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Verirrt im Herzen

Wenn eine Frau nicht weiß, wen sie lieben soll
von

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Chapter 4

Die Wochen vergingen, doch die Trauer und die Einsamkeit wuchsen mit jedem Tag mehr. Es war unerträglich. Jeden Tag wachte sie auf, neben ihr war das Bett jeden Tag leer. Die Nächte waren einsam. Es gab immer Momente, in denen sie sich an ihn drücken wollte, damit sie wusste, dass sie nicht allein war. Dass immer jemand bei ihr war, der ihr Schutz und Kraft gab. Nun konnte sie nichts mehr der Gleichen machen. Jeden Tag das Gleiche. Es war einfach zum verrückt werden! Sie sehnte sich so sehr nach körperlicher Nähe, nach seiner Stimme, nach seiner Zärtlichkeit... nach seinem ganzen Wesen. Für wie viele Monate wird er wohl weg sein? Wird er überhaupt wieder zurück kommen? Sie wusste es nicht. Sie wusste es wirklich nicht, doch sie wünschte. Und hoffte. Hoffte, dass es schon bald wieder hier bei ihr sein würde. Neben ihr im Bett. Zusammen mit ihr den kleinen Curt aufziehen und alt werden. Das waren ihre Träume gewesen. Träume, die nie in Erfüllung gehen würden.

Leise seufzte die junge Mutter auf und richtete sich langsam auf. Mit ihrer Hand strich sie durch ihr braunes, zerzaustes Haar und ihre blaugrünen Augen starrten auf die weiße Wand gegenüber von ihr. Sie hatte keine Lust aufzustehen. Die Nächte waren kurz, da Curt oft aufwachte und sie sich um ihn kümmerte. Sie war müde. Wollte einfach noch einmal zurück ins Bett fallen und dort liegen bleiben. Aber sie wusste genau, dass das nicht ging. Erstens brauchte Curt seine Mutter und Zweitens machte es das alles nicht wirklich besser. Eher schlimmer. Genauso wie die Vorstellung, wenn Esferanda wieder zu Besuch kommen würde. Leise seufzte sie und streckte sich einmal ausgiebig. "Ich habe dir doch gesagt, dass das passieren würde. Ich habe dich gewarnt, aber nein, auf mich hört ja nie jemand!", äffte Hua ihre ältere Schwester nach und stemmte sich aus dem Bett. "Du bist schon immer die Wildere von uns beiden gewesen, kein Wunder, dass Mutter und Vater immer kurz vor einem Nervenzusammenbruch standen. Du bist wirklich bla bla bla." Sie konnte es sich schon richtig vorstellen. Wie sie vor ihr stand und sie - im wahrsten Sinne des Wortes - zur Sau machte. Ihr ihre Fehler vor Augen hielt und ihr sagte, dass sie das Allerletzte war. Man konnte nicht sagen, dass sie wirklich eine gute Beziehung zueinander hatten, auch wenn sie Schwestern waren. Früher war alles anders. Als sie noch klein. Doch das war eine andere Geschichte.

Langsam ging sie zu ihrem Kleiderschrank, öffnete diesen und sah auf ihre Sachen. Ziellos griff sie nach einer hellbraunen Reiterhose, einem weißen Top und einer Bluse. Lustlos zog sie sich diese an, drehte sich herum und schnappte sich einen Haargummi vom Nachtkästchen, ging zu einem Spiegel und machte sich einen Pferdeschwanz. Ihr Blick wanderte langsam zu dem Kinderbett, das unmittelbar in ihrer Nähe stand. Lächelnd ging sie rüber und schaute zu dem kleinen Jungen, der sie mit großen Augen entgegen sah und anfing zu lachen. "Da ist wohl noch jemand wach, hm?", fragte sie sanft und hob den kleinen Körper aus dem Bett, drückte ihn sanft an sich und strich über den kleinen Kopf. Die Braunhaarige verteilte hauchzarte Küsse auf seiner Stirn, ging mit ihm langsam aus dem Schlafzimmer hinaus in die Küche, setzte sich dort auf einen Küchenstuhl und wiegte ihn sanft hin und her. "Egal, wie oft du auch noch schreien wirst und wie sehr du mich auch noch auf Trapp halten wirst... du bist und bleibst einfach ein kleiner Engel." Ein leises Schlafgeräusch drang aus der Kehle des Babys und langsam öffnete es die Augen. Müde und ein wenig quengelig sah es seine Mutter an, hob seine kleinen Ärmchen und fing an, etwas rum zu zappeln. "Na, na, na...", murmelte sie leise und lächelte den kleinen Spross liebevoll an. "Wer wird denn da Randale starten?"

Wieder quengelte er vor sich hin, drückte seinen Rücken durch. Hua musste aufpassen, dass der Kleine nicht auf den Boden fiel und sich verletzte. "Shhh, Shhh... ist ja gut...", säuselte sie leise, wiegte ihn weiter hin und her und strich sanft über seinen blonden Schopf. Sie ahnte, dass er wahrscheinlich Hunger hatte, deswegen zog sie ihr Oberteil ein wenig nach oben, sodass ihre Brust frei wurde. Vorsichtig hielt sie den kleinen Kopf vor die Brust, passte auch ja auf, dass er auch ja den Nippel erwischte und wiegte weiter ein wenig hin und her, als Curt schließlich anfing zu saugen. Leise Schluckgeräusche kamen von dem kleinen Geschöpf in ihren Armen und mit einem herzerfüllten Lächeln beobachtete sie das Szenario, das sich ihr gerade bot. Er war wirklich ein kleiner Engel. Ein Geschenk, das für sie alles bedeutete. Wie ein wertvoller Schatz. Nie im Leben hätte die Braunhaarige gedacht, dass ein Baby wirklich alles verändern würde. Vor allem gab der Kleine ihr das Gefühl, etwas Richtiges getan zu haben. Etwas, was nicht jede Frau kann: jemandem das Leben schenken. Es war immer ihr Traum gewesen, einmal Mutter zu werden. Sie wollte es einfach so, sie konnte es nicht wirklich erklären. Aber es war einfach ein wunderschönes Gefühl.

Gerade, als Curt damit fertig war, an ihrer Brust zu nuckeln, klopfte es an ihrer Haustür. Mit leicht hochgezogenen Augenbrauen wandte sie ihren Blick zu der Tür, fixierte diese und wartete einen Augenblick. Langsam zog sie den Kleinen zurück, zog ihr Shirt wieder über die Brust und ging langsam rüber zur Tür. Vor ihr blieb sie stehen, schaute sie weiter an. Wartete darauf, dass es noch einmal klopfte. Und in der Tat - es klopfte erneut. "Wer ist da?", fragte sie mit ruhigem Ton. Es kam keine Antwort, was sie etwas beunruhigte. Was, wenn es irgendein Perverser war, der sie überfallen wollte? Oder ein Einbrecher? Oder vielleicht ein ziemlich schüchterner Typ, der nicht weiß, was er sagen soll und sich einfach wieder aus dem Staub gemacht hat? Irgendetwas von diesen drei Sachen musste es ja schließlich sein. Oder vielleicht hatte sie sich das Klopfen auch nur eingebildet? Konnte gut möglich sein, tat sie in letzter Zeit etwas öfter als gewollt. Gerade, als sie sich umdrehte und gerade wieder zurück in die Küche gehen wollte, klopfte es erneut an die Tür. Entweder hielt sie hier jemand für total bescheuert oder fand es äußerst amüsant, eine junge Mutter wild herum zu hetzen. Die Braunhaarige verdrehte kurz die Augen, ehe sie sich wieder herum drehte, zur Tür ging, diese öffnete und zu ihrem Gegenüber hochsah.

Vor ihr stand ein großer Mann: braune, etwas längere Haare, braune Augen und einen leicht angedeuteten Drei-Tage-Bart. Er war groß und gut gebaut. Er trug eine schwarze, etwas engere Hose, ein weißes Shirt und eine graue, etwas längere Lederjacke, dazu die passenden Schuhe. Sie kannte ihn schon länger, er war mit ihr in der gleichen Formation geflogen. Sie war ziemlich gut mit ihm befreundet und hatte so gut wie immer ein offenes Ohr für ihre Probleme gehabt. Mit einem leichten Lächeln besah sie ihn von oben bis unten, ehe sie ihn begrüßte. "Mit dir hab ich jetzt nicht gerechnet, mein lieber Pao.", meinte sie leise, nachdem sie einen Schritt zur Seite gegangen war, um ihn in das Haus hinein zu lassen. "Was machst du denn hier?" - "Ich? Nun ja... ich wollte dich mal besuchen kommen. Schließlich hab ich dich schon länger nicht mehr geseh'n. Jetzt, wo du doch Mutter geworden bist." Sein Blick glitt sogleich hinunter zu dem kleinen Baby in ihren Armen, das ihn mit großen Augen ansah. Lächelnd beugte er sich etwas nach vorne und strich mit seinem Finger über die Wange des Kleinen, dieser lachte ihn munter an und fing wieder an zu strampeln. "Da scheint dich jemand zu mögen.", stellte Hua verdutzt fest, doch ihr Lächeln schwand nicht. "Setz dich doch. Willst du vielleicht irgendetwas zum trinken?" Kopfschüttelnd nahm der Braunhaarige auf dem Sofa Platz und lehnte sich ein wenig zurück. "Und wie geht es dir? Ich meine, nachdem... du weißt schon."

Wie erstarrt stand sie da. Schaute ihn an. Schwieg. Ein Stich machte sich in ihrer linken Brust breit. Es fühlte sich so an, als hätte er ihr ein Messer geradewegs durch ihr Herz gerammt. Es schmerzte. Es schmerzte, daran erinnert zu werden, obwohl es doch schon gut einen Monat her war, seitdem Adrian zu dem neuen Stützpunkt gereist war. Und dennoch - es kam ihr vor, als wäre es erst gestern gewesen. Als hätte er erst gestern ihr Leben verlassen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch diese unterdrückte sie gekonnt. Es war absurd, darum zu weinen, vor allem, weil es sowieso keinen Sinn ergab. Er war weg. Er würde sicher nicht so schnell wieder kommen - und das musste sie nun wohl oder übel akzeptieren. Langsam nahm sie ihm gegenüber Platz, wiegte den kleinen Curt in ihren Armen hin und her. "Ich will nicht sagen, dass es mir blendend geht, aber wenn ich behaupte, es ginge mir dreckig, wäre das auch gelogen. Umschreiben wir es einfach und sagen: das Leben muss weiter gehen." - "Ich wollte dich keineswegs kränken, Hua.", murmelte Pao leise und schaute sie mit einem schuldbewussten Gesichtsausdruck an. "Ich habe mir nur Sorgen gemacht. Man hat nichts mehr von dir gehört und nur noch sehr selten gesehen."

"Du hast dir also Sorgen um mich gemacht?", fragte sie neckisch und beugte sich etwas nach vorne. "Das hätte ich nun wirklich nicht gedacht, Pao." In ihrem Unterton lag ein wenig Ironie, was man deutlich heraus hörte, und auch der junge Mann hatte es gehört und konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. "Nun ja, ich habe auch eine weiche Seite, hast du das nicht gewusst?" - "Nein, aber jetzt weiß ich es ja. Wie sagt man doch so schön: harte Schale, weicher Kern." Der Braunhaarige lachte, schaute dann aber mit einem sanften Lächeln rüber zu Hua. "Du weißt wirklich, was du sagen musst, um jemanden glücklich zu machen, nicht wahr?" Die Angesprochene schüttelte zaghaft den Kopf. Ihr Lächeln schwand und sie senkte ihren Kopf gen Boden. Curt hatte sich fest gegen seine Mutter gedrückt und war wieder am dösen. Langsam strich sie über seinen kleinen Kopf. "Du irrst dich. Und zwar gewaltig." - "Wie kommt's? Es ist jetzt aber nicht wegen... Adrian... oder?" - "Um ehrlich zu sein, Pao: doch. Es ist genau wegen ihm. Ich will dich nicht damit belasten und vielleicht interessiert es dich ja nicht einmal so sehr."

"Es interessiert mich, Hua. Mach dir deswegen keine Sorgen. Du vergisst doch hoffentlich nicht, dass ich ein offenes Ohr für dich hab, egal, was drich bedrückt, nicht wahr?", meinte er lächelnd und stand auf, ging um den kleinen Tisch, herum und setzte sich nun genau neben sie. "Nun erzähl mir alles. Ich weiß nicht mal genau, was passiert ist. Nur, dass Adrian weg ist." Eigentlich wollte die junge Frau nicht wirklich darüber reden, schließlich war sie sich nicht sicher, wie sie ihn dann darstellen würde. Sie wollte nicht, das alle schlecht über ihn denken würden, vor allem, weil er ja auch ein sehr liebevoller Mensch war. Leise seufzte sie. "Es ist einfach... ich wollte doch unbedingt mit ihm mit, schließlich wäre das ja die einfachste Lösung gewesen. Wir wären zusamen geblieben und... na ja. Aber... er hatte etwas dagegen. Vielleicht hätte ich die Reise nicht so gut überstanden wie er, da ich ja trotzdem noch etwas geschwächt von der Geburt war. Er hat alles abgestritten. Egal, was ich dann noch erwidert habe. Er blieb bei seinem Entschluss. Ich will ihn jetzt nicht schlecht darstellen oder dergleichen, nur... es hat so weh getan. Und ich weiß ja nicht, wann er wieder kommt und..." Sie stockte. Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen, welche sie nicht zurück halten konnte. Langsam rannen diese über ihre Wangen hinab, unwillkürlich musste sie schluchzen. "Deswegen glaube ich nicht, dass an deiner Aussage etwas Wahres dran ist."

Sie senkte den Kopf, zuckte dann jedoch zusammen, als sie eine tröstende Hand auf ihrem Rücken fühlte. Langsam zog er sie in seinen Arm und strich sanft über ihren Arm. "Hör auf, dich selbst zu verurteilen.", hauchte Pao leise und strich weiter über ihren Arm, passte aber auf, dass er den kleinen Curt nicht irgendwie verletzte oder aufweckte. "Es macht das alles nicht wirklich besser." Er redete sie offen darauf an, nahm kein Blatt vor den Mund und sagte ihr, dass das, was sie sagte, in Ordnung war. Beschämt hob sie den Kopf, schaute ihn schweigend an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, denn sie hatte Angst, dass sie ihn verärgern könnte. "Aber ich frage mich immer noch, wieso Adrian dir so weh getan hat. Sicher, er wollte dich nur schützen, aber... ich hätte dich mitgenommen. So lange ich mit dir zusammen sein kann und ich weiß, dass es dir und dem Nachwuchs gut geht..." Ein leichter Rotschimmer bildete sich um seine Nase, doch er schaute sie weiter an, wischte mit seiner freien Hand über ihre Wangen, um diese zu trocknen. Verwirrt sah Hua ihn an. Sie war es nicht gewohnt, dass er rot wurde, vor allem nicht bei ihr. Irgendetwas musste er haben, doch sie wusste nicht genau, was.

"Hua, ich möchte nur, dass es dir gut geht. Ich will, dass du weißt, wie viel du mir bedeutest. Vielleicht kannst du es dir bereits denken... schließlich habe ich schon seit längerer Zeit etwas mehr gefühlt als nur Freundschaft." Kurz schwieg er, sah tief in ihre blauen Augen und lächelte sie an. "Ich will das für dich sein, was Adrian für dich war." Ihr Magen verkrampfte sich bei seinem Satz. Sie wusste, worauf er hinaus wollte. Wusste es genau. Doch es war falsch. Schließlich waren Adrian und sie selbst immernoch ein Paar... zumindest glaubte sie das. Ihr Blick glitt zu Boden, suchte dort einen festen Punkt, den sie anschauen konnte. Was, wenn er bereits eine Neue hatte? Er wollte ihr doch einen Brief schreiben. Gleich nach seiner Ankuft, hatte er ihr gesagt. Und nun waren schon gut vier Wochen vergangen und noch immer war kein Brief von ihm angekommen. Es fühlte sich gerade so an, als hätte er sie nur benutzt. Verarscht. Mit ihr gespielt. War sie wirklich so naiv gewesen und war auf sein Spielchen rein gefallen? Es hatte sich doch alles immer so echt angefühlt, und nun schien alles wie eine Seifenblase binnen weniger Sekunden zu zerplatzen. "Meinst du... das ernst?", fragte sie leise, hob den Kopf etwas an und schaute in seine klaren, braunen Augen. "Ja, das meine ich ernst." - "Wie kann ich sicher sein, dass du mich nicht verarschst?" - "Ich werde es dir zeigen." - "Wann?" - "Heute Abend."



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