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Shadowwalkers II

Kampf und Flucht
von

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Der Weg zurück

Als Ashley diesen Morgen wieder aufgewacht war, war sie so KO wie nach einer meilenweiten Wanderung. Allerdings war dieses Gefühl auch mit etwas anderem, wesentlich angenehmeren verbunden. Seit ewigen Zeiten hatte sie dieses Gefühl, am Morgen neben jemandem aufzuwachen – neben der Person, neben der sie eingeschlafen war.

Auch wenn Lily sie etwas unsanft geweckt hatte und aus dem Tiefschlaf riss, war es einfach ein wesentlicher Unterschied zu einem Wecker, der ihr in laut schrillenden Tönen sagte, dass es Zeit war aufzustehen. Und ein Wecker würde sie auch niemals mit Streicheleinheiten oder sanften Küssen aus dem Reich des Schlafes holen.

Ein etwas weniger angenehmes Erlebnis war dann eine Stunde später der Abschied von ihrer Mutter gewesen. Es war ein schwerer, tränenreicher Abschied. Und erst als Lily Grace hoch und heilig versprochen hatte, dass sie relativ zeitnah wieder von sich hören ließen, konnte Grace es über sich bringen, ihre Tochter wieder gehen zu lassen.

Auf der Rückfahrt hatte es keine Stunde gedauert und Ashley hatte wieder die ersten Kopfschmerzen. Gegen Mittag kam dann der erste Schwindelanfall und Lily hatte auf einer längeren Pause bestanden. Ashley war irgendwann dann eingeschlafen und Lily hatte die Fahrt fortgesetzt. Inzwischen war es später Nachmittag und Lily hatte an einer Tankstelle gehalten, um den Wagen aufzutanken und eine Kleinigkeit zu essen für Ashley zu holen.

Ashley saß auf dem Beifahrersitz und hatte das Fenster geöffnet. Allerdings verschaffte ihr das wenig Kühlung. Draußen war es höchstens fünf Grad kälter als im Inneren des Autos. Und die Hitze machte ihren Zustand kein bisschen besser. Ihr Kopf pochte heftig, wenn sie die Augen öffnete, dann fühlte es sich an, als würde die Sonne ihr den letzten Rest Sehfähigkeit weg brennen. Zudem fühlte sich ihr Magen an, als würde er im nächsten Moment den sämtlichen, nicht vorhandenen Inhalt entleeren.

Lily kam schließlich von dem kleinen Shop neben der Tankstelle zum Auge gejoggt. Aus dem Augenwinkel erkannte Ashley, dass sie in einer Plastiktüte zwei Sandwiches und eine kleine Flasche Wasser. Allein schon bei dem Gedanken ihrem Magen jetzt irgendetwas hinzu zu fügen wurde Ashley von einem neuerlichen Übelkeitsanfall geschüttelt.

Als Lily am Auto ankam, öffnete sie die Beifahrertür und beugte sich zu ihrer Freundin hinab. Mit einem Kuss auf die Stirn versuchte Lily Ashley auf sich aufmerksam machen, aber Ashley gab zur Antwort nur ein wütendes Grummeln von sich. Lily lächelte „Hey, wann bist du zu einem bösartigen Hund mutiert.“ Ashley schlug die Augen auf und blickte sie böse an „Lass die dummen Scherze!“ fauchte sie.

Lily ließ sich aber dadurch gar nicht beirren. „Sei nicht so mürrisch, Engelchen.“ Sie ging in die Hocke und fuhr dann fort. „Hier iss was.“ Ashley verzog das Gesicht. „Bitte nicht.“ murmelte sie. Lily drückte ihr ein Sandwich in die Hand. „Keine Widerworte, du isst jetzt etwas. Du kannst nicht den ganzen Tag ohne etwas zu essen im Auto rumsitzen.“ Ashley schenkte ihr nur einen weiteren, ziemlich ärgerlichen Blick. „Vielleicht später. Ich krieg im Moment nichts runter.“ Sagte sie und legte das Sandwich auf der Ablage über dem Handschuhfach ab.

Lily seufzte hörbar und hielt Ashley die Flasche Wasser hin. „Dann trink wenigstens einen Schluck. Du bist schon ganz blass um die Nase.“ Einen Moment schien Ashley zu überlegen, dann aber schnappte sie sich die Flasche aus Lilys Hand und nippte daran. Ein zufriedener Ausdruck umspielte Lilys Gesichtszüge, wie bei einem Lehrer, der seinen Erstklässlern gerade das Zählen bis zehn erfolgreich beigebracht hatte.

Sanft streichelte sie ihrer Freundin durchs Haar, als die ihre Flasche wieder zuschraubte und auf dem Fahrersitz ablegte. „Du siehst echt nicht gut aus, meine Liebe.“ Ashley lächelte gequält. „Ich fühle mich auch nicht so besonders.“ Lily kletterte in den Wagen und quetschte sich neben Ashley auf den Autositz. Trotz der Enge war Ashley die Nähe und die zärtliche Umarmung von Lily nicht unangenehm. Im Gegenteil. Für einen Augenblick fühlte sie sich viel leichter und entspannter.

„Es wird schlimmer, oder?“ flüsterte sie ihrer Freundin ins Ohr. Lily schnaufte tief und überlegte, was sie darauf antworten sollte. „Mal davon abgesehen, dass ich nicht sagen kann, was es ist, dass dir fehlt… es sieht wohl so aus.“ raunte sie mit einer Betroffenheit in der Stimme, die Ashley einen Schauer über den Rücken jagte. Nach einer Weile, in der beide schwiegen und Lily Ashley sanft durch die Haare fuhr und sie fest in die Arme nahm, sagte Ashley schließlich: „Das macht mir Angst.“

Lily sah sie mit einer Miene an, die so ungewöhnlich für sie war, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Sorge und eine unendliche Traurigkeit waren darin abzulesen und – was das ganze noch viel schlimmer machte – Hilflosigkeit. Auch sie wusste nicht, wie sie Ashley helfen sollte, was sie tun konnte, damit es besser würde. Und so kam ihr nur die einzige Antwort in den Sinn, die auch ehrlich genug war. „Mir auch, Engelchen. Mir macht es auch Angst.“

Ashley schloss die Augen und atmete tief durch. Was hatte sie nur getan, um es verdient zu haben, in so einer Situation zu landen? Davon abgesehen, dass sie ihre Familie verlassen musste und in den letzten Jahren kaum Kontakt hatte, musste sie sich nun mit einer völlig neuen und ungleich gefährlicheren Situation auseinandersetzten.

Sowohl die Schattengänger – allen voran Duncan – als auch die Dämonen waren hinter ihr, genauso wie sie es Lily vor Wochen im Krankenwagen prophezeit hatte. Sie wollten von ihr das Manuskript haben und es war klar, dass sie vor gar nichts zurück schrecken würden um es zu bekommen. Wenn Ashley damals einfach nur ihren Mund gehalten hätte und Duncan gegenüber nicht herausposaunt hätte, dass sie wusste, wo es war…

Doch diesen Gedanken verwarf sie relativ schnell wieder, denn Duncan hätte wahrscheinlich dann dafür gesorgt, dass sie die Nacht nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus nicht überlebt hätte, nur um sie endgültig los zu werden. Während sie sich im Stillen mit diesem Dilemma beschäftigte spürte sie mit zunehmender Zufriedenheit, dass Lily ihre Umarmung nicht löste.

Schließlich schlug sie die Augen wieder auf und suchte die von ihrer Freundin. „Wir sollte weiter fahren. Sonst kommen wir heute nicht mehr an.“ Lily verengte kurz missfallend die Augen, nickte aber dann zustimmend. „Stimmt und außerdem wollen wir doch nicht, dass Trinity vor Sorge einen Herzinfarkt bekommt.“

Ashley verzog das Gesicht etwas ungläubig. „Du hast ihr doch gesagt, wo du mit mir hinfährst oder nicht?“ Lilys Antwort war ein verschmitztes Lächeln. Es glich dem, eines kleinen Mädchens, dass gerade dabei erwischt wurde, wie es aus der Keksdose genascht hatte und nun versuchte es zu leugnen. Ashley schüttelte den Kopf. „Wenigstens anrufen hättest du sie können.“

Lily winkte ab, als sie aus dem Auto ausstieg und ihre müden Glieder noch mal streckte. „Ach was, sie wird es überleben. Es gibt schlimmeres.“ Als Lily um das Auto herum gegangen und hinter dem Lenkrad Platz genommen hatte, fügte Ashley hinzu: „Und von dir ist sie mit Sicherheit schlimmeres gewohnt.“

Lily drehte den Zündschlüssel mit einem verschmitzen Lächeln. „Mit Sicherheit.“ Ashley schloss kopfschüttelnd ihre Tür und lehnte sich dann wieder zurück. Bis vor kurzem war ich von dir auch noch schlimmeres gewohnt. Dachte sie sich und schloss die Augen in der Hoffnung, dass sich ihre Kopfschmerzen bald erledigen würden.



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