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I Gotta Find You

'cause my life has no meaning...
von

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Tear

                    Die Sehnsucht nach den glühenden Strahlen der Sonne.

                      Mein Körper ist in die Dunkelheit weggeschlossen.

                        Deine Hand begibt sich in eine dunkle Zukunft,

                      welche mich wie ein Nachmittag überfüllt mit Licht

                                          durchsticht.
 

  Ich wusste nicht, was ich hätte noch tun sollen. Ich meine… Ich war fast zwölf, als es passierte. Keine Ahnung warum, aber ich hing wirklich an meinem Freund Aaron. Eigentlich mochte ihn niemand außer mir. Mich mochte schließlich auch niemand. Aaron und ich waren Nerds. Richtige Nerds. Außer im Sport hatten Aaron und ich nur Einsen. Zudem er mein einziger und bester Freund war, hatten wir alles zusammen gemacht. Und hätte ich damals schon gewusst, dass er sterben würde, hätte ich wohl alles anders gemacht. Ganz anders…

  An dem Tag, als ich erfuhr, dass Aaron gestorben war, brach beinah eine Welt für mich zusammen. Aber eben nur beinahe. Meine Mutter tröstete mich so gut es ging. Trotzdem… Wochenlang hatte ich nichts gegessen und kaum getrunken. Das ich nicht dehydriert war, ist schon fast ein Wunder gewesen. Mit 1,60 Metern wog ich gerade mal 35,4 Kilogramm. Das meine Mutter vor Sorge fast gestorben wäre, war mir natürlich klar. Aber trotzdem. Aarons Tod hatte mich so mitgenommen, dass ich schon alleine vom Anblick eines Salatblattes kotzen musste. Irgendwie deprimierend. Mein Vater ließ mich daraufhin kurzerhand ins Krankenhaus einliefern. Dort wurde ich dann mit Vitaminspritzen vollgepumpt und mir das Essen regelrecht rein gezwängt.

  Keine Ahnung, wie oft ich mir den Finger in den Hals gesteckt hatte um dieses ekelhafte Zeug wieder aus meinem Magen zu bekommen. Von Tag zu Tag ging es mir schlechter, aber ich wollte einfach nichts essen. Meiner Meinung nach hatte es gereicht, etwas zu trinken. Wie oft hatte mein Vater mich deswegen angeschrien? Ich weiß es nicht mehr, bestimmt hundertmal. Damals, als ich da so im Krankenhaus lag, meinten die Ärzte noch, dass ich kein halbes Jahr überleben würde. Aber irgendetwas hielt mich am Leben. Ich wusste nicht was es war, aber ich spürte, dass es nicht mein eigener Lebenswille war.

  Nach einem dreiviertel Jahr Klinikaufenthalt und sogar sichtlicher Besserung durfte ich wieder nach Hause. Die Ärzte lagen also falsch. Ich hab das halbe Jahr überlebt, was ich zwar nicht wollte, aber ändern konnte ich es irgendwie nicht. Zu Hause verzog ich mich sofort wieder in mein Zimmer. Zwar aß und trank ich wieder normal, aber die Leere, die Aaron hinterließ war einfach nicht zu füllen. Ich wunderte mich immer noch, wie es passieren konnte, dass ich meinen Hungerstreik überlebt hatte. In der Nacht meines dreizehnten Geburtstages sollte ich darauf eine Antwort kriegen. Oder besser, ich hatte sie selbst beantwortet.

  Nachts um halb drei, wurde ich von der Schlafzimmertür meiner Eltern wach. Sie knallte auf einmal zu. Leicht erschrocken zuckte ich in meinem Bett zusammen, ehe ich mich erhob und auf den Gang schlich. Mein Vater streifte die Treppen hinab und ich folgte ihm.

  »Raiden? Wieso bist du wach? Geh zurück ins Bett, Kleiner.«, sagte er.

  »Du hast mich geweckt.«, murmelte ich, »Wo gehst du hin?«

  »Eh… Ich geh nur raus, eine Rauchen. Keine Sorge. Schlaf weiter.«

  Ich blinzelte leicht unbeholfen, sah zu, wie mein Vater zur Haustür hinaus ging und die Tür zurück ins Schloss fiel. Wirklichen Glauben schenkte ich meinem Vater nicht, weswegen ich mir Schuhe anzog und ihm folgte. Unbemerkt versteht sich. Ich folgte ihm bis zum Stadtfriedhof. Er wollte doch angeblich nur eine Zigarette rauchen gehen, was wollte er dann auf dem Friedhof? Ich versteckte mich hinter einem Baum und beobachtete weiter. Nach einigen Minuten kam eine Frau, eine recht hübsche, wenn man das so sagen darf. Keine Ahnung was die von meinem Vater wollte. Ich konnte nicht hören, was die beiden miteinander sprachen. Ich stand einfach zu weit weg.

  Es dauerte nicht lange, dann gab die Frau meinem Vater einen flüchtigen Kuss und fiel auf einmal zu Boden. Im Mondschein konnte ich eine blutige Klinge sehen, die mein Vater in der Hand hielt. Ich zuckte zusammen, als ich es genauer erkennen konnte. Mein Vater hatte sie ermordet, warum auch immer. Mit dem Rücken lehnte ich nun gegen den Baum, blickte in den klaren Sternenhimmel. Ich verstand nichts mehr. So kannte ich meinen Vater nicht. Weswegen tat er nur so etwas? Während ich in Gedanken war, spürte ich, wie plötzlich ein eiskalter Wind über den Friedhof fegte, die ganzen Blätter mitnahm. Mein Blick folgte den Blättern und ich sah, wie sie sich zu einer Person zusammensetzten.

  Der Kerl, der da nun vor meinem Vater stand, hatte eine schwarze Kutte an, nickte hin und wieder, ehe er sich auflöste und nur noch die Worte hörte: »Ich hoffe für dich, es hat uns keiner beobachtet!«

  Es war beinahe so, als wusste dieses Etwas, dass ich hinter dem Baum gestanden hatte. Ich zitterte am ganzen Körper, wartete solange, bis mein Vater sich auf den Rückweg machte und lief zu der toten Frau. Ich wusste nicht, wieso ich das tat. Eigentlich hatte ich Angst. Angst, dass die Frau vielleicht doch noch leben würde und das Messer, das mein Vater fallen ließ, in mich rammen würde. Mein Herz klopfte wie wild, als ich den leblosen Körper vor mir sah. Sie lebte noch, was ich an ihrem Hals sehen konnte. Ihre Halsschlagader hob und senkte sich ein wenig und hin und wieder entfuhr der Frau ein Keuchen aus der Kehle. Mir stockte der Atem. Voller Angst rannte ich zurück, über den Friedhof, die dunklen Gassen entlang, zurück nach Hause. Dort angekommen, schlich ich mich in mein Zimmer, verkroch mich unter die Decke und betete. Ich betete, dass es nur ein Traum war. Nur ein Alptraum.

  Doch es war nicht geträumt. Am folgenden Morgen, kam meine Mutter zur Tür herein, wünschte mir alles Gute zum Geburtstag. Ich fragte nach meinem Vater, ohne mich bei ihr zu bedanken. Ein wenig unbeholfen sah sie mich an, blinzelte etwas und meinte, er sei auf der Arbeit. Ich fragte mich selbst, wie er nach dem was er tat, einfach Arbeiten gehen konnte. Vielleicht hatte ich es also doch geträumt.

  Ich zerbrach mir die ganze Zeit den Kopf darüber. Im Badezimmer, als ich mich umzog und mich fertig machte, in der Küche beim Frühstück, sogar beim Fernsehen. Irgendetwas war einfach anders als sonst. Als dann meine Mutter ins Wohnzimmer kam, in dem ich vor dem Fernseher saß, sah sie mich etwas unglaubwürdig an.

  »Weswegen siehst du dir die Nachrichten an?«, fragte sie.

  »Weil ich sie mir anschauen will.«

  »Wartest du auf irgendetwas?«

  »Mehr, oder weniger.«

  Nun schwieg meine Mutter und hob eine Augenbraue. Dann kam es:

  >Heute Morgen wurde eine Frau, tot, auf dem Stadtfriedhof gefunden. Sie wurde mit einem gezielten Messerstich ins Herz getötet. Ob es Zeugen zu diesem Vorfall gibt, ist bislang unbekannt. Falls es aber welche geben sollte, würde sich die Polizei über ihre Mithilfe bedanken.<

  Mir stockte der Atem. Mein ganzer Körper begann zu zittern.

  »Raiden, Schatz. Sieh dir bitte was anderes an…«, meinte meine Mutter auf einmal.

  Ich nickte nur schweigend, schaltete sofort um. Mich schauderte es erneut, als sich die Haustür öffnete.

  »Ich bin wieder da.«, sagte mein Vater.

  Ohne auch nur in seine Richtung zu blicken, rannte ich hinauf in mein Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu.

  »Rai-Chan!? Was ist los?«, rief mir mein Vaer nach.

  Ich gab keine Antwort. Ich wusste, wer der Mörder war. Ich wusste, dass sie meinen Vater finden würden, schließlich hatte er sein Messer liegen gelassen. Und ich wusste, dass ich gegen meinen Vater aussagen würde. Keine Ahnung wieso, aber ich wollte es in die Tat umsetzen. Ganz unbedingt. Nur wieso konnte ich einfach nicht sagen.

  »Rai-Chan..? Was ist denn los, Kleiner?«, fragte mich mein Vater, als er auf einmal in meinem Zimmer stand.

  »Eh… G-gar nichts… Ich… Hab‘ nur Bauchweh…«, antwortete ich stotternd.

  »Bauchweh, aha… Aber du wirst doch etwas essen, oder?«

  »J-ja… Ich glaub‘ schon…«

  »Schön.«, meinte mein Vater dann und kniete sich vor mein Bett, »Ich weiß, du bist dafür schon zu alt, aber vielleicht gefällt er dir ja trotzdem.«

  Leicht unbeholfen blinzelte ich meinen Vater an, musterte, wie er plötzlich einen weißen Teddybären in der Hand hielt. Eigentlich war ich meiner Meinung nach wirklich zu alt für Teddys und solches Zeug. Aber ich war ein Nerd, also interessierte das niemanden. So nahm ich den Teddy dankend an und strahlte bis über beide Ohren.

  »Danke, Papa.«

  »Schön, dass er dir gefällt. Alles Gute zum Geburtstag.«

  Ich habe keine Ahnung, wie breit mein Lächeln damals war, aber meine Angst vor meinem Vater war für einen Moment verflogen.
 

  Nach dem Abendessen war ich so müde, dass ich ins Badezimmer verschwand und mich für’s Bett fertig machte. Meinen neuen Teddy hatte ich natürlich schon im Arm. So verrückt ich nun einmal war, nannte ich den Teddy Hizumi. Wer, oder besser, welches Kind nennt seinen Teddybären Deformation? Nicht viele, denke ich mal. Nun denn… Ich legte mich also zusammen mit Hizumi in mein Bett und schloss die Augen. Es dauerte nicht lange, bis ich einschlief und auch nicht lange, bis ich anfing zu träumen. Ich träumte davon, wie mein Vater diese unschuldige Frau ermordet hatte. Ich sah es genau vor mir. So, als würde ich es noch einmal erlebt haben. Es war einfach grausam. Und aufwachen? Aufwachen konnte ich irgendwie nicht.

  Erst am nächsten Morgen wachte ich wieder auf. Nicht natürlich, sondern von unserer Haustürklingel. Seufzend setzte ich mich auf, schnappte mir Hizumi und ging die Treppen hinab. Dort stand meine Mutter an der Tür und unterhielt sich mit einem Polizisten. Ich meine… Ein Polizist! Leicht irritiert lief ich zu meiner Mutter an die Tür und sah an ihr und dem Polizisten vorbei. Ich konnte meinen Vater sofort in dem Polizeiauto sehen, wie er mir winkte und mich lächelnd ansah.

  »Kaasan… Was-«

  »Keine Angst, Raiden. Dein Vater kommt schon wieder.«, unterbrach mich meine Mutter.

  Ich sah sie ein wenig unverständlich an. Wollte ich, dass er wieder zurück kommt? Wohl kaum. Ständig fragte ich mich, was meine Mutter nur an meinem Vater fand. Vor einer Woche erst, hatte er sie wieder blau geprügelt, als er angesoffen war. Und damals, als ich im Krankenhaus lag, auch. Ich verstand es einfach nicht.

  »Verzeih‘ mir Suzuki-San. Ich muss dir leider einige Fragen stellen. Nur ganz kurz.«, meinte der Beamte auf einmal.

  »Oh… Ja, natürlich.«, entgegnete meine Mutter ihm.

  »Nun gut… Hättest du irgendeine Ahnung, was deinen Mann dazu verleitet hat?«

  »Nein. Nicht, dass ich wüsste…«

  »Und, ob es irgendwelche Zeugen geben könnte, weißt du auch nicht, oder?«

  »Nein, tut mir leid.«

  »Nun, das ist nicht schlimm. Du kannst deinen Mann im Revier besuchen. Außer du-«

  »Warte noch..! I-ich kenn‘ einen Zeugen…«, unterbrach ich.

  »Ach ja? Wen denn?«

  »Ich… Ich bin ein Zeuge.«

  »Du? Also schön… Wie heißt du?«

  »Raiden.«

  »Gut, Raiden. Und wie alt bist du?«

  »Dreizehn.«

  »In Ordnung. Hab’s mir aufgeschrieben. Suzuki-San, wenn es dir nicht ausmacht, würde ich Raiden heute Mittag gern auf dem Revier sehen.«

  »Eh… J-ja… Gut.«, murmelte meine Mutter.

  Der Polizist verbeugte sich, drehte sich um und ging zu seinem Auto, in dem mein Vater saß und wartete. Ich weiß nicht, ob mein Vater gehört hatte, dass ich Zeuge des Mordes war. Aber wahrscheinlich schon. Irgendwie, denn er sah mich nicht mehr an.

  »Kaasan…«, murmelte ich leise, »Hasst Tousan mich jetzt..?«

  Eigentlich wusste ich die Antwort schon. Dennoch sah mich meine Mutter einen Moment lang schweigend an, wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht.

  »Nicht doch. Dein Vater würde dich niemals hassen.«, sagte sie dann.

  Ich glaubte mit meinen dreizehn Jahren daran, was meine Mutter sagte. Heute weiß ich, dass sie nur gelogen hat, damit es mir besser ging. Auch, wenn es das nicht wirklich tat. Ich war recht nervös, wegen der Verhörung, auch wenn ich wusste, es würde mir nichts passieren.

  Nach dem Mittagessen ging ich zusammen mit meiner Mutter zum Polizeirevier. Ich schwieg genauso wie meine Mutter. Keine Ahnung warum ich mich nicht traute, ihr irgendetwas zu sagen.

  »Raiden…?«, fragte sie dann auf dem Parkplatz des Polizeireviers.

  »Hm?«

  »Was hast du gesehen..?«

  »W-was meinst du..?«

  »Schätzchen… Du machst eine Zeugenaussage, gegen deinen Vater. Du musst doch einen Grund haben, oder? Du hast nicht wirklich gesehen, wie er die Frau umgebracht hat, oder?«

  »Doch… Habe ich… Ich hab’s ganz genau gesehen… Ich… Stand hinter einem Baum.«

  Wieder schwieg meine Mutter. Ich schluckte schwer, als ich aus unserem Auto ausstieg. Meine Beine fühlten sich so an, als würde ich sofort zusammenbrechen. Es dauerte nicht lange, bis mich der Polizist von heute Morgen, in den Verhörungsraum brachte. Lächelnd setzte er sich mir gegenüber.

  »Also dann, Raiden. So sehen wir uns wieder, was?«, meinte er schmunzelnd.

  Ich nickte nur schweigend. Keine Ahnung, was ich hier sagen sollte.

  »Raiden… Ich brauche noch einige Daten zu dir. Die gibst du mir doch, oder?«

  »Ja…«

  »Gut. Also… Dein Name ist Raiden Suzuki, stimmt doch, oder?«

  Wieder nickte ich nur schweigend.

  »Wie alt warst du nochmal, Raiden?«

  »Dreizehn.«

  »Okay.«

  Ich beobachtete, wie er sich auf einem Zettel Notizen machte. War auf eine Art und Weise recht interessant. Dann fing er an, mir Fragen über den Mord zu stellen. Ich beantwortete alle Fragen brav und versicherte, dass mich mein Vater nicht gesehen hatte. Irgendwie machte der Polizist einen leicht verwirrten Eindruck auf mich. Erst jetzt fiel mir auf, dass der Beamte vor mir um die achtzehn, oder neunzehn war. Lag wohl daran, dass ich mir die Leute mit denen ich mich unterhielt, noch nie genau ansah. Merken konnte ich mir Gesichter einzelner Personen auch nicht wirklich. Außer Aarons… Das sah ich manchmal ganz klar vor mir. Schluss endlich erzählte ich dem Polizisten meine Version der Geschichte. Ich erzählte jede Einzelheit. Keine Ahnung, ob ich ein fotographisches Gedächtnis hatte, oder nicht. Aber wie mein Vater diese Frau erstach, sah ich immer glasklar vor mir.

  »Nun, Raiden. Das war’s auch schon.«

  »Echt? Cool.«, murmelte ich und lächelte ein wenig.

  Der Polizist begleitete mich zu meiner Mutter, welche mich mit offenen Armen empfing. Dabei war ich gerade mal eine Stunde beim Verhör.

  »Suzuki-San.«, sagte er dann, »Raiden ist wirklich erstaunlich. Keine Frage.«

  »Vielen Dank.«, lächelte meine Mutter.

  Ich sah zu dem Polizisten, blinzelte etwas.

  »Nii-San… Sagst du mir, wie du heißt?«, fragte ich leise.

  »Klar. Ich heiße Shinji.«

  »Und Nachname?«

  »Suzuki.«, mischte sich meine Mutter ein.

  »Ha!?«, gab ich blinzelnd von mir.

  »Weißt du, Raiden. Ich bin dein Cousin. Cool, huh?«, grinste Shinji.

  »Hihi… Ja, das ist echt cool.«, lachte ich.

  Shinji wuschelte mir durch die Haare, verbeugte sich und meine Mutter und ich taten es ihm gleich. Ich winkte Shinji nach, als ich mit meiner Mutter zurück zum Auto ging. Ich wusste nun, dass ich einen Cousin namens Shinji hatte, der mütterlicherseits mit mir verwandt war. Meine Eltern waren zwar verheiratet, aber meine Mutter behielt ihren Familiennamen. Fand ich eigentlich auch ganz okay. Asaka, wie mein Vater mit Nachnamen hieß, wollte ich irgendwie nicht heißen. Keine Ahnung, warum das so war. Und ich will immer noch nicht so heißen, dass das klar ist. Ich fragte mich wirklich oft, was ich gegen meinen Vater hatte. Nur kam ich nie wirklich auf eine Antwort. War schon irgendwie komisch. Früher mochte, wenn nicht sogar liebte, ich ihn. Aber mit dreizehn… Und heute… Ich hasse ihn einfach.

  »Und? Wie ist’s gelaufen?«, fragte meine Mutter während der Fahrt.

  »Ganz okay. Meinst du dass…«

  »Hm..?«

  »Meinst du, dass Tousan Lebenslänglich mit Sicherheitsverwahrung bekommt?«

  »Raiden… Wieso fragst du sowas?«

  »Weil… Weil ich weiß, dass er dir weh tut…«, nuschelte ich und blickte aus dem Fenster.

  Wieder schwieg meine Mutter. Wahrscheinlich dachte sie, was für ein krankes Kind sie auf die Welt brachte. Oder, wie undankbar ich doch gewesen war. Stimmt schon. Eigentlich dürfte ich nicht mehr leben. Zum zweiten Mal schon. Bei meiner Geburt wäre ich auf fast gestorben, weil mein Herz zu schwach war. Meine Zwillingsschwester kam tot auf die Welt, anders wie ich. Manchmal merkte ich sogar, dass mein Herz recht schwach gewesen ist. Glücklicherweise spürte ich noch nie ein Stechen in der Brust.

  Als meine Mutter und ich daheim ankamen, verschwand sie mit einem leisen >ich mach mal Abendessen< in die Küche. War irgendwie seltsam, die Stimmung hier. Vielleicht hätte ich meiner Mutter nicht sagen sollen, welche Strafe ich für meinen Vater wollte. War wohl ein großer Fehler. Aber was soll’s, passiert ist passiert.
 

  Fast drei Wochen war mein Vater in Untersuchungshaft und… Meine Mutter war in der fünften Woche schwanger. Ja, sie war schwanger. Von meinem Vater. den, den ich hasse und immer hassen werde. Wenn mir nur einer hätte sagen können, wieso ich meinen Vater so hasste. Aber naja.

  Heute war der Tag der Gerichtsverhandlung. Dass mich meine Mutter in einen schwarzen Anzug steckte, war mein kleinstes Problem. Ich wusste nicht, weswegen ich so nervös war. Vielleicht machte mir das Wissen, dass mein Vater anwesend sein würde, Sorgen. Wahrscheinlich. War zumindest die plausibelste Erklärung, die mir einfiel. Um zehn Uhr ging dann die Gerichtsverhandlung los. Ich saß draußen vor dem Gerichtssaal, zusammen mit meiner Mutter. Knapp eine halbe Stunde wartete ich draußen, ehe ich in den Saal gerufen wurde. Meine Knie schlotterten recht heftig, weswegen ich in den Zeugenstand schwankte. Ich setzte mich blinzelnd auf den Stuhl, sah mir die Leute im Gerichtssaal an. Der Verteidiger meines Vaters sah mich schweigend an. Schweigend und durchdringlich, was mich erschaudern ließ.

  »Schön, also… Dein Name ist Raiden Suzuki und du bist dreizehn Jahre alt, habe ich Recht?«, fragte mich die Richterin.

  »Ja… Stimmt.«, antwortete ich ihr.

  »Gut. Du bist noch Schüler an der örtlichen Mittelschule?«

  Ich nickte schweigend.

  »Bist du mit dem Angeklagten verwandt, oder verschwägert?«

  »Ja… Verwandt. Er… Ist mein Vater.«

  »In Ordnung. Du weißt ja hoffentlich, dass man vor Gericht nicht lügen darf. Und wenn du dich mit deiner Aussage selbst belastest, kannst du schweigen.«

  Erneut nickte ich. Kurz sah ich zu meinem Vater, wenn Blicke töten könnten, hätte mich mein Alter in der Luft zerrissen. Sein Verteidiger stand nun direkt vor mir. Selbst er sah mich mit einem so tödlichen Blick an.

  »Euer Ehren… Dürfte ich dem Zeugen nun einige Fragen stellen?«, fragte der Verteidiger auf einmal.

  Mein Blick schweifte zur Richterin, welche nur nickte.

  »Gut. Raiden, ich darf dich so nennen, ja?«

  »Eh… J-ja. Schon.«,, stotterte ich.

  »Also, Raiden, zu aller Erst… Was hat dich dazu verleitet, gegen deinen Vater auszusagen? Du liebst ihn doch, oder? Wieso tust du das dann? Hat dich jemand dazu angestiftet?«

  »Ich…«

  Ich bekam keinen normalen Ton heraus. Es war fast so, als hinderten mich mein Vater und dessen Verteidiger am Reden. Allein mit ihren Blicken, meine ich. Die dunkeln Augen, die der Verteidiger zu haben schien, leuchteten manchmal leicht rötlich auf. Mit dem stimmte was nicht, das fiel mir sofort auf. Ich schloss meine Augen. Das reden fiel mir sofort leichter. Zumindest kam es mir so vor.

  »Ich höre, Raiden?«

  »Ich… Ich hasse ihn…«, sagte ich dann.

  Es war sofort still im Saal. Wieder einmal habe ich die Leute in meiner Gegenwart geschockt.

  »Du hasst ihn? Wieso?«, fragte der Verteidiger nach.

  »Weil… Weil er meine Mutter geschlagen hat, als er betrunken war! Alleine deswegen schon..! und… Und weil er die Frau auf dem Friedhof umgebracht hat!«

  »Er hat sie umgebracht? Woher willst du das wissen?«

  »Ich war dabei…«

  »Du hast ihm also geholfen?«, fragte die Richterin.

  »Nein! Ich… Ich hatte mich hinter einem Baum versteckt…«

  »Raiden… Es war doch drei Uhr morgens. Da solltest du doch noch schlafen. Sicher, dass du das nicht geträumt hast?«, meinte der Verteidiger wieder.

  »Er hat mich geweckt, als er die Schlafzimmertür zuknallte.«

  Die Leute starrten mich weiter an. Ich erzählte der Richterin, wie auch Shinji vor drei Wochen, wie ich den Mord beobachtet hatte. Mein Vater würdigte mich keines Blickes mehr, wie auch ich ihm nicht würdigte. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich in dem Gerichtssaal durchgefragt wurde. Zwei, oder drei Stunden, wenn’s hochkommt. War schon heftig. Aber sie hatten Beweise, dass ich dort war. Nämlich meine Fußabdrücke. Oder meine Schuhabdrücke, wie auch immer.

  Als ich dann neben meiner Mutter saß und auf das Urteil für meinen Vater wartete, blitzte mich dieser nahezu boshaft an. Aber das Urteil freute mich irgendwie. Lebenslänglich. Also ganze fünfzehn Jahre, die ich den Kerl los war. Natürlich schade für meine Mutter, aber was soll’s. nun konnte er ihr nichts mehr antun. Zumindest für fünfzehn Jahre.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lyra-Malfoy
2010-04-15T18:44:37+00:00 15.04.2010 20:44
Schaaaatz
*strahl*
Du hast wunderbar und ausführlich geschrieben
Ein wunderschöner Anfang bzw Kapitel *-*
Wirklich traumhaft toll
Schreib schnell weiter


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