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Playing God

von

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RAGE

„Die glorreichen UNEA – das ich nicht lache!“ Missmutig schnippte Rick seine Zigarette von sich, legte den Raketenwerfer an und spähte durch den Sucher. Er kniete, gut getarnt von einem Wäldchen, auf einer leichten Anhöhe hinter einem dichten Busch und sah etwa tausend Meter vor sich ein Gebäude, das wie eine kleine Festung aussah.

„Hier unterdrückt ihr also Kritiker und Leute, die nachdenken…“ dachte er bei sich, denn was er da sah war das am schwersten gesicherte Gefängnis Eurasiens: der „Schuldturm“ von Salzburg. Nur sogenannte Staatsfeinde, Volksverhetzer und Verräter, sowie einige prominente Schwerverbrecher waren hier inhaftiert. Kritiker des Regimes fielen in diese Kategorie. Er gehörte einst selbst einer Gruppe an, welche die „Frieden und Ordnung (um jeden Preis)“-Politik der UNEA öffentlich verurteilte. Doch dann explodierte ihr „Clubhaus“ samt den Teilnehmer der gerade stattfindenden Sitzung eines Tages auf mysteriöse Weise. Offiziell war eine Gasleitung explodiert. Rick und einige andere hatten das zweifelhafte Glück, durch einen Verkehrsstau aufgehalten worden zu sein. Doch als auf einmal Haftbefehle für ihn und die drei anderen auftauchten und ihnen öffentlich die Schuld gegeben wurde, war die Sache klar: Sie waren von oben offiziell zum Abschuss freigegeben worden.

Dock Rick, Amber, Gina und Erik waren nicht so leicht unterzukriegen. Sie bildeten von diesem Tagen an die Untergrundorganisation RAGE.

„Ihr wolltet Terroristen – jetzt habt ihr Terroristen!“ war seit dem ihr Motto. Und dem wurden sie mehr als gerecht. „Name ist Qualität!“ wie Amber zu sagen pflegte.

Und nun hatten sie sich das Zentrum der Unterdrückung ausgesucht. An strategischen Punkten postiert, wollten sie mit den Verantwortlichen einen Tritt in den Allerwertesten verpassen.

Es waren schwierige Schüsse – sie würden die Zellwände an zwei Seiten sprengen müssen um die Insassen zu befreien. Dann blieb allerdings zu hoffen, das diese nicht sofort losrennen würden, denn den Raketen würden zwei Drone-Bombs folgen. Diese würden die Wächterquartiere abschneiden und eine gefahrlose Flucht ermöglichen – allerdings auch nur dann, wenn sie die vier Wachtürme, welche die Ecken des „Schuldturm“ bildeten, mit Ihren jeweils zweiten Schüssen sofort ausschalten konnten. Ging auch nur ein Schuss daneben, würde aus der geplanten Massenflucht ein Massaker, welches der UNEA sogar gelegen käme.

Rick sah auf die Uhr. Abschuss in 90 Sekunden. Er aktivierte die Zielerfassung und markierte den Zielbereich. Trotz Fernlenkmechanismus würde er genau zielen müssen. Störungen durch elektronische Gegenmaßnahmen waren nicht auszuschließen.

60 Sekunden.

Im Sucher sah er die Festung. Ein roter Kreis zeigte ihm den optimalen Sprengpunkt auf der Wand. Er entsicherte –

30 Sekunden.

…Einigkeit…

20 Sekunden.

…Recht…

10 Sekunden.

... Freiheit!!!

- und er schoss.

Die Rakete rauschte zischend aus dem Rohr und zog einen weißen Schweiß aus Rauch und Gasen hinter sich her bis sie ihre Bestimmung präzise im Ziel entfaltete. Mit lautem Knallen rissen die Raketen die Wände in Stücke und die Dronebombs hatten ihre Ziele noch nicht einmal erreicht als die Wachtürme als Ende von vier weiteren Raketenschweifen in Feuerbällen explodierten.

Keine Wachen. Keine Schüsse. Getroffen!

Offenbar hatten die Dronebombs ihr Ziel erreicht. Alles war perfekt gelaufen. Aber dennoch – Rick gefiel das Bild nicht. Da stand der „Schuldturm“. Aufgerissene Flanken, rauchende Stümpfe, wo die Wachtürme gewesen waren. Aber es war ruhig. Zu ruhig. Fast als ob sie auf ein…

„Hey Rick, baby!“ meldete sich Gina – Ricks Dauerfreundin – über Funk. „Na, waren das nicht göttliche Schüsse? Ich wette wenn die den Sicherheitschef erwischen, reißen die ihm die Eier ab!“ Sie überschlug sich fast vor Jubel. „Vielleicht…“ erwiderte Rick. „Vielleicht bekommt er aber auch just in diesem Moment einen Orden.“

„Was soll das heißen, Rick?“ Gina war verwundert. Hatte nicht alles wie geplant funktioniert? Rick antwortete: „Fällt dir denn gar nichts auf?“

Da wurden sie unterbrochen.

„Hey Rick!“ Eric schaltete sich ein. Er saß auf der anderen Seite. „Wo bleiben die Flüchtlinge? Hier ist weniger los als aufm Friedhof.“

„Das versuch ich grad Gina zu erklären. Ich weiß nicht wie, aber man hat uns gelinkt. Die Bude ist leer! Wie haben die das bloß geschafft, hier so schnell aufzuräumen? Heute morgen war hier laut Amber noch Hochbetrieb…Amber?“

„Ich bin hier. Als ich heute morgen spionieren war, war hier die Hölle los, Ehrenwort!“ trotz Funkgerät konnte man deutlich hören das Amber nachdenklich klang. Auch sie fragte sich was hier passiert war. Aber jetzt war schnelles Handeln erforderlich. Sie zog ihr Infra-Vision Spionagefernglas aus der Tasche. Es hatte einen aktiven Abtaster, weshalb sie es bisher nicht verwenden konnte. Sie spähte durch die Okulare… „Oh mein Gott…“

„Was ist los?! Amber? Amber!?“ Sekunden der Stille, die allen wie eine Ewigkeit vorkamen, vergingen.

„Leichen…“ mit zitternder Stimme meldete sich Amber zurück. „Sie sind tot, Rick. Alle. Scheiße! Wir haben sie getötet anstatt sie zu retten!“

„Amber, beruhige dich!“ Rick wurde die Situation immer unangenehmer. „Selbst wenn es Querschläger gegeben hätte, wären nicht alle draufgegangen. Aber warte mal – hat dein Sucher Infrarot? Vielleicht leben noch welche. Los versuchs mal!“

„Mal sehen…“ sie schien sich wieder etwas beruhigt zu haben. „Ja, ein paar sehe ich. Sogar relativ starke Signaturen! Sie scheinen bewusstlos zu sein, aber sie leben. Was machen wir?“

„Was wohl? Wir gehen rein. Da eh keine Sau da ist, können wir genauso gut zur Tür reingehen. Eric! Spreng das Tor und halt Wache. Sicher ist sicher. Bis gleich!“

Da alle bei bester Kondition waren, hatten sie das Tor in kürzester Zeit erreicht. Der Schweif von Erics Rakete, hatte sich noch nicht einmal ganz verflüchtigt als sie ankamen.

Das aufgesprengte Tor lag in Rauch und Trümmern, dunkel und geheimnisvoll, wie der Eingang zu einer anderen Welt. Es war still. Kein Lüftchen regte sich. Die Zeit schien stillzustehen, als die drei Freunde sich in das Zentrum ihres Hasses begaben.

„Die Überlebenden sind im dritten Stock. Wir müssen über die Treppe.“ Meinte Amber, die einen Grundriss des Gebäudes aus der Tasche gezogen hatte.

„Ein Gebäudeplan?“ Rick war verwundert. „Wo hast du den denn her?“

Es war allgemein bekannt, das Amber so ziemlich alles beschaffen konnte, aber ein Plan eines UNEA Hochsicherheitsgefängnisses, des Symbols ihres Rechts und ihrer Ordnung – Zentrum und gestaltgewordene Machtidee des Regimes? Diese Art von Information unterlag höchster Geheimhaltung. Sichtlich unerfreut über diese neue Wendung bemerkte Rick: „Du weißt, das je geheimer eine Sache ist, desto gefährlicher ist ihr Besitz! Ich hoffe deine Quelle ist sicher!“ Sein Tonfall war leicht ungemütlich.

„Wenn du einen verheirateten Senator vögelst und ein Video davon hast, kannst du von Diskretion ausgehen, meinst du nicht?“ auch Amber klang gereizt. „Und es wäre mir lieb, wenn du diesen Preis würdigen würdest!“ Und sie lief ein Stück voraus – offenbar gekränkt. Es hatte ihr wohl nicht besonders gefallen. Und dabei war sie sonst nahezu unersättlich. Nur stand sie halt nicht so sehr auf Männer…

Allerdings war das im Moment belanglos, da Gina in einer Tour jammerte, sie wolle lieber wieder gehen. „Irgendwas geht hier vor sich. Die haben uns erwartet!“ Sie schien regelrecht verängstigt. Aber Rick beruhigte sie. „Wir haben die ganze Umgebung gescannt. Es ist im Umkreis von fünfzig Kilometern niemand vorhanden. Es gibt keinerlei Kampfaktivitäten der UNEA und draußen hält Eric Wache. Uns kann nichts passieren. Komm jetzt!“ Beruhigend ergriff er ihre Hand aber sie riss sich los. „Merkt ihr das denn nicht?! Wir sitzen hier auf dem Präsentierteller! Und ich werde dieses Gefühl nicht los – fragt mich nicht wie, aber…“

„Halt die Klappe!“ Amber packte Ginas Arm und sah sie fest an. „Jetzt mach mal einen Punkt! Keine Panik, okay?!“ Sie lockerte den Griff und ihre Stimme wurde etwas weicher. „Die einzigen Lebewesen hier sind wir und ein paar…“

Sie konnte den Satz nicht beenden. Mit einem lauten Krach zerbarst die Decke über ihnen, Rick konnte Amber gerade noch vor einem stürzenden Stahlträger retten, nachdem sie ihrerseits Gina aus dem Einschlagradius geschubst hatte. So gut sie konnten suchten sie hinter großen Schuttbrocken Deckung. „BLENDER!!!“ brüllte Rick und er hoffte, das seine beiden Mitstreiterinnen noch so geistesgegenwärtig waren, sich die Augen zuzuhalten.

Der Blender verpuffte und als Rick sich wieder aus seiner Deckung erhob, hatte er das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Mit gezielten Schüssen streckte er die ersten zwei Soldaten nieder, die sich abgeseilt hatten. Während er weitere Schüsse nach oben abgab befahl er lautstark den Rückzug.

Gina hatte Recht behalten, die UNEA ließ nichts anbrennen. Und irgendwie war Amber gelinkt worden. Denn als sie zu einem Notausgang fliehen wollten, landeten sie in einer Sackgasse – frisch vermauert!

Verzweifelt versuchten sie, die Stellung zu halten, aber die Übermacht war zu groß. Das Gefecht tobte von Minute zu Minute heftiger – und ihnen ging langsam die Munition aus. Amber war tot – als sie nachladen wollte, hatte sie ein Soldat, den sie ihrerseits getötet zu haben glaubte, erschossen. Sie hatten keine Chance. Ihre Gegner waren in der Überzahl, hervorragend ausgebildet und schossen mit Panzerbrechender Munition.

Die Munition war endgültig verbraucht. Gina war tödlich getroffen und lag in Ricks Armen – da meldete sich Eric über Funk. Und als Eric anfing zu sprechen, traute Rick seinen Ohren nicht. „Du warst immer ein guter Freund, Rick. Aber ein miserabler Führer. Wir hätten so viel in der UNEA erreichen können. Warum warst du nur so stur? Das hast du nun davon.“ Und der Sprechfunk verstummte.

In Ricks Geist explodierte eine Bombe deren Wirkung er noch erfahren sollte. Vom besten Freund verlassen, sein Team ermordet und das einzige geliebte Wesen sterbend in seinen Armen. Rick brach in einen gewaltigen Schrei aus als Gina ihm mit letzter Kraft „Räche uns, Liebster…“ zuhauchte, bevor ihr Atem versiegte. Er blickte zu den Soldaten und bemerkte auf einmal, dass seit einer ganzen Weile nicht mehr geschossen worden war. Er ließ von Gina ab und erhob sich – keine Reaktion.

Er hob langsam seine Waffe auf und ging auf die Kämpfer zu – keiner rührte sich – sie schienen alle in einer Art Trance zu sein.

Ohne nach dem Grund zu fragen, griff Rick sich einen Magazingürtel und ein paar Granaten, verbiss sich den Impuls, eine von ihnen zu zünden und verließ den Schauplatz so schnell er konnte. Auf dem Hof stand ein getarnter Jeep – sträflicher Leichtsinn, dass er beim Eindringen nicht bemerkt hatte, das der Schlüssel steckte. Amber und Gina hatten diesen Fehler mit dem Leben bezahlt. Er hatte Glück – im Jeep lag Ausrüstung und etwas Proviant. Es würde von nun an das einzige sein das er besaß. Eric hatte sie verraten – das Hauptquartier konnte er folglich vergessen, ebenso das Waffenlager; jetzt hieß es erstmal untertauchen. Er überlegte seine nächsten Schritte. Der Jeep-Radar zeigte freie Bahn, sie schienen nicht mit ernsthaftem Widerstand gerechnet zu haben.

Er fuhr los, wer weiß wie lange es so bleiben würde. Bei nächster Gelegenheit würde er den Jeep eintauschen müssen um nicht weiter aufzufallen und eine Weile zu seiner Tante nach Ungarn flüchten. Der Jeep war schnell konnte fast überall benutzt werden. Das war ein Glück, denn jetzt musste er in die Berge. Ins Skiresort Wagrain! Dort kannte er einen Autohehler – Markus Plößner. Sie waren alte Schulfreunde und halfen sich öfter gegenseitig. Hardware und Equipment gegen Söldnerjobs und ähnliche Dienstleistungen. Ihm würde er seinen Jeep gegen einen anderen eintauschen. Ohne Ladung, versteht sich, die lohnte es zu behalten. So sehr er die UNEA hasste – ihre Ausrüstung war vom Feinsten! Er suchte seine Zigaretten, merkte aber zu seiner Enttäuschung, dass er sie verloren hatte. Als er das Handschuhfach öffnete und hoffnungsvoll einen Blick hineinwarf, lag dort zwar tatsächlich ein halbe Schachtel „Killer Lights“ – makaberer Weise die Stamm-Marke der UNEA-Offiziere. Aber was darunter lag, ließ ihn die Zigaretten für einen Moment vergessen. Der Wagen musste dem Einsatzkommandeur gehört haben, denn was er da in der Hand hielt, war ein Einsatzbefehl. Und RAGE war nicht der einzige Punkt auf der Liste. Er erinnerte sich an Ginas letzte Worte. „Räche uns, Liebster…“ hatte sie geflüstert. Irgendwo musste doch stehen, wer den Schlamassel verbockt hatte. Er sah auf die Befehlskette – die Order kam von ganz oben. Ein General Murdoch.

Wie einen edlen Wein ließ er sich den Namen über die Lippen gleiten. „Murdoch…“

Er zündete sich eine „Killer“ an, legte die Mappe auf den Sitz neben sich und schaute die breite Straße durch eine blühende Frühlingslandschaft hinab, über die er seinen Jeep jagte. Langsam sog er den kühlen Rauch ein. „Murdoch…“ und er lächelte. „Wir müssen uns mal kennenlernen. Und dann kümmere ich mich um Eric…“

„Murdoch…“



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