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Kryptonit

Jeder Held hat eine Schwäche
von

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Pläne

Ich wünsche euch schon mal einen guten Start ins Wochenende und viel Spaß mit dem Kapitel. Es hat Spaß gemacht, auch wenn ich momentan dank eines Referats chronisch schlecht gelaunt bin.

Liebe Grüße :)

___________________________
 

»Chris, wir müssen reden.«
 

Dieser Satz klingt gruselig ernst aus Sinas Mund. Ich komme gerade aus der Dusche und habe lediglich ein Handtuch um die Hüften gewickelt. Meine Haare tropfen, aber Sina sieht nicht so aus, als würde sie mit ihrem Gespräch warten wollen, bis ich trocken bin. Sie trägt eine Boxershorts und ein Trägertop – natürlich ohne BH drunter – und hat die Arme vor der Brust verschränkt. Ich frage mich einen Moment lang, ob ich etwas ausgefressen habe.

»Was gibt’s?«

Ich folge ihr ins Wohnzimmer und setze mich auf die Sofalehne. Sina wirft sich neben mich.

»Ich war doch heute wieder Aktmodell stehen«, meint sie nachdenklich und ich runzele die Stirn. Ja, sie hatte mir davon erzählt, aber ich weiß nicht mehr, an welcher Schule genau das war…

»Ich kam in diesen Kunstkurs und da saß Anjo«, fährt sie fort. Ich blinzele erstaunt.

»Na, das nenn ich einen Zufall«, meine ich und muss bei der Vorstellung schmunzeln, wie rot Anjo wohl geworden sein mag, als Sina nackt vor der Klasse stand.
 

»Sie haben ihn verprügelt, Chris«, sagt sie leise und mein Schmunzeln verschwindet wie auf Knopfdruck, »er war die ganze Woche nicht in der Schule. Ich hab versucht, ihm ein bisschen aus der Patsche zu helfen, bin noch geblieben und hab eine Vorlesung sausen lassen. Hab ich ihm nicht gesagt. Jedenfalls hab ich mit diesen Kerlen geredet. Ich hab ihnen gesagt, dass Anjo und ich befreundet sind und dass ich frei habe und jetzt öfter mal vorbei schauen will…«

Ich sehe sie von der Seite an. Obwohl Sina und ich uns noch nicht so lange kennen – seit knapp zwei Jahren erst – wissen wir praktisch alles voneinander. Ich weiß, dass sie es früher in der Schule nicht leicht hatte. Nicht so schwer wie Anjo zwar, aber das macht es nicht besser. Sie muss sich unheimlich verantwortlich für den Knirps fühlen. Nicht, dass ich nicht auch schon ein gewisses Maß an Beschützerinstinkt entwickelt hätte… aber bei Sina muss das noch akuter sein.
 

»Wie gern würde ich diese Idioten zu Brei schlagen«, knurre ich und es ist ein Reflex, dass ich automatisch meine Fingerknöchel knacken lasse. Ich habe das Bild noch genau vor Augen, wie sie damals um Anjo herum standen und sich unglaublich cool dabei fanden, ihm Angst zu machen. Und Herrgott, er sah so eingeschüchtert aus. Wie ein Karnickel vor der Schlange.

»Ich hab prinzipiell nichts dagegen«, meint Sina und schafft ein schwaches Lächeln, »aber ich denke nicht, dass es auf lange Zeit helfen würde. Abgesehen davon, dass du dann eine Anzeige bekommst.«

Ich muss hüsteln.

»Es wäre ja nicht die erste«, meine ich bemüht lässig. Sie verdreht die Augen.

»Tu nicht so, als wärst du stolz drauf«, tadelt sie mich sofort und schlägt mir mit der flachen Hand auf den nackten Oberschenkel.

»Au!«
 

Sie schnaubt und verschränkt die Arme vor der Brust.

»Nimm ihn mit zum Training«, sagt sie dann. Ich blinzele.

»Bitte was? Hast du ihn dir mal angesehen? Er kann doch nicht mal eine Ameise zertreten, geschweige denn, dass er einem Menschen eine reinhauen kann!«

Sina funkelt mich von der Seite an.

»Ist dir eigentlich klar, dass der Junge dich anhimmelt, als wärst du sein persönlicher Superman? Wenn du nichts an seinem Ego rütteln kannst, wer sollte es dann können? Du sollst ihn doch nicht mit zu den anderen nehmen! Nur du und er. Er braucht mehr Selbstbewusstsein, sonst kommt er nie aus dieser Mobbingsache raus. Und er muss wissen, wie er sich selbst verteidigen kann. Du weißt selber, dass solche Jungs sich erst warmlaufen, wenn sie ihm ein blaues Auge verpassen. Sie brauchen nur mal einen schlechten Tag haben und dann hauen sie ihn vielleicht krankenhausreif!«
 

Sie hat sich richtig in Rage geredet. Ich weiß, dass sie einmal so was durchgemacht hat. Damals, als sie mit einem Jungen aus dem höheren Jahrgang zusammen gekommen ist. Da haben an die acht Mädchen sie richtig fertig gemacht. Und ja, ich weiß das auch. Wahrscheinlich noch besser als Sina. Oder eher: aus einer anderen Perspektive.

»Also schön. Ich werd’s ihm mal vorschlagen. Aber ich sage dir, er wird nicht begeistert sein. Ich wage zu bezweifeln, dass er auch nur einen Boxsack treten könnte… aber ausprobieren kann man es ja…«

Sina lächelt dankbar, dann stürzt sie sich auf mich und drückt mir einen Kuss auf den Mund. Ich muss lachen.

»Egal wie oft du es versuchst, Schätzchen«, scherze ich amüsiert. Sie lacht nun auch und wuschelt mir durch die nassen Haare.

»Der einzige Mann, bei dem ich nie landen werde«, seufzt sie theatralisch. Ich grinse.

»Es gibt noch andere schwule Männer auf der Welt«, belehre ich sie und erhebe mich, um mir endlich die Haare zu trocknen und was anzuziehen.
 

Gerade als ich ein T-Shirt anziehe, klingelt es an der Tür. Sina hat den Knirps zum Kochen eingeladen und ihn ermutigt, seine Mappe mitzubringen. Ich bin auch ziemlich gespannt auf das Ding, muss ich zugeben. Ich weiß, was Sina so alles mit Stiften und am PC anstellen kann. Ich höre, wie sie Anjo im Flur begrüßt.

»Komme gleich!«, rufe ich aus meinem Zimmer und schlüpfe hastig in eine meiner Trainingshosen. Dann gehe ich durch den Flur ins Wohnzimmer und da sitzt er. Auch ich sehe noch die verblassten Blessuren auf seinem Gesicht. Er lächelt mich unsicher an und ich werfe mich neben ihm aufs Sofa. Sina scheint in der Küche herumzuwerkeln, um etwas zu trinken zu holen.

»Na, wie läuft’s? Ich hab gehört, du hast Sina heute nackt gezeichnet?«, meine ich grinsend und er wird augenblicklich rot.

»Ja… das war der Schock meines Lebens«, gibt er kleinlaut zu und ich muss lachen.

»So schlecht sieht ja nun auch wieder nicht aus«, gebe ich amüsiert zurück.

»Oh, nein! So hab ich das nicht gemeint, ich war nur erstaunt und ich-«

Er bricht ab, als er mich grinsen sieht.

»Das war ironisch gemeint, richtig?«, fragt er. Ich nicke schmunzelnd. Dann entdecke ich eine Mappe auf dem Tisch und ein zusammengerolltes Blatt.
 

»Ist das deine Mappe?«, erkundige ich mich und betrachte es interessiert. Aber einfach danach greifen und es mir ansehen… das wäre wohl zu viel des Guten.

»Ja, Sina hat mir angeboten, sie mal durchzusehen«, meint er und sieht sehr verlegen aus, so als wüsste er nicht, ob seine Mappe diesen Aufwand überhaupt wert war.

»Und ich hab«, beginnt er zögernd, bricht dann aber ab und greift nach dem zusammengerollten Bild. Nervös betrachtete er es einen Augenblick, dann zieht er das Band herunter, welches das Bild zusammen gehalten hat und rollt es auf. Ich pfeife leise durch die Zähne, gerade als Sina mit drei Gläsern ins Wohnzimmer kommt und sie auf dem Tisch vor uns abstellt.

»Wow. Bin ich das? Bist du dir sicher?«, fragt sie entgeistert und starrt die Zeichnung an, die er zu Hause wohl fertig gemacht hat.

»Erkennt man es nicht? Hab ich irgendwas-«

Sina setzt sich auf Anjos andere Seite und schnappt ihm das Bild aus den Händen.

»Ich wusste gar nicht, dass du so gut aussiehst«, stichele ich grinsend. Das Bild ist wirklich der Wahnsinn. Ich hätte nie gedacht, dass ein achtzehnjähriger solche Sachen zeichnen kann. Von wegen, man erkennt Sina nicht. Man erkennt sie sehr wohl. Sie sieht auf der Zeichnung sogar noch besser aus als im echten Leben – sofern das möglich ist – und ich wage die Vermutung, dass Anjo sie genau so sieht. Übermäßig schön.
 

»Das ist toll«, sagt sie anerkennend und auf Anjos Gesicht breitet sich ein erleichtertes Strahlen aus.

»Das ist gut… dass es dir gefällt«, meint er und wirft ebenfalls noch einmal einen Blick darauf.

»Die linke Hand ist ein bisschen verkorkst und der Schatten am Hals…«

Er verstummt, als Sina ihn spitzbübisch angrinst.

»Ich konnte mit achtzehn nicht so zeichnen. Kann ich auch heute noch nicht. Du hast eine Tonne Talent. Und je mehr du zeichnest, desto besser wirst du«, meint sie und betrachtet schon wieder das Bild.

»Ich dachte, ich schenk es dir. Wenn du es haben willst«, murmelt Anjo peinlich berührt. Ich schmunzele stumm in mich hinein. Irgendwie sind die beiden miteinander sehr schnuffig anzusehen. Und wenn Sina wüsste, dass ich das Wort ›schnuffig‹ denke, dann würde sie mich lauthals auslachen.
 

»Hast du ein Rad ab? Ob ich es haben will?«, sagt sie begeistert und – wie zu erwarten – legt sie das Bild beiseite, schnappt sich Anjo und drückt ihn so fest an sich, dass er ein ersticktes Keuchen hören lässt.

»Vielen Dank«, meint sie strahlend, nachdem sie ihn wieder losgelassen hat. Anjo hat schon wieder einen hochroten Kopf. Kann es wirklich Leute geben, die ständig rot werden? Ich weiß, dass Leon auch öfter mal rot anläuft, aber Anjo toppt ihn noch um Längen.

»Ich bring das mal in mein Zimmer. Sicher hab ich irgendwo noch ein Stück Wand, wo ich’s hinhängen kann«, trällert sie bestens gelaunt und verschwindet aus dem Wohnzimmer. Anjo atmet einmal tief durch, als wäre ihm eine große Last von den Schultern genommen worden.

»Wir wollten irgendwas Schnitzeliges machen«, erkläre ich ihm unsere Kochpläne, »magst du Schnitzel?«

Anjo nickt und er lächelt immer noch. Es freut ihn offensichtlich sehr, dass Sina sein Bild von ihr gefällt.
 

»Und Salat und Ofenkartoffeln…«, sage ich und kann nicht umhin, ein wenig schmachtend zu klingen. Ich hab den Tag über fast noch nichts gegessen, weil ich so viele Chemiehausaufgaben machen musste, dass ich zu nichts gekommen bin.

»Aber da kann man ja kaum was anbrennen lassen«, sagt er nachdenklich. Ich blinzele.

»Hat Sina etwa erzählt, dass ich immer alles verkokeln lasse?«, frage ich grinsend. Er sieht mich erschrocken an.

»Was? Oh, nein! Sie meinte, dass ihr beide immer irgendwas… na ja…«

Ich kann nicht umhin den Kopf zu schütteln.

»Du musst keine Angst haben, dass dir hier irgendwer den Kopf abreißt, weil du was sagst«, erkläre ich ihm. Er nickt, als hätte er das eigentlich schon gewusst. Es ist vermutlich nicht so leicht, aus seiner Haut heraus zu kommen, wenn man es gewöhnt ist, dass Tag und Nacht auf einem herum getrampelt wird.
 

»Ich weiß. Ich versuche schon, mich zurückzuhalten«, sagt Anjo und schafft ein verlegenes Lächeln, ehe er behutsam nach dem Glas Apfelsaft greift, das Sina ihm hingestellt hat.

»Ich hab einen Mordshunger«, erkläre ich Sina, die mich kopfschüttelnd ansieht.

»Du hättest ja auch heute Mittag mal ein Brot essen können«, meint sie und ihr Ton klingt wieder einmal so, als wäre sie meine Mutter, ohne die ich nicht lebensfähig bin.

»Ich hab bis zum Hals in Arbeit gesteckt und war grad so dabei und ehe ich’s mich versehe, ist auch schon Zeit fürs Training«, gebe ich feixend zurück und bemerke Anjos neugierigen Blick.

»Was für Sport machst du denn?«, fragt er. Ich entsinne mich dunkel, dass Sina meinte, ich soll den Jungen mitnehmen. Und er weiß noch gar nicht, welcher Sport eigentlich mein größtes Hobby ist.

»Kickboxen«, erkläre ich also und bemühe mich es so klingen zu lassen, als wäre es nichts Angsteinflößendes. Hat offensichtlich nicht geklappt, denn Anjos grüne Augen weiten sich zur Größe von Tellern.
 

Pepper kommt ins Wohnzimmer gewuselt und bleibt hechelnd und schwanzwedelnd vor Anjo sitzen.

»Hallo«, sagt er und wendet seinen Blick meinem Hund zu. Pepper stupst ihn ganz begeistert mit ihrer Schnauze an. Sie hat zwar auch nichts gegen Felix, aber so zutraulich ist sie zu ihm nicht. Ein Wunder ist geschehen.

»Dein armer Hund leidet auch unter deiner Arbeitswut«, wirft Sina mir vor, beugt sich vor und krault Pepper am Hals, »sie würde viel lieber mit dir in den Park gehen, als mit mir.«

Sina geht immer mit Pepper raus, wenn ich mich in meinen Chemieunterlagen vergraben habe oder beim Training bin. Weiß der Geier wie sie kurz vor ihrem Abschluss so viel Zeit zusammen kratzt. Und dann duscht sie manchmal noch mindestens eine halbe Stunde. Oder telefoniert mit ihrer Mutter. Ich habe keinen Schimmer, wie sie das alles mit dem Unistress unter einen Hut bekommt.
 

»Los, gehen wir kochen«, drängele ich und beschließe, das Thema Kickboxen erst einmal auf sich beruhen zu lassen. Anjo und Sina stehen auf und Anjo sieht – wie ich feststelle – das erste Mal unsere Küche.

»Achja, wir haben dich noch gar nicht in unserer Wohnung rumgeführt!«, sagt Sina und sieht aus, als wäre sie von sich selbst entsetzt. Anjo lächelt.

»Das können wir auch noch auf nach dem Essen verschieben«, schlägt er vor und sieht sich interessiert in der Küche um. Ich muss immer aufräumen und putzen. Sina hat eine Art diktatorische Aura, die sie auspackt, wenn sie keine Lust hat aufzuräumen. Und dann muss ich spuren, sonst bricht der Zorn der Götter über mich herein.

»Vielen Dank«, sage ich gespielt leidend und wuschele ihm kurz durch die Haare. Woraufhin er natürlich wieder rot wird. Seine Haare sind extrem weich. Richtig flauschig. Fast so flauschig wie Pepper.
 

Pepper sitzt neben dem Kühlschrank und starrt uns flehentlich an. Ich lasse mich von diesen Augen immer erweichen und krame nach einem Leckerli, während Sina die Sachen, die wir brauchen, aus dem Kühlschrank holt.

»Ich will die Schnitzel nicht panieren«, klagt Sina und starrt den Teller mit dem Fleisch darauf an.

»Ich hab’s letztes Mal schon gemacht«, sage ich. Ich finde rohe Eier eklig. Sina rohes Fleisch. Wir wechseln uns mit so was immer ab, weil keiner es wirklich machen will.

»Ich mach’s«, bietet Anjo an und nimmt den Teller mit den Schnitzeln. Sina und ich werfen uns einen Blick zu und dann beobachten wir Anjo, wie er kommentarlos Eier aufschlägt und Paniermehl und Mehl auf Teller kippt, ehe er sich daran macht, jedes kleine Schnitzel zu panieren.
 

Anjo ist so auf Harmoniesucht geeicht, dass er das sicherlich auch gemacht hätte, wenn er es genauso eklig finden würde wie wir. Aber nun steht er da und paniert ganz sorgfältig unsere Schnitzel. Ich sehe in Sinas Augen, dass sie ihn am liebsten schon wieder knuddeln würde.

Während Anjo die Schnitzel paniert und Sina Kartoffeln wäscht, mache ich mich daran, den Salat zu schnippeln. Allein schon bei der roten Paprika hacke ich mir zweimal beinahe die Finger ab.

»Soll ich das vielleicht machen? Du könntest Salat zupfen… sieht gefährlich aus, was du da machst«, meint Anjo, nachdem er mit seinen Schnitzeln fertig ist und mir einen Moment bei meinem Gehacke zusieht.

»Willst du etwa meine Salatschneidefähigkeiten in Zweifel ziehen?«, nuschele ich, während ich meinen Zeigefinger im Mund habe, weil er schon wieder daneben geschnitten habe. Anjo beißt sich auf die Unterlippe und ihm entkommt ein leises Lachen.
 

Sina sitzt grinsend am Küchentisch und bestreicht Kartoffeln mit ihrer Geheimrezeptur. Klar, sie findet mich auch total witzig beim Salatschneiden. Deshalb lässt sie es mich auch immer machen.

»Nein. Du bist… großartig im Salatschneiden. Aber… du brauchst deine Finger sicher noch«, sagt Anjo lächelnd und nimmt mir vorsichtig das Messer aus der Hand. Ich beobachte ihn einen Moment lang dabei, wie er meine Paprika zu Ende schneidet. Er kann es tatsächlich besser als ich. Liegt vielleicht daran, dass er mit seinem Vater allein wohnt. Da muss man so was vielleicht lernen, wenn der Vater nicht gerade ein Fünfsternekoch ist.

Ich mache mich also ans Salatrupfen. Das ist ungefährlich.
 

Während wir schnippeln und das Essen vorbereiten, unterhalten wir uns über Filme, Kakteen, Haustiere und das sinkende Niveau des deutschen Fernsehprogramms. Anjo ist immer noch sehr zurückhaltend, aber wie schon im Park beim Grillen fällt mir auf, dass er mit der Zeit auftaut und durchaus seine Meinung sagt, mit der er normalerweise hinterm Berg hält.

Schließlich sind die Kartoffeln im Ofen und der Salat steht fertig auf dem Tisch.

»Die Kartoffeln dauern noch eine halbe Stunde«, eröffnet Sina mir und ich stöhne laut auf. Es ist schon halb acht und ich habe einen riesigen Kohldampf.

»Dann kann ich mir ja jetzt noch deine Mappe ansehen und nach dem Essen schauen wir dann einmal durch die Wohnung«, meint Sina begeistert und ist im nächsten Moment schon aus der Küche gestürmt, um sich Anjos Mappe unter den Nagel zu reißen. Ich sehe ihr kopfschüttelnd nach.

»Ist sie immer so begeistert, wenn es um Kunst geht?«, erkundigt sich Anjo verhalten bei mir. Ich muss lachen.

»Prinzipiell schon. Aber ich glaube, weil du so niedlich bist, ist alles gleich noch schlimmer.«
 

Erst im nächsten Moment wird mir klar, was ich da gerade gesagt habe. Anjos Kopf hat die Farbe der Paprika in unserem Salat angenommen und er schaut mich so groß an, als hätte ich ihm gerade erklärt, wo die Babys herkommen und er sei bisher von der Storchtheorie ausgegangen. Eine etwas peinliche Stille tritt ein. Sina rettet mich.

»Anjo, wo bleibst du?«, ruft sie aus dem Wohnzimmer und Anjo läuft beinahe gegen den Türrahmen, als er aus der Küche hastet. Ich bleibe einen Moment lang neben dem Ofen stehen, in dem unsere Kartoffeln gemächlich vor sich hinbrutzeln. Na wunderbar. Ich habe Anjo gesagt, dass ich ihn niedlich finde. Jetzt denkt er wohlmöglich noch, dass ich bei nächster Gelegenheit über ihn herfalle.
 

Ich folge den beiden ins Wohnzimmer und sehe Pepper neben Anjo auf dem Sofa sitzen. Sina hockt da, die Füße unter ihrem Hintern und die Mappe auf den Oberschenkeln.

»Oh, wie toll«, sagt sie und tippt mit ihrem Finger auf etwas, was ich von der Tür her nicht sehen kann.

»Und das hier…«

Ich beobachte die beiden eine Weile lang, lehne mich in den Türrahmen und lausche diesem für mich völlig unverständlichen Gespräch über Pinselführung und Schattierungen. Pepper scheint auch ganz interessiert zu sein. Zumindest legt sie ihre Schnauze ab und an auf Anjos Schulter ab. Ich kann es mir nicht verkneifen, hole mein Handy aus der Hosentasche und fotografiere die Drei, wie sie da auf dem blauen Sofa sitzen und ganz in ihre eigene Welt versunken sind.
 

Sina hat Anjo schon adoptiert. Manchmal wirft sie ihm Seitenblicke zu und beobachtet ihn, wenn er Sachen erklärt, die er mit dem Bild ausdrücken wollte, das sie sich gerade ansehen. Sina hat nur eine große Schwester. Vielleicht entdeckt sie gerade die Freuden des älteren Geschwisterkindes. Sie meint immer, sie wäre ganz neidisch auf mich. Ich wiederum denke mir, dass es sicherlich manchmal ganz nett gewesen wäre, wenn ein älterer Bruder mir Sachen gezeigt und erklärt hätte. Aber man wünscht sich meistens ohnehin das, was man nicht hat.

»Christian, komm doch mal her. Das musst du dir ansehen!«, sagt Sina ganz vorwurfsvoll, als würde ich absichtlich Desinteresse vortäuschen. Also gehe ich zu den beiden hinüber, setze mich neben Sina auf die Sofalehne und schaue mit den beiden – und Pepper – zusammen die Mappe durch.

Als das Essen endlich fertig ist, bin ich schon dem Hungertod nahe und seufze begeistert, als Sina mir zwei kleine Schnitzel auf den Teller lädt.

»Sag mal Anjo«, meint Sina und ich höre es an ihrem Tonfall, dass sie die Kickboxbombe jetzt platzen lassen will, »was würdest du davon halten, mit Christian zu trainieren?«



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Kommentare zu diesem Kapitel (18)
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Von:  SLEEPWALKER
2012-01-14T18:27:09+00:00 14.01.2012 19:27
Das Kapitel ist toll!
Ich finde es richtig schön, dass Sina und Chris sich so um Anjo sorgen. *schmacht*
Gerade am Anfang, wo Sina Chris erzählt, dass sie für Anjo eine Vorlesung hat sausen lassen. Voll lieb von ihr... Es ist immer schön, wenn Anjo in der Gegenwart der beiden auftaut. Gerade an der Stelle, wo Anjo sich fragt, ob er es überhaupt wert wäre, dass Sina sich seine Mappe ansieht. Natürlich ist er es wert *aufpluster* Und ich finde es toll, dass Chris so auf ihn achtet...

Die Stelle wo er Sina und Anjo "schnuffig" findet war super^^

Also mir ist eine Kleinigkeit aufgefallen:
"So schlecht sieht ja nun auch wieder nicht aus«, gebe ich amüsiert zurück." Da müsste noch eine "sie" stehen.

"Ja, Sina hat mir angeboten, sie mal durchzusehen«, meint er und sieht sehr verlegen aus, so als wüsste er nicht, ob seine Mappe diesen Aufwand überhaupt wert war." Hier weiß ich nicht genau, ob das "war" am Satzende nicht eigentlich "Wäre" heißen müsste, da der Satz ja schon im Konjunktiv II anfängt...?

"Nervös betrachtete er es einen Augenblick, dann zieht er das Band herunter, welches das Bild zusammen gehalten hat und rollt es auf." Und hier bin ich mir auch nicht sicher, ob ich den Sinn mit den Zeiten vielleicht falsch verstanden habe. Ich glaube, hier müsste es "betrachtet" heißen, da du doch im Präsens schreibst, oder?

Lustig fand ich Chris' Ausdruck "Schnitzeliges" xD und die Beschreibung von Anjo's weit aufgerissenen Augen, als er erfährt, dass Chris Kickboxen macht. Was übrigens total cool ist :)

Sowieso die ganze Kochszene war herrlich. Sina ist von sich selbst entsetzt, Chris mag keine rohen Eier und kann keine Paprika schneiden ohne sich selbst zu verstümmeln^^ Gut war hier sein Ausdruck: "Salatschneidefähigkeit". Deine Neologismen sind einfach toll <3

Sina's diktatorische Aura kann ich mir, angesichts, dass sie so begeistert von Anjo ist, gar nicht mehr so recht vorstellen^^ Dafür aber, wie sie Chris extra den Salat schneiden lässt, um sich darüber zu amüsieren^^

Bei der Diskussion über das sinkene Niveau des deutschen Fernsehprogramms hätte ich wahrscheinlich fleißlig mitgemischt. Es ist furchtbar...^^

Am Ende fand ich Chris und Anjo noch so süß, wo Chris sich "verplappert" und Anjo daraufhin promt gegen den Türrahmen rennen will...^^
Hoffentlich adoptiert Sina Anjo wirklich^^
Auch in diesem Kapitel, finde ich, ist dir die Wiedergabe der Atmosphäre total gut gelungen^^ Freu mich auf das nächste^^

Liebe Grüße, Katja
Von: abgemeldet
2010-06-23T12:31:36+00:00 23.06.2010 14:31
So. Ich bin zu müde, um dir einen langen Kommi zu schreiben. Bitte entschuldige, Mi. Die nächsten werden wieder besser :).

Ich mochte das Kapitel, obwohl ja augenscheinlich nicht viel passiert ist. Manchmal streckte es sich ein wenig, aber es war schön zu lesen, wie sich die Beziehung zwischen den dreien festigt und wie sie miteinander umgehen. Die liebevolle Behandlung von Sina und Christian tut Anjo so gut, dass es richtig glücklich macht. Und natürlich habe ich sofort Lust auf Schnitzel, Ofenkartoffeln und Salat bekommen ><. Ach ja, Sinas "geheime Rezeptur"... Ist das zufällig meine ;)?

»So schlecht sieht ja nun auch wieder nicht aus«, gebe ich amüsiert zurück.
Da fehlt ein sie. Abgesehen davon ist es auch sehr witzig^^.

Und wenn Sina wüsste, dass ich das Wort ›schnuffig‹ denke, dann würde sie mich lauthals auslachen.
Das ist mein Lieblingssatz im Kapitel :). Hatte ich erwähnt, wie wunderbar Christian ist? Er ist selbst so schnuffig...^^...

Auf zum nächsten Kapitel :)!
:*****
Von:  Usagi_Jigokumimi
2010-06-22T12:24:11+00:00 22.06.2010 14:24
wer würde anjo nicht gern adoptieren??? ^^
er ist doch zu süß... findet ja auch christian....tihi...
kickboxen... na das kann ja was werden... XXDD
spannend, wie immer... mal sehen wasd noch so kommt...^^
Lg, Usagi
Von:  Schutzengel-007
2010-06-20T10:27:46+00:00 20.06.2010 12:27
danke fuers neue kapitel
und gute nachtreaglich
nya bin in london deshalb keine oe ae ue :D
anjo als suess zu benennen >///<
bis naechstes mal
bitte schreib schnell weiter ;D
Von:  Samrachi
2010-06-19T17:57:52+00:00 19.06.2010 19:57
hey :)

also zuallererst mal: alles gute nachträglich zum geburtstag ^___^

das kapitel war wieder toll ♥
ich mag das verhältnis zwischen christian und sina, sie kennen sich wirklich gut und machen sich auch einen spass daraus, den anderen mal auf die schippe zu nehmen - ohne es dem jeweiligen krumm zu nehmen :D

anjo muss ja ziemlich geschockt gewesen, sein als er von christian als 'niedlich' betitelt wurde; seine gedanken hätt ich gern in dem moment gewusst :DD

freu mich schon aufs nächste kapitel; ob anjo wohl mit christian zum kickboxen geht? ich denke einfach wird es nicht ihn dazu zu bringen ^^

glg Samra
Von:  Inu_Julia
2010-06-19T13:56:24+00:00 19.06.2010 15:56
Diese FF ist im Moment echt meine liebste :D
Ich liebe Christian einfach <33 und Anjo :D Aber vor allem Christian <3 Und er findet ihn niedlich woho wer hätte das gedacht XDD Nein :'D
Ich finde es toll, dass Christian nicht so der unnahbare coole ist, wie man ihn sich zuerst vorstellt :) Er ist einfach super sypmathisch und ein wneig tollpatschig was ihn nur noch attraktiver macht hoho :D
Ich bin wirklich gespannt wie der liebe Anjo auf diese Kickboxing Idee reagiert XD ICh denke es wird witzig :D
Wie soll er denn das überleben? XD So ein hammer Sport und dann auch noch mit Christian? Ich sag nur: Körperkontakt haha :D
Das kann interessant werden ;D
Von:  raddy1995
2010-06-18T18:56:20+00:00 18.06.2010 20:56
Ich mag das Kapitel, auch wenn mir aufgefallen ist, dass hin und wieder kleine Wörter wie "es" und "ich" und soetwas fehlen. Das stört etwas beim Lesen.

Aber zum Inhalt, der ja immernoch das wichtigste ist.
Mir gefällt es, dass Anjo sich langsam öffnet und mehr redet. Auch Sinas Beschützerinstikt und Christians Gefühlswelt ist wieder einmal voll zur Geltung gekommen.
Ich fand die stelle mit dem Paprika ziemlich süß und dass Christian sich verplapppert hat :)

Bin mal gespannt, wie Anjo auf das Kickboxen reagiert :)
Liebe Grüße
raddy
Von: abgemeldet
2010-06-18T15:25:20+00:00 18.06.2010 17:25
Solche Kapitel zu lesen macht besonders Spaß! ^^ Eigentlich passiert nichts wirklich wichtiges, aber man erfährt mehr über die Charaktere. Zum Beispiel, dass Christian Kickboxen kann. Das hatte ich auf dem Weg vom Steckbrief zum Kapitel schon wieder vergessen. ^^"
Ist aber ne sehr gute Idee Anjo mit zum Kickboxen schicken zu wollen. Und vor allem auch sehr interessant! Man weiß ja nie was sich hinter der schüchternen Fassade verbirgt! ;)
Auch sehr schön zu lesen wie Anjo lacht. ^^
Freu mich auf jeden Fall aufs nächste Kapitel und Anjos Antwort ("Nee du, hab schon den 5.Dan." XD).
LG Trixi
Von: abgemeldet
2010-06-17T19:43:08+00:00 17.06.2010 21:43
Weißt du, deine Fanfic ist echt so ein Highlight der Woche geworden, etwas, worauf man sich im tristen Projekt-Informatik-Stress-Alltag so richtig freut, wenn man schon kaum Zeit für irgendwas hat. So, wie ich früher als Kind jede Woche auf meine Ration Star Trek Voyager gewartet habe (bevor ich's ätzend fand), warte ich jetzt auch freudig auf ENS von dir. Tja, geistige Interessen ändern sich. ouo

Kurz: Ich liebe das Kapitel, ich liebe diese FF. Sie ist einfach wunderbar geschrieben. Du greifst alltägliche Probleme plastisch auf, du gibst deinen Charakteren eine menschliche Tiefe. Durch die Vielfalt in deinen Geschichten, selbst wenn manches wiederverwendet wirkt, durch die dramatischen Wendungen, durch Überraschungen und durch den geschickten Perspektivwechsel, den man hier viel deutlicher spürt als in anderen FFs von dir, entsteht ein Bild, dessen positive, fröhliche, immergute Ausstrahlung man dir einfach abkaufen kann. Du schaffst es, das quasi-familiäre Glück der vier (3 Menschen und 1 Wauwau xD), das Anjo so sehr verdient hat, in Kontrast mit seinem wahren Leben so greifbar zu machen, das man sehr intensiv in die Situation eintauchen kann.

Jeder von uns hat in der Schule sicher mal Ärger mit Mitschülern gehabt (zumindest ich xD, und das nicht zu knapp), jeder von uns war irgendwann mal Opfer, Täter oder ein außenstehender Helfer. Wichtig ist, das es Menschen gibt, die etwas bewegen. Die etwas tun, gut oder schlecht, und dadurch zu den Werten stehen, die wahrlich Teil ihrer Natur, ihres Wesens, sind.
Von:  Aschra
2010-06-17T19:41:22+00:00 17.06.2010 21:41
Gott ich liebe Sina, die ist soooo toll!
Und Anjo ist auch wieder absolut schnuffig und niedlich und zum auffressen!
Ich hab soviel spass gehabt an dem Kapitel, vorallem in der Küche beim Kochen^^ das war toll.
Jetzt bin ich aber mal auf Anjos Realtion auf Sinas Frage gespannt!


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