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Die Kinder des Waldes

~ Ein Märchen ~
von

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Weiße Rosen

Die Kinder des Waldes – Weiße Rosen
 

Es war einmal ein Vater, der hatte seine Tochter verloren. Und weil sie nicht mehr da war, war er unendlich traurig. Er liebte auch seine anderen Kinder, aber keines von ihnen war so schön und lieblich wie seine Rosa.

Doch es ergab sich, dass er eines Tages sein Dorf verlies um nach der geliebten Rosenwiese seiner Tochter zu sehen. Da lief er auch an dem Wald vorbei, der von allen Dorfbewohnern nur Feenwald genannt wurde. Es hieß, dass die Feen die in ihm hausten, Menschen aßen. Noch nie war jemand wieder aus dem Wald zurück gekehrt, der ihn einmal betreten hatte. Doch diese Legende ängstigte den Vater nicht. Er folgte seinem Weg, am Wald vorbei, als er plötzlich etwas im Licht der Nachmittagssonne unter einem Strauch vorblitzen sah. Es wirkte so, als gehöre es nicht in die Landschaft hinein, also ging der Vater auf den Strauch zu und nahm das Stück Stoff, dass in ihm hing in seine Hände.

Der Vater weinte, denn es waren die Reste der Kleider seiner geliebten Tochter. Als er wieder hinunter zu dem Strauch blickte, der ihm dieses Geschenk gemacht hatte, war der dieser verschwunden. Der Vater umfasste den weichen Stoff fest in seinen Händen, als er einen Schritt in den Wald hinein tat, über den so viel Grauenhaftes erzählt wurde. Und wie er es vermutetet hatte sah er weiter hinten im Wald den Strauch erneut mit Stoffresten besetzt stehen.

Ohne darüber nachzudenken betrat der Vater den Wald ganz und lief dem Strauch hinter her, der ihm immer wieder ein weiteres Stück der Kleider seiner Tochter wieder gab und ihn damit immer weiter in den Feenwald hinein führte.

Es war bereits dunkel als der Strauch das letzte Stoffstück an den Vater übergab, der schon längst die Richtung hinaus nicht mehr kannte. Er war verloren, wenn er noch weiter im Wald herum irrte. Daher entschloss der Vater sich, an eine mit Moos überzogene Eiche zu legen und zu ruhen, bis der Tag ihm neues Licht schenken würde.

Doch der Tag kam nicht. Als der Vater seine Augen wieder aufschlug tanzten viele kleine Lichter um ihn herum und er konnte das Lachen von Kindern im Wind hören.

„Was suchst du hier, Verirrter?“, fragte eines der Lichter mit glockenheller Stimme.

„Meine Tochter suche ich. Ein Strauch hat mir ihre Kleider geschenkt und mich hier her geführt.“, antwortete der Vater traurig.

„Jetzt in der Dunkelheit werden auch wir sie nicht finden.“

„Aber du kannst bei uns bleiben, bis es Tag wird.“

„Ja, bleib bei uns.“

„Spiel mit uns, Verirrter.“, riefen nun die kleinen Feen im Chor und von irgendwo her wehte plötzlich eine Melodie durch die Bäume.

Es war ein dunkler Klang, der mit dem eisig werdenden Wind zog und den Vater in noch größere Traurigkeit hüllte. Und als die Feen hinfort tanzten, folgte der Vater ihnen, denn nur ihr Licht hielt ihn vor der Verzweiflung ab. Er folgte ihnen, bis sie zum stehen kamen und einen Kreis um ihn bildeten, um den herum sie tanzten und sangen. Und die Melodie wurde trauriger und verzweifelter und dunkler, so wie die Nacht es wurde.

Doch als das Lied sich langsam über den Mann hermachte, an seiner Haut und seinen Knochen nagte und ihn zu verschlingen drohte, da tanzte eine Fee aus dem Kreis und die Musik verstummte. Sie war die einzige rote Fee, unter den vielen weißen die im Kreise tanzten.

„Warum hörst du auf zu spielen, Rosa?“, fragten die Feen die kleine rote Fee, die nun weinend vor dem verirrten Vater tanzte und ihm ihr Licht gab.

„Ich weiß es nicht.“

„Warum schenkst du ihm dein Licht, Rosa?“, fragten die Feen wieder und der Kreis um die beiden weinenden wurde enger.

„Ich weiß es nicht.“

„Warum verrätst du uns, Rosa?“

„Weil… Ich weiß es nicht.“

„Warum, Rosa, warum?“

Und als die Feen in einen Singsang dieser drei Wörter einfielen, da öffnete der Vater seine Augen, sah die kleine rote Fee an und begann zu lächeln.

„Mein Tochter, ich habe dich gefunden.“, sagte er und strahlte sein verlorenes Kind an. Und die Fee verstand. Sie wandte sich zu ihren Freunden um und klagte: „Oh, bitte, lieber Brüder, liebe Schwester, so lasst mich gehen. Lasst mich mit meinem Vater wieder nach Hause gehen.“

„Warum, Rosa, warum?“, sangen die Feen weiter ihr trauriges Lied.

„Weil ich ihn lieb habe. Weil mein Vater mir nie etwas Böses wollte und er selbst jetzt noch mich beschützten würde.“

„Warum, Rosa, warum?“

„Oh, lasst mich gehen, ich flehe euch an.“, bat die Fee unter Tränen.

Das Lied verstummte. Die Feen tanzten nicht mehr.

„So lasse uns deinen roten Schein hier, dann darfst du mit ihm gehen.“, sang die hellste Fee und alle anderen stimmten in ihren Chor ein. Die rote Fee nickte: „Ja, ihr sollt mein Rot haben. Ich schenke es auch.“

Und da sangen die Feen wieder. Und mit jeder neuen Note verschwand mehr von dem roten Schein der kleinen Fee. Und mit jedem neuen Klang wurde sie größer und größer, bis ihre Freunde nur noch kleine helle Lichter waren. Und mit jeder neuen Melodie verschwand die Dunkelheit und Verzweiflung um den Vater, bis er sich aus dem Feenkreis erheben konnte.

„Rosa. Mein geliebtes Kind.“, flüsterte die Stimme des Verirrten und die Fee, die nun wieder ein Mädchen war, lachte und umarmte ihren Vater.

Und als die beiden, mit dem Aufgang der Morgenröte, Hand in Hand den Feenwald verließen, da waren die Haare des Mädchens weiß wie die der weißen Rosen, die ab und zu zwischen ihren roten blühten.
 

[Ende]



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