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Vampires Dawn - Irrungen und Wirrungen

Liebst Du mich - oder meinen Körper?
von

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Vampires Dawn - Irrungen und Wirrungen

Liebst Du mich – oder meinen Körper?

Alternativer Titel: Wie kannst Du in diesen Schuhen nur laufen?!
 

Zarabäa.

Ein malerisches Dörfchen auf halber Strecke zwischen Isthar und Herlis. Es war mitten im Wald gelegen, erbaut in einer kleinen, künstlichen Lichtung, nahe eines 'reizenden kleinen Flüsschens', wie Alaine es verträumt ausgedrückt hatte. Die Menschen hier verdienten sich ihren Lebensunterhalt als Holzfäller, Kräuterkundler, Jäger und Händler. Eine friedliche Atmosphäre lag über den Häusern, die Vögel zwitscherten und ein paar Kinder spielten mit einem kleinen Hund. Die Luft war klar und rein, und hatte gute Auswirkungen auf die Blutwerte, wie Asgar feststellte. Alaine nahm ihm noch immer übel, dass er sich kurz von den anderen beiden davongestohlen hatte, um das persönlich zu testen. Immerhin hatte er den jungen Mann am Leben gelassen. Das – und die schöne Umgebung – waren die einzigen Gründe, warum die Vampirin schnell wieder zu schmollen aufgehört hatte.

Die drei Vampire hatten dieses beschauliche Fleckchen Erde zufällig gefunden, als sie in ihrer Fledermausform über den Wald geflattert waren. Valnar wusste nicht, ob das Städtchen schon vorher hier gewesen war, oder ob es erst entstanden war, als die Weltumformung wieder rückgängig gemacht worden war, aber es war jedenfalls so hübsch, dass es ebenso gut aus seinem Traum von seiner alten, schönen Welt entsprungen sein konnte. Der mächtige Zauber der Steintafel hatte so manchen alten Fehler korrigiert und vieles in dieser Welt besser und schöner gemacht.

Fremde verliefen sich nur selten nach Zarabäa. Doch sie wurden immer mit dem größten Respekt und der vollsten Gastfreundschaft behandelt.

"Eine großartige Gastfreundschaft sogar", lobte Asgar und fuhr mit der Zunge über seinen rechten Eckzahn. Alaine ignorierte ihn gekonnt.

Vielleicht war es die Abenteuerlust, vielleicht aber auch die Jagd nach alten Erinnerungen, jedenfalls hatte der Älteste dieser drei Vampire es schon sehr bald nicht mehr in der Einsamkeit seines Schlosses ausgehalten. Er hatte seine Gespielinnen, ja, aber die waren nur ein geistig erbärmlicher Abklatsch seiner alten Freunde. Ihm fehlten einfach die kleinen Streitereien mit Valnar oder die epischen Dialoge über Moral mit Alaine. Die beiden lebten offiziell immer noch in Klennar, doch sie gingen inzwischen wieder bei Asgar ein und aus, wie es ihnen beliebte.

Ausflüge wie diesen nach Zarabäa machten sie häufiger mit einander. Es half Valnar und Alaine, darüber hinweg zu kommen, ihre Tochter verloren zu haben. Und was auf Erden konnte eine bessere Ablenkung sein, als die wundervolle Ruhe dieses kleinen, abgelegenen Örtchens?

Doch wie es das Schicksal wollte, wurde eben diese Ruhe nun auf recht unsanfte Weise gestört, als ein Mann schreiend und wild mit den Armen fuchtelnd an ihnen vorüber rannte.

"Was ist denn mit dem los?", fragte Valnar erstaunt. Er lag im Schatten eines Baumes, doch nun erhob er sich in eine aufrecht sitzende Position.

"Ich weiß nicht", antwortete Asgar grinsend, "aber ich würde sagen, so sieht jemand aus, der es wirklich eilig hat, auf den Pott zu kommen."

Alaine erwiderte: "Er wirkt auf mich eher so, als hätte er sich vor etwas erschreckt."

Darauf kommentierte Asgar: "Also, ICH finde es erschreckend, was auf dem stillen Örtchen alles zutage kommen kann. Vielleicht fürchtet er sich im Voraus, hehehe. Jedenfalls bin ich glücklich, dass ich das schon seit Jahrhunderten hinter mir habe..."

Sie sahen gerade noch, wie der Mann hinter einem Haus verschwand, als eine noch merkwürdigere Erscheinung an ihnen vorüber zog. Der Mann wurde offenbar verfolgt ... von einer gewaltigen, grünen, wogenden Schar fliegender Kleeblätter, allesamt mit jeweils vier Blättern.

Vollkommen perplex starrten die drei Freunde diesem abstrusen Schwarm hinterher, selbst als er schon längst um die Ecke verschwunden war.

"Was...", fragte Alaine.

"...war...", fügte Valnar hinzu.

"...das?", beendete Asgar den Satz.

"Das war Axalti", antwortete ein kleines Mädchen, das am Wegesrand gespielt hatte und nun auf die Vampire zukam. Die langen, braunen Locken ringelten sich über ihre Schultern hinweg und glänzten im Sonnenlicht. Die Kleine schob ihren gelben Hut zurück, sodass ihre sanften, blauen Augen im kindlichen Lächeln erstrahlten.

"Gesundheit", kommentierte Asgar. Alaine machte in seine Richtung eine wegwerfende Handbewegung.

"Ach, hör nicht auf den. Hallo, meine Kleine. Wer bist Du denn? Und was ist ein Axalti?"

Das Mädchen setzte sich zu ihnen ins Gras und zupfte erst das lange, gelbe Kleid zurecht, ehe es antwortete.

"Zarabäa ist nur ein kleines Dorf. Außer Wald, Bäumen und Pilzen gibt es hier nicht sehr viel. Aber manchmal werden wir dennoch vom einen oder anderen Fremden besucht, mal durch Zufall, aber meist mit der Absicht, Axalti zu finden. Wenn wir auch sonst nicht bekannt sind in dieser Gegend: Axalti ist es. Sie ist eine Hexe, die sich hier schon vor Jahrhunderten niedergelassen hat. Manchmal erbarmt sie sich treuer Seelen und erfüllt ihnen einen Wunsch. Doch sie wählt selbst aus, wer ein reines Herz hat. Alle anderen bestraft sie, wenn diese ihre Wünsche nur aus Habgier an sie heran tragen."

"Was hatte es denn mit den Kleeblättern auf sich?" Valnar zog die Augenbrauen fragend zusammen.

Das Mädchen schüttelte den Kopf. "Das müsst ihr sie schon selbst fragen."

Die drei Blutsauger sahen einander an.

"Gehen wir sie suchen?", grinste Asgar.

"War mir klar, dass Du nicht wunschlos glücklich leben kannst", brummte Valnar.

Alaine wandte sich wieder an das Mädchen. "Wo finden wir sie denn?"

Es streckte die Hand aus und zeigte in nördliche Richtung aus dem Dorf hinaus.

"Dort im Wald ist sie gerade und sammelt Kräuter."

Asgar knurrte unwillig. "Eine sehr präzise Beschreibung. Sie steht bestimmt direkt neben dem einen Baum, hab ich Recht? Der mit den Blättern. Da können wir sie ja gar nicht verfehlen."

"Könnt ihr auch nicht", antwortete das Mädchen bestimmt. "Oder anders gesagt: Ihr werdet sie nicht finden – sie findet euch!"

"Dann bin ich ja mal gespannt...", grübelte Asgar, "...wie sie uns findet. Mich findet sie bestimmt sexy. Sie wird Valnar doof finden und Alaine..." Die Angesprochene warf ihm einen giftigen Blick zu. Er verstummte, doch das Grinsen in seinem Gesicht sagte mehr als tausend Worte.

"Vielen Dank für die Auskunft!" Damit verabschiedeten sie sich von dem Mädchen und machten sich auf. Keiner wusste, was sie erwarten würde. Es war wohl die pure Neugierde, die sie trieb – oder womöglich auch die Langeweile. Sie hatten das Dorf rasch hinter sich gebracht und gingen nun im Schatten der Bäume über einen schmalen Pfad hinweg.

Asgar legte spontan seinen Arm um Alaines Schulter und sagte: "Welchen Wunsch würdest Du der Hexe vortragen wollen, den ICH Dir nicht erfüllen könnte?"

Er hatte kundgetan, dass er nun akzeptierte, dass Alaine und Valnar zusammen waren. Was ihn nicht davon abhielt, es trotzdem weiterhin zu versuchen.

Die Vampirfrau schüttelte seinen Arm ab, antwortete aber gelassen: "Ich würde sie bitten, den Fluch mit diesen Kleeblättern wieder von dem armen Mann zu nehmen."

Asgar rollte mit den Augen. "Samariter..."

"Und Dein Wunsch?", richtete Valnar seine Frage an Asgar, während er den schmalen Pfad entlang schlenderte.

"Ist doch klar!", triumphierte Asgar. "Reichtum und Ruhm!"

"Du hast doch schon Deine alten Silberminen zurück bekommen", erinnerte ihn Alaine. "Wie viel Geld willst Du noch besitzen?"

"Die Frage kann ich Dir präzise beantworten", entgegnete Asgar. "MEHR."

"Hast Du keine Angst vor der Hexe?", stichelte Valnar. Er verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte wissend. "Immerhin hat das Mädchen gerade gesagt, das Herz des Wünschenden müsse rein sein."

"Mein Herz IST rein", antwortete Asgar pikiert. "Rein BÖSE."

Alaine war davon weniger beeindruckt. Sie richtete eine Frage an Valnar: "Was würdest Du Dir denn wünschen, Liebster?"

"Oh, das weiß ich ganz genau." Sein Blick wanderte demonstrativ in Asgars Richtung. "Weniger Arroganz für den da hinten."

Asgar konnte nur feixen. "Nicht doch. Du machst mich ja verlegen."

Sie unterhielten sich weiter auf dem Weg durch die Natur, stritten sich, debattierten, stichelten und machten Blödsinn. Kurzum: Sie genossen ihre wunderliche Freundschaft irgendwie sogar.

Zu diesem Zeitpunkt wussten sie noch nicht, auf welche harte Probe sie würden gestellt werden.

Als ihre feinen Vampirsinne einen leisen Gesang registrierten, horchten sie auf und sahen einander an. Die Hexe? Sie suchten sich einen Weg durch dichtes Gebüsch, kletterten einen Abhang hinunter und folgen einem schmalen Flüsschen. Dort am Ufer sahen sie das kleine Mädchen sitzen, das ihnen schon in der Stadt den Weg gezeigt hatte. Es trällerte in einer fremden Sprache ein Lied vor sich hin und spielte mit den Püppchen im Wasser. Überrascht trat Valnar näher zu ihr und ließ sich auf die Knie nieder.

"Hallo schon wieder. Wir müssen wohl im Kreis gegangen sein."

"Seid ihr nicht", meinte die Kleine, sah aber nicht von ihrem Badespiel auf. "Ich sagte ja, ihr würdet gefunden werden."

"Wir sind nicht gefunden worden", wandte Alaine ein. "Wir haben niemanden gesehen."

Nun kicherte das Mädchen. Endlich legte es die Puppen nieder und stand auf.

"Aber ihr seht mich doch, oder? Mein Name ist Axalti."

Kurzes, betretenes Schweigen folgte. Dann beugte sich Asgar demonstrativ hinunter.

"DU, kleines Gör, bist die Jahrhunderte alte Hexe, wegen der wir hier schon eine halbe Stunde herumgeistern?"

Das Mädchen nickte bestätigend.

Asgar wandte sich um. "Darf ich sie beißen?"

"Untersteh Dich!", zischte Alaine. Ihr gefiel ganz und gar nicht, mit welcher Offenheit Asgar indirekt zugab, Vampir zu sein. Irgendwann würde ihn nicht einmal mehr seine vampirale Aura schützen, wenn er so weiter machte.

Das Mädchen fand das Ganze allerdings offenbar komisch. Es machte sich nichts draus, dass es sich mit drei Erwachsenen anlegte, und Asgar schien auf sie auch keine bedrohliche Wirkung zu haben.

"Wenn Du wirklich Axalti bist", erkundigte sich Alaine, "was hatte es denn dann mit diesen Kleeblättern auf sich?"

Die Hexe – sofern sie das denn nun tatsächlich war – zuckte mit den Schultern und erklärte: "Ich habe ihm nur seinen Wunsch erfüllt. Er wollte, dass das Glück ihn auf Schritt und Tritt verfolgt. Nun sieht er, was er davon hat. Habgier ist niemals eine gute Voraussetzung, wisst ihr?"

Dies war eine sehr interessante Aussage. Valnar konnte sich nicht vorstellen, dass ein kleines Kind einen solchen Zynismus zustande brachte. Er glaubte ihr inzwischen, dass sie wirklich die Hexe war. "Würdest Du dann bitte diesen Fluch wieder von dem Mann nehmen?", bat er. "Ich denke, er hat seine Lektion gelernt."

Axalti machte eine wegwerfende Handbewegung. "Macht euch um den keine Sorgen. Nach genau einer Stunde wird der Zauber sich von ganz alleine auflösen. Von jetzt an dauert das ... vielleicht nur noch rund zehn Minuten. Auf die kommt es nun auch nicht mehr an."

Asgar verschränkte die Arme vor der Brust. Er musterte das Mädchen von oben bis unten. Was er von der Kleinen hielt, was nicht zu übersehen. "Wir sind hier einmal wild durch die Gegend gelatscht, nur damit Du uns HIER sagen konntest, was das alles zu bedeuten hat? Hättest Du das nicht schon in Zarabäa tun können? Diese Kinderspielchen werden mir zu bunt. Ich gehe!"

Mit wehendem Umhang drehte er sich um und stapfte davon.

Doch als ihm Axalti nachrief: "Willst Du denn Dein Geschenk nicht haben?", da war er sofort wieder da.

"Ein Geschenk?"

Auch die beiden anderen Vampire schauten erstaunt drein.

Axalti kramte in einem Weidenkorb, den sie bei sich hatte. Einige weitere Puppen lagen darin – Voodoo-Puppen, vielleicht?, dachte Valnar bei sich – außerdem noch einige Blumen und Kräuter und daneben ein paar hübsche Steine.

"Aha!" Endlich zog sie ihre Hand zurück und hielt Asgar etwas hin. Er nahm es verblüfft entgegen und starrte es an.

"Was ist das?"

Es sah aus wie ein runder, flacher Stein. Die eine Hälfte davon war blau eingefärbt, die andere rot. Eine lange, lederne Schlaufe ragte aus der einen Hälfte heraus, eine weitere aus der anderen Hälfte. Mit diesen dünnen Schlaufen erinnerte das Ding entfernt an einen riesigen Schmetterling oder vielleicht an einen Gürtel.

"Was tut man damit?", fragte Asgar weiter. Er sah skeptisch drein. Mit spitzen Fingern hielt er den Gegenstand von sich weg, als würde es sich dabei um eine giftige Schlange handeln, von der er nicht wusste, ob sie wirklich tot war.

"Es ist ein Rätsel", entgegnete Axalti geheimnisvoll. "Und ihr sollt es lösen."

"Tolles Geschenk, und was bringt uns das?", meckerte der hochgewachsene Vampir abfällig, doch Alaine gab ihm einen Klaps auf die Schulter, der ihn verstummen lassen sollte. Sie beugte sich dann zu dem Kind herunter mit einem 'Von-null-auf-hundert-in-einer-Sekunde'-Lächeln und meinte: "Das sieht wirklich sehr reizend aus. Hast Du das selber gemacht? Ich jedenfalls freue mich außerordentlich über das liebe Geschenk."

"Oh, ja. Reizend sieht es aus!", kommentierte Asgar. "Ich fühle mich jetzt auch schwer gereizt!"

Nun war es an Valnar, seinem Freund auf den Fuß zu treten. Es war nichts Neues, dass Asgar einfach kein Verständnis für fremde Gefühle hatte. Außer wenn es um Schmerz ging, an dem er sich weiden konnte.

Axalti machte nicht den Eindruck, als sei sie böse auf Asgar. Im Gegenteil. Das süße Lächeln, wie nur kleine Mädchen es hinbekommen, schwand nicht eine Sekunde aus ihrem Gesicht. Sie erklärte: "Ich hoffe, es wird eure Freundschaft stärken. Ihr müsst es auch schön mit einander teilen!" Damit begann sie eifrig damit, ihre Puppen zusammenzusuchen und in den Korb zu legen.

"Nun entschuldigt mich, meine Freunde. Ich muss mich zu Hause noch um ein Süppchen kümmern, das bald fertig gekocht sein dürfte."

"Du kochst?", fragte Alaine verwundert nach. "In Deinem Alter? Was gibt es denn Schönes?"

Axalti war schon einige Schritte davongehüpft. Nun blieb sie wieder stehen, wandte sich um und lächelte lieb, als sie erklärte: "Oh, es ist ein Gehirnwäsche-Trank, der mir die Männer gefügig macht."

Damit hopste sie davon und ließ die Vampire alleine dumm herum stehen.

"Hey!", rief Asgar ihr nach. "Das will ich auch! ...Also, FRAUEN gefügig machen, meine ich natürlich!"
 


 

Die Fledermäuse landeten. Ihre Körper verformten sich, wuchsen, aus Fell wurde Kleidung, aus Flügeln wurden Arme.

"Willkommen zurück, Meister. Habt Ihr Euren Ausflug genossen?", wurden sie von Ronak begrüßt.

"Jajaja, großartig." Asgar winkte ab. Sein Blick und sein Interesse waren nur auf das Schmuckstück gerichtet, das in seiner Hand lag. Falls es denn ein Schmuckstück war.

"Es war ganz bezaubernd", antwortete Alaine gegenüber dem Stiermenschen. Sie warf Asgar einen missbilligenden Blick zu. Sie mochte es nicht, wenn Asgar seinen treuesten Bediensteten wie Dreck behandelte. Doch der Schlossherr kümmerte sich nicht darum. Er ging mit seinen Freunden in einen großen, gemütlichen Salon, wo er sich in den roten Samtsessel fallen ließ. Er hatte sich das Ding nun schon von allen Seiten angeschaut, doch nichts daran schien außergewöhnlich. Er zog enttäuscht die Mundwinkel nach unten.

"Was zur Hölle ist das für ein Dreck?"

Valnar stellte Mutmaßungen an: "Vielleicht eröffnet es sein Geheimnis nicht vor Dir, weil Du so verbal grob zu dem Mädchen gewesen bist."

Eine Sekunde später warf ihm der größere Vampir das Ding an den Schädel. "Dann versuch Du doch Dein Glück, Herr Neunmalklug."

Während Valnar sich noch die Beule an der Stirn rieb, schalt Alaine Asgar für dessen Grobheit. Doch dieser kümmerte sich nicht darum.

Nun drehte Valnar den rätselhaften Stein zwischen seinen Fingern hin und her. Darin sollte sich ein Geheimnis verbergen? Möglicherweise sogar ein Hexenzauber? Vielleicht sollten sie alle lieber die Finger davon lassen. Zauberei hatte ihnen schon so manches Mal gewisse Probleme beschert. Andrerseits hatten sie die Hexe nicht mit einem Wunsch bedrängt, sondern Axalti hatte ihnen den Stein einfach nur zum Geschenk gemacht. Vielleicht, weil sie zumindest sein und Alaines reines Herz gesehen hatte? Oder war dies ein Schadenszauber, nur als Geschenk getarnt, damit Asgar – und nur er – es annahm und für seine bösen Taten, Gedanken und Worte büßte?

Valnar wusste es nicht mit letzter Sicherheit. Aber er würde es noch herausfinden. Er hatte ein Faible für Rätsel, und bislang hatte er noch jedes einzelne knacken können. Doch so sehr er auch grübelte, er wurde nicht klüger. Er wusste ja noch nicht einmal, was für eine Art von Rätsel das hier darstellen sollte. Er ignorierte die Debatte seiner beiden Freunde über Moral und Ethik und konzentrierte sich nur auf den flachen Stein. Die rote Farbe auf der einen – und die blaue auf der anderen Seite hatten sicherlich etwas zu bedeuten. Aber was? Und was hatte es mit den langen Schlaufen auf sich? Sie schienen keine Verankerung zu haben. Das dünne, braune Leder kam am einen Ende des Stranges aus dem Stein heraus, machte einen lockeren Bogen, und das andere Ende davon fügte sich direkt neben dem ersten wieder in den Stein ein. Als wäre der Riemen aus dem Stein herausgewachsen. Man sah nicht einmal ein Loch, in dem das Leder stecken konnte. Und das galt sowohl für die rote wie auch für die blaue Hälfte.

Valnar zog an den Riemen, verknotete sie mit einander, löste sie wieder, schwang den Stein wie ein Pendel vor sich, klopfte dagegen und suchte in seinem Instinkt nach magischen Funken darin. Irgend etwas verbarg sich in diesem Ding, ja, aber es war keine Art von Magie, die er kannte.

Er fädelte seine Arme durch die Schlaufen hindurch. Vielleicht war es ja eine Art Amulett, das auf der Brust getragen wurde. Doch auch so kam keine erkennbare Reaktion zustande.

"Mach es bitte nicht kaputt", sorgte sich Alaine. Sie war sich nicht sicher, ob die ledernen Schlaufen jeder Belastung trotzen würden, und sie schienen etwas zu kurz, um den weiten Weg von Valnars Schultern und über seine Brust hinweg überspannen zu können. "Darf ich mal?"

Valnar übergab ihr den Stein und auch sie probierte, was immer ihr in den Sinn kam. Doch noch immer gab das Ding sein Geheimnis nicht preis.

"Lass noch mal sehen", meinte Asgar, stand von seinem Sessel auf und ließ sich neben Alaine auf den breiten Diwan fallen. Sie übergab ihm den Stein.

Asgar hatte jedoch schon wieder nur Blödsinn im Kopf.

"Axalti hat uns gesagt, wir sollen es mit einander teilen", erklärte er und legte sich die eine Schlaufe wie eine Kette um den Nacken. "Ich würde vorschlagen, dann tun wir das doch."

"Lass den Blödsinn", fauchte Alaine, als er die andre Schlaufe über ihren Kopf zog und ihr um den Nacken legte.

Dann entstand ein leises, klickendes Geräusch. Der Stein hatte sich genau in seiner Mitte gespalten: die blaue Hälfte hing nun um Asgars Hals, die rote lag auf Alaines Brust. Beide waren vor Schreck erstarrt.

Valnar war der Erste, der sich regte. "Erstaunlich", gab er fasziniert von sich. Vorsichtig und mit spitzen Fingern griff er nach der roten Hälfte, doch Alaine schlug ihm auf die Finger.

"Pfoten weg! Antatschen verboten!"

Valnar starrte mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht auf seine Hand.

"Aua", greinte er leise. "Entschuldige. Ich ... hatte bestimmt keine Hintergedanken oder so..."

"Jajaja, das sagen sie alle", machte sie weiter. "Wag Dich das ja nicht noch mal, Du Wurm. Sonst hetze ich meine treuen Konkubinen auf Dich. Die sind zehnmal so viel Vampir wie Du!"

Verwundert – nein, regelrecht entsetzt starrte Valnar seine Liebste an.

"Alaine?", fragte er alarmiert. "Was ist mit Dir passiert?"

"Valnar...", meldete sich nun Asgar mit leiser Stimme zu Wort. Er schien jetzt erst seinen Schock überwunden zu haben. "...Ich bin hier, Liebster."

"Wow", Valnar sprang auf. "Das geht jetzt zu weit!"

"Aber ich meine es ernst!" Verzweiflung lag in seinen Augen und der leichte Hauch erster, blutroter Tränen bildete sich darin.

"Hey, hör auf zu heulen. Das steht mir nicht", zischte Alaine. Doch dann sah sie an sich herab und grinste dreckig.

"Brüste...", murmelte sie und legte ihre Hände an die entsprechende Stelle.

"Lass sofort Deine Drecksfinger von meinem Busen, Du Schwein!", bellte Asgar.

Und nun dämmerte es Valnar so langsam.

"Bei euch ... wurden die Persönlichkeiten ausgetauscht?"

"Der Wurm ist ja mal ganz schnell im Raffen", meinte der Körper von Alaine, beseelt von Asgars giftigem Sarkasmus. "Wenn er so weiter macht, gewinnt er noch die Goldmedaille der Schnecken."

Warum sollte Axalti ihnen einen Zauber schenken, der Körper und Seele zweier Personen austauscht?

Als eine Art Strafe? Aber ihre Wünsche waren doch eigentlich rein gewesen ... außer Asgars Bestreben nach Ruhm und Reichtum, aber warum sollte die Hexe einen Unschuldigen – nämlich Alaine – mit reinziehen, um Asgar eins auf den Deckel zu geben? Es hätte an ihrer Statt auch genauso gut Valnar treffen können. Oder aber er und seine Liebste hätten getauscht, dann wäre Asgar überhaupt nicht betroffen gewesen. Also, mit welchem Zweck war das geschehen?

Valnar grübelte. Er – als der einzig unberührt gebliebene Vampir – fühlte sich dafür verantwortlich, seinen Freunden zu helfen. Das Rätsel um das Schmuckstück wäre ja jetzt gelöst – es war zum Körpertausch da. Aber gleichzeitig führte es zu einem andren, interessanten Rätsel: Wie machte man den Tausch rückgängig? Denn den Rest des Lebens an Alaines Seite zu verbringen, die in Asgars Körper steckte... Valnar wollte diesen Gedanken gar nicht bis zum Ende denken.

Er unterbrach den Disput, den die beiden hatten, weil Alaine der Meinung war, Asgar sei an diesem Dilemma schuld, während Asgar wiederum sich mit größtem Interesse Alaines Körper widmete.

"Schluss jetzt, alle beide!" Manchmal fühlte sich Valnar wie im Kindergarten. "Nun konzentriert euch bitte und denkt einen Augenblick nach. Wie können wir den Zauber rückgängig machen?"

Er zog Alaines und Asgars Körper näher zu einander, auch wenn sie wieder anfingen, sich Beleidigungen gegen die Köpfe zu werfen. Valnar griff nach den beiden Amulettstücken und besah sich die Enden. Dort, wo beide zuvor eins gewesen waren, war die jeweilige Kante glatt, abgesehen von einem kleinen Stift in der einen Kantenhälfte und einem Loch in der jeweils anderen, sodass die beiden Hälften zusammenhielten. Er steckte die beiden Teile in einander, doch sobald er losließ, zerfiel der Anhänger wieder in seine zwei Stücke.

Alaine hatte sich nicht wirklich beruhigt, aber sie sah immerhin davon ab, den Geist in ihrem Körper weiter zu beleidigen. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren wie ihr Liebster.

"Lass es mich mal versuchen", murmelte sie in ihrer neuen tiefen Stimme und ließ Asgars Körper die Hand um beide Amulettstücke schließen. Auch sie fügte die Teile zusammen und konzentrierte sich mit geschlossenen Augen. Was Magie anging, war sie das begabteste Mitglied in ihrer Gruppe. Einige leise Silben glitten über ihre Lippen.

Doch auch sie war erfolglos.

"Ins Magierzimmer", bestimmte sie.
 


 

Seit geschlagenen zwei Stunden quälten sich die drei Freunde durch die beachtliche Bibliothek des Magierzimmers. Sie hatten schon ziemlich rasch die Lust verloren, denn die Aussichten waren nicht gerade rosig. Asgar meinte, er kenne seine Buchbestände, und weder hier noch im restlichen Schloss sei ihm jemals ein Buch mit dem Thema Körpertausch über den Weg gelaufen. Ronak hatte sich dennoch bereit erklärt, auch die restlichen Regale des Schlosses zu durchforsten. Was er natürlich gegenüber Asgars Körper kundgetan hatte ... woraufhin ihm Alaines Leib einen saftigen Schlag ins Genick verpasst hatte.

Valnar stellte ein weiteres Buch zurück ins Regal. Es kam ihm vor, als sei es mindestens das fünfhundertste.

"So ein verdammter Mist!", brüllte Asgar und warf das Buch in seinen Händen in eine Ecke. Er wischte sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht und funkelte zornig mit den ebenso roten Augen. "Was bildet sich diese kleine Mistmade von einer Hexe eigentlich ein? Ich sollte höchstpersönlich zu ihr fliegen und ihr die Halsschlagader herausreißen!"

Es war noch immer ungewohnt für Valnar, den Körper seiner Liebsten so zu erleben, doch er erinnerte sich schmerzlich daran, dass es eigentlich Asgar war, der jetzt wie eine Furie tobte. Inzwischen war selbst bei Asgar der Drang verloren gegangen, an seinen Brüsten herum zu spielen. Er stürmte nun auf die Tür zu, als wolle er seine Drohung wahr machen. Prompt stolperte er über die eigenen hochhackigen Schuhe und legte eine Bauchlandung hin.

Valnar stürzte zu ihm, um ihm aufzuhelfen; wieder ein Reflex, den er bei Alaine getan hätte, niemals für Asgar. Alaine beobachtete das natürlich aus wenigen Metern Entfernung heraus.

"Verdammt noch mal, Alaine!", fluchte Asgar und zog sich die Schühchen aus. "Wie kannst Du in diesen Schuhen nur laufen?!"

"Mit Eleganz, Grazie, Übung und Kultiviertheit", kam es kalt von der Vampirin mit der männlichen Stimme. "Alles Werte, die Du niemals schätzen können wirst."

Asgar schnaubte abwertend durch das Stupsnäschen hindurch. "Eleganz? Eleganz ist das, was dieser mein Körper dort ausstrahlt, solange keine weibliche Zicke in ihm wohnt."

"Nein", kam es gelassen zurück, "was Du meinst, nennt man 'Gestank'...."

Valnar musste einiges an Kraft aufbringen, dass sich Asgar nicht mit den scharfen Krallenhandschuhen auf Alaine stürzte und damit den eigenen Körper verletzt hätte.

Genau da flog die Tür auf.

"Meister, Meister!", rief Ronak aufgeregt aus. "Ich habe das passende Buch für Euch gefunden!"

Er kam herein gelaufen, in der einen Hand schwang er ein dickes Buch, in der anderen seinen geliebten Wischmopp.

Die Miene aus Alaines Gesicht hellte sich auf. "Ronak! Du bist ja doch zu etwas zu gebrauchen mein guter, aller bester Ron..."

Natürlich lief der Stiermensch vorbei und hielt das Buch Asgars Körper unter die Nase, der erst etwas perplex schaute, es dann entgegen nahm und sich überschwänglich dafür bedankte. Der geistige Asgar schnappte Ronak dabei den Mopp aus der Hand und donnerte ihm den Stängel auf den Schädel, dass es knirschte.

"Du unnütze, taube Nuss! Wie oft muss ich das denn noch erklären? ICH bin Dein Meister!"

Kurzerhand nahm ihm Valnar das Wischwerkzeug einfach ab.

Ganz bedröppelt und mit deutlichen Beulen auf dem Kopf sah Ronak Alaines Körper an.

"Tut mir Leid...", weinte er, "...Meisterin."

"GNAAAAAAAAH!"

Wieder war es Valnars Aufgabe, den wildgewordenen weiblichen Leib zu bändigen.

"Danke, Ronak", keuchte er dabei. "Das war es erst mal, Du kannst gehen."

"Jawohl!", salutierte der Stiermensch, jetzt schon wieder guter Dinge, und er verließ das Zimmer hüpfend und trällernd: "Ich war dem Meister eine Hilfe! Ich hab dem Meister geholfen! Jetzt geht es dem Meister besser! Der Meister hat sich bei mir bedankt!"

Eine gläserne Figur fegte er noch mit seinem Hüftschwung vom Tisch, hob sie rasch auf, stellte sie hin und verzog sich schnell, ehe er weitere Dresche bekommen konnte. Als die Tür zuknallte, fiel die Glasfigur nun doch mit hörbarem Klirren in sich zusammen.

Valnar seufzte und ließ Asgar los. "Was ist jetzt eigentlich mit dem Wälzer, den uns Ronak gebracht hat? Ist es ein Buch über Körpertausch?", fragte er hoffnungsvoll.

Alaine formte auf ihrem männlichen Gesicht das Mimik-Äquivalent eines ergebenen Seufzens, als sie sich das Buch näher besah.

"Nicht ... Körpertausch", antwortete sie zögerlich. "Sondern 'Körnerrausch: Siebenhundert Rezepte für eine gesunde Diät'..."

Asgar klappte die Fangzähne zu voller Größe aus und begann in schrillster Stimmlage zu kreischen, dass man es quer durch das ganze Schloss hören konnte:

"RONAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAK!!!"
 


 

"Wir sollten zu diesem kleinen Gör fliegen und ihr den Hals rumdrehen!", zischte Asgar. Er war der Einzige, der unruhig auf und ab ging, natürlich barfuß. Alaine hatte sich, sobald die Freunde in den gemütlichen Salon zurück gekehrt waren, wieder auf dem Diwan niedergelassen, wobei sie allerdings beinahe den langen, roten Umhang um ihre Schultern zerrissen hätte, als sie den schweren, kräftigen Körper anders hatte drapieren wollen. Auch sie war jetzt nicht gerade glücklich über ihre Situation, blieb dabei aber zumindest körperlich ruhig.

Valnar war einfach nur erschöpft. Schon eine ganze Weile hockte er mucksmäuschenstill auf seinem Sessel und grübelte in sich hinein. In seinem Gedächtnis versuchte er, die Gespräche mit Axalti so wörtlich wie nur möglich zu rekonstruieren. Vielleicht hatte sie einen Tipp gegeben? Irgend ein Wink mit dem Zaunpfahl?

Missbilligend starrte Alaine auf ihren ehemaligen Körper und maulte: "Zieh die Schuhe wieder an und heb gefälligst die Füße hoch beim Gehen. Du versaust mir noch meine Strumpfhose!"

"Als ob das Deine größte Sorge wäre...", stöhnte Asgar. Er legte sich frustriert die Hand vors Gesicht und seufzte, dann nahm er seine Auf-und-Ab-Wanderung durch das Zimmer wieder auf.

Ronak brachte derweil ein Tablett mit frisch aufgewärmten Blutphiolen herein und bot jedem eine an. Er kannte das schon. Sein Meister konnte damit besser denken.

"Leute, was genau hat Axalti alles gesagt?", durchbrach Valnar endlich sein Schweigen. "Sie sprach davon, dass wir es mit einander teilen sollten. Und dass es unsere Freundschaft stärken solle."

"Oh, ja", meckerte Asgar mit hysterischem, viel zu hohem Lachen. "Geteilt haben wir es. In zwei Hälften. Eine blaue und eine rote."

Alaine warf ein: "Und wir sind uns eigentlich ziemlich sicher, dass wir diese Hälften wieder zusammensetzen müssen, damit der Rücktausch vonstatten gehen kann. Es erscheint mir jedenfalls logisch."

Doch sie hatten schon alles versucht. Die Hälften wollten nicht mehr mit einander reagieren. Egal ob sie das Amulett mit Schnüren umbanden, mit Zaubern versahen oder mit magischen Tränken übergossen: Es zeigte keine Reaktion. Was sie als einziges noch nicht ausprobiert hatten, war, das Ding vollständig zu vernichten. Doch sie fürchteten sich davor, dass sie den Zauber dann gar nicht mehr rückgängig machen konnten.

"Ich hab's!" rief Asgar und stürmte zu den anderen beiden. "Wir brauchen eine zweite Kette! Ein Amulett mit denselben Fähigkeiten. Dann halbieren wir es und haben den Tausch rückgängig gemacht!"

Alaine schüttelte den Kopf, dass der lange silberweiße Zopf hin und her flog. "Ich befürchte, so einfach ist das nicht. Die Idee ist gut, aber... Schau mal: So mächtig, wie dieser Zauber ist, schätze ich, dass es nicht viele Amulette dieser Art gibt. Falls überhaupt auch nur zwei davon existieren. Wir haben in Deiner ganzen Bibliothek nicht einen Hinweis auf einen solchen Zauber gefunden."

"Dann fragen wir eben Axalti!", platze Asgar wütend heraus.

"Es ist Nacht. Sie ist ein Kind. Lass sie schlafen", kam es von Valnar.

Asgar schnaubte verächtlich. "Ein Kind? Sie ist eine Hexe! Darauf nehme ich doch keine Rücksicht."

"Wäre ja auch ganz was Neues", seufzte Alaine.

Asgar fuhr jedoch unbeeindruckt fort mit seiner Schimpftirade: "Dieses kleine Biest! Ich hätte mich schon viel eher auf den Weg machen sollen! Ihr ziehe ich die Hammelbeine lang. Die bekommt eine Tracht Prügel, die sich gewaschen hat. Sie..."

"Halt den Rand!", schnauzte Valnar ihn an, und es zerbrach ihm fast das Herz, dass es Alaines Gesicht war, das ihn nun unwirsch anstarrte. Dennoch fuhr der Schwertkämpfer fort: "Du wirst schön hier bleiben. Sie läuft Dir nicht weg. Es ist ein Rätsel, und sie will, dass wir es lösen. Wenn wir es morgen noch nicht geknackt haben, können wir sie immer noch suchen gehen. Also helft mir jetzt endlich beim Denken."

Asgar grinste schon wieder neckisch. "Ist mir klar, dass Du Hilfe brauchst bei so komplizierten Vorgängen." Doch als dieses Mal keiner auf seine Sticheleien reagierte, pflanzte auch er sich auf einen Sessel, und das so breitbeinig, wie er das nun mal immer gewohnt war. Alaine registrierte das mit Missbilligung, doch sie schwieg, da sie keinen neuen Streit provozieren wollte.

"Axalti hat gesagt, es sei ein Geschenk", erinnerte sich Asgar.

"Ein Geschenk für Asgar", betonte Valnar. "Ich denke, das hatte etwas zu bedeuten. Ihre Worte waren: 'Willst Du denn Dein Geschenk nicht haben?'. Sie sagte, 'Dein Geschenk', nicht 'euer Geschenk'. Merkwürdig, oder?"

Alaine warf ein: "Sie betonte außerdem immer wieder, wie sehr sie Habgier verabscheue. Und auf einen von uns trifft diese Eigenschaft ganz besonders zu."

Sie warf einen demonstrativen Blick in Asgars Richtung, während sie an ihrer Blutphiole nippte und die Beine über einander schlug. Und dann stellte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht fest, dass es einen sehr guten Grund gab, warum Männer und Frauen das auf unterschiedliche Arten taten. Natürlich hatte sie aus reiner Gewohnheit die weibliche Variante gewählt ... und sich prompt ein empfindliches Organ fast eingequetscht.

"Pass gefälligst besser auf!", kam ein Zischen vom Sessel, auf dem Asgar saß. "Ich brauche das noch, was Du da so gedankenlos in Deiner Hose trägst!"

"Axalti erfüllt die Wünsche treuer Seelen", machte Valnar in leicht lauterem Ton weiter, um einen weiteren Streit zu unterbinden, noch ehe er begann. "Hat sie sonst noch etwas Wichtiges gesagt? Fällt einem von euch noch etwas ein? IRGENDWAS?"

Die anderen Vampire schüttelten synchron die Köpfe. Zumindest darin waren sie sich einig.

Valnar seufzte. "Also gut. So wird das heute nichts mehr. Mein Vorschlag: Wir sollten uns schlafen legen. Morgen sind wir dann frisch und ausgeruht und können sicher besser denken. Und dann machen wir einen Abstecher nach Zarabäa. Wir alle zusammen."

"Und dann schnappen wir uns dieses Hexenweib und legen es übers Knie!" Asgar war also schon mal dafür, wie er mit grimmigem Nicken bestätigte.

"Dann also los", seufzte Alaine. Sie vernichtete den letzten Rest aus ihrer Blutphiole und stand auf.

"Gute Nacht", wünschte Valnar allerseits, als Alaine seine Hand nahm. Sie tat das ganz gerne, doch heute war es die große Hand eines Mannes, die nach der von Valnar packte. Ein unguter Schauer überkam seinen Rücken. Das Grausen vor der Vorstellung, von einem männlichen Körper geliebt zu werden, stand ihm wohl ins Gesicht geschrieben, denn Alaine sah ihn an, erbleichte und ließ ihn los, mit dem Blick am Boden.

Sie alle verabschiedeten sich.

Die Särge von Valnar und Alaine standen in Valnars altem Zimmer. Der Weg dorthin führte durch etliche, lange Flure, durch die Asgars altbekannte Skelette und Zombies huschten. Er hatte sie wiederbelebt, nachdem die Steintafel die Welt wieder in das verwandelt hatte, was die drei Vampire als ihre alte Welt so gut gekannt hatten. Nun begrüßten sie Alaine in Asgars Körper, verbeugten sich, und beeilten sich noch mehr mit ihren Arbeiten. Alaine seufzte. Sie selbst würde ihre Untergebenen, wenn sie denn welche hätte, niemals so herumscheuchen.

Endlich kamen sie an. Die beiden Särge standen direkt neben einander. Es handelte sich um wundervoll gearbeitete Universalsärge aus dunklem, edlem Holz; fast jeder hätte dort hinein gepasst, wenn er nicht zwingend Übergröße gehabt hätte. Asgars Körper passte gut in Alaines Sarg hinein. Doch ehe sie den Deckel zuschob, erhob sie sich noch einmal heraus.

"Valnar, Schatz?"

Dieser war auch gerade dabei gewesen, seinen Sarg zu schließen, doch nun verharrte er in der Bewegung und richtete sich auch auf. "Ja?"

"Ich liebe Dich." Das hatte sie – ihrer Meinung nach – schon viel zu lange nicht mehr ausgesprochen. Und sie brauchte im Augenblick die Bestätigung, dass auch sie geliebt wurde. Auch in solch schweren Zeiten.

Ein kurzes Zögern folgte. Doch dann nahm Valnar seinen Mut zusammen. "Ich liebe Dich auch."

Es war ihm nicht geheuer, diese Worte in Asgars Gesicht zu sagen. Es würde eine Lösung für das Problem mit den getauschten Körpern geben, da war er sich sicher. Und ... falls nicht ... nun, dann würde er sich an diesen neuen Körper eben gewöhnen. Er liebte Alaine, wirklich, mehr als alles auf der Welt und aus tiefster Seele heraus. Daran würde sich nichts ändern, auch wenn ihr Äußeres durch solch eine drastische Veränderung gegangen war. Aber er liebte neben ihrer Seele eben auch ihren hübschen, weiblichen Körper. Und an genau dieser Stelle fingen die Probleme an.

Alaine beugte sich zu ihm vor und drückte Valnar einen Kuss auf die Lippen; sanft, warm, lieblich, etwas feucht, voller Zuneigung und Botschaften. Doch alles, was er sah und roch und spürte, war Asgar. Selbst, wenn er die Augen schloss, waren dies nicht Alaines weiche Lippen. Sogar der ausgestoßene Atem war anders, er klang anders, tiefer, voluminöser.

Endlich hörte der Kuss auf und Alaine zog sie zurück; ängstlich, verwirrt, vielleicht sogar enttäuscht. Sie hatte mit Sicherheit gespürt, dass dieser Kuss Valnar unangenehm war. Doch innerlich tröstete sie sich damit, dass bald alles in Ordnung sein würde.

"Gute Nacht..." Sie drehte sich im Sarg herum.

"Gute Nacht, Alaine."

Ja. Alaine. Das war sie. Egal, in welcher Erscheinungsform: Sie blieb immer noch sie selbst; das gutherzige Wesen, das die Menschen beschützte, und das dennoch keine Scheu hatte, jeden anderen Gegner in der Luft zu zerfetzen, wenn es sein musste. Es war gut gewesen, dass er ihren Namen noch einmal so betont hatte.

Endlich konnten beide synchron ihre Särge schließen und sich dem Schlaf hingeben.

Auch Asgar widmete sich typisch nächtlichen Aktivitäten.

Doch schlief er in letzter Zeit nur noch mehr selten in seiner Gruft. Er hatte sich einen zusätzlichen, großen Schlafsaal in einem der höher gelegenen Etagen seines Schlosses eingerichtet. Und ein Schlafsaal war auch nötig gewesen für all die vampirischen Nutten, die er sich für den Eigenbedarf zugelegt hatte. Sie alle waren ihm treu ergeben und beteten ihn an. Eine Ewigkeit hatten sich Alaine und Valnar gefragt, wie man sich solch einem selbstherrlichen Kerl an den Hals werfen konnte, doch sie hatten es nie verstanden. Das Böse hatte eben einen gewissen Charme. Und dieser verschwand offenbar auch dann nicht, wenn er plötzlich in einem weiblichen Körper gefangen war.

Die Nachricht vom Körpertausch hatte sich längst auch bis hier hin herumgesprochen. Und nun, wo die Tür aufflog und Asgar mit kokettem, weiblichem Hüftschwung eintrat – den hatte er sich recht schnell angewöhnt – da kamen sie auch schon an ihn herangetreten. Er war noch immer ihr Herr und Meister, auch wenn seine Proportionen nun etwas runder ausfielen. Dazu kam, dass diese leichten Mädchen nicht auf geistiger Ebene seine Freunde waren, sie waren ihm einfach nur verfallen. Und so störten sie sich nicht wirklich an seinem neuen Aussehen; um Gegenteil: Sie fanden es sogar höchst interessant.

Asgar ließ sich auf einem gigantischen Liegekissen nieder und prompt umströmten ihn seine Dienerinnen. Sie begannen damit, seinen femininen Körper zu entkleiden, zu berühren, zu küssen. Nun hatten sie die einmalige Gelegenheit, Asgar einmal zu zeigen, welche Empfindungen eine Frau bei der Durchführung des Aktes hatte...
 


 

Valnar stand am Balkon und starrte in die kühle Nacht hinaus. Ein wunderschöner Sichelmond stand am wolkenlosen Himmel. Daneben blitzten und blinkten unzählige Sterne. Es schien, als sei die Welt außerhalb von Asgars Mauern immer noch in Ordnung. Im Inneren allerdings...

Valnar wurde die Gedanken nicht los, die ihn gequält hatten, als er vorhin seinen Sarg geschlossen hatte. Das war kein Kuss von Alaine gewesen. Irgendwie doch, vom Bewegungsablauf her, aber sonst... Es war beinahe gruselig, wie fremdartig einem die eigene Geliebte vorkommen konnte.

Wie mochte sich Alaine dabei gefühlt haben?

Für sie war körperlich alles noch normal, stellte er sich vor. Sie sah Valnar vor sich, seinen Körper, hörte seine Stimme, erkannte ihn an seinen Taten und Entscheidungen. Sie war nun größer als er, ja, und sie hatte nun mehr Körpermasse und Muskelkraft, als sie es von ihrem früheren Körper gewohnt war. Davon allerdings abgesehen hatte sich aus ihren Augen heraus nichts geändert. Für Valnar jedoch war der Unterschied geradezu schlimm. Er wusste nicht, wie sie sich fühlte, aber wahrscheinlich konnte sie sich auch nicht vorstellen, wie schrecklich er darunter litt.

"Liebster?"

Beim Klang dieser dunklen Stimme wandte sich der Angesprochene schreckhaft um. Er wusste, dass es Alaine war, die gerade auf ihn zukam, doch alles, was er um sie herum sah, war Asgar. Sorgenfalten waren in die Stirn auf Asgars Gesicht eingezeichnet.

"Findest Du etwa auch keine Ruhe?", fragte Alaine.

"So ist es", entgegnete er. Ein leichtes Lächeln brachte er trotz der seltsamen Situation aber dennoch zustande. "Deswegen sehe ich mir den Nachthimmel an. Er ist heute wunderschön, findest Du nicht?"

Valnar drehte sich wieder um und stützte beide Ellenbogen auf das Balkongeländer. Er legte den Kopf in den Nacken und starrte zum kalten Glitzern hinauf. So musste er zumindest nicht den ungewohnten Körper seiner Liebsten sehen.

Alaine kam näher geschritten. Sie schmiegte sich an seinen Rücken und schlang die Arme um ihn. Der Druck dahinter war etwas fest, da sie noch nicht das Feingefühl für diese ungewohnt großen Muskeln entwickelt hatte, aber Valnar beschwerte sich nicht. Er beschwerte sich auch nicht darüber, dass seine Frau nun plötzlich größer war als er selbst, und dass sich der Inhalt ihrer Beinkleidung verändert hatte...

Nein, er beschwerte sich nicht. Er litt schweigend.

"Ja, wunderschön...", bestätigte sie, doch es klang etwas geistesabwesend. Alaine warf einen langen Blick nach oben. Ihr war nicht entgangen, dass irgendwas anders gewesen war, als sie Valnar den üblichen Gutenachtkuss gegeben hatte. Und auch jetzt wirkte er kühl und distanziert. Sie seufzte und senkte den Blick wieder vom Himmel herab, sodass sie das Gesicht gegen Valnars Schulterblätter legen konnte. Das heißt, normalerweise hätte sie das getan, doch dafür hätte sie sich mit diesem Körper zu tief hinabbeugen müssen. So legte sie die Stirn stattdessen gegen Valnars Hinterkopf.

"Ich liebe Dich, Valnar", wisperte sie.

Er zögerte. Aber nur eine Sekunde.

"Ich liebe Dich, Alaine", sprach er in Richtung des Mondes.

Sie machte einen Schritt zur Seite und legte die Hand an sein Gesicht, um es zu sich zu ziehen, bis er keine andere Wahl mehr hatte, als sie anzusehen.

"Liebst Du mich?", fragte sie verbittert. "Oder liebst Du nur meinen Körper?"

Valnar legte den Kopf etwas schief. Das halbe Lächeln, das er zeigte, war von Zynismus durchzogen. Seine Augen blieben Ernst. "Ich liebe euch beide. In Kombination mit einander."

"Aber was davon ist Dir wichtiger?", drängte sie zu wissen.

Valnar drehte sich nun ganz zu ihr um und hockte sich dabei auf die uralte, steinerne Balustrade, unweit entfernt von einer Krähe, die sich von den Vampiren nicht beeindrucken ließ. Krähen waren hier nichts Besonderes. Der stetige Geruch von Blut, der über dem Schloss hing, lockte diese Tiere an.

Valnar starrte den Vogel an. Er war sich nicht sicher, ob er einen von ihnen auch mal nachts hier gesehen hätte. Aber er hatte auch nie drauf geachtet. Doch nun richtete er Blick und Konzentration auf die Krähe, damit er seine Partnerin nicht ansehen musste. Seine Stimme war leise und verbittert, als er endlich eine Antwort gab.

"Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, dass ich Asgar nun verfallen könnte. Auch mit Deinem Aussehen ist er in seinem Benimm immer noch ein Schwein. Er ist ... eben Asgar."

Alaine wandte nicht eine Sekunde den Blick von ihrem Liebsten. Sie versuchte, in seinen Mimiken zu lesen, um die Wahrheit herauszufinden. Ein dicker Kloß wuchs in ihrem Hals heran.

"Aber dieser ... weibliche Körper ... macht Dich immer noch an. Habe ich Recht?"

Valnar lachte kurz und abgehackt auf. Es klang humorlos.

"Natürlich tut er das! Das würde er tun, ganz gleich, wer drin steckte. Aber das ist kein Grund für mich, Dir ... untreu zu werden, falls das Deine Befürchtung ist. Mal ganz davon abgesehen, dass es sicher nicht in Asgars Sinne ist, MICH zu verführen."

Alaine lachte nun ebenso verbittert auf und schüttelte den Kopf.

"Das will er nicht, da hast Du ganz Recht. Und vielleicht ist es auch besser, wenn ich gar nicht erst erfahre, WAS er alles sonst mit meinem Körper anstellt... Wehe, wenn dieser ungehobelte Kotzbrocken damit irgend einen Blödsinn macht! ...Aber na ja, darum geht es mir momentan gar nicht..."

Sie verstummte und biss sich nervös auf die Unterlippe. Valnar wartete einfach nur; mit Blick auf den schwarzen Vogel, der ruhig hocken blieb und nur gelegentlich leise krächzte.

Endlich fuhr Alaine fort:

"...Es geht darum, dass ich immer noch ICH bin. Aber ... ich fühle mich nicht mehr ... nicht mehr so ... geliebt."

"Ich liebe Dich", gestand ihr der kleinere Vampir mit Nachdruck. "Aber das ist schwierig, wenn ich Dich ansehe, und Asgar mich ansieht. Wenn ich Dich berühre, und unter meiner Hand spüre ich IHN."

"Valnar..." Sie brachte die folgenden Worte kaum heraus. So leise krächzend wie dieser Vogel nur wenige Schritte weiter, stellte sie die Frage: "Wenn ich schwer verletzt wäre, Körper und Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und vernarbt ... aber eben MEIN Körper ... würdest Du mich dann lieben?"

"Natürlich!", kam die Antwort pfeilschnell. Sein Kopf ruckte herum und sah sie entsetzt an. "Ich liebe Dich, ganz gleich, wie Du aussiehst!"

Alaine hob ihre Arme an, trat einen Schritt zurück und drehte sich einmal um sich selbst, fast wie bei einer Modenschau, bloß deutlich langsamer und mit todernstem Ausdruck in den Augen. "Nun sehe ich SO aus. Liebst Du mich?"

Valnar antwortete nicht.

Zumindest nicht verbal. Stattdessen sprang er von der Balustrade, überwand den einen Schritt an Entfernung und schlang die Arme um Alaines Nacken, die Lippen zu einem innigen, wenn auch verzweifelten Kuss auf ihre gepresst.

Als sie sich einen Augenblick später wieder von einander lösten, standen ihnen beiden rote, blutige Tränen in den Augen. Valnar legte den Kopf gegen Alaines Brust und sie nahm ihn fest in ihre Arme. Mit dieser Umverteilung der Körpergrößen konnten sie einmal ihre Rollen tauschen. Es war immer noch ein merkwürdiges Gefühl; fremdartig, abstrus, geradezu irrwitzig ... und dennoch von Liebe durchströmt.

Sie blieben nur noch einen Augenblick in schweigsamer Zweisamkeit auf diesem Balkon stehen. Dann begannen sie, einander zu küssen, sie öffneten einander Spangen, Lederriemen und Knöpfe und zogen eine Spur aus abgelegter Kleidung hinter sich her bis ins Zimmer hinein.

Die Krähe gab noch einmal einen krächzenden Laut von sich. Dann entfaltete sie ihre Schwingen und ließ sich von der Balustrade hinabgleiten.
 


 

Asgar erwachte in einem Berg aus Kissen und Leibern. Es war nicht das erste Mal und es würde garantiert nicht das letzte Mal bleiben. Doch er erinnerte sich zurück, und es war ein besonderes Mal. Ihm war bewusst gewesen, dass weibliche Körper anders gestaltet waren in Aussehen, Funktion, Belastbarkeit und vielen weiteren Punkten.

Doch dass der Unterschied so gewaltig sein würde...

Die vergangene Nacht hatte sein Weltbild auf den Kopf gestellt, es geradezu über den Haufen geworfen.

Er lag da, nackt, in Erinnerungen schwelgend, geradeaus an die Decke starrend, und gab ein "Wow" von sich. Das traf den Nagel schon ziemlich auf den Kopf.

Zwei seiner Gespielinnen nahmen das als Zeichen, dass er wach und bereit für mehr war. Und wach war er auf jeden Fall... Eine gewisse Neugierde war auch vorhanden, diese fremdartigen Erlebnis und Gefühle zu vertiefen. Andererseits allerdings wollte er nicht allzu viel trödeln. Sein alter Körper war noch immer sein Zuhause und er sehnte sich dort hin zurück. Außerdem würden wohl auch seine Freunde bald erwachen und er wollte sie nicht allzu lange warten lassen. Und noch viel weniger wollte er, dass Alaine ihn hier überraschte und dabei erwischte, was er mit ihrem Körper tat. Sie wäre sicherlich nicht begeistert – gelinde gesagt.

Asgar musste jedoch zuerst noch einige Spuren verwischen. Wie den Schweiß und diesen typischen, dezenten Geruch nach Sex.

"Ich bade schnell hier oben bei euch, Mädels", verkündete er.

"Baden?" Die zwei vollbusigen Vampirinnen sahen einander breit grinsend an. "Baden ist eine gute Idee. Wir kommen mit, Meister. Damit Ihr nicht so ... alleine seid." Sie kicherten synchron und ihre Worte waren von einem anzüglichen Unterton begleitet gewesen.

Dagegen hatte Asgar nichts einzuwenden. Die jungen Frauen wussten inzwischen genau, was er wollte. Sie zogen ihn sanft von den Kissen hoch und geleiteten ihn in ihr Bad. Noch einige weitere von ihnen schlossen sich der Prozession an.

Auf dem Weg schoss nur einmal kurz der Gedanke durch Asgars Gehirn, was wohl SEIN Körper zwischenzeitlich alles mit sich machen lassen hatte...

Auch Valnar und Alaine erwachten, wenn auch ein ganzes Stück später als ihr Freund. Sie lagen allerdings nicht, wie sie es gewohnt waren, in ihren Särgen, sondern waren auf dem Bett eingeschlafen, das noch immer hier in Valnars Kammer stand, seit er das Schloss zum ersten Mal – unfreiwillig – betreten hatte.

Es war noch immer seltsam für Valnar neben einem hochgewachsenen, männlichen Körper zu erwachen, doch die Ereignisse dieser Nacht hatten ihm genug Zeit und Gelegenheit gegeben, sich mit diesem neuen Umstand zu befassen und vertraut zu machen. Er war sogar der festen Überzeugung, dass er inzwischen das eine oder andere über Asgars Körper wusste, was diesem selbst unbekannt sein durfte...

Es war regelrecht ein Abenteuer gewesen, voll von neuen Sinneseindrücken und Experimenten. Doch schlussendlich war der Vampir froh, dass er sich darauf eingelassen hatte. Tatsächlich war das geistige Band, das ihn und seine Liebste mit einander verband, durch diese Nacht nochmals wesentlich stärker geworden. Valnar hatte nun keine Angst mehr vor dem Unbekannten. Falls es tatsächlich ein unumkehrbarer Zauber war, der die beiden Vampire verflucht hatte ... so konnte er nun vielleicht sogar damit leben.

Seine Finger strichen über Alaines sich sachte hebende und senkende Brust. Ein leichter Rotschimmer glitt dabei über seine Wangen. Er hätte niemals gedacht, dass er in eine Situation kommen würde, in der er einen männlichen Körper liebkosen und sich ihm völlig hingeben könnte. Aber dies hier war immer noch seine Alaine, die Frau, die er mehr liebte als alles andre auf der Welt.

Ja, es war richtig gewesen. Seltsam, wirr und gewöhnungsbedürftig ... aber richtig. Und gut. Sogar sehr gut.

"Hmmmm", gab Alaine genießerisch von sich. Die Lippen formten ein Lächeln. Erst dann hob sie die Augenlider und ein dunkles Rubinrot schaute Valnar entgegen. "Guten Morgen, mein Schatz."

"Guten Morgen", grüßte Valnar grinsend zurück.

Erst nach einem langen Kuss erhoben sie sich und suchten ihre Klamotten zusammen.

"Valnar?", kam es schüchtern aus Alaines Richtung, als sie sich das Hemd überstreifte. Ein leichtes Rot zierte ihre Wangen. "Was ... war denn nun eigentlich besser? Mein alter Körper? Oder dieser hier?"

Valnar musste lachen. Aber diese Frage war wirklich gut. Er ließ den Mantel, den er gerade aufheben wollte, doch liegen, ging zu ihr hinüber, schloss sie in seine Arme und gab ihr einen Kuss.

"Beides", antwortete er lächelnd. Es war ehrlich gemeint. "Man kann es nicht vergleichen. Es war ... anders. Einfach nur anders. Aber das warst immer noch Du. Das hätte ich schon gestern erkennen müssen. Ich habe nur das Äußere gesehen, das ist mir jetzt bewusst. Verzeih mir bitte. Ich war ein Narr. Du musst Dich sicher zurückgewiesen gefühlt haben..."

Alaine unterbrach ihn, indem sie einen Finger auf seine Lippen legte.

"Pssst, Liebster. Ja. Aber das ist jetzt alles vorbei. Wir sind glücklich. Und das ist alles, was zählt. Ich sollte vielleicht sogar dankbar sein. Nun weiß ich auch ... was ein Mann fühlt. Und wie intensiv..."

Sie sprach diesen Satz nicht zu Ende, aber Valnar verstand sie auch so und nickte.

"Trotzdem", fuhr sie fort und seufzte auf, "ich würde diesen Umstand gerne wieder rückgängig machen. Sehen wir mal, wo Asgar bleibt, ja?"

Valnar verscheuchte ein freches und sehr mutiges Eichhörnchen, das offenbar die Schlossmauer hochgeklettert und durch die offene Balkontüre herein gekommen war. Es wollte seine Manteltasche durchsuchen, huschte dann aber hurtig fort, als er mit der Hand danach wedelte.

Sie sammelten noch ihre restlichen Klamotten zusammen, verschwanden dann im Bad – denn auch Untote mussten sich waschen – und kehrten dann in den Salon zurück, wo Ronak ihnen bereits einen morgendlichen Frühstücks-Bluttrunk bereitgestellt hatte.

"Guten Morgen, die Herrschaften!", grüßte der Stiermensch gut gelaunt.

Nach einem kurzen Gruß machten sich die beiden Vampire über ihre erste Mahlzeit des Tages her. Lange dauerte es nicht, bis auch Asgar sich zu ihnen gesellte, natürlich wieder ohne Schuhe, aber deutlich besserer Laune als tags zuvor.

Es gab einen kurzen Streit. Asgar konnte es nicht fassen, als er nachfragte und ihm bestätigt wurde, dass sein Körper sich mit Valnar eingelassen hatte. Darauf hielt Alaine ihm eine Standpauke, wie er es nur hatte wagen können, ihren Körper in die schmutzigen Hände von dreckigen Nutten zu geben. Schlussendlich einigten sie sich darauf, dass beide dazu kein Recht hatten und sich beides ausglich. Valnar hatte selten zuvor mitbekommen, dass sich beide so schnell einig geworden wären. Sie schienen nicht mehr nur die schlechten Seiten des Körpertausches zu sehen.

War dies möglicherweise von Axalti geplant gewesen? Er erinnerte sich ihrer Worte: 'Ich hoffe, es wird eure Freundschaft stärken. Ihr müsst es auch schön mit einander teilen!' Das Amulett hatte jedenfalls auf seine sehr eigene Art und Weise dabei geholfen, dass sich die drei unter einander auf einer völlig neuen Ebene hatten kennen lernen können.

Ein wenig lustlos experimentierten sie während des Frühstücks mit den beiden Amuletthälften herum, doch ihnen war inzwischen klar geworden, dass es nichts brachte. Sie mussten zurück nach Zarabäa und die Hexe Axalti aufsuchen. Nur sie konnte dieses Dilemma wieder rückgängig machen.

Noch vor der Mittagsstunde flogen drei unscheinbare Fledermäuse über den Ozean hinweg, kamen an Herlis vorbei und hielten sich oberhalb der Berge, immer weiter auf dem Weg nach Norden, bis sie den Wald erreichten, in dessen Herzen Zarabäa lag. Sie versteckten sich kurz in der Dunkelheit einiger Büsche, aus denen wenig später drei Vampire herausgeschritten kamen. Sie gingen die kurze, restliche Strecke bis in das Dorf hinein und hielten den nächsten Burschen an, um nach dem Weg zu fragen. Der junge Kerl dachte kurz nach, ehe er sagte: "Axalti? Ihr seid wohl wieder solche Glücksritter, wie? Ihr müsstet sie am alten Steinbruch finden." Er beschrieb ihnen den Weg. "Dort wachsen irgendwelche seltenen Blumen, die sie öfter mal sammelt."

Nur wenige Meter vor dem Dorf fing Asgar wieder an zu quengeln: "Können wir als Fledermäuse fliegen? Ja? Bitte? Diese Schuhe bringen mich um! Und ich weiß jetzt sehr genau, was es bedeutet, wenn Frauen das sagen. SIE MEINEN ES WÖRTLICH!"

"Stell Dich nicht so an", neckte Alaine mit einem Seitenblick. "Du bist schon tot. Und die Schuhe passen hervorragend. Und außerdem ist es bestimmt nicht weit. Noch dazu ist es zu gefährlich, wenn wir uns ununterbrochen verwandeln. Wir wollen nicht auffallen. Du weißt nie, wer zuschauen könnte. Besonders in einem unübersichtlichen Wald."

"Da ist niemand!", meckerte Asgar weiter. "Das würde ich riechen."

Doch seine Freunde waren unbarmherzig.

Es verging eine Viertelstunde. Eine halbe. Hier irgendwo müsste der Steinbruch eigentlich sein. Eine Dreiviertelstunde. Dieser verfluchte, dichte Wald! Wieso gab es nicht einfach einen breiten, gut ausgebauten Pfad zu diesem vermaledeiten Steinbruch? Eine ganze Stunde war ins Land gegangen, bis sie dieses Ding endlich fanden. Eine gewaltige Felswand erhob sich fast senkrecht vor ihnen. Dieser Steinbruch sah uralt und längst verlassen aus. Aus den Ritzen in den Wänden wuchsen tatsächlich beeindruckende Blüten.

"Das Kind käme doch nie da heran", kommentierte Valnar mit einem Kopfkratzen.

"Sie ist eine Hexe", warf Asgar ein und fächelte seinen Füßen frische Luft zu. Er lief schon seit einer Dreiviertelstunde wieder barfuß durch die Gegend. "Wer weiß, was sie für Zauber auf Lager hat."

Sie fanden kein kleines Mädchen dort. Dafür aber einen kahlköpfigen, tätowierten Mann, den man eher auf einem Piratenschiff als auf einem Steinbruch nahe des Waldes vermutet hätte. Er erklärte, dass es hier dann und wann farbige Steine gab, die er für seine beiden Töchter sammelte.

"Axalti? Ja, ich habe sie vorhin noch gesehen", brummte er. "Ihr seid aber zu spät. Sie wollte noch in den Sumpf. Hatte was mit einer Zutat für einen Zaubertrank zu tun. Molchhoden hat sie erwähnt, und Krokodilspeichel. Ihr müsst dort lang." Er wies ihnen den Weg.

Kaum waren sie ein paar Schritte entfernt, ging das Gequengele wieder los.

"Können wir fliegen? Ernsthaft: Hier ist doch weit und breit keine Sau. Und Fledermäuse fallen in einem Sumpf wirklich nicht auf."

Erst einige hundert Meter weiter stimmten ihm seine Freunde endlich zu. Und sie bereuten ihre Entscheidung nicht. Als Fledermäuse schafften sie in zehn Minuten, wofür sie zu Fuß sicherlich eine weitere gute Stunde gebraucht hätten. Auf dem Weg war ihnen kein kleines Mädchen aufgefallen. Und die Bestätigung folgte auf dem Fuße, als sie am Sumpf einer alten Frau begegneten, die gerade ein Schlammbad nahm.

"Axalti? Sie ist schon lange wieder weg. Hat sich auf den Weg nach Hause gemacht, das Schätzchen. Sie wohnt in Zarabäa, in einem Haus mit blauen Türen. Kennt ihr dieses Dorf?"

Die drei Vampire blickten sich missmutig an. Wenig später flogen sie als Fledermäuse pfeilschnell über den Wald hinweg. Das alles ging doch nicht mit rechten Dingen zu. Selbst als Fledermäuse sollten sie langsamer sein als ein kleines Mädchen, das im Kleid durch den dichten Wald hopste?

Sie fanden das Haus mit den blauen Türen sehr leicht. Es gab in Zarabäa nicht viele Gebäude. Sie traten ein und sahen sich um. Valnar wusste nicht, was er erwartet hatte, aber das jedenfalls nicht. Kaum hatten sie die Haustür durchquert, schon standen sie in einer großen Bibliothek. Reihenweise standen Regale herum, vollgestopft mit Büchern, Schriftrollen, hier und da standen sogar Steintafeln herum, Kalender hingen an Regalwänden und Runen waren stellenweise auf den Boden gemalt. Kein einziges Stäubchen war zu finden, aber ordentlich war es auch nicht gerade. Falls all diese Schriftstücke nach einem Plan eingeräumt worden waren, so verstand Valnar das System nicht. Er vergaß beinahe, warum er überhaupt hier war, als er fasziniert seinen Blick über die Buchrücken schweifen ließ.

"Das hier klingt interessant", meldete sich Asgar. "Es trägt den Titel: 'Hänsel und Gretel – ein Kochbuch für Kinder'. Was meint ihr, sind die Kinder dann die Köche oder das Gericht? Hehehe..."

"Sehr makaber", kommentierte Alaine darauf. "Hier gibt es eine ganze Menge Bücher, die lieber nicht in Kinderhände gelangen sollten. Was will Axalti nur mit diesem Zeug?"

"Ihr sucht Axalti?"

Die Stimme gehörte einer Jungerwachsenen mit langen roten Haaren in einem Pferdeschwanz. Für einen langen, schmerzhaften Augenblick dachte Valnar, seine einstige Ziehtochter Jayna würde da stehen. Doch diese Frau war größer, hatte eine längere Narbe im Gesicht und eine Blumentätowierung über den Arm hinweg.

"Ich bin ihre ältere Kusine. Wir wohnen hier zusammen. Ich muss euch aber leider enttäuschen, sie ist nicht da. Wenn ihr wollt, könnt ihr aber hier auf sie warten."

"Was soll das heißen, 'nicht da'?", zischte Asgar. Innerhalb von wenigen Sekunden war er schon wieder auf hundertachtzig. "Hast Du eine Ahnung, wie lange wir jetzt schon nach diesem verzogenen Gör suchen? Kannst Du Dir auch nur vorstellen, wie viele Kilometer wir heute schon hinter uns gebracht haben?"

"Beruhig Dich." Alaine legte ihm die Hände auf die Schultern und wandte sich wieder an die junge Frau. "Wo ist sie, und wann kommt sie wieder?"

Die Fremde zuckte mit den Schultern. "Sie hat mir nur eine Brieftaube aus Isthar geschickt und gemeint, dass sie nach Asdion reisen wolle, um dort jemanden zu treffen. Und bevor ihr mir einen Strick daraus drehen wollt, dass sie alleine reist: Macht euch keine Sorgen. Sie kann nämlich sehr gut auf sich aufpa..."

In genau dieser Sekunde machte Asgar einen gewaltigen Satz nach vorne – Vampire hatten unglaubliche Sprungkräfte – und zeigte die Krallenhandschuhe vor. Mit diesen Waffen hatte er zwar bislang noch nie gekämpft und sie waren ganz und gar nicht wie sein Säbel zu handhaben, aber sie waren scharf und das reichte ihm schon, um seine Argumente damit zu unterlegen. Er hielt die eine Klinge an den Hals des Mädchens, noch ehe seine Freunde rechtzeitig reagieren konnten.

"Ich glaube Dir kein Wort, Kleines! Wo hast Du die Hexe versteckt? Raus mit der Sprache, sonst reiße ich Dir jede Sehne einzeln aus dem Leib und bastle mir eine Gitarre daraus!"

"ASGAR!", schimpfte Alaine. "Lass das! Du kannst doch sowieso nicht Gitarre spielen!"

Valnar starrte sie einen Moment lang perplex an. Fing sie nun auch schon damit an, ebenso desinteressiert und zynisch über menschliches Leben zu sprechen? Sie musste dringend aus diesem Körper dort befreit werden.

"Hör lieber auf Deinen Kumpel dort, Lady...", versuchte die Frau Asgar zu überzeugen. Doch dieser war nicht mehr zu halten. Er hob die Klingen noch etwas höher und die erste Schneide ritzte die Haut unter ihrem Unterkiefer schon bei der bloßen Berührung so weit auf, dass ein Blutstropfen über ihre Kehle rann.

Da wurde die Fremde plötzlich ganz ruhig.

"Schon gut, schon gut. Ihr habt gewonnen. Spielverderber."

Was als nächstes kam, verblüffte selbst Asgar. Er hatte die Klingenhandschuhe immer noch erhoben, doch da war ... nichts mehr, in das er hätte hinein schneiden können. Die Frau hatte sich in grauen Rauch aufgelöst. Wie langsamer, träger Nebel kroch die Substanz auf dem Boden davon, nur wenige Meter weit, um sich dort neu zu formen. Ein Wolf entstand, und einzelne feine Tröpfchen Blut spritzten von seinem Kinn, als er wütend kläffte. Er spannte die Muskeln an und sprang in Asgars Richtung.

Doch dieser hatte nun endgültig die Nase voll.

"ASA GEBRAR SANTU SEE!", rief er seinen mächtigen Eiszauber herbei. Nur Sekundenbruchteile, ehe der Wolf getroffen wurde, verpuffte dieser wieder zu Rauch. Der Eiszauber landete in der Ecke des Raumes und fror dort die obere Kante eines Regals samt Inhalt ein.

Ein höhnisches Kichern ertönte aus dem Nirgendwo. Der Rauch waberte davon und materialisierte sich auf der Kante eines weiteren Regals. Und zwar dieses mal als kleines Mädchen mit gelbem Kleid. Ein ebenso gelber Hut saß auf ihren gelockten, braunen Haaren. Ihre blauen Augen sahen auf einmal gar nicht mehr so lieb und unschuldig wie am gestrigen Tag aus. Ihr Blick wirkte älter ... viel älter. Er war regelrecht fehl am Platze in diesem kleinen Gesichtchen. Aber die Wunde am Hals war verschwunden.

"Wie lange wolltest Du uns eigentlich noch durch die Weltgeschichte jagen?", keifte Asgar sie an.

Axalti schlug galant die Beine übereinander und seufzte.

"Eigentlich hätte das Spiel länger dauern sollen. Aber ihr Vampire seid Spielverderber. Schon immer gewesen. Nicht nur ihr drei, auch andre eurer Art. Ich wusste ja, dass ihr Fledermäuse werden könnt. Doch ich hätte ehrlich erwartet, dass ihr länger brauchen würdet, um zu bemerken, dass ihr an der Nase rumgeführt wurdet. Ihr seid jedenfalls klüger und fixer als viele andre Vampire."

"Du weißt, was wir sind?", fragte Valnar, doch seine Überraschung hielt sich in Grenzen. Er wusste, er hatte es mit einer Hexe zu tun. Er hätte ihre Fähigkeiten erahnen können.

Axalti machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Von der ersten Sekunde an. So etwas entgeht mir nicht."

Asgar giftete in ihre Richtung: "Dann warst Du also der Mann am Steinbruch? Und die alte Frau im Sumpf?"

Die Hexe nickte. "Und der Junge, der euch den Weg gesagt hat. Und das Eichhörnchen. Und die Krähe. Und die Ratte im Wohnzimmer, die keiner von euch bemerkt hat. Ich war ein wenig enttäuscht."

"Und der Mann mit den Kleeblättern?", fragte Alaine aus reiner Neugierde.

Axalti lachte. "Nein, nein. Der war echt. Die Kleeblätter auch. Und der Zauber hat pünktlich wieder nachgelassen."

"Deine Zauber!", höhnte Asgar. "Ich habe gesehen, was Dir Deine Taschenspielertricks bringen. Du kannst Dich in einen Wolf verwandeln? Ha! Das konnte ich auch, ehe ich weitaus bessere Zauber gelernt habe. Mächtige Zauber. 'Mächtig', wie in dem Satz 'Damit kann man Dir mächtig den Hintern versohlen'!"

Die Kleine verzog den Mund.

"Ich weiß. Und das ist auch der Grund, weswegen ich mich nicht auf einen Kampf eingelassen habe. Eure Zauber sind größtenteils destruktiv. Ich jedoch richte keinen Schaden an. Ich bin keine Hexe der schwarzen Magie."

"KEINEN SCHADEN?", brüllte Asgar. "Sieh mich an! Sieh Alaine an! Wir leiden hier Qualen, und Dich interessiert das einen Scheißdreck! Ich bin mit DIESEN Schuhen..." Er holte sie hervor und präsentierte sie wie eine Trophäe. "...kilometerweit durch das Unterholz gestiefelt. Meine Zehen fallen bald ab. Und das nennst Du nicht destruktiv?"

"Ganz recht", entgegnete die kleine Zauberin ernst. "Alle meine Zauber sind immer reversibel. Man muss es nur richtig anstellen."

Ehe Asgar einen weiteren Wutausbruch bekommen konnte, hielt Valnar ihm den Mund zu. Es tat ihm innerlich immer noch weh, so mit Alaines Körper umzuspringen, aber momentan hatte er von dem Selbstmitleid des älteren Vampirs einfach nur die Nase gestrichen voll.

"Dann sag uns bitte, wie stellt man es denn richtig an?"

"Nun", entgegnete Axalti, und das altgewohnte, süße Kleinmädchenlächeln umspielte wieder ihre Lippen. "Das ist Teil des Rätsels. Ihr müsst es selbst herausfinden. ...Und ihr könnt euch eure Angriffe sparen, ich reagiere außerdem nicht auf Drohungen. Ich werde euch keinen Schaden zufügen – das ist Hexengesetz, und dem beuge ich mich – aber ich darf mich wehren. Und das wollt ihr nicht. Ooooooh, nein, das wollt ihr WIRKLICH nicht."

"Ich glaube Dir das sogar", murmelte Alaine. Sie hatte genug von dieser Zauberei. Sie wollte dem Spuk nur noch ein Ende setzen. "Bekommen wir einen Hinweis? Einen Rätselspruch? Irgend eine kleine Hilfe? Bitte?"

"Oh, ihr wisst schon alles, was ihr wissen müsst. Ich weiß das. Ich habe ja bei euch Mäuschen gespielt ... na ja, Ratte wohl eher ... und damals habt ihr des Rätsels Lösung in euren Überlegungen bereits laut ausgesprochen."

Asgar befreite sich aus Valnars Klammergriff und schüttelte erbost die Faust in Axaltis Richtung. "Warum sagst Du uns nicht einfach, wie es geht?"

"Das wäre nicht lustig", entgegnete sie mit einem Zwinkern. "Es ist alles nur ein wunderbares Spiel. Stellt euch vor, es wäre eines der Rätsel, wie ihr sie schon zu Hunderten in irgendwelchen Tempeln und verborgenen Höhlen gelöst habt. Bloß dieses Mal mit einem Zuschauer mehr."

"Sagst Du uns wenigstens, welcher Satz es war, der uns den nötigen Hinweis liefert?", bettelte Valnar. Noch hatte er die Geduld für diese Spielchen. Das allerdings wahrscheinlich nur, weil er sehr genau wusste, dass dieses Mädchen die Spielregeln festlegte. Sie hatte die Fäden in der Hand, und solange er sich geduldig zeigte, war sie auch noch kooperativ. Auf ihre Gunst wollte er nicht verzichten, weswegen er auch ein verschärftes Auge auf Asgar warf.

"Das wäre zu einfach." Die Hexe schüttelte den Kopf. "Ich habe nicht sehr viele Sätze gesagt. Es ist kein Ding der Unmöglichkeit, der Lösung auf die Spur zu kommen." Damit hockte sie einfach nur auf ihrem Regal und ließ die Beine herunterbaumeln, während sich die Vampire berieten. Sie machte bloß eine komplizierte Handbewegung und aus einer dunklen Rauchwolke erschien plötzlich eine Tasse Tee, an der die Hexe nippte. "Ich würde euch gerne etwas anbieten, aber ich habe leider keine vampirgerechten Tees, tut mir Leid."

Derweil kramte Asgar missmutig in seinem Gedächtnis nach ihren Sätzen und trug sie, so korrekt er es nach all der Zeit noch hinbekam, zusammen:

"Also. Dieses Gör sagte uns, dass dieses Drecksloch von einem Kleinkaff eigentlich nur von bemitleidenswerten Fremden aufgesucht wird, wenn diese auf der Suche nach Glück die Hexe treffen wollen. Sie hat schon ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel und einen ausgeprägten psychotischen Tick, der sie zum Richter erklärt. Sie wählt aus, wer ein Waschlappen ist oder wer der Habgier verfallen ist, und je nach dem kriecht sie dem einen in den Arsch und lässt den anderen durch bösartige Magie hops gehen. Sie sammelt im Wald gerne Kräuter und würde uns dann schon finden. Jajaja, und wie sie uns gefunden hat, die kleine Mistmade! Nachdem sie uns Ewigkeiten durch die Gegend gehetzt hat, anstatt sofort zu sagen, dass sie selber die Hexe ist!"

Asgar knurrte und warf einen vernichtenden Blick nach oben. Axalti jedoch nippte seelenruhig von ihrem Tee und antwortete: "Meine Magie ist nicht bösartig und gestorben ist daran auch noch nie einer. Aber sonst stimmt es im Groben. Weiter."

Asgar fuhr also fort: "Dann erst hat sich diese arrogante Bestie dazu herabgelassen, uns zu sagen, dass sie diejenige ist, die wir suchen. Sie hat zugegeben, dass sie den armen Teufel mit diesen Kleeblättern verhext hat, damit das Glück ihm folgt. ...Wobei ich zugeben muss, dass mir diese Form von Zynismus gefällt, hehehe. Na ja. Und dann hat sie noch mal betont, wie bösartig Habgier ist. Was ist los, Kleines? Hat man Dir in Deiner Kindheit einmal zu oft den Lolli geklaut?"

Ihre kecke Antwort lautete: "Was ist los, Großer? Hast Du Dein Leben in der Gosse verbracht, oder woher hast Du diese unfeine Ausdrucksweise mit all diesen Flüchen?"

"Können wir nun bitte fortfahren?", mischte sich Alaine ein, ehe die Situation noch eskalieren konnte, denn der Rotschimmer in Asgars Augen begann vor Hass fast zu leuchten. Ein abfälliges Schnauben folgte, dann machte er weiter mit seinen Aufzählungen: "Danach war da nicht mehr viel. Sie erwähnte, dass dieser Kleeblattzauber bald verflogen sein würde. ...Und dann verarschte sie mich mit diesem ... diesem 'Geschenk'!" Er spie das letzte Wort verächtlich aus.

"Ich würde es eher so ausdrücken: Sie hat Dich geködert", neckte Alaine mit leichtem Schmunzeln. "Und Du warst ein fetter Fisch an ihrer Angel. Nur um zu beweisen, WIE bösartig Habgier enden kann."

Asgar entgegnete nur: "Pass auf, was Du über 'fett' sagst. Ich stecke gerade in DEINEM Körper."

"Ihr seid besser als jede Komödie!", seufzte Axalti glücklich.

"Weiter, weiter!", drängte Valnar. Ein bisschen fehlte noch in ihrer Sammlung an Axaltis Sätzen.

"Danach sagte sie nur noch", führte Asgar fort, "dass dieses Geschenk ein Rätsel ist und wir es lösen sollen. Sie laberte noch irgend einen Scheißdreck, dass dieses Mistding unsre Freundschaft stärken soll und dass wir es gefälligst mit einander zu teilen haben. Zum Abschied erwähnte sie nur noch eine Suppe, mit der man jemandem das Gehirn waschen kann. ...Bekomme ich das Rezept?"

Axalti zuckte gleichgültig die Schultern. "Wenn Du mit den Konsequenzen leben kannst, klar. Also, von mir aus kannst Du es gerne..."

"AUF KEINEN FALL!", unterbrachen Valnar und Alaine gleichzeitig.

"Spielverderber", brummte Asgar. "Nix darf man hier."

"Rätsel lösen darfst Du", tröstete ihn Valnar und wandte sich der Hexe zu. "Haben wir etwas Wichtiges vergessen?"

"Nein. Der Rätselspruch ist erwähnt worden. So fair bin ich dann doch. Nun könnt ihr den Ausgangszustand wieder herstellen."

Er nickte. Dann mussten sie zumindest nicht noch mehr ihrer Sätze abklappern. Dennoch hatte Asgar nun eine ganze Menge zusammengetragen. Valnar konnte sich denken, dass die drei Freunde von nun an auf sich selbst gestellt sein würden. Dies war Axaltis Spiel.

"Welcher von all diesen Sätzen könnte nun also die Lösung sein?", grübelte Alaine. Die Auswahl war ziemlich groß, und das passte ihr ganz und gar nicht.

Asgar hob die Krallenhandschuhe und meinte: "Vielleicht sagt sie es uns doch, wenn wir ihr eine kostenlose Akupunkturtherapie gönnen..."

Die Hexe zeigte sich unbeeindruckt, und so widmeten sich die Vampire der Aufgabe, die Sätze auseinander zu klauben und auf versteckte Hinweise zu untersuchen.

"Sie hat die Habgier viel zu oft wiederholt und betont", grübelte Asgar, der sich fast die Augen ausstach, als er sich nur mal kratzen wollte und die Krallen an den Handschuhen vergessen hatte. "...Lebensgefährlich, dieses Ding!"

"Und die Habgier hat uns in diese missliche Lage gebracht!" Alaine warf einen erbosten Seitenblick auf ihn. "Lass meine Augen leben, ja? Ich habe mich schon so an sie gewöhnt."

"Die Habgier hat uns in diesen Schlamassel gebracht", murmelte Valnar indes. "Also wird uns das Gegenteil davon wieder herausbringen, was meint ihr? Und das Gegenteil von Habgier wäre Großzügigkeit oder Selbstaufgabe und Selbstlosigkeit..."

Asgar hob eine Augenbraue. "Was willst Du tun? Glaubst Du, wir verwandeln uns zurück, wenn wir uns um irgendwelche Armen kümmern, um Krüppel, Geisteskranke, Wahnsinnige, Behinderte, Tollwütige, Kinder, heruntergekommene Gestalten, Penner in Mülltonnen, Huren, kleine ausgesetzte Hündchen, Mathelehrer ... der ganze Drecksboden der Gesellschaft...?"

Valnar ging ein Licht auf. "So weit müssen wir vielleicht gar nicht gehen. Bleiben wir doch unter uns. Sie sagte, wir sollen es mit einander teilen. Also teilen wir es."

"Es ist doch schon geteilt", meinte Asgar und hob demonstrativ seine Hälfte des Amulettes nach oben. "Sie hat auch gesagt, dass es unsre Freundschaft stärken möge. Davon merke ich nicht viel."

"Doch", wandte Alaine ein. Sie warf einen vorsichtigen Blick nach oben, wo die Hexe immer noch auf ihrem Regal hockte und lauschte. Sie fühlte sich unwohl dabei, über das Mädchen zu reden, als sei es nicht da. "Ich finde schon, dass wir uns näher gekommen sind. Geistig und körperlich. Und das auf eine intensive Art, wie ich es nie erwartet hätte. Wir haben einander noch besser kennen gelernt. Also, Liebster, was schlägst Du vor? Wie haben wir dieses Amulett bis jetzt noch nicht geteilt?"

Valnar hob die Stimme: "Ihr habt noch nicht mit mir geteilt."

"Noch mehr Chaos?", beschwerte sich Asgar. "Wenn das so weiter geht, weiß ich hinterher nicht mehr, in welchem Körper ich zu Hause bin."

"Es ist eine Chance...", entgegnete Alaine, wieder mit einem Blick auf das Mädchen. Axalti saß schweigend auf dem Regal und kicherte in ihre Teetasse hinein. Von ihr konnte man keinen weiteren Hinweis erwarten. "...Tun wir es."

Sie entwickelten einen Plan, um ganz bestimmt nicht durcheinander zu kommen, wenn sie Valnar in ihren Körpertausch involvierten.

Zunächst nahm Asgar die rote Hälfte des Amulettes von Alaines Körper ab und übergab sie Valnar. "Hoffentlich weißt Du, was Du da tust...", kommentierte er. Doch Valnar nickte nur und legte sich die Kette an. Aufregung durchzog seinen Körper und ließ seine Muskeln leicht vibrieren, als er nach der blauen Hälfte des Amulettes griff und die beiden Teile mit einander kombinierte. Und sie blieben dieses Mal kombiniert. Als er das nächste Mal blinzelte, sah er seinen eigenen Körper vor sich, wo Alaine nun drin steckte. Er selbst sah seinen Körper aus bislang unbekannter Höhe. Überhaupt war es ein irgendwie anderes Gefühl, nun in Asgars Körper zu sein. Er spürte die mächtigere Magie, auch wenn ihm die Kenntnisse fehlten, diese zu lenken. Aber auch davon abgesehen war Asgar ein Vampir der zweiten Generation und somit mächtiger als Valnar.

Auch für Alaine war es etwas Besonderes, nun den Körper ihres Liebsten so nahe an sich zu spüren und aus seinem Blickwinkel die Welt zu sehen. Seine Augen waren etwas empfindlicher als ihre, und das Sonnenlicht, das durch die Fenster kam, juckte leicht. Doch Valnar hatte sich wohl im Laufe seines Vampirdaseins daran gewöhnt. Wenn sie jetzt ihren Liebsten ansah, der plötzlich in Asgars Körper steckte ... dann verstand sie nun, warum Valnar solche Scheu vor den Küssen gehabt hatte.

Als nächstes tauschten Valnar und Asgar. Das Amulett teilte sich wieder. Nun war Asgar wieder in seinem eigenen, angestammten Körper und seufzte zufrieden. Valnar hingegen spürte zum ersten Mal, was es bedeutete, eine Frau zu sein. Es war ... merkwürdig. Die Funktionen in Asgars Körper waren Valnar zumindest noch bekannt vorgekommen, doch das jetzt war völlig anders.

Nun war also Valnar in Alaines Körper und sie in seinem. Sie mussten nur noch tauschen. Sie steckten in freudiger Erwartung die Amulettteile zusammen. Doch nichts änderte sich. Fragend, verwirrt, geradezu entsetzt starrte Alaine auf ihre lose blaue Hälfte.

"Was ist falsch?", fragte Valnar. Er schob sich eine ungewohnt rote Strähne aus dem Gesicht. "Wir haben doch alle einmal getauscht. Wir alle haben doch..." Dann starrte er Asgar an, der vergnügt seine eigenen Arme und Beine bewegte, wie es ihm passte. Zum Beispiel in Form eines ausgestreckten Mittelfingers in Axaltis Richtung, doch sie blieb unbeeindruckt und lächelte sogar etwas breiter.

"Asgar?", suchte Valnar seine Aufmerksamkeit. "Du warst noch nicht in meinem Körper." Es war widerlich, auch nur diesen Satz auszusprechen, doch Valnar musste es tun.

"Richtig", flötete Asgar. "Und ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern."

"Asgar", versuchte Alaine es nun, und dabei benutzte sie den genervtesten Tonfall, den Valnars Stimmbänder zustande brachten. "Willst Du wirklich, dass Valnar und ich für den Rest der Ewigkeit gegen einander ausgetauscht sind? Wenn Du mich anbaggern wolltest, müsstest Du Valnars Körper anbaggern. ...Oder einen Körper mit Valnars Geist."

Das waren Aussichten, die Asgar überhaupt nicht gefielen.

"Ach, verdammt!", fluchte er und nahm die rote Hälfte entgegen, die der Körper von Alaine ihm entgegen streckte.

Beim nächsten Tausch steckte Asgars Geist in Valnars Körper, und auch für ihn war es überraschend, die körperliche Schwäche zu spüren. "Drittklassiger Wurm", maulte er. Alaine kannte Asgars Körper allerdings schon, deswegen waren ihre Sinneseindrücke nicht wirklich neu.

Valnar in Alaines Körper bekam die blaue Hälfte des Amulettes, das momentan noch geschlossen war, und tauschte mit Alaine, die in Asgars Leib steckte. Das Amulett öffnete sich, und Alaine war endlich wieder in ihrem angestammten Körper.

"Ich hoffe, ihr seid zufrieden", maulte Asgar durch Valnars Stimme hindurch. "Könnten wir also fortfahren?"

"Nun kommt es drauf an!", flüsterte Alaine gespannt und sah zu, wie sich der Körper von Valnar das blaue Amulett überstreifte.

Die Stücke vereinten sich ... endlich war der Ausgangszustand wieder hergestellt.

Axalti ließ ihre Tasse verschwinden und applaudierte begeistert. "Ihr seid großartig! Ich wusste doch, dass man mit euch wunderbar spielen kann."

Sie hüpfte vom Regal runter, die zweite Hälfte bis zum Boden fing sie sich selbst durch einen Zauber ab und schwebte sachte zur Erde.

"Ich hoffe, es hat euch auch gefallen. Und ihr müsst zugeben: Rätsel machen Spaß. Außerdem habt ihr jetzt vielleicht etwas mehr Respekt vor einander. Zumindest hoffe ich das doch stark."

"Es ist alles gut ausgegangen", nickte Alaine. "Ich bin froh."

"Ich hätte auf diese Eskapade gerne verzichtet", fauchte Asgar.

Valnar hob das nun wieder geschlossene Amulett in Axaltis Richtung. "Ich fand es interessant. Es öffnet einem die Augen. Hier hast Du es zurück."

Die Hexe kicherte das Lachen eines kleinen Mädchens und schüttelte den Kopf, dass die braunen, gelockten Zöpfe nur so um ihren Schädel flogen.

"Behaltet es. Und ihr müsst nun keine Angst mehr davor haben. Ihr habt alle einmal mit einander getauscht – nun ist der Rücktausch ganz simpel. Vielleicht wollt ihr einander ja noch etwas besser kennen lernen. Es ist ein Geschenk! Das nehme ich nicht wieder zurück."

Valnar lächelte und nickte. "Wir werden es gut verwahren, damit niemand damit irgendwelchen Blödsinn anstellt."

"Kommt mich jederzeit besuchen", lud Axalti die drei ein. "Es ist einsam, als Unsterbliche unter Sterblichen zu wandeln."

Asgar brummte unwirsch: "Nur, wenn ich dann nicht wieder hochhackige Schuhe tragen muss."
 


 

Es klopfte sachte gegen den Sarg.

"Liebster? Bist Du vielleicht noch wach?"

Vorsichtig hob sich der Sargdeckel und ein Paar rubinroter Augen leuchtete daraus hervor. Ein Lächeln lag auf Valnars Lippen.

"Ja, bin ich. Kannst Du etwa nicht schlafen?"

Alaine stieg zu ihm in den Sarg. Sie schliefen nur selten in ihren Betten, wenn sie doch sicher waren hier unten, in diesem versteckten Kellergewölbe ihres Hauses in Klennar. Ihrer beider Särge hier waren breiter als diejenigen in Asgars Schloss, und das nicht ohne Grund. Alaine kam gerne kuscheln, das brauchte nun mal etwas Platz.

Sie schmiegte sich an ihren Geliebten und verfing ihn in einem langen Kuss. Als sich ihre Lippen von einander lösten, war ein deutlicher Rotschimmer auf Alaines Wangen getreten. Das kannte Valnar so eigentlich gar nicht von ihr.

"Woran denkst Du?", wisperte er zärtlich, während er über ihre Wange strich.

"An ... das hier!" Sie zog eine Kette aus dem Ausschnitt ihres Kleides heraus. Nicht irgend eine Kette. Es war das magische Amulett von Axalti.

Valnar zog verdutzt die Augenbrauen hoch.

"Was ... hast Du denn damit vor?"

"Nun...", antwortete sie zögerlich und legte die andere Schlaufe um seinen Hals. "Es gibt da etwas, das ich ganz gerne..." Sie zog die Hälften auseinander. "...ausprobieren würde!", sprachen nun Valnars Stimmbänder. Ein breites Grinsen zierte das Gesicht und die roten Augen leuchteten verspielt auf. Valnar, nun in Alaines Körper gefangen, konnte sich auch ein Grinsen nicht verkneifen.

"Ich liebe Dich", hörte er seine eigene Stimme sagen.

"Ich liebe Dich auch", erwiderte er mit ungewohnt hoher Stimmlage.

Dann begannen sie, einander innig zu küssen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Somika
2010-07-17T19:48:18+00:00 17.07.2010 21:48
Du hast sogar mich beeindruckt! Du musst wissen, ich lese sehr gerne. Kann mich aber nie konzentrieren und schweife immer ab. Ich muss sagen,
dass ist die beste Geschichte, Kurzgeschichte, Fanfic die ich je gelesen habe ;) Fand ich sehr spannend und fesseld. Komödien mag ich nicht, den Sarkasmus und Zynismus in der Geschichte allerdings schon. Die Geschichte beinhaltet alle wichtigen Elemente: Liebe, Freundschaft, Drama und eben auch Komödie. Der Schreibstil und Grammatik sind ebenfalls grossartig!

(Ich glaube, man merkt, dass sie mir gefallen hat *grins*)
Von:  das_Diddy
2010-04-05T17:42:52+00:00 05.04.2010 19:42
Seeeehr faszinierend. ^^ Die Idee an sich hat ja schon was, aber durch deinen Schreibstil lässt sich die Geschichte ungemein gut vor meinem geistigen Auge abspielen.

Asgar triffst du wirklich perfekt und du hast es geschafft, dass ich sogar Alaine leiden konnte. .___.
Und du hast behauptet, dass du keine Komödien schreiben kannst? XDDD Gar nich wahr! Ich schließe mich Bad_Rhode an, ich hab einfah nur gefeiert. ^^
Von:  Mad-In-Sections
2010-04-04T19:46:40+00:00 04.04.2010 21:46

echt super geschrieben! ich liebe es wenn leute mit der deutschen sprache umzugehen wissen =D !!!
mit der geschichte hättest du sogar MICH erreicht - und das in einer geschichte in der alaine und valnar das paar sind! habe ich bis jetzt so noch nicht erlebt xD
echt super!

lG
Von:  Julchen-Beilschmidt
2010-04-04T16:21:00+00:00 04.04.2010 18:21
Ich musste heulen vor lachen!
Einfach genial geschrieben!

Die Idee mit dem Körpertauch ist echt nicht schlecht besonders Asgar in Alaines Körper und umgekehrt hat mir sehr viel Freude bereitet.

Natürlich aich Asgars kommentare hast du perfekt in Szene gesetzt.

Vielen Dank für das großartige Wichtelgeschenk und noch schöne Ostern!

Bad_Rhode


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