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100 Geschichten und Gedanken

Eine Aktion der Schreibzieher
von

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#001 Zahnschmerzen

Die neue Wohnung ist ein Traum. Geräumig, hohe Decken, viele Zimmer, gute Böden, eingebaute Küche, einfach ein Traum. Ich denke, für diese werde ich mich entscheiden, ja! Während ich durch die verschiedenen Räume schlenderte, schweben vor meinem geistigen Auge schon die vielen Möglichkeiten, wie ich die Zimmer einrichten könnte. Ich plante, wie ich die Wände streichen werde, wo ich das Klavier hinstellen werde und wo meinen Schreibtisch. Wie kann ich die Essecke am günstigsten aufstellen und wie kann ich am besten die Schränke und Regale einpassen? Unweigerlich bildeten sich in meinem Kopf Grundrisse der Zimmer, in denen ich die Möbel hin und her schob. Ich konnte mein Glück kaum fassen.
 

Auch nach meinem Einzug in mein neues Heim war ich rundum zufrieden. Es lebte sich wirklich prima hier. Zum Supermarkt waren es nur ein paar Schritte. Ich hatte mir einen Hobbyraum eingerichtet und ein ruhiges Teezimmer. Selbst der Regen hier war sanft und nährstoffreich. In meinem kleinen Garten zog ich allerlei Gemüse und hielt mir sogar Fische in einem kleinen Teich. Meine Wohnung befand sich ein einer ruhigen Gegend, die zwischendurch auch mal zum Joggen einlud. Manchmal machte ich auch einen Abstecher ins Schwimmbad. An Tagen mit schlechtem Wetter machte ich es mir bei meinen Büchern gemütlich und kuschelte mich in meinen bequemen Sessel.
 

So verging die Zeit und einmal saß ich in meinem Teezimmer, sah hoch zu der spitz zulaufenden Decke und dachte über mein vergangenes Leben nach. Daran gab es absolut nichts auszusetzen, es war ruhig verlaufen und ich hatte alles Wünschenswerte erreicht. In dem Dorf, in dem ich geboren wurde, war es üblich, die Kinder schon in jungen Jahren zum Bergbau zu schicken und so begann auch ich früh mit meiner Arbeit. Als ich zum Mann geworden war, verließ ich das Dorf und gründete meinen eigenen Betrieb. Dieser hielt sich gut und erstaunlich lange. Doch wie bei jedem Bergbau wurden die Wände bald porös und starben ab. Nun sitze ich hier, im wohl verdienten Ruhestand, ganze 236 Tage zählen meine müden Knochen schon, und genieße meinen Lebensabend. Lächelnd nahm ich noch einen Schluck Tee.
 

Das Leben in den Zähnen heißt Karies. Sie fressen sich durch dein Gebiss und bilden ganze Kolonien. Wenn man nichts dagegen unternimmt, werden deine Zähne porös und sterben mit der Zeit ab. Doch wie heißt das Leben in den Zähnen von Karies? Und das Leben in den Zähnen von dem Leben in den Zähnen von Karies? Nennen wir es erst einmal zahnfressende Microwinzlinge. Denn kleiner geht es immer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-11-04T22:13:08+00:00 04.11.2010 23:13
Huhu,
Ich will mir ja nicht vorwerfen lassen, dass ich mir nur deine betagteren Geschichten zu Gemüte führe! ;D
Außerdem bin ich gespannt, was du aus den einzelnen Themen gemacht hast, nachdem ich mich auch so lange damit herum geschlagen habe.

Wundervoll! Da denkt man an eine einfache Hausbesichtigung am Anfang, und endet bei Karius und Baktus.
Die Absätze fließen zwar nicht sonderlich ineinander über, aber am Ende wird es ja alles aufgeklärt - wenn ich das richtig verstanden hab, dass Karius anfangs einzieht, eine Weile in seiner Wohnung lebt und hart arbeitet, und sich dann auf in den wohlverdienten Ruhestand macht. Wobei der Teil von wegen "wohlverdient" wahrscheinlich pure Ansicht ist.

Ebenso wie Schreiberliene bin ich also vollkommen von deiner Pointe begeistert!
Kennst du "Hook"? Ich musste bei dem Ende deiner Geschichte gerade an das Ende des Filmes denken, an die Stelle, an der Peter Pan wieder in die reale Welt zurück kehren will, und einen der verlorenen Jungs auswählt, der der neue Anführer werden will.
Peter: "Jeder passt auf die Kleineren auf!"
Winzling: "Und auf wen pass ich auf?"
Peter: "Auf ganz kleine - auf Fliegen!"
Denn kleiner geht es ja immer.

Oh, und ich muss an die unvorhandenen Winzlinge aus "Rumo und die Wunder im Dunkeln" denken, an Phistomephel Smeik, der Echo in "Der Schrecksenmeister" von der Forschung im Mikrokosmos erzählt!
Ich mag kleine Dinge, mehr noch, als wirklich große, gigantische Dinge.

Habe ich dich schon vorgewarnt, dass ich gerne mal vom Thema abkomme?
Jedenfalls, sollten deine anderen Herausforderungstexte ebenso beschaffen sein, mache ich mir nicht die geringsten Sorgen, dass es mir schwer fallen wird, sie alle zu lesen.
Jetzt, wo ich wieder lese. Komisch, dass es wieder geht - dafür danke ich dir!
Liebe Schreibziehergrüße, Polaris
Von:  Schreiberliene
2010-07-18T22:03:15+00:00 19.07.2010 00:03
Hallo,

noch jemand, der die hundert Herausforderungen versucht – viel Erfolg! Mir sagen ja leider die meisten Themen nichts, und inzwischen habe ich mich ja auch schon durch so manchen hindurchgelesen – viel spontane Assoziation wäre da nicht mehr...

Aber hier geht es ja um dich, richtig? ;D

Der Anfangssatz ist wirklich gut gewählt; man ist sofort im Geschehen und folgt dem Verlauf – ich habe beim Lesen immer einige Anmerkungen, die ich chronologisch aufschreibe:

„Schon schweben vor meinem geistigen Auge massenhaft Ideen,“
Massenhaft gefällt mir hier irgendwie nicht; auf mich wirkt es wie ein Bruch im Stil. Wichtiger aber ist die folgende Modusfrage: Muss es wirklich Konjunktiv sein? Meiner Meinung handelt es sich ja um einen Plan – das Ich hat ja entschieden, dass es die Wohnung nehmen wird – also passte doch Futur besser, oder?

Der Zeitsprung zum zweiten Teil irritiert mich; ich weiß noch nicht, ob ich ihn mag...

Der zweite Absatz ist nett, wirkt aber etwas lieblos aneinandergekettet. Aber ich sollte nichts sagen, schließlich habe ich selbst genügend Probleme mit Satzübergängen.

Der Schlussteil ist ziemlich lustig, mit den Mikrowinzlingen, aber auch hier fehlt mir der Fluss, der Zusammenhang – schwer zu beschreiben.

Insgesamt... Die Pointe ist toll, also die Idee an sich; eine schöne Umsetzung des Themas. Allerdings finde ich die Umsetzung etwas stückig; es fließt nicht richtig.
Du deutest nicht an, das der erste Charakter Zahnschmerzen hat, deswegen wirkt es sehr unverbunden; der Zeitsprung macht für mich auch im Nachhinein keinen Sinn, tut mir Leid.
Stilistisch fand ich es solide, aber gerade in den Übergängen, den Verbindungen, fehlt mir der Knack. Wenn du verstehst, was ich meine...

Also, tolle Idee, von der Umsetzung bin ich nicht sooo angetan. Es ist aber auch relativ kurz, vielleicht muss ich mich erst in deinen Stil einlesen.

Alles Gute,

Anna


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