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Zwischenzeit

3rd War of Heaven
von

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Namenlos

Die Sterne verblassten und ein neuer Tag brach an. Die Sonne kroch den Horizont empor und erstrahlte in rotem Licht. Die rötlichen Strahlen fielen durch das bunte Glas, tanzte auf dem steinernen Boden und tauchte ihn in verschiedene Farben. Als der erste morgendliche Sonnenstrahl die Schlafende berührte, wachte sie sofort auf und erblickte den atemberaubenden Sonnenaufgang. Eine Weile lang schien ihr als würde die Sonne das ganze Land mit Blut überschwemmen und der Himmel in Flammen aufgehen. Dann schüttelte sie ungläubig den Kopf, gähnte und murmelte leise: "Nur wieder eine Vision."

Sie richtete sich auf, "Ich hasse es Besuch so spät in der Nacht zu bekommen," die junge Frau gähnte abermals, "Niemals hat man Ruhe und schlafen kann man auch nicht!", mit ihrer rechten Hand streifte sie sich durch ihr vom Schlaf zerzaustes dunkles Haar und glättete es somit. Es war kurz, hing ihr bis zum Schlüsselbein und glänzte je nach Lichteinfall in einer anderen Farbe. Es war auch keine Täuschung gewesen, dass ihre Augen wirkten als wären sie blind. Sie waren blass und sahen tot aus.

"Irgendwie bereue ich, dass ich gestern so schroff zu dem Kleinen war, aber so wissen die Dämonen, dass ich nicht an ihrer Seite kämpfen will!"

Dann wandte sie sich wieder den alten Ruinen zu, die in der morgendlichen Sonne schwarz und bedrohlich wirkten. Jetzt erst konnte man sich das Grauen vorstellen, das vor 8 Jahren hier geschehen sein muss. Die junge Frau trete sich auf der Ferse um und ging wieder zurück in das Gewirr der zerstörten Mauern. Ihre Schritte klangen laut auf dem rußigen Boden und bei jeden Schritt flog eine kleine Staubwolke auf. Es dauerte nicht lange bis sie wieder im Schutz der Dunkelheit des alten Gemäuers war. Wieder im Inneren des steinernen Labyrinths wandelte sie an zum Teil verbrannten Ikonen vorüber, die wie durch ein Wunder das Unheil überstanden hatten, denn ansonsten war alles in der Nähe liegende verkohlt. Die Figuren schienen als würden sie die junge Frau mit bösen Blicken verfolgen, doch sie ging an ihnen vorüber und beachtete die Heiligen nicht. Wie durch eine unsichtbare Hand geleitet glitt sie durch die vielen Korridore an Asche und zerbersteten Mauerwerk vorbei. Es muss ein gigantisches Gebäude gewesen sein, da die Gänge endlos schienen und die Zeit verging wie Sand im Wind. Es befand sich nirgends ein Fenster oder ein größerer Riss in der Wand, der Licht ins Innere des zertrümmerten Klosters ließ. Es war Dunkel, doch sie fand ihren Weg und stieß sich nicht einmal den Fuß an einem der am Fußboden liegenden Wandstücke. Plötzlich kam sie zu einer Tür, die aus schwarzem Ebenholz gefertigt worden war und große eiserne Beschläge verankerten sie sicher in der von Flammen geschwärzten Mauerwand. Der Knauf wurde von einem Löwenkopf, der eine Schlange fraß, die einen Ring mit ihren schönen geschuppten Körper formte, gebildet. Er war ebenfalls aus Eisen, das durch die vielen Jahre schwarz wurde, wie die Beschläge. Vor allem fiel auf, dass neben der Tür kleine Ritzen waren, die Licht in den Gang warfen und dem Portal ein heiligenscheinartiges Leuchten verliehen. Es war noch etwas Seltsames an dieser Tür, auf ihre Mitte hatte jemand mit weißer Kreide die römische Ziffer Eins geschrieben. Die junge Frau streckte ihre Hand aus, ergriff den Schlangenring und zog kräftig an ihm. Die Tür öffnete sich mit einem lauten Knarren in den Flur hinaus. Doch statt dem erwarteten Raum gab das Portal nur noch einen schmäleren Gang preis. Sie schritt durch den Durchgang in der Mauer und ging zielstrebig zu einem anderen, auf dem die Zahl Zwei geschrieben stand. Dieser glich der vorherigen Tür bis ins kleinste Detei. Auch hinter dieser Tür befand sich wieder ein Gang. Endlich gelangte sie zur siebten Tür und öffnete sie auf die selbe Art und Weise wie die anderen sechs Portale davor. Dieses Mal offenbarte sich kein weiterer Flur, statt dessen war alles schwarz. Das kam daher, da ein schwarzer und schwerer Stoff den Eingang verhüllte. Die junge Frau strich den Verhang zur Seite und betrat das Zimmer. Ihre Schritte hallten in dem großen Raum wieder und wirbelten Staub auf, aber auch hier gab es keine große Lichtquelle. Nur kleine Ritzen und Löcher im Wandkopf erlaubten ein dämmriges Licht. Sie trat langsam ein und sah sich einwenig um. Das Zimmer war sechseckig und das karge Licht gab nur die Umrisse verschiedener Gegenstände preis. Es befand sich nicht viel in diesem Zimmer. Plötzlich fixierte sie einen in einer Ecke lehnenden Schubladenkasten, der früher als Aktenschränkchen gedient haben musste. Mit schnellen und großen Schritte eilte sie zu den verbrannten Kasten. Er musste etwas sehr wichtiges enthalten, da sie ihren Gang immer mehr beschleunigte. Neben ihm lag das verrußte Zifferblatt einer alten Uhr, in dem nur noch die verkrümmten eisernen Zeiger steckten. Sie waren rostig und man konnte nicht sagen wie lange diese Uhr schon in diesem Zustand hier lag. Die verkrümmten Zeiger wiesen eine Sekunde vor Mitternacht an. Ansonsten befanden sich nur noch verbrannte Klumpen und eingestürztes Mauerwerk, das mit Asche überzogen war, im Raum. Sie riss die unterste Schublade auf und suchte etwas. Nach einer Weile zog sie mit einer hastigen Bewegung ein Bündel Blätter, das mit einer Schnur zusammen gebunden worden war, aus der Lade und schloss sie wieder mit einer derartigen Wucht, dass der Kasten in einer riesigen Staub- und Rußwolke zusammenbrach und teilweise zu Staub zerfiel. Daraufhin wandte sie sich wieder um und öffnete die Tür, die sich hinter ihr mit einem lauten Knarren geschlossen hatte. Die junge Frau ging wieder auf den langen Flur hinaus und begab sich wieder ins Freie. Als sie den Schatten des zerbersteten Mauerwerks abstreifte, warf die Sonne schon lange Schatten und tauchte die ganze Ebene in glühendes Licht. Sie schritt zu ihren Unterschlupf und setzte sich vor den Eingang. Dann nahm sie das Bündel und öffnete die Schnur, die es zusammen hielt. Die Blätter waren unversehrt, so dass man erkennen konnte, dass es sich hierbei um eine alte Akte handelte, die die Nonnen angelegt hatten. Es war eine Akte über eine Weise und die junge Frau las sie gründlich durch.

"Es sind doch seltsame Wesen, diese Menschen. Hier steht, dass ich eine Weise war und sie mich gefunden haben. In gewisser Weise hatten sie Recht, aber ich bin kein Mensch. Sie fragten mich nach meinen Namen und als ich ihnen keine Antwort gab, hielten sie mich für verrückt, aber wie sollte ich ihnen antworten, wenn ich keinen habe. Sie waren feige! Sie hatten Angst vor mir und gaben mir auch keinen Namen. Uriel war der Erste, der mir einen Namen gab. Er nennt mich einen "Fehler", einen "Irrtum". Vielleicht hat er Recht damit, vielleicht bin ich nur ein Fehler und sollte nie hier leben. Vielleicht war es nie geplant, dass ich existiere und das hier war nur ein "Ausrutscher". Das will ich, aber nicht einsehen!", ihre Augen füllten sich mit Tränen, "Ich gehöre zwar zu keiner Rasse der vielen Welten, aber irgendwo auf dieser Erde muss es doch jemanden wie mich geben oder jemanden, der es vollbringen kann und mich erlöst!"

Die Sonne sank unter den Horizont und zog das dunkle Tuch der Nacht hinter sich her. Die Sterne wurden heller und der Mond ging wieder in seiner vollen Pracht auf. Er war noch immer von roter Farbe und thronte über der Ruinenstadt wie ein bedrohlicher Schatten. Man hörte einen Wolf in der Nähe heulen. Er war sehr nah und, als die Namenlose ihren Blick hinunter in die Stadt richtete, konnte sie erkennen, dass ein silbriges Wesen mit unglaublicher Geschwindigkeit durch das Labyrinth der Felsen hastete. Es war der Wolf, den man zuvor heulen hörte. Er wich allen Hindernissen aus und überquerte den ehemaligen Friedhof. Die Grabsteine waren zerbrochen und von Pflanzen überwuchert. In der Mitte des Friedhofes befand sich eine marmorne Engelstatue, die unversehrt von Efeu überwachsen wurde. Der Wolf verließ wieder den Friedhof und war für eine Weile verschwunden. Dann stand er plötzlich vor der jungen Frau mit heraushängender Zunge, blickte ihr in die Augen und wich nicht von der Stelle. Auch sie bewegte sich nicht und starrte den Wolf an. Er war sehr groß und hatte goldene Augen, seine Zähne waren weiß und spitz, doch er wirkte sehr sanft. Die Haare seines Fells wiegten sich im Wind und spiegelten das Licht der Sterne wieder.

"Sei gegrüßt, Wesen aus keiner Welt," begann er, "du weißt sicher warum ich dich hier aufsuche. Die Erde erwartet deine Entscheidung mit Ungeduld."

"Meister Isegrim, ihr wisst so gut wie ich, dass ich noch keine getroffen habe! Ich kann nicht kämpfen und sich für eine der Seiten zu entscheiden ist eine schwierige Aufgabe!"

"Ich verstehe dich gut, aber ich kann dir nur einen Rat geben: Folge deinem Herzen und verliere nie deinen Weg aus den Augen. In ein paar Tagen werde ich wiederkommen und deine Antwort erwarten," er wollte die Ruinen des Klosters wieder verlassen und kehrte sich wieder um.

Als die junge Frau ohne Namen unerwarteter Weise meinte: "Aber wie soll ich eine so schwere Bürde tragen, wenn ich nicht einmal einen Namen oder eine Existenz habe?"

Der Wolf schmunzelte ein wenig und wandte sich ihr wieder zu: "Einen Namen willst du also haben, so so. Warum hast du dir noch keinen selbst gegeben?"

"Das geht doch nicht!", sie wurde etwas verlegen, "Man kann sich doch selbst keinen Namen geben."

"Warum nicht?", fragte der Silberne erstaunt, die Antwort schon kennend.

"Einen Namen bekommt man von seinen Eltern oder von einer geliebten Person oder von einem angesehenen Wesen."

"So," Isegrim dachte nach, "du hast keine Eltern und so viel ich weiß auch keine "geliebte" Person."

"Das ist richtig, daher habe ich auch keinen Namen!"

Dieses Mal überlegte er nicht lange und meinte: "Ich könnte dir einen Namen geben!"

Die junge Frau war sichtlich überrascht: "Sie? Würden Sie das für mich tun, Meister Isegrim?"

"Ja, aber nur unter zwei Bedingungen," die Augen des Wolfes füllten sich plötzlich mit einem eigenartigen Glanz und sie wusste, dass er etwas im Schilde führte.

"Sprich! Was verlangst du?", sie war etwas irritiert, denn dies hatte sie nicht erwartet.

"Die erste Bedingung wäre, dass du mir, sobald ich wieder zurückkehre, eine Antwort gibst, welche der beiden Seiten, Dämonen oder Engel, du gewählt hast. Es ist sehr wichtig für den Rest der Erde, außerdem wird dadurch wahrscheinlich die Schlacht entschieden!"

"Und was wäre die zweite Bedingung?", ihre Neugierde wuchs, denn sie konnte sich nicht vorstellen was der Silberne von ihr als Zweites verlangen würde.

"Nur die Ruhe, alles braucht seine Zeit! Ich werde es dir gleich verraten, aber erst mache ich es mir bequemer," er legte sich auf den von Ruß bedeckten Boden, "Nun, die zweite Bedingung wäre, dass du im Krieg dir jemanden erwählst, der dir einen anderen Namen gibt."

"Warum verlangt ihr dies von mir? Wie soll dieser Jemand aussehen?"

"Das wirst du dann schon begreifen. Deine Fragen werden alle beantwortet werden, wenn die Zeit dafür gekommen ist," er legte seinen Kopf auf seine Vorderpfoten und schlief ein.

"Warum schläft er jetzt ein?", etwas enttäuscht machte sie sich auf und ging in ihr Nachtlager. Dann schlief auch sie ein.

Die Nacht verstrich und schmolz unter den wärmenden Strahlen der Sonne. Es war wieder Morgen geworden und der Wolf lag noch immer vor dem Eingag des Gewölbes und schlief tief und fest, doch als die junge Frau aufwachte öffneten sich seine Augenlieder blitzartig als hätte er nur darauf gewartet.

"Sie gaben mir noch keinen Namen."

"Darüber bin ich mir klar. Alles braucht seine Zeit und auch das Aussuchen eines Namens muss wohl überdacht werden."

"Haben sie einen Namen für mich gefunden?"

"Ja, ein Name so wunderschön und einzigartig wie kein anderer, aber du hast mir nicht gesagt, ob du mit den Bedingungen einverstanden bist."

"Ich konnte es Ihnen gestern nicht mehr sagen, da Sie eingeschlafen sind!"

"Da hast du Recht, entschuldige," der Wolf grinste wieder, "Nun?"

"Gut, ich bin einverstanden, obwohl ich nicht weiß wozu die letztere Bedingung nützen soll. Wie soll man mich nennen?"

"Er lautet... Enigma."

"Enigma?"

"Ja! Ist er dir nicht angenehm?", fragte er verwundert.

"Er ist wunderschön, aber ich hörte ihn nie zuvor."

"Du musst wissen, er ist sehr alt und wird nie verwendet, denn er darf nur einem bestimmten Wesen zu teil werden. Seine Bedeutung ist vergessen, doch seine Macht lebt noch immer weiter," der Silbrige streckte sich und richtete sich wieder auf. Dann wandte er sich um, ging einen Schritt und blickte die junge Frau mit ernsten Augen an, "Gedenke, dass ich in ein paar Tagen, nachdem die Sonne ihren beschwerlichen Weg beendet hat, wieder hierher zurückkehren werde, um deine Entscheidung entgegen zu nehmen. Vergesse auch nicht, deine Aufgabe zu erfüllen, denn du hast mir dein Wort gegeben und ich habe den ersten Teil meiner Mission erfüllt."

"Was meint Ihr damit, Meister Isegrim?"

"Ich sagte dir doch, dass deine Fragen alle beantwortet werden, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Jetzt muss ich dich wieder verlassen. Lebe wohl, Enigma!", bei diesen Satz lächelte er und blickte ihr noch einmal zum abschied tief in die Augen.

Darauf kehrte er sich wieder um und sprang die Klosterruine mit riesigen Sätzen hinab. Sein großer silberner Körper schlängelte sich wieder durch die schwarzen Gesteinsbrocken in der

Ebene. Er durchquerte wieder den Friedhof, sprang über die Überreste seiner Mauer und gelangte in die zerstörte Stadt. Dort musste er an verbrannten Häusern und auseinandergedrifteten Wegen vorbei. Die Erde war auseinander gerissen worden und viele Spalten und Rissen säumten den Rückweg des silbernen Tieres. Enigma verfolgte den Wolf mit ihrem Blick. Manchmal verschwand er unter den schwarzen Trümmern, doch bald darauf tauchte er ein Stück näher am Horizont wieder auf. Selbst im güldenen Licht der Sonne verlor sein Fell nicht die schöne Blässe von Silber. Dann, nach einer Weile, hatte er den Horizont erreicht und blieb stehen. Er hob den Kopf, sah zurück zum Kloster und heulte laut auf. Es war ein Abschiedsgruß. Dann lief er weiter und verschwand hinter dem Horizont.

"Enigma...", wiederholte sie noch einmal leise und der Wind trug ihre Worte fort, doch löste sie ihre Blicke nicht vom Horizont.
 

© by Brigitte Erhardt



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