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Dragonsoul

von

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Gefangen

Lyone wich einen weiteren Schritt zurück, registrierte dabei nicht, dass sich die Reiter in seinem Rücken im gleichen Tempo von der Stelle bewegten. „Nenn mich nicht ,dein Häschen’!“
 

„Das haben wir doch gerade schon ausdiskutiert. Und warum nicht ,mein’? Dir scheint etwas sehr Wichtiges entgangen zu sein: ich habe dich gefangen. Damit gehörst du mir und ich kann nach gültigem Recht mit dir tun und lassen, was ich will.“
 

Die Worte des Talayes jagten seinem Gegenüber einen eiskalten Schrecken über den Rücken. Sie waren so nüchtern vorgebracht worden, dass für ihn kein Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt bestand, so wenig wie an der Drohung, die zwischen den Zeilen mitschwang, und die Vorstellungen vom Ausweiden und Häuten als angenehmere Optionen erscheinen ließ.
 

Alarmiert beobachtete Lyone, wie der Drachenreiter absaß und den Hengst mit einem Klaps auf die Kuppe aus dem Ring der Reiter schickte, um dann ein zweites Mal den Abstand zwischen ihnen mit wenigen Schritten zu verringern und direkt vor ihm stehen zu bleiben.
 

„Das passt dir nicht, hm?“, triezte Kael mit schmeichlerischer Stimme weiter. „Du bist selbst Schuld, du hättest nur entkommen müssen. Aber mach dir nicht allzu viel daraus, irgendwann wird jeder Hase vom Luchs gefressen.“
 

Er hob eine Hand und umfasste das Kinn seines Gefangenen. Der Halbelf war einen guten Kopf kleiner als er selbst und ließ es widerwillig geschehen, zuckte bei der Berührung aber deutlich zusammen. Das trotzig anmutende Gesicht mit sanfter Gewalt nach oben zwingend, suchte der Drachenreiter den zornigen Blick des Anderen. Er war doch noch erstaunlich leicht auf die richtige Methode gestoßen, das Halbblut komplett aus dem Konzept zu bringen: unvorhersehbares, stetiges Wechseln zwischen offener Drohung und diskriminierender Beleidigung, das Erzeugen von Angst und im nächsten Augenblick von Wut, um dann wieder Panik zu provozieren. Kaels Erfahrung nach reichte bei den meisten Drachen dagegen die einfache Lebensbedrohung gegenüber ihrem Wirt schon vollkommen aus. Es würde interessant werden zu sehen, zu welchen Tricks er während der während der nächsten Wochen und Monate greifen musste, um eine Zusammenarbeit zu erwirken. Besser freiwillig, notfalls auch wider Willen.
 

Kael neigte wie verspielt den Kopf zur Seite. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie die beiden widersprüchlichen Emotionen Panik und Zorn in dem Halbelfen um die Vorherrschaft rangen und dabei dessen volle Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen, während im Hintergrund der Drache ungehindert erwachte, ganz so, wie er es haben wollte. Bereits jetzt erschienen die großen Augen mehr grün als blau. Nur noch ein oder zwei wohl gesetzte Schläge und seine Beute hatte verloren.
 

„Soll ich dir etwas verraten?“, fragte Kael schließlich wie aus der Luft gegriffen, als sein Gegenüber sich strikt weigerte, irgendeine Erwiderung von sich zu geben. Er beugte sich ein kleines Stück weit vor und brachte seinen Kopf nahe genug an Lyones heran, um nur noch flüstern zu müssen: „Du hast richtig Glück. Du bist niedlich und das rettet dir vielleicht für ein paar Tage oder gar Wochen dein trauriges Leben.“
 

Lyones Körper versteifte sich, als sein Gegenüber ihm so unverschämt nahe kam und dessen Atem warm über sein Ohr strich. Kael lächelte triumphierend, unbemerkt. Der Halbelf war irritiert und verschreckt, sehr gut. Jetzt musste dieser nur noch glauben zu verstehen, und das sollte nicht so schwer werden. Er drehte den Kopf, berührte mit den Lippen flüchtig die fremde Wange und ging soweit, seine Stirn gegen die Schläfe des Halbelfen zu lehnen. Sein Tonfall hielt sich im Bereich der Vertraulichkeit, der Verlockung: „Wenn ich es mir recht überlege, könnte ich es sogar ein paar Monate mit dir aushalten. Du würdest ein süßes Haustier abgeben. Ich schicke meine Häschen nach einem angemessenen Zeitraum in eine Art Rente, sie können den Rest ihres Lebens unbeschwert genießen. Natürlich kommt das nur in Frage, wenn du dich brav und folgsam verhältst. Na, was meinst du?“
 

Kael entließ das Kinn aus seinem Griff und legte die Hand in einer gespielt zärtlich anmutenden Geste an die ihm abgewandte Wange seiner Beute, fuhr sanft mit den Fingern darüber hinweg und strich dabei eine Strähne weißen Haares hinter das spitze Ohr. Schauspielerische Glanzleistungen waren nur eines der Talente, die jeder Talaye aufweisen musste, der Halbelf hatte keinen Grund, an seiner Interpretation der Dinge zu zweifeln. Und das tat er auch nicht.
 

Mit einem leisen Fauchen riss Lyone sich los und stolperte zwei weitere Schritte zurück. Der Kreis der Reiter folgte erneut seiner Bewegung. Grüne Augen starrten dem Drachenreiter mit unverhüllter Wut entgegen. Er war kein Haustier, von niemandem. Keiner hatte das Recht, über ihn zu verfügen! Der Groll in seinem Inneren wuchs schlagartig ins Unkontrollierbare, verbiss sich in jeder Faser seines Gemüts und ließ keinen Raum mehr für Dinge wie Vernunft oder kalkuliertes Handeln, nicht einmal mehr Angst. Alles, was noch zählte, war die Drohung dieses Mannes, ihn zu einem Schoßhündchen zu degradieren, nein, zu einem Kuschelhasen, den man in einen Käfig sperren und nach Belieben hervorzerren und wieder wegstecken konnte. Altbekannte Enttäuschung, schon lange vergessen, kroch wieder empor und ließ längst eingesammelte Scherben eines zerbrochenen Lebens erneut splittern. Nicht mehr wert als ein Haustier … zur Hölle mit diesem Mann und seinen Worten!
 

„Ich bin nicht dein Haustier! Will das nun endlich in deinen Schädel? Was willst du überhaupt von mir? LASS-MICH-IN-FRIEDEN!!“
 

Der Drachenreiter bewegte sich tatsächlich rückwärts. Den Blick abschätzend bis vorsichtig auf Lyone gerichtet, wich er einen Schritt um den anderen vor seinem Gefangenen zurück. Nicht, um diesen zu beruhigen, dafür wäre es ohnehin längst zu spät gewesen. Die zu Fäusten geballten Hände, die starre, kampfbereite Haltung, das lodernde Feuer in den nun vollkommen grünen Augen, der starrsinnige Zug um das schmale Kinn, all dies zeugte von der Niederlage des Halbelfen.
 

„Tja, tut mir leid, Halbblut. Zu Anfang sah es noch so aus, als würdest du dich gut halten.“ Kael hatte die Reiter in seinem Rücken erreicht und blieb stehen. Ein schwer einzuschätzendes Lächeln huschte über seine Lippen. „Aber du hast verloren.“
 

Die Worte sickerten nur langsam bis in Lyones von Zorn umnebelten Geist durch. ,Du hast verloren. Du hast verloren. Verloren. ...Wie?’
 

/Es reicht jetzt!\
 

Die dunkle, grollende Stimme fuhr dermaßen scharf durch die Gedanken des Halbelfen, dass sie sich als körperlicher Schmerz bemerkbar machte. Er kniff ob des hellen Stichs hinter seiner Stirn die Augen zusammen „Abyss, nein... halt dich raus, bitte.“
 

/Willst du dich mit mir anlegen? Elfenkind, du scheinst einmal mehr zu vergessen, mit wem du es zu tun hast.\ Der Drache richtete sich auf und streckte die mächtigen Schwingen, bis er wie ein schwarzer Todesgott über seinem Wirt aufragte. Ein Todesgott in äußerst schlechter Stimmung. /Willst du gegen mich aufbegehren?\
 

Lyone beeilte sich, in Gedanken mit dem Kopf zu schütteln. Es war Jahre her, dass Abyss ihn physisch angegriffen hatte, und wenn er heute an die damaligen Schmerzen dachte, fühlte er sich noch immer wie von einer eisigen Hand im Nacken gepackt und kräftig durchgeschüttelt. Der Drache hatte nicht sonderlich viel Geduld mit seinem Wirt, noch nie gehabt. ,Bitte, du darfst nicht... Abyss, ich bitte dich. Tu es nicht!’
 

Der Drache hatte nur ein bitteres Lachen für das klägliche Betteln des Halbelfen übrig. Sein Kopf auf dem schlangengleichen Hals senkte sich, bis er direkt vor Lyones Gesicht schwebte. /Soweit bringt dich also ein einfacher Mensch, ja? Wie erbärmlich. Über deinen Widerstand unterhalten wir uns später, jetzt ist erst einmal dieser so genannte Jäger dran. Und DU verhältst dich bis dahin still!\
 

Der Schmerz, der erneut hinter Lyones Stirn aufflammte, war intensiv genug, ihn mit einem leisen Keuchen in die Knie brechen zu lassen. Er hatte sich zu weit vorgewagt und Abyss würde den Teufel tun und ihm das durchgehen lassen. Diese Aktion sollte ein Nachspiel haben, wenn man dem Drachen die Chance dazu ließ.
 

Kael und seinem Duzend Jägern blieb das für den Halbelfen so lebendige Schauspiel verborgen. Allein der abgekehrte, fiebrige Blick ihrer Beute machte ihnen deutlich, dass diese sich mit ihrer zweiten Seele auseinandersetzte. Und verlor, als sie stöhnend zu Boden sank und sich mit den Händen so gerade noch abfing. Ein dünnes Rinnsal Blut tropfte mit einem Hustenanfall in den Schnee.
 

„General!“, rief ein Mann hinter Kael aufgebracht.
 

„Ich sehe es. Zieht euch ein paar Meter weiter zurück.“
 

„Aber General...“
 

Der Talaye riskierte einen raschen, mahnenden Blick über die Schulter. Der Drache nahm offensichtlich nicht einen Hauch Rücksicht auf seinen Wirt und war dementsprechend gefährlich. Nicht auszuschließen, dass er auch den Tod des Halbelfen in Kauf nahm, um selbst zu entkommen. Wenn Kael nicht schnell genug war, würde das Biest möglicherweise nach den nächstbesten Männern schnappen, in Erahnung der Gefahr dann verschwinden und neben einem Blutbad nur seinen leblosen Wirt zurück lassen. „Macht schon! Wir haben keine Zeit für derartige Spielchen.“
 

Die zweite Aufforderung zeigte Wirkung. Nach und nach zwang ein Reiter nach dem anderen sein Pferd rückwärts durch den Schnee. Ihr General richtete den Blick wieder auf sein am Boden kauerndes Wild.
 

Ein Zittern durchlief den schlanken Körper des Halbelfen, dann setzte die Transformation ein. Sie lief keineswegs so spektakulär ab, wie man sie in vielen Büchern angeblicher Abenteurer beschrieben fand, die behaupteten, eine solche beobachtet und überlebt zu haben. Ersteres vielleicht, aber der zweite Punkt war dann immer gelogen. Weder wuchsen plötzlich Flügel aus dem schmalen Rücken, noch dehnte sich der so menschenähnliche Körper deformiert aus, um nach einem langwierigen und ekelerregenden Prozess in der Drachengestalt wieder zur Ruhe zu kommen.
 

Genau genommen sah man gar nichts von der eigentlichen Verwandlung. Viele hatten versucht, die Transformation hinreichend zu beschreiben, doch bisher hatten jedem die nötigen Worte dafür gefehlt. Es war, als höre die Realität an dieser Stelle für einen Augenblick auf zu existieren. Dort, wo eben noch eine hell gekleidete Gestalt im Schnee gekniet hatte, befand sich nichts mehr. Und auch diese Umschreibung traf es nicht, wenn man sich ein Nichts als großes, schwarzes Loch vorstellte. Es war rein gar nichts da, nicht einmal ein solches Loch. Die Wirklichkeit schien zu verschwimmen, an dieser Stelle plötzlich nur noch aus ineinander fließenden, transparenten Strömen zu bestehen, unbeständig und sekündlicher Änderung unterworfen, nur aufgrund ihrer permanenten Bewegung überhaupt erkennbar. Wenn er sich genug konzentrierte, konnte Kael durch sie hindurchschauen und zwei seiner Leute auf ihren nervösen Pferden erkennen. Es war ein Übelkeit erregender Anblick. Auf den ersten Jagden während seiner Ausbildung war der Drachenreiter nicht selten vom Pferd gesunken und hatte sich am Boden liegend die Seele aus dem Leib gekotzt, heute verspürte er nur noch ein flaues Gefühl des Unwohlseins.
 

Der raum- und zeitlose Flecken dehnte sich aus, wuchs immer weiter in die Höhe und Breite. Der Drache wurde riesig.

Kael hob die rechte Hand und begann, verschlungene Muster in die Luft zu

zeichnen. Rasch, doch nicht hastig, formte er eine Rune nach der anderen, Worte einer längst vergessenen, nur noch Wenigen bekannten Sprache. Es war ein einfacher Spruch mit klarem Wortlaut, leicht zu zeichnen. Die größte Gefahr bestand in dem passenden Timing: er musste in genau dem Augenblick fertig werden, in welchem der Drache real genug wurde, um zum Angriff anzusetzen. Einen Moment vorher, und die Fesselung verlor sich ohne festes Ziel im Nirgendwo, einen Augenblick zu spät und der Drachereiter bildete die Vorspeise zu einem Festmahl für das gereizte Wesen.
 

Fast fertig, zögerte Kael. Die Manifestation zog sich ungewöhnlich lange hin, als wolle der Drache Verstecken mit ihm spielen. Und obgleich dieser nicht ewig in dem körperlosen Zustand der Transformation verbleiben konnte, brachte diese Aktion die Zeiteinteilung des Talaye bereits durcheinander. Einmal begonnen, musste er den Bannspruch in einem Stück ausschreiben, ohne gravierende Unterbrechungen zwischen den einzelnen Runen. Ließe er sich an einer Stelle zuviel Zeit, würde der gewünschte Effekt einfach nicht eintreten – im für ihn günstigsten Fall.
 

Mit langsamen Bewegungen begann er, die Grundlinien der letzten Rune zu zeichnen. Sein Blick ruhte aufmerksam auf der Leere, welche nun endlich Substanz anzunehmen begann. Flüchtige, graue Schatten bildeten sich heraus, wurden dunkler und nahmen undeutliche Konturen an, flossen wieder auseinander und bildeten eine neue Form.
 

Die Hand des Drachenreiters beschrieb einen kleinen Kreis, gefolgt von einem Bogen nach unten. Der Beginn der Hauptlinie, der Bannspruch war wie gut wie vollendet.
 

Und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Die noch schemenhafte und unbeständige Silhouette nahm mit einem Mal eine klare Form an und wurde tiefschwarz. Ein heftiges Zittern durchlief ihre Gestalt und um nächsten Augenblick schienen gewaltige Schwingen den Himmel zu verdunkeln. Der wütende Schrei des Drachen ließ mehrere Pferde scheuen, seine Größe beeindruckte sogar die erfahrenen und hart gesottenen Jäger. Und er war wunderschön.

Gut viermal so hoch wie ein Mann ragte er über seinen Häschern empor, seine nachtschwarzen Schuppen glänzten wie geschliffener Onyx, und wo sie von der Sonne berührt wurden, nahmen sie einen dunkelgrünen Schimmer an. Sein muskulöser Echsenkörper war lang und wendig und in dem schmalen Schädel glühten ein Paar Augen wie Smaragde. Das Maul des Drachen klaffte auf und enthüllte eine Reihe messerscharfer Zähne.
 

Dies war der Moment, welchen Kael am meisten schätzte und dem er während jeder Jagd aufs Neue entgegen fieberte. Diesem Bruchteil einer Sekunde, in dem er seinen Drachen in der ihm ganz eigenen Pracht bewundern konnte, wild und ungebändigt, voller Stolz und Zorn. Der Augenblick, in der er zuschlagen musste.
 

Die Hand abrupt und hastig schräg nach oben führend, beendete er die Hauptlinie und damit die letzte Rune seines Bannspruches. Blausilbernes Licht, flüssig wie Wasser und heiß wie die Feuer der Unterwelt, flammte auf und bildete die Worte ab, die den Drachen binden sollten.
 

Der schwarze Schädel des gewaltigen Wesens schoss vor, das Maul weit aufgerissen, bereit, die kräftigen Kiefer um den menschlichen Körper zu schließen und Knochen brechen zu lassen wie fragiles Glas. Seine Fänge funkelten im kalten Sonnenlicht wie weiß poliertes Elfenbein. Kael hatte bereits mit eigenen Augen mitansehen können, wie solche Zähne einen gerüsteten Mann mit einem Biss auseinander rissen.
 

Als die Kiefer des Drachen auf die Runen trafen und diese zu durchstoßen beabsichtigten, leuchteten die Worte einmal mehr grell auf, zerflossen ineinander und das Licht kroch wie blaues Quecksilber den Schädel seines Opfers hinauf. Nur den Bruchteil eines Moments später hatte es den kräftigen Nacken erreicht und floss rechts und links am Hals nach unten, um sich an der Kehle zu einem Ring zu schließen.
 

Der Drache riss seinen Kopf zurück und schrie wie irrsinnig auf, ein unpassend hoher und durchdringender Ton. Sein Schwanz peitschte aggressiv durch den Schnee und legte totes Gras und gefrorenen Boden frei, doch es war bereits zu spät. Der Ring um seinen Hals flammte ein letztes Mal in einem reinen, hellen Silber auf, dann tat der Bannspruch seine Wirkung und zwang das majestätische Wesen zu Boden. Dessen kräftige Muskeln zuckten in dem Bestreben, die unsichtbaren Ketten zu sprengen, und ein Beben nach dem anderen rollte durch die ledernen Schwingen.
 

Aber weder vermochte Abyss seinen Körper aus dem Schnee zu stemmen, noch konnte er die Flügel auch nur einen halben Meter vom Boden heben. Dunkler Rauch quoll aus seinen Nüstern und seine Brust hob und senkte sich hastig unter dem stoßweise gehenden Atem. Hass flammte in den smaragdgrünen Augen auf und ließ sie von innen heraus glühen.
 

Der Talaye wartete noch einen Augenblick lang in ausreichender Entfernung ab. Als sich der Bannspruch als stabil und der Drache somit als ungefährlich erwies, trat er neben dessen Hals, ging in die Hocke und kontrollierte den Sitz des silbernen Metallbandes, welches sich nun wie eine zweite Haut um die glänzenden Schuppen legte. Zufrieden mit seiner Arbeit, griff Kael dann in die Jackentasche seiner Uniform und förderte ein kleines Metallplättchen zu Tage, welches er mit geschickten Griffen am Halsband des Drachen befestigte. Es glänzte so edel und silbern wie das Metallband, und auf die Vorderseite eingeätzt prangte der typische Kreis der Drachenreiter, ohne Lanze, dafür mit Kaels Initialen in seiner Mitte.
 

Abyss fauchte böswillig und Kael legte ihm in einer beruhigend anmutenden Geste die Hand auf den Schädel.
 

„Scht, ganz ruhig. Der Bann zwingt dich jeden Moment zurück, dann wird es angenehmer.“
 

/Drachenreiter, du bist tot! Ich werde dir die Haut bei lebendigem Leibe in Streifen abziehen und deine Knochen zu Staub zermahlen! In deinem Blut werde ich baden, während sich die Ratten um deine Eingeweide balgen! Du wirst sterben, Drachenreiter, langsam und qualvoll, und ich werde mich an deinem Gewinsel um Gnade ergötzen …\ Der Drache spuckte Gift und Galle, während die Kraft langsam und stetig aus seinem Körper wich, bis schließlich selbst seine Gedanken verstummten.
 

Der Talaye harrte während dieser Minuten schweigend neben Abyss aus, eine Hand auf dem mächtigen Schädel, und wartete. Die unter Fauchen und Knurren hervorgestoßenen Drohungen beeindruckten ihn nicht weiter. Es war nicht das erste Mal, dass er diese und ähnliche Worte zu hören bekam, und wie seine zahlreichen Vorgänger würde auch dieser Drache keine Möglichkeit mehr bekommen, sie in die Tat umzusetzen.
 

Die Rückverwandlung in die Halbelfengestalt vollzog sich wie die Transformation zuvor, lediglich um einiges schneller, und bald darauf trug der Drachenreiter den bewusstlosen Körper zu seinem Pferd. Kaum im Sattel, Lyone vor sich und mit einem Arm um die Taille an Ort und Stelle haltend, drückte er dem Rappen bereits die Fersen in die Flanken und ließ das Tier zurück nach Süden laufen. Seine Männer hatten ihre Formation aufgegeben und folgten ihrem General eilig.
 

Kaels Blick wanderte gen Himmel. In dem wolkenlosen Blau war der kleine, schwarze Punkt, welcher hoch über ihren Köpfen kreiste, leicht auszumachen. Ein durchdringender Pfiff, ein schrilles Kreischen wie zur Antwort, und der Habicht drehte eine letzte Runde, bevor er den Männern vorauseilte. Binnen drei oder vier Stunden sollte er das Schiff erreicht und zu ihnen geführt haben.
 

Hinter dem Talaye erhob sich das zufriedene Gemurmel der Reiter. Scherze wurden getrieben und mit rauem Gelächter beantwortet. Sie hatten ihr Wild ohne Verluste gestellt und gefangen und konnten jetzt endlich nach Hause. Nicht immer ging eine Jagd so gut aus.
 

Kael lauschte ihnen eine Weile lang, ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen. Die Männer unter seinem Banner waren kampferprobt, ausdauernd und würden ihm ohne zu fragen in den Tod folgen, doch nun klangen sie mehr wie kleine Kinder, die sich nach einem langen Tag des Spielens in der winterlichen Kälte auf ein warmes Bett am heimischen Herd freuten. In der nächsten Nacht auf bekanntem Boden würden sie sämtliche Tavernen der Stadt unsicher machen und ihren Sieg mit Alkohol begießen, bis sie nicht mehr einen halben Meter weit torkeln konnten. Kurz überlegte der Drachenreiter, ob er sich ihnen für einen Teil des Weges anschließen sollte, wie er es in unregelmäßigen Abständen immer wieder einmal tat.
 

,Vielleicht, wenn nichts anderes zu tun ist.’ Die obsidianfarbenen Augen streiften das blasse Gesicht des Halbelfen, der weiterhin ohne Bewusstsein in seinem Arm ruhte. Es war nicht abzusehen, wann dieser wieder aufwachen würde. Einige erholten sich nach wenigen Minuten, andere brauchten Stunden und bisweilen sogar ein oder zwei Tage. Weitaus seltener starb der Wirt, ohne aus seinem komaähnlichen Zustand zu erwachen.
 

,Wäre wirklich jammerschade um den Drachen. Und auch um den Burschen hier. Bei solch einem Wesen wird er kaum binnen der ersten Tage einknicken und heulend nach seiner Mama rufen.’

Das amüsierte Lächeln bekam etwas seltsam raubtierhaftes. Kael würde so gar nichts dagegen haben, sollte Lyone zu den Frühaufstehern zählen und ihn daran hindern, mit seinen Männern durch die Straßen zu ziehen. Die Ausbildung begann sozusagen mit dem ersten Augenaufschlag des Drachenwirts und wie fast jedes Mal würde der Talaye anwesend sein, wenn es soweit war, sich keine der süßen, ersten Minuten entgehen lassen. Im Blut dieses Halbelfen pulsierte ein unstetes Feuer, welches die Begegnung wahrhaft interessant werden lassen konnte. Selten hatte Kael sich so sehr auf die Rückkehr des Bewusstseins eines gefangenen Wirtes gefreut – endlich wieder eine Herausforderung.
 

To be continued



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  ReinaDoreen
2010-05-03T19:05:48+00:00 03.05.2010 21:05
Auch das zweite Kapitel läßt sich wunderbar lesen.
Reni
Von:  evejean
2010-05-03T17:03:35+00:00 03.05.2010 19:03
das 2kapitel is minder spannend wie das erste ^^ bis sehr gespannt wie es weiter geht

lg eve
Von: abgemeldet
2010-05-03T14:56:40+00:00 03.05.2010 16:56
hrhr, sie lohnt sich ;D
Vielen Dank fürs Reinstellen nochmal ;)
Von:  Myrin
2010-05-03T14:48:44+00:00 03.05.2010 16:48
Also, ich finde die Geschichte jetzt schon ziemlich cool - banales Wort irgendwie, aber ich find's hier sehr passend.
Die Sprache ist sehr schön, äußerst angenehm zu lesen, nicht zu hochtrabend oder so, aber trotzdem anspruchsvoll.
Und die Idee, dass der Drache im Körper eines Wirts eingeschlossen/verborgen ist, finde ich mehr als reizvoll und ungewöhnlich.
Auch die beschreibenden Passagen sind sehr gut gelungen - ganz besonders gut gefällt mir die Transformation.
Freu mich schon auf die Fortsetzung!:)


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