Zum Inhalt der Seite

Heldenzeit

Spiegelverkehrt & Kryptonit & Vulkado | Oneshot- Sammlung
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Traurig

Für alle, die genauso mies im Trösten sind, wie Leon und ich :3

Viel Spaß damit und liebe Grüße,

Ur

_______________________
 

Er hatte immer gewusst, dass er im Trösten mies war. Mieser als mies. Um genau zu sein, musste er der mieseste Tröster sein, den die Welt je gesehen hatte.

Das konnte vielleicht daran liegen, dass er nie gelernt hatte, wie man es machte. Vielleicht war sein Charakter auch einfach nicht dafür geschaffen, so etwas zu lernen? Er wusste es nicht.

Und so hoffte er einfach, dass er möglichst nie wieder in die Situation kommen würde, Jemanden trösten zu müssen.
 

Er hatte schon damals, als Nicci vor ihm wegen Lennard geweint hatte, Blut und Wasser geschwitzt und alles, was er hinbekommen hatte, war ein ›Das wird schon wieder‹ und eine nicht sonderlich zärtliche Umarmung gewesen.

Nicci und Felix.

Die beiden wichtigsten Menschen in seinem beknackten Leben, die er niemals weinen sehen wollte. Also sollte Nicci einfach bis an ihr Lebensende glücklich mit Lennard zusammen sein und… am besten sollten die beiden einfach nie einen Grund zum Weinen haben.
 

Ihm war es lieber, wenn Felix sauer war. Dann motzte er lautstark herum, fluchte ununterbrochen… dagegen hatte Leon überhaupt nichts, denn das machte er ja selbst. Nicci in Tränen hatte er einmal gerade so überstanden.

Allerdings brachte die Vorstellung, Felix könnte jemals weinen, ihn beinahe um. Er würde dann sicher einen Herzinfarkt erleiden und tot umfallen. Und dann wäre er ein noch miserablerer Tröster als damals bei Nicci.

Er würde einfach hoffen, dass niemals der Tag kommen würde, an dem Felix weinte.
 

Sie waren nun vier Monate zusammen und kürzlich hatte er mit Felix über ihre Familien geredet. Felix hatte ihm angedroht, ihn seinen Eltern vorstellen zu wollen.

»Wie schön«, war alles gewesen, was ihm dazu eingefallen war, wobei er geflissentlich seine Nervosität angesichts dieses Themas verborgen hatte.

Felix hatte ihm gesagt, dass er ein Familienmensch sei, dass er seine Familie schätzte und dass er, auch wenn er zum Beispiel mit seinen Tanten nicht sonderlich gut auskam, seine Oma mütterlicherseits abgöttisch liebte.

Leon war immer bemüht, sich alles zu merken, was Felix ihm sagte. Bei Felix wusste man nie, ob er nicht vielleicht irgendwann beiläufig etwas von unsagbarer Wichtigkeit einstreute und später darauf zurückkam… Das wollte Leon lieber nicht riskieren.
 

Es war an einem Mittwoch, als Leon zu Felix’ Wohnung fuhr, um ihm dabei zu helfen, einen neuen Schrank zusammen zu bauen. Er schloss die Wohnungstür auf – Felix hatte ihm seinen Wohnungsschlüssel anvertraut – und zog seine Schuhe aus. Felix’ Stimme kam aus dem Wohnzimmer und Leon ging davon aus, dass sein Freund telefonierte.

Er pellte sich aus seiner Jacke und wartete im Türrahmen lehnend darauf, dass Felix, der mit dem Rücken zu ihm stand, fertig wurde.
 

»Ja… alles klar. Ok… danke, dass du mich angerufen hast… bis dann…«

Leon runzelte die Stirn. Irgendwie klang Felix… niedergeschlagen?

Als Felix sich umdrehte, den Hörer noch in der Hand, zuckte er zusammen. Offenbar hatte er nicht gehört, dass Leon die Tür aufgeschlossen hatte. Jetzt stand er da, starrte Leon an, als hätte er ihn noch nie gesehen, und dem Bassisten wurde langsam mulmig zumute. Was war nun los?

Er räusperte sich verlegen und fuhr sich durch die Haare.

»Du siehst mich an, als wäre ich ein Alien«, meinte er und trat ins Wohnzimmer. Felix legte den Kopf schief und seufzte, dann räusperte er sich ebenfalls und brachte ein – für Felix völlig untypisches – zittriges Lachen hervor.

Leon begann, sich ernsthaft zu gruseln.
 

»Ach ja… Schrank zusammen bauen«, sagte Felix mit erstickter Stimme. Leon blinzelte.

»Ist… ist alles ok?«, fragte er mit einem ziemlich unangenehmen Kloß im Hals. Felix holte tief Luft, dann schüttelte er den Kopf.

Leons Herz rutschte ihm irgendwo zwischen die Knie. Aber er wusste, auch wenn er Schiss vor der Antwort hatte, dass er fragen musste. Und dass er hier nicht wie ein Depp stehen bleiben sollte.
 

Seine Beine fühlten sich wie Blei an, als er ums Sofa herum und zu Felix hinüber ging, der immer noch wie zur Salzsäule erstarrt da stand und sich nicht rührte. Leon blieb vor ihm stehen und musterte das hübsche Gesicht.

»Was ist los?«, fragte er heiser.

Er wusste genau, was er jetzt tun sollte. Aber noch nie war es so schwer gewesen, Felix zu umarmen. Er kam sich dämlich vor, vielleicht wollte Felix überhaupt nicht umarmt werden. Er wusste ja nicht mal, was eigentlich los war.
 

Aber als er zögernd die Arme hob, das letzte Stück Abstand zwischen ihnen überbrückte und Felix vorsichtig umarmte, kam endlich Bewegung in den Größeren und im nächsten Moment fand sich Leon in einer ziemlich verzweifelt wirkenden Umklammerung wieder.

Felix hatte sein Gesicht in Leons Halsbeuge vergraben, seine Finger lagen irgendwo zwischen Leons Schulterblättern und Leon schluckte leicht, während er – so beruhigend wie er es eben konnte – mit den Fingern über Felix’ Rücken strich.
 

»Meine… Mutter hat eben angerufen«, nuschelte Felix undeutlich gegen Leons Halsbeuge. Leon schloss die Augen und bemühte sich, so ruhig wie möglich zu bleiben. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Felix leicht zitterte.

»Oma ist im Krankenhaus…«

Oh… nicht doch. Leons Gedächtnis spulte schnell zurück, schneller als ihm lieb war. Die Mutter von Felix’ Mutter. Felix’ Lieblingsoma. Felix, der ihm breit grinsend erklärte, dass er seine Oma abgöttisch liebte. Nicht gut.

»Wes…weswegen?«, krächzte Leon heiser und seine Finger hielten im Streicheln inne.
 

»Schlaganfall«, kam die dumpfe Antwort.

Herrgott… wieso hatte ihm nie jemand gesagt, was man in solchen Situationen am besten tun sollte? Oder was man tun konnte? Er dachte angestrengt nach. Eigentlich wollte er irgendetwas Tröstendes sagen, aber was konnte man sagen? Nicci wusste das sicher, doch er konnte Nicci jetzt schlecht anrufen und sie fragen.

Also sagte er das Einzige, was ihm im Moment einfiel:

»Tut mir Leid…«
 

Felix drückte ihn noch ein wenig näher an sich, dann hob er den Kopf ein wenig und gab Leon einen Kuss auf die Wange.

Im nächsten Moment spürte Leon deutlich, dass sein Hals da, wo Felix’ Gesicht gerade noch gelegen hatte, nass war. Oh nein… nein, das war nicht gut, das war das schlimmste…

Er tastete nach Felixs Gesicht, legte seine Hände links und rechts an die Wangen seines Freundes und zwang ihn, den Kopf zu heben und ihn anzusehen.
 

Sein erster Gedanke war, dass Felix immer noch schön war, selbst wenn er weinte. Sein zweiter Gedanke war, dass er sich womöglich noch nie so hilflos gefühlt hatte wie mit einem weinenden Felix von Angesicht zu Angesicht.
 

Er starrte einen Moment lang in die leicht geröteten Augen, aus denen ab und an eine Träne quoll und die Wangen hinunter lief.

Scheiße…

»Ich… also… ich könnte dir einen Tee kochen… oder ich fahr dich ins Krankenhaus, willst du hinfahren?«, fragte er völlig zusammenhangslos und Felix gab einen erstickten Laut von sich, halb Lachen, halb Schluchzen.
 

»Du musst nicht…«, begann er krächzend, doch Leon schüttelte hastig den Kopf und zog seine Hände von Felix’ Gesicht.

»Also, dann fahre ich dich gleich hin. Wir können deinen Schrank wann anders aufbauen und du wolltest mich deinen Eltern ja sowieso vorstellen… Ich versuche auch, nicht allzu sehr wie ein Trottel dazustehen…«

»Noel…«, murmelte Felix und Leon verstummte augenblicklich. Felix schaffte ein kleines Lächeln.

»Ehrlich… ich weiß, dass du grad überfordert bist… aber ich würd’ trotzdem von niemand anderem getröstet werden wollen… du bist toll…«
 

Leon lief rot an und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Felix gab ihm einen kurzen Kuss und wischte sich über die Augen.

»Ich zieh mir Schuhe an«, sagte er und seine Stimme klang nicht mehr ganz so brüchig. Leon atmete tief ein und aus, dann folgte er Felix in den Flur.

Vielleicht, dachte er und schlüpfte in seine Schuhe, vielleicht lernte er irgendwann doch noch, wie man die wichtigsten Menschen im Leben am besten tröstete.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (12)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-07-24T07:22:15+00:00 24.07.2010 09:22
Die Story ist süß >< ... auch wenn ich Felix nicht gern weinen sehe und Leon eben immernoch der unfähige Gefühlskrüppel ist .. er empfindet immerhin Mitgefühl und "versucht" damit umzugehen. Herrlich geschrieben, auch der Part mit der Vorstellung bei den Eltern ist ziemlich süß - denn immerhin muss Leon sich mehr und mehr eingestehen, das er WIRKLICH einen Jungen namens Felix liebt und das sie WIRKLICH zusammen sind und das seit Monaten und dass das alles gerade WIRKLICH passiert .. der arme Gefühlskrüppel xD
Von:  Myrin
2010-07-24T06:54:17+00:00 24.07.2010 08:54
Selbst bei diesem kurzen Ding kann ich mir ein Klugscheißer-Dingens wieder mal nicht verkneifen:

Er würde dann sicher einen Herzinfarkt erleiden und tot umfallen. Und dann wäre er ein noch miserablerer Tröster als damals bei Nicci. -> Ich liebe diese beiden Sätze! Irgendwie so ernst gemeint aber doch auf 'ne witzige Weise ausgedrückt. Toll!^^

Jetzt stand er da, starrte Leon an, als hätte er ihn noch nie gesehen und dem Bassisten -> Komma nach "gesehen"

dass er sich womöglich noch nie so hilflos gefühlt hatte, wie mit einem weinenden Felix von Angesicht zu Angesicht. -> kein Komma

]Also dann fahre ich dich gleich hin. -> Komma nach "Also"

aber ich würd’ trotzdem von niemandem anderen getröstet werden wollen -> "von niemand anderem"

Hach, du weißt ja, dass ich diese kleinen OSs mit den beiden so sehr liebe, dass ich sie immer und immer wieder lesen könnte (und auch tue). :3

Es ist süß, wie aufgeregt Leon ist, wenn er dran denkt, Felix' Eltern vorgestellt zu werden.
Und seine Unsicherheit und auch Angst bezüglich des Tröstens geliebter Menschen hast du wirklich super rübergebracht. Diese "awkward situation", um mal wieder eins dieser tollen Ich-kanns-in-englisch-viel-besser-ausdrücken-Wörter zu verwenden, in der man sich sehr schnell wiederfindet, wenn einem jemand was bedeutet, man aber irgendwie einfach nicht weiß, wie man jetzt mit dessen Trauer umgehen soll - ich kenn das. *seufz*

Wobei ich wirklich nicht weiß, ob ich ein guter oder ein schlechter Tröster bin. Da hat Leon mir wohl wirklich was voraus, der erkennt wenigstens seine Schwächen.^^

Eine sehr süße kleine Geschichte für zwischendurch, ich liebe sie!
<3


Zurück