich wüsste von niemandem. – In zwei Stunden haben wir das Treffen mit dem Makler. Er will uns drei Häuser zeigen.“
„Es ist Ihre Entscheidung, chichi-ue.“
„Auch deine. – Geh in dein Zimmer. Deine Koffer kommen gerade.“
„Danke.“
Als der Inu no Taishou allein war, dachte er eine Weile nach, ehe er zum Telefon griff: „Ich möchte Shima-san sprechen.“
Die Rezeption verband ihn unverzüglich, da sie auf dem Display sehen konnte, aus welchem Raum der Anruf kam.
Der Manager meldete sich nervös: „Oyakata-sama? Wie kann ich Ihnen dienen?“
„Inu Yasha. Was macht er in diesem Hotel?“
„Er…er ist Praktikant. Hat er sich etwa ungebührlich verhalten…? Ich werde ihn unverzüglich entlassen…“
„Unsinn. – Praktikant. Er schien mir noch Schüler zu sein.“
„Ja, Oyakata-sama. Das ist so üblich, im letzten Schuljahr…“
„Ich erinnere mich. Wie heißt er?“
Herr Shima erkannte, dass er einen Tag hatte, an dem er nicht ausreden durfte: „Äh, Inu Yasha Kamui. Er ist erst seit einer Woche hier. Wünschen Sie...“
„Nein.“ Der Inu no Taishou legte auf: „Myouga.“
Ein kleiner Flohgeist schlüpfte aus seinem abgelegten Mantel: „Oyakata-sama?“
„Inu Yasha Kamui. Ich will alles über ihn wissen. Vor allem die Namen seiner Eltern, wo er geboren wurde und wie er lebt.“
„Unauffällig?“ erkundigte sich Myouga nur.
„Äußerst. Niemand darf wissen, dass ich mich für ihn interessiere. Und damit meine ich auch Sesshoumaru.“
Mit gewissem Erstaunen nickte der Flohgeist, ehe er aus der Tür sprang.
„Kamui“, murmelte der Inu no Taishou, ehe er sich in einen Sessel fallen ließ und ins Nichts starrte.
Inu Yasha kehrte an diesem Abend äußerst vergnügt in den Schrein zurück.
Kikyou musterte ihn: „Du hast heute Glück gehabt?“
„Ja, sieht man es so? Hier, das war mein Trinkgeld heute!“ Er reichte es ihr: „Das ist doch echt gut...!“
„Ja. Du willst es mir geben?“ Sie betrachtete ein wenig ungläubig den Schein: „Trinkgeld?“ erkundigte sie sich dann etwas kritisch.
„Ja. Der Inu no Taishou ist heute für ein paar Wochen ins Hotel gezogen. Ich durfte ihm die Suite zeigen. Und das war sein Trinkgeld.“
„Verschwendung“, tadelte die Priesterin prompt, ehe sie den Schein nahm: „Nun, damit dürfte unser Essen für die nächsten beiden Wochen gesichert sein. Für ihn ist es wohl nicht so bedeutend. – Er ist kaum allein?“
„Nein, sein Sohn und einige Leibwächter und noch ein paar Dämonen sind auch dabei. Angeblich soll er hier in die Stadt ziehen wollen.“
„Deck den Tisch. – Nun, das wird uns kaum etwas angehen. Hm. Wenn er dir soviel Trinkgeld gab, wird er dich hoffentlich bei Herrn Shima lobend erwähnen.“
„Ja, hoffe ich auch. Dann könnte ich vielleicht wieder in das Grand Hotel, wenn ich studiere.“ Inu Yasha nahm die Schüsseln aus dem Schrank: „Das wäre schon mal ein Anfang.“
„Ja.“ Kikyou war sich nur zu bewusst, dass er es schwerer haben würde als jeder Dämon oder jeder Mensch. Es gab schließlich keine Organisation für Halbdämonen. Und eine Empfehlung des Inu no Taishou war sicher nicht schlecht – auch, wenn sie die Gerüchte um diesen gehört hatte. Aber Inu Yasha war eben weder noch und um zu überleben würde er notfalls auch mit dem Teufel paktieren müssen.
Myouga kehrte erst Stunden später zu seinem Herrn zurück, als dieser nach der Besichtigung der Häuser in seinem Schlafzimmer allein war: „Oyakata-sama?“
„Dein Bericht?“ Der Herr der Hunde setzte sich auf die Bettkante.
„Inu Yasha Kamui. Er ist siebzehn, Halbdämon, Schüler der Abschlussklasse der Fudo High. Der Name seines Vaters ist unbekannt und der Name seiner Mutter Izayoi Kamui.“ Der Flohgeist bemerkte beunruhigt wie die Hand des Taishou zu dessen Brust zuckte: „Ich möchte erwähnen, dass Izayoi kein so seltener Name ist.“
„Izayoi Kamui. Und ein halbdämonischer Sohn….Weiter.“
„Izayoi….sie starb vor fünf Jahren. Seither lebt der Junge in einem Schrein bei einer Priesterin namens Kikyou. Ihre Mütter waren befreundet.“
„Izayoi…..“ Der Herr der Hunde stand auf: „Wo ist ihr Grab?“
„Auf dem Zentralfriedhof“, erwiderte Myouga prompt, froh, dass er die Reaktion seines Gebieters vorhergesehen hatte: „Ich habe es aufgesucht. Es wird gepflegt.“
„Und der Junge?“
„Ich weiß nicht viel. Er scheint keine Freunde zu haben oder so etwas. Wohl, weil er ein Halbdämon ist.“
„Inu Yasha und Izayoi Kamui…“
„Oyakata-sama, es könnte ein Zufall sein.“
„Unsinn und das weißt du auch. Die Namen, die Tatsache, dass der Junge Hundeblut in den Adern hat, sein Alter….Inu Yasha. Sie hat ihn wirklich so genannt…..“
„Äh, Herr….?“
Der Taishou sah geradeaus: „Wir...wir sprachen einmal über Kindernamen und ich erwähnte, dass dies ein netter Name für meinen Zweitgeborenen wäre. – Myouga, rufe ein Taxi. Ich will zum Friedhof.“
Nur kurz darauf spazierte er scheinbar allein über den Zentralfriedhof, den kleinen Floh wieder unsichtbar unter seinem Mantel.
„Dort links, Oyakata-sama..“
Er warf einen Blick auf den kleinen Gedenkstein, vor dem Blumen lagen, ehe ihm auffiel, dass ein Mann mit einer Kamera ihm gefolgt war, und lieber weiterging. Das fehlte noch, dass solch ein Bild von ihm in den Zeitungen erschien. Manchmal bereute er seine Entscheidung der Öffentlichkeit. Der Clan der Spinnen hatte da weitaus weniger Probleme. Allerdings wurden sie oft genug auch als Verbrecher bezeichnet, was der Hundefamilie erspart blieb. Nun ja, Wirtschaftsspionage warf man ihnen vor, und, wenn der Inu no Taishou ehrlich war, gab er das auch zu. Aber keine große Firma konnte überleben, ohne dass das Gesetz manchmal etwas gebogen worden wäre. Und im Interesse aller, die die Familie schützte, musste Geld herbeigeschafft werden. Das war der Preis gewesen, nun, einer der Preise, die er für seine Verträge mit den Menschen zahlen musste. Er blieb stehen und drehte sich um.
Sein Verfolger bemerkte es und zögerte einen Moment, ehe er herankam: „Ich wollte Sie nicht stören“, begann er.
„Nun, genau das haben Sie getan.“
„Sie sind doch der Taishou? Ich zögerte, weil keine Leibwächter, keine Begleiter…“
„Ab und an habe ich das Bedürfnis allein zu sein.“
„Darum auch dieser ruhige Ort für einen Spaziergang. – Mein Name ist Miki Namishi, ich arbeite für die Blendende Illustrierte.“
„Das dachte ich mir. Nun gut, zwei Fragen, dann gehe ich weiter.“
„Danke. Sie gehen manchmal allein spazieren um zu entspannen. Ist das nicht gefährlich, ohne Leibwächter?“
„Nein.“
„Sie wären in der Lage sich allein zu schützen? Aber wozu zahlen Sie dann…?“
„Manches gehört eben dazu. Noch eine Frage?“
„Sie sind geschieden, hörte ich. Gibt es in Ihrem oder im Leben Ihres Sohnes Aussicht auf eine baldige Hochzeit? Die Leserinnen schätzen so etwas, “ erklärte er eilig, als er das kalte Aufblitzen in den Dämonenaugen vor ihm sah und in diesem Moment begriff wie man sich als deren Beute fühlen mochte. Zum Glück gab es die alten Verträge…
„Nein.“ Der Inu no Taishou verspürte nicht die mindeste Lust ausgerechnet bei Izayois Gedenkstein darüber zu reden: „Aber Sie können Ihren Lesern mitteilen, dass wir beabsichtigen, in diese Stadt zu ziehen und auch die Firmenzentrale hierher zu verlegen.“
„Danke.“ Der Journalist zog sich eilig zurück, froh, wenigstens einige Informationen erhalten zu haben. Und ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Taishou war eine seltene Angelegenheit. Er wandte noch einmal den Kopf, aber der Hundedämon schritt langsam weiter, sichtlich unbesorgt.
„Sie glauben, Inu Yasha ist Ihr Sohn?“ erkundigte sich Myouga, als sie wieder zu zweit waren.
„Er hat Hundedämonenblut.“
Warum, Izayoi, dachte der Herr der Hunde, wie so oft in den vergangenen achtzehn Jahren, diesmal jedoch noch hoffnungsloser. Warum hast du mich verlassen? Warum mir nie gesagt, dass du einen Sohn von mir bekommen hast? Ich hätte dich nie bedrängt, dir nur geholfen, wenn du es wolltest. Und jetzt bist du tot und ich werde die Antwort nie erfahren. Izayoi!
Der kleine Flohgeist schwieg lieber. Er kannte nur zu gut die zuerst so romantische Liebesgeschichte des mächtigen Inu no Taishou und seiner menschlichen Mitarbeiterin. Er hatte wirklich geglaubt, die beiden seien füreinander bestimmt. Und dann, von einem Tag auf den anderen, war Izayoi Kamui verschwunden. Alles, was dem Herrn der Hunde geblieben war, waren die Geschenke, die er ihr gemacht hatte. Sie hatte nichts mitgenommen. Aber, wenn sie damals schwanger gewesen war, wurde das Rätsel nur umso größer.
Als er in das Hotel zurückkehrte, wartete Sesshoumaru in ihrem gemeinsamen Aufenthaltsraum, schaltete jedoch unverzüglich den Fernseher aus, als sein Vater eintrat. Er wusste, dass dieser die neuen technischen Errungenschaften der Menschen zwar nutzte, aber nicht schätzte. Er selbst auch nur bedingt – Autos waren eine reizvolle Angelegenheit.
„Haben Sie sich überlegt, welches Haus passend wäre, chichi-ue?“
„Was würde dir denn am besten gefallen?“ Der Inu no Taishou zog seinen Mantel aus.
„Das Große draußen am Waldrand. In der Stadt ist mir die Luft oft zu schlecht.“
„Da hast du Recht. Überdies haben wir dort die Möglichkeit, dir eine eigene Wohnung einzurichten. – Myouga, rufe den Makler an. Und mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.“
Der Flohgeist verschwand eilig. Als persönlicher Assistent war er für alles verantwortlich, das seinem Herrn Arbeit abnehmen würde.
Der Herr der Hunde setzte sich: „Du hast Nachrichten gesehen?“
„Ja. Es wurde erwähnt, dass die Familie hierher ziehen will.“
„Das war zu erwarten. Auch etwas über unsere liebe Konkurrenz?“
„Nein. Aber ich habe Royakan beauftragt, Leute loszuschicken, die sich umhören sollen. Ryuukossei ist ein zu großer Angeber, als das er auf Drohgebärden verzichten würde.“
„In der Tat. Und es wird ihm nicht gefallen, dass wir ebenfalls hierher kommen.“
„Für zwei Firmen ist kein Platz wird er sagen.“ Sesshoumaru betrachtete seine Hände: „Ihnen ist doch klar, chichi-ue, dass es zu einem Krieg kommen könnte?“
„Das kommt es so oder so, seit er den Clan übernommen hat. Meine Entscheidung hierher zurückzukehren hat das nur beschleunigt. Er ist ein Idiot. Ein derartiger Krieg kostet Dämonenblut und jede Menge Geld. Das ist unwirtschaftlich. Aber so denkt er nicht. Der alte Spinnendämon hätte mich verstanden.“ Schließlich hatten sie damals gemeinsam die Verträge mit den Menschen ausgehandelt. Deren schiere Überzahl hatte die Vorurteilsfreien unter den Dämonen erkennen lassen, dass die ältere und mächtigere Art nur zwei Möglichkeiten besaß: wandeln oder weichen.
„Ryuukosseis Tod würde diesen Krieg verhindern.“
„Nein. Es gibt immer Leute, die ihn rächen wollen. Die Welt wäre groß genug für beide Konzerne und nur ein Dummkopf wie er glaubt, dass zwei Firmensitze an ein und demselben Ort gefährlicher sind als an den jeweils anderen Enden der Welt. Aber mal sehen. Vielleicht ist er auch vernünftiger, als ich denke. Wir werden hören, was Royakan herausgefunden hat. – Zu etwas anderem: ich habe vor, Inu Yasha zu uns zu holen.“
„Diesen Halbdämon?“ Sesshoumarus Erstaunen lag nur angedeutet in seiner Stimme.
„Er ist ein Halbdämon, ja, aber er hat nun einmal Hundeblut in den Adern. Auch, wenn ihm anscheinend nie jemand gesagt hat, was das bedeutet. Und ich bin der Inu no Taishou und es ist meine Pflicht, mich um ihn zu kümmern.“
„Ich bitte um Verzeihung, verehrter Vater, Sie haben natürlich Recht. Gestatten Sie mir nur einen Einwand: er wird mitbekommen, dass wir….hm…uns Gedanken um Ryuukossei machen. Was macht Sie sicher, dass er nicht diesem hilft?“
Weil er auch mein Sohn ist, aber das unterdrückte der Herr der Hunde. Er kannte seinen Ältesten und dessen Stolz. Das musste langsam vorbereitet werden – auch bei Inu Yasha. „Er muss ja nicht alles mitbekommen. Ich dachte zunächst daran, dass er hier im Hotel einige Gänge übernehmen könnte. Er ist Praktikant der Geschäftsleitung. Herr Shima wird ihn sicher abstellen. Kamen schon mails oder andere Nachrichten?“
„Ja. Aber nichts Wichtiges. Natürlich bittet Rinishi um einen Besuch im Casino.“
„Das ist nur höflich. – Du kannst gehen und dir ein wenig die Stadt ansehen, wenn du magst. Ich werde mir die Post anschauen.“
„Danke, chichi-ue.“ Sesshoumaru erhob sich sofort. Zugegeben war er froh, das Hotel verlassen zu können. Trotz aller Veränderungen liebte er es noch immer durch die freie Natur zu wandern, was ihm oft genug versagt blieb. Hoffentlich gab es hier einen großen Park, denn bis vor die Tore der Stadt zu fahren würde zuviel Zeit in Anspruch nehmen: „Bis wann sollte ich zurück sein?“
„Sonnenuntergang. Dann werden wir uns wohl oder übel im Casino zeigen.“ Dieses gehörte der Familie und so war es notwendig, auch, wenn in den empfindlichen Hundeohren die Geräusche dort fast unerträglich schienen.
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Im nächsten Kapitel hat Sesshoumaru interessante Begegnungen mit Menschenmädchen und Dämonen - und Inu Yasha lernt ein Casino kennen.