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Das Findelkind

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Das Findelkind

Disclaimer: die Figuren und Orte in dieser Geschichte gehören mir nicht und auch der Inhalt ist frei erfunden. Ich verdiene mit dieser Story kein Geld sondern schreibe nur aus Spaß an der Freude.
 

Das Findelkind
 

Die Sonne schien warm von einem blauen, wolkenlosen Himmel, erhellte den Sherwood Forest und ließ den Wasserfall wie ein Meer aus flüssigem Gold glänzen. Doch selbst dieser schöne Anblick vermochte Robins Herz nicht zu erfreuen. Während Will,, Winniefred und Barbara ihrer täglichen Arbeit nachgingen, wanderte er ruhelos durch die Wälder und konnte nicht verhindern, dass seine Gedanken immer wieder zu Marian schweiften.
 

Kurz nachdem König Richard nach England zurückgekehrt war, hatten die beiden einander ihre Liebe gestanden und waren seitdem unzertrennlich gewesen. Die anderen hatten hinter vorgehaltener Hand sogar von einer bevorstehenden Hochzeit gesprochen, doch dann hatte ein folgenschwerer Streit alles zunichte gemacht.
 

"Zum letzten Mal, Marian", rief Robin aufgebracht. "Meine Antwort ist "Nein" und bleibt "Nein"!" "Aber warum, Robin?" gab sie verzweifelt zurück. "Warum? Was wäre für dich so schlimm daran, Vater zu werden?"

Robin verdrehte die Augen, seufzte tief und war sichtlich bemüht, ruhig zu bleiben. "Ich bin mit unserem Leben so, wie es ist, voll und ganz zufrieden", versuchte er ihr zu erklären. "Was spricht dagegen, wenn wir einfach nur unsere Zweisamkeit genießen?"

"Ist es nicht das Natürlichste auf der Welt, dass jedes Paar sich irgendwann einmal Kinder wünscht?" hielt Marian ungeduldig dagegen. "Bedenke doch, welch unendliche Bereicherung für unser Leben es wäre, die Krönung unserer Liebe!"

Robin seufzte abermals und ballte seine Hände zu Fäusten. "Du weißt genauso gut wie ich, dass es fast unmöglich ist, hier im Sherwood Forest Kinder großzuziehen", erwiderte er ärgerlich. "Wie stellst du dir das vor? Wir haben nicht einmal genug Platz in unserem Unterschlupf."

"Sicher ist es nicht einfach", gab Marian wider willig zu. "Aber denkst du nicht, dass wir auch diese Herausforderung meistern können, nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben?"

Eine kleine Ewigkeit sah Marian Robin einfach nur schweigend an und eine ganze Welt aus Bitten und Flehen lag in ihrem Blick. Aber noch immer war Robin nicht bereit, einzulenken. "Ich will keine Kinder", sagte er unnachgiebig. "Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht. Das ist mein letztes Wort."
 

Robin schüttelte den Kopf und versuchte vergeblich, die Erinnerung, die ihn zu überwältigen drohte, abzustreifen. Schon seit längerer Zeit hatte Marian ihm mit dem Wunsch in den Ohren gelegen, mit ihm eine Familie zu gründen. Ihm dagegen genügte ihre Zweisamkeit vollkommen und er wollte nicht noch mehr Verantwortung übernehmen müssen. Nach jenem verhängnisvollen Streit vor sechs Monaten war Marian schließlich ohne ein Wort der Erklärung abgereist und auf das Schloß ihrer Eltern zurückgekehrt. Seitdem hatte Robin sie weder gesehen noch hatte er ein Wort von ihr gehört. Auch seine Meinung über eine eigene Familie hatte er nicht geändert und konnte seine Liebste deshalb unmöglich bitten, zu ihm zurückzukommen. Wenngleich sie ihm von Tag zu Tag mehr fehlte, konnte er nur warten und hoffen.
 

Kurz nach Sonnenaufgang gingen die Cousins zu Bett, doch Robin fand nur sehr langsam in den Schlaf, wie immer, seit Marian ihn verlassen hatte. Lange lag er hellwach in seinem Bett und starrte traurig an die Decke. In dieser Nacht war jedoch irgendetwas anders als sonst. Robin fühlte sich noch unruhiger als gewöhnlich. fast so, als läge etwas in der Luft, das ihn nicht schlafen ließ.
 

Kurz nach Mitternacht wurde er plötzlich von einem lauten Wimmern aufschreckt, nachdem er in einen leichten Dämmerschlaf gesunken war. Mit einem Ruck setzte er sich im Bett auf und lauschte. Die Laute kamen eindeutig von draußen. Beunruhigt stand Robin auf und ging hinaus. Als er das kleine Tor erreichte, das den Eingang zu ihrem Versteck bildete, erstarrte er: direkt vor seinen Füßen, in einen Weidenkorb gebettet, lag ein Baby! Das Kleine schrie und wimmerte herzzerreißend und schien mit seiner Situation alles andere als zufrieden zu sein.

Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, nahm Robin den Korb behutsam hoch und trug ihn hinein. Schließlich konnte er das Baby nicht einfach hier draußen liegen lassen!
 

Auch die anderen waren von den ungewohnten Geräuschen aufgewacht und warteten an der Tür. "Robin, was ist denn passiert?" fragte Will verschlafen. "Wie kommt plötzlich ein Baby vor unsere Tür?" "Ich weiß es nicht", antwortete Robin hilflos. "Aber wahrscheinlich wurde es ausgesetzt." "Ein Findelkind?!" rief Barbara erschrocken aus. "Das arme Ding", meinte nun auch Winniefred entsetzt. "Wer ist so herzlos, ein Baby einfach auszusetzen?"

Genau diese Frage schoss auch Robin durch den Kopf. Welche Mutter konnte so grausam sein, ihr Baby in der Kälte und noch dazu mitten im Wald liegen zu lassen? "Auf jeden Fall müssen wir versuchen, seine Eltern zu finden", sagte er entschieden. "Aber fürs Erste sind wir wohl für das Kleine verantwortlich."
 

Sie trugen das Baby hinein ins Warme, wo Winniefred es vorsichtig es vorsichtig aus dem Korb nahm und in eine warme Decke wickelte. Ein kleines Mädchen war es und es schrie noch immer erbärmlich. Die drei Geschwister sahen sich besorgt an, Robin dagegen hielt sich betont abseits. Was kümmerte ihn der kleine Schreihals? Er mochte die Kleine gefunden haben, aber deshalb war er noch lange nicht für sie verantwortlich!
 

"Vielleicht hat sie Hunger", meinte Will schließlich hilflos. "Aber ein so kleines Baby braucht Muttermilch", wandte Winniefred zaghaft ein. Schließlich kamen die Geschwister auf Barbaras Vorschlag überein, es notgedrungen mit normaler Milch zu versuchen. Will holte eine Tasse und füllte sie mit Milch. Abwechselnd hielten die drei der Kleinen das Gefäß hin, doch sie wollte die Nahrung nicht annehmen, weder von Winniefred noch von Will oder Barbara.
 

Robin beobachtete das Geschehen eine Weile schweigend, aber wenn er es auch nicht zugab, ließ es ihn nicht so kalt, wie er vorgab. Das Wimmern dieses kleinen, hilflosen Wesens zerriß ihm innerlich das Herz. Nach einer Weile überwand er seinen Stolz und ging zu den anderen. "Darf ich es versuchen?" fragte er leise. Winniefred legte das Baby vorsichtig in seine Arme und er setzte sich mit ihr auf sein Bett. Zum Erstaunen der anderen beruhigte die Kleine sich augenblicklich, sobald sie Robin sah und als er ihr die Tasse mit der Milch an die Lippen hielt, begann sie hungrig zu trinken.
 

Robin sah ihr wie gebannt zu. Zu sehen, wie sie eifrig trank, die winzigen Händchen vor Konzentration zu Fäusten geballt und zu fühlen, wie sie sich vertrauensvoll an ihn schmiegte, berührte etwas in ihm, das er vorher nicht gekannt hatte. So muß eine Mutter sich fühlen, wenn ihr Baby trinkt, dachte er im Stillen. ach einer Weile hörte die Kleine auf zu trinken und machte ein Bäuerchen. Allem Anschein nach war sie pappsatt. Müde legte sie ihr Köpfchen auf Robins Brust ab.
 

"Vielleicht solltest du sie heute Nacht bei dir behalten", schlug Winniefred vorsichtig vor. "Bei dir scheint sie sich am wohlsten zu fühlen." "Rede doch keinen Unsinn!" wehrte Robin heftiger, als er beabsichtigt hatte, ab. "Du klingst gerade so, als ob ich ihr Vater wäre! Ihr könnte euch genauso gut um sie kümmern!" Noch konnte er sich nicht eingestehen, dass er das Babys bereits ins Herz geschlossen hatte und vor den anderen würde er es erst recht nicht zugeben.

Winniefred sah ihn eine zeitlang forschend an, doch als ihr Cousin keine Anstalten machte, seine Meinung zu ändern, nickte sie ergeben. "Wie du willst", willigte sie ein. "Dann werde ich mich um sie kümmern. Aber versprechen kann ich nichts."
 

Winniefred sollte mit ihrer Vorahnung Recht behalten. Sobald die kleine von Robin getrennt wurde, begann sie erneut, herzzerreißend zu wimmern und dicke Tränen kullerten über ihre Wangen. Die Mädchen und Will mochten tun, was sie wollten, das Baby war nicht zu beruhigen.

Fast glaubte Robin, den Kummer des winzigen Wesens spüren zu können und das tat ihm im Herzen weh. Schließlich hielt er es nicht länger aus, ging zu Winniefred und nahm das Baby mit in sein eigenes Bett. Sobald die Kleine seine Körperwärme spürte, hörte sie zu schreien auf, schmiegte sich an ihn und vertraute sich bedingungslos seinem Schutz und seiner Fürsorge an.

Robin schluckte schwer, als er das Vertrauen des kleinen Mädchens spürte. "Hab keine Angst, meine Kleine", flüsterte er sanft. "Bei uns wird dir kein Leid geschehen, das verspreche ich dir." Die Kleine gähnte zur Antwort und war gleich darauf eingeschlafen. Lächelnd gab ihr Robin noch einen Gute-Nacht-Kuss, bevor er ebenfalls einschlief.
 

Als Robin am nächsten Morgen aufwachte, fiel sein Blick sofort auf das kleine Bündel, das noch immer auf seiner Brust lag. Die Kleine hatte die ganze Nacht tief und friedlich geschlafen, offensichtlich erschöpft von der ganzen Aufregung. Nun schlug sie langsam die Augen auf und blinzelte Robin verschlafen an.

Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie ähnlich sie Marian sah: sie hatte dieselben blauen Augen und genauso blondes Haar. Doch Robin sagte sich, dass ihm seine Augen sicher nur einen Streich spielten, weil er seine Geliebte so sehr vermisste. Trotzdem fand er sie süß.
 

Die Kleine begann leise zu wimmern und als Robin ihr zart über die Wange strich, saugte sie an seinem Finger. Als er ihr eifriges Nuckeln spürte, fühlte er, wie eine heftige Aufwallung von Liebe ihn überkam, fast so, als wäre er wirklich ihr Vater.

"Hast du Hunger, meine kleine Schönheit?" fragte er liebevoll. Die Kleine gab erneut ein leises Wimmern von sich, das Robin als Bestätigung auffasste. "Nun", flüsterte er sanft. "Dann wollen wir doch mal sehen, was wir für dich tun können."
 

Mit dem Baby auf dem Arm stand Robin auf und füllte erneut etwas Milch in eine Tasse. Wie am Abend zuvor fütterte er die Kleine, die die angebotene Nahrung auch dieses Mal ohne zu zögern annahm.

"Wir brauchen noch einen Namen für dich", meinte er, nachdem das kleine Mädchen zu Ende getrunken hatte und satt und zufrieden in seinen Armen lag. "Deine Mutter hat dir sicher einen Namen gegeben, aber den werde ich wohl nie erfahren. Ich denke, ich nenne dich Gwen." Einen Augenblick lang hatte Robin es in Erwägung gezogen, sie Marian zu nennen, weil sie seiner Liebsten so ähnlich sah. Doch für ihn gab es nur eine Marian auf der Welt und so sollte es auch bleiben.

Die Kleine indes schien mit ihrem Namen sehr zufrieden zu sein, denn sie stieß immer wieder kleine glucksende Laute aus, die ein wenig wie ein Lachen klangen. "Das gefällt dir offenbar", stellte Robin lächelnd fest. "Dann ist es also beschlossen. Von nun an sollst du Gwen heißen."
 

In den folgenden Tagen kümmerte Robin sich rührend um Gwen und ließ sie kaum einen Moment aus den Augen. Er fütterte sie, wickelte sie, badete sie und unternahm mit ihr lange Spaziergänge durch den Sherwood Forest. Auch des Nachts schliefen beide eng aneinander gekuschelt. Mit der Zeit gewöhnte Gwen sich auch an die anderen, doch nur in Robins Armen schlief sie und nur von ihm nahm sie Nahrung an.
 

Die anderen beobachteten erfreut, wie ihr Cousin sich gewandelt hatte und wie zart er mit dem Baby umging, doch sie machten sich auch Sorgen. Noch immer machte Robin keine Anstalten, nach den Eltern der Kleinen zu suchen und er schien auch nicht die Absicht zu haben, dies jemals zu tun. Als Will ihn einmal darauf ansprach, wurde Robin richtiggehend zornig und meinte, wer so herzlos sei, sein Kind auszusetzen, hätte ein so wunderbares Baby wie Gwen überhaupt nicht verdient. Den Einwand seines Cousins, die Eltern hätten einen Anspruch auf ihr Kind, fegte er leichten Herzens beiseite.

Auch die Mädchen vermochten Robin nicht umzustimmen und so ließen sie den Gegenstand vorläufig ruhen. Aber was würde geschehen, wenn die Mutter tatsächlich auftauchte und ihr Kind zurückforderte? Dann wollte keiner von ihnen denken, sondern sie wollten sich viel lieber über die Wandlung freuen, die Robin durchlebt hatte.
 

Aber noch eine weitere Veränderung sollte Robin bevorstehen: als Gwen etwa eine Woche bei den Cousins lebte, kehrte vollkommen unerwartet Marian in dem Sherwood Forest zurück. Eines Abends, als Robin gerade mit Gwen und den anderen draußen saß, trat sie völlig unvermutet durch das Tor. Robin sprang auf und starrte sie an, als wäre sie ein Geist. Als er sich endlich aus seiner Erstarrung löste, gab er das Baby an Winniefred ab und stürzte auf Marian zu, die er in eine fast erdrückende Umarmung schloß.

"Marian", flüsterte er glücklich. "Meine Marian, endlich bist du wieder da! Du ahnst nicht, wie sehr ich dich vermisst habe!" "Ich dich auch", antwortete sie mit erstickter Stimme. "Ich hatte solche Sehnsucht nach dir, dass ich es auf dem Schloß meiner Eltern einfach nicht mehr ausgehalten habe. Also bin ich zurück gekommen." "Gott sei Dank", erwiderte er sanft.
 

In diesem Moment drang Gwens Schreien an sein Ohr, die nachdrücklich seine Aufmerksamkeit einforderte. Robin wandte sich verlegen um und auch Marian sah das Baby neugierig und ein wenig unsicher an. "Das ist Gwen", erklärte er leise. "Sie wurde vor unserer Tür ausgesetzt." "Ein Findelkind?" fragte Marian erschrocken. "Die arme Kleine." Liebevoll streichelte sie Gwen über die Wange und zur Verwunderung aller anderen lächelte das kleine Mädchen sie an und streckte seine winzigen Händchen nach ihr aus. "Sie mag dich", stellte Robin lächelnd fest. "Es scheint, als hätten wir nun auch eine neue Mutter für die Kleine gefunden."

Marian errötete leicht, doch zugleich stahl sich ein Anflug von Wehmut in ihren Blick, den Robin zunächst falsch deutete. Er dachte, sie sehnte sich noch immer nach eigenen Kindern mit ihm und nahm sich fest vor, mit ihr noch einmal über die Sache zu sprechen.
 

Von diesem Tag an unterstützte Marian ihren Geliebten bei der Pflege der kleinen Gwen und alle waren erstaunt, wie schnell sich eine sehr innige Beziehung zwischen den beiden entwickelt hatte. Wie bei Robin schien es nun auch bei ihr Liebe auf den ersten Blick zu sein. Aber das war nicht alles: wann immer Robin die beiden zusammen sah fiel ihm auf, wie ähnlich sie einander sahen. War das wirklich nur ein Zufall?
 

Die Antwort sollte Robin rein zufällig erfahren. Eines Nachmittags kam er gerade von einem Streifzug durch die Wälder zurück, während die anderen noch fort waren. Als er gerade die Tür öffnete, um ihren Unterschlupf zu betreten, erstarrte er. Marian saß mit Gwen im Arm auf ihrem Bett. Die Kleine lag zufrieden nuckelnd an ihrer Brust und ihre winzigen Lippen waren mit Milch überzogen!

Bei diesem Anblick schossen Robin tausend Gedanken auf einmal durch den Kopf. Um ein baby zu stillen, musste sie Milch haben und das wiederum war nur möglich, wenn Marian selbst vor nicht allzu langer Zeit ein Kind entbunden hatte. Hatte sich sein Verdacht am Ende doch bestätigt?
 

"Marian", rief Robin leise, noch bevor ihm bewußt wurde, was er tat. Die Angesprochene fuhr herum und als sie ihren Geliebten er blickte, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. "Ich kann alles erklären", versicherte sie hastig. "Es ist ganz bestimmt nicht so, wie du denkst." "Ach nein?" gab Robin erbost zurück. "Du sitzt hier und stillst ein Kind, das dir wie aus dem Gesicht geschnitten ist, von dem du aber behauptest, es nicht zu kennen. Was gibt es da noch mißzuverstehen?"
 

Marian senkte den Kopf und schwieg betreten. "Ist es so, wie ich vermute?" fuhr Robin ungehalten fort. "Ist die Kleinen deine Tochter?" Marian stumm und brachte noch immer kein Wort heraus. "Also gut", sagte er tonlos. "Darf man erfahren, wer der Vater ist?" Angesichts dieser Frage hob sie abrupt den Kopf und zwang sich, seinem Blick zu begegnen. "Robin, wie kannst du nur so etwas fragen?" rief sie empört. "Du bist natürlich der Vater!" "Und warum hast du mir dann nichts gesagt?" fragte er ärgerlich. "Warum bist du einfach aus meinem Leben verschwunden und legst mir bei Nacht und Nebel unser Baby vor die Tür? Und dann kommst du eines Tages zurück und tust so, als wäre nichts gewesen?"
 

Marian sank das Herz, denn sie spürte, dass Robin ihr zum ersten Mal ernstlich zürnte. "Weil ich keinen anderen Ausweg wußte", antwortete sie der Verzweiflung nah. "Immerhin hast du mir deutlich zu verstehen gegeben, dass du keine Familie haben wolltest und dass ein Baby für dich nur unerwünschte Verantwortung bedeutet. Ich dachte, wenn du dich eine Weile um unsere Tochter kümmern würdest, würde dir klar werden, dass das Familienleben auch schöne Seite hat und dann würdest du deine Meinung ändern." "Und du hast keinen Augenblick daran gedacht, wie die Kleine sich fühlt, wenn sie plötzlich von ihrer Mutter getrennt ist?" fragte er zornig. "Was hätte ich denn sonst tun sollen?" gab sie hilflos zurück. "Du hättest zum Beispiel von Anfang an ehrlich sein und mir die Wahrheit sagen sollen", entgegnete Robin anklagend. Aber wahrscheinlich hatte ich in deinen Augen überhaupt kein Recht, etwas zu erfahren. Schließlich bin ich ja nur der Vater deines Kindes, wer bin ich da schon?"

Verletzt und tief gekränkt machte er auf der Schwelle kehrt und schlug die ür mit einem lauten Krachen hinter sich zu.
 

Robin kochte innerlich vor Wut, während er ziellos durch den Sherwood Forest lief. Er fühlte sich benutzt und hintergangen. Wie konnte seine geliebte Marian ihm nur so etwas antun? Und wie sollte er ihr nun, nach allem was passiert war, jemals wieder vertrauen?

So in Gedanken versunken erreichte er schließlich ganz unbeabsichtigt die Hütte von Bruder Tuck, was ihm jedoch nicht ungelegen kam. Sein alter Freund konnte ihm vielleicht helfen, seine Gedanken zu ordnen und ihm sagen, wie er sich am besten verhalten sollte.
 

Kurz darauf saßen die beiden einander gegenüber und Robin erzählte ausführlich von den Ereignissen der vergangenen Stunden. "Ich verstehe, dass du verletzt bist, mein Junge", sagte Bruder Tuck schließlich ernst. "Aber kannst du Marian denn nicht wenigstens ein bißchen verstehen?" "Irgendwie schon", gab Robin zu. "Aber der Gedanke tut so weh, dass sie neun Monate lang mein Kind unter dem Herzen getragen und es nicht für nötig gehalten hat, mir auch nur ein Wort zu sagen. Sie hat mir keine Möglichkeit gegeben mitzuerleben, wie das Baby in ihr wächst, wie es sich bewegt und wie es geboren wird."

"Marian hat mit Sicherheit nicht gewollt, dass alle so kommt", beteuerte Bruder Tuck eindringlich. "Aber für sie war es der einzige Weg um dafür zu sorgen, dass aus euch dreien eine Familie wird. Ich denke, du solltest ihr ihr Handeln nicht nachtragen."
 

Daraufhin schwieg Robin lange. Zwar konnte er seine Geliebte tief im Herzen verstehen, doch er war noch immer tief verletzt von ihrem Verhalten. Sie hatte ihm weh getan und er wollte ihr genauso wehtun.

"Du kannst heute Nacht hier bleiben, wenn du willst", riss ihn Bruder Tucks freundliche Stimme aus seinen Gedanken. "Dann kannst du in Ruhe über alles nachdenken."
 

In dieser Nacht fand Robin keinen Schlaf. Gedankenverloren starrte er an die Decke, während ihm immer wieder Bruder Tucks Worte durch den Kopf gingen. Sein Herz sagte ihm mehr als deutlich, dass sein alter Freund Recht hatte. Marian hatte das alles nicht gewollt, sondern nur den vermeintlich einzigen Weg für sich und das Baby gewählt.

Im Grunde, gestand Robin sich reumütig ein, war letztendlich nur seine Sturheit Schuld an dem ganzen Schlamassel. Hätte er vor ihrer Abreise eingelenkt anstatt sich mit aller Macht dagegen zu sträuben, Vater zu werden, hätte er seine Liebste niemals zu dieser Verzweiflungstat getrieben. Außerdem liebte er sie und die kleine Gwen von ganzem Herzen und wollte sie um keinen Preis verlieren. Morgen würde er nach Hause gehen und noch einmal in Ruhe mit ihr über alles reden.
 

Früh am nächsten Morgen, als Robin sich gerade von Bruder Tuck verabschiedete, kam Will völlig aufgelöst angerannt. "Robin!" rief er schon von weitem aufgeregt. "Du mußt unbedingt sofort nach Hause kommen! Ich glaube, Marian hat vor, den Sherwood Forest zu verlassen und mit Gwen zu ihren Eltern zurückzukehren!" Blankes Entsetzen packte Robin und sein Herz setzte einen Schlag aus. Sollte es so enden? Hatte er ihr gemeinsames Glück endgültig verspielt? Das durfte nicht sein! Er wollte seine Familie nicht verlieren! Ohne zu zögern rannte er los, in Richtung ihres Unterschlupfes.
 

In der Zwischenzeit hatte auch Winniefred die ganze Geschichte und versuchte nun verzweifelt, ihre Freundin von ihrem Entschluss abzubringen. "Robin war von dieser Situation nur überrascht" beteuerte sie eindringlich, beinah flehend. "Aber er liebt euch beide! Glaub mir, wenn er noch einmal in Ruhe über alles nachgedacht hat, sieht er die Sache mit ganz anderen Augen."

"Du hast ihn nicht erlebt", entgegnete Marian traurig und ohne jede Hoffnung. "Er klang so enttäuscht und er hat uns so entschieden verlassen. Alles, was er gesagt hat, klang so endgültig." Sie seufzte traurig. "Ich dachte, ich würde das einzig Richtige tun und jetzt habe ich ihn verloren."
 

"Nein!" Der Klang dieser Stimme ließ Marian erschrocken herumfahren und bei dem Anblick, der sich ihr nun bot, traute sie ihren Augen nicht mehr: in der Tür stand Robin! Als sich ihre Blicke trafen, kam er zu ihr und zog sie in eine fast schon erdrückende Umarmung.

"Mein Liebling", flüsterte er zärtlich und vergrub das Gesicht in ihrem weichen, duftenden Haar. "Ich flehe dich an, verlass mich nicht. Jetzt nicht und niemals mehr. Du bedeutest mir mehr als irgendetwas sonst auf der Welt und ich liebe dich mehr als mein eigenes Leben! Ich kann nicht mehr ohne dich sein!"
 

Bei diesem Gefühlsausbruch ihres Liebsten versteifte Marian sich erschrocken und brauchte einen Augenblick um zu begreifen, was Robin eigentlich gesagt hatte. Er hatte ihr verziehen und würde sie nicht verstoßen. Im Gegenteil, er flehte sie gerade an, bei ihm zu bleiben. Erleichtert und überglücklich ließ sie sich in seine Arme sinken und bevor sie sich versah, strömten ihr Freudentränen über das Gesicht.

"Robin", schniefte sie. "Es tut mir alles so leid, was passiert ist, einfach alles. Ich verspreche dir, ich werde dein Vertrauen nie wieder mißbrauchen, für keine noch so edle Tat." "Das weiß ich", erwiderte er liebevoll. "Deshalb verzeihe ich dir auch. Ich liebe dich so sehr, mein Herz, so sehr." "Ich dich auch", brachte sie mühsam hervor.

Noch lange hielten die beiden einander fest umschlungen und wurden von einer ungeheuren Erleichterung durchflutet. Sie hatten einander wieder!
 

"War unsere Tochter der Grund, warum du vor sechs Monaten zu deinen Eltern abgereist bist?" fragte Robin vorsichtig, nachdem sich die beiden voneinander gelöst hatten und nah beieinander auf dem Bett saßen. Marian nickte beschämt. "Damals trug ich die Kleine bereits vier Monate unter dem Herzen", gestand sie zögernd. "Seit ich erfahren hatte, dass ich guter Hoffnung war, habe ich immer wieder versucht, deine Meinung über Kinder zu ändern und dich behutsam darauf vorzubereiten, dass wir bald eine eigene Familie haben würden. Aber du wolltest nicht nachgeben und hast weiter darauf beharrt, dass ein Kind nichts als unangenehme Pflichten mit sich bringt. Was denkst du, wie es mir in solchen Momenten zumute war, mit unserem Baby im Bauch? Hätte ich dir sagen sollen "Pech gehabt, du wirst Vater"? Ich wußte mir keinen Rat mehr, also bin zu meinen Eltern zurückgekehrt, bevor ihr mir meinen Zustand anmerken konntet. Meine Eltern haben mich von Anfang an unterstützt, sich während der Schwangerschaft um mich gekümmert und dafür gesorgt, dass unsere Tochter gesund zur Welt kam. Doch obwohl es mir in dieser Zeit an nichts fehlte, habe ich dich schrecklich vermisst und die anderen auch. Nachdem die Kleine geboren war, hatte ich die Idee, sie euch heimlich vor die Tür zu legen. Ich dachte, wenn du sie nur einmal sehen und im Arm halten würdest, würdest du sie genauso lieben wie ich. Dieser Plan fand auch die Zustimmung meiner Eltern, die der Meinung waren, dass eine Familie zusammen gehört und so habe ich die Kleine, sobald sie alt genug war, um eine Weile ohne mich auszukommen, heimlich zu dir gebracht. Nach einer Woche konnte ich die Trennung nicht länger ertragen und bin in den Sherwood Forest zurückgekehrt."
 

Robin hatte Marian aufmerksam zugehört und als sie geendet hatte, zog er sie in eine beschützende Umarmung. "Mein armer Liebling", flüsterte er reumütig. "Es tut mir unendlich leid, was ihr beide meinetwegen durchmachen mußtet. Das alles wäre nie passiert, wenn ich nicht so verbohrt und so töricht gewesen wäre! Glaub mir, ich liebe dich und ich liebe auch unsere Tochter. Ich habe sie vom ersten Moment an geliebt, obwohl ich es mir zuerst nicht eingestehen wollte. Aber sie hat mich so sehr an dich erinnert, vor allem wenn ich in ihre wunderschönen Augen sah. Ich konnte nicht anders, ich mußte sie einfach lieben. Damals, als wir uns gestritten haben, hatte ich noch keine Ahnung was es bedeutet, Vater zu sein, ganz zu schweigen von den Gefühlen, die man zu einem so hilflosen kleinen Wesen entwickelt. Das habt ihr beide mich gelehrt. Von nun an werde ich für immer bei euch sein und für euch sorgen, das verspreche ich dir."

Marian schmiegte sich überglücklich in seine Arme und ein kleines, seliges Seufzen entkam ihren Lippen. "Ich liebe dich", hauchte sie zärtlich. "Und ich werde bei dir bleiben, für immer und ewig."
 

Das Paar blieb noch eine Weile Arm in Arm sitzen, bis Winniefred hereinkam. Sie hatte die kleine Gwen im Arm, die herzzerreißend schrie und wimmerte. Sobald Robin nach dem Streit mit Marian davongelaufen und die Tür zugefallen war, hatte sie angefangen zu weinen und jegliche Nahrung verweigert. Sie hatte die Unruhe ihrer Mutter gespürt und wollte nicht mehr trinken, was Marian noch mehr beunruhigt hatte. Schließlich war Winniefred mit der Kleinen hinausgegangen und hatte versucht, sie zu beruhigen, doch leider ohne Erfolg.

Sobald sie ihr Baby sah, streckte Marian die Arme nach ihr aus und herzte sie ungestüm. "Shhh, mein kleiner Schatz", flüsterte sie beruhigend und begann ihre Tochter sanft zu wiegen. "Jetzt ist alles wieder gut." "Du brauchst keine Angst mehr zu haben", fügte Robin liebevoll hinzu. "Wir sind doch bei dir. Wir sind hier." Langsam beruhigte sich das kleine Mädchen in den Armen ihrer Eltern wieder.
 

"Als ich sie vor unserer Haustür gefunden hatte, habe ich unserer Tochter den Namen Gwen gegeben", erzählte Robin seiner Liebsten nachdenklich. "Schließlich wußte ich damals noch nicht, wie sie wirklich heißt. Wie hast du sie genannt?" Angesichts dieser Frage zuckte zu Robins Überraschung ein Lächeln um die Mundwinkel seiner Liebsten. "Dann hattest du den gleichen Gedanken wie ich", antwortete sie leise. "Denn auch ich habe sie Gwen genannt." Nun war Robin endgültig sprachlos: ohne es zu wissen hatten beide denselben Namen für ihre Tochter gewählt! Einen besseren Beweis dafür, dass sie zusammen gehörten, gab es doch gar nicht!

Gerührt beugte er sich vor und fing ihre Lippen in einem zarten Kuss, den sie glücklich erwiderte. Alle Ängste, die sich in den vergangenen Stunden in ihr angestaut hatten lösten sich in Luft auf. Sie waren zusammen und nur das zählte.
 

Der zärtliche Moment war jedoch nur von kurzer Dauer. Marian war gezwungen, sich von Robin zu lösen, als sie spürte, wie ein kleiner Mund sich suchend an ihrer Brust entlangtastete. Erleichtert öffnete die junge Frau ihr Hemd, um ihre Tochter anzulegen und dieses Mal spürte sie, wie die Kleine zu trinken begann.

Robin sah seiner Liebsten lächelnd zu, wie sie die kleine Gwen stillte. "Wenn es einen schöneren Anblick gibt als dich mit unserer Tochter, dann weiß ich nicht, was es ist", flüsterte er zärtlich. Marian errötete leicht und fuhr fort, die Kleine sanft zu wiegen. "Ich möchte aber, dass du mir eines versprichst", verlangte er liebevoll. "Versprich mir, dass du mir keines unserer künftigen Kinder mehr vorenthalten wirst."
 

Dieser Satz ließ Marian abrupt herumfahren und sie sah ihn ungläubig an. "Unsere künftigen Kinder?" fragte sie atemlos. Robin nickte lächelnd. "In dem Augenblick, als du unserer Tochter das Leben geschenkt hast, hast du mich zum glücklichsten Menschen der Welt gemacht. Ich könnte mir nichts schöneres vorstellen, als mit dir einen ganzen Haufen Kinder zu haben." "Mindestens ein Dutzend", antwortete sie lachend. "Oder noch besser zwei." "Ganz wie du willst", stimmte er ihr liebevoll zu. "Doch vorher muß ich dich noch etwas fragen. Vor unserem Streit damals hast du gesagt, du würdest den Bund mit mir eingehen. Stehst du jetzt, nach allem, was ich dir angetan habe, noch immer zu deinem Wort?" "Das tue ich", erwiderte Marian ohne zu zögern. "Wir haben beide einiges zu bereuen, aber wir haben aus unseren Fehlern gelernt. Und ich liebe dich. Mein Herz ist den Bund schon längst mit dir eingegangen."
 

Robin strahlte seine Liebste überglücklich an, bevor er sich von ihr löste und vor ihr neiderkniete. "Marian Lancaster", sagte er zärtlich. "Du bist mir das Liebste und Teuerste auf der Welt und kein Wort könnte meine Liebe zu dir beschreiben. Ich würde mit einem Lächeln auf den Lippen sterben, wenn ich dadurch dein Leben retten könnte und ich würde lieber mein Leben verlieren als dir wehzutun. Während der ganzen Zeit, die ich von dir getrennt war, habe ich mich unendlich einsam gefühlt und dich schrecklich vermisst. Ich möchte mein ganzes Leben mit dir verbringen und nie wieder von dir getrennt sein. Deshalb frage ich dich hier und heute: willst du meine Frau werden?" "Ja, ich will", antwortete Marian selig vor Glück. "Ich will von ganzem Herzen, mein Liebster."
 

Nur einen Monat später wurden Robin und Marian auf dem Lancaster von Bruder Tuck miteinander vermählt. Die kleine Gwen lag während der Trauungszeremonie neben dem Altar und somit wurde ihre Geburt legitim. Marians Eltern saßen in der ersten Reihe und auch die Sherwood-Bande war vollständig versammelt. Außer der Hochzeit gab es noch ein weiteres Liebesglück zu feiern: auffällig oft schenkten Winniefred und Little John einander zärtliche Blicke. Vor wenigen Tagen hatte er um ihre Hand angehalten und sie hatte überglücklich eingewilligt. Nun träumten beide von ihrer eigenen Hochzeit, die bald stattfinden würde.
 

Doch als Bruder Tuck das Brautpaar endlich zu Mann und Frau erklärte und die Sherwood-Bande in lauten Jubel ausbrach, gab es keine glücklicheren Menschen als Robin und Marian, die wußten, dass sie nun für alle Ewigkeit zusammen gehörten und dass nichts sie jemals wieder trennen würde. Feierlich schritten die Jungvermählten Hand in Hand an ihren Gästen vorbei, einer gemeinsamen Zukunft entgegen.
 

ENDE



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kittykate
2010-06-11T18:18:10+00:00 11.06.2010 20:18
Hallo,

oh, wie schön, eine Robin Hood Geschichte.

Dein Schreibstil ist sehr schön. Die Idee ist toll und auch super umgesetzt.

Tja, Kinder können Menschen verändern ^^

Mir gefällt deine Geschichte.

Vielen Dank für den Lesestoff.


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