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Die Schicksalswächter

von

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Die Seherin von Eopal

Einige Legionen waren bereits verloren. Die übrigen kämpften noch an der Schlucht von Kaprenn einen hoffnungslosen Kampf - zum Sterben verurteilte Krieger, deren einzige Aufgabe darin bestand, den Feind so lange wie möglich zurück zu halten.

Grashya - die Kämpfer des Feindes. Wie Berserker unaufhaltsam stürmten sie die Grenze von Frelim und metzelten sich gnadenlos vorwärts. Ihre Haut besaß die Farbe von dunklem Nebel, weiß und doch grau. Der gesunde, rosige Hautton eines Menschen verblasste durch die Einnahme von Veiskraut, ließ die Grashya wie Geister erscheinen. Mit den dunkel getünchten Augenhöhlen und Zähnen wirkten sie auf die Armee von Frelim wie lebende Tote. Furchteinflößend und unsterblich.

Veiskraut - eine verbotene Pflanze, unauffällig wie Gras, dafür aber umso empfindlicher. Die kleinen Knospen erblühten nur einmal im Jahreszyklus, hellgelb und zart. Zu einem Trank verarbeitet, einem geheimen Rezept und Ritual folgend, entfalteten sie ihre beunruhigende Wirkung.

Dank der fortschrittlichen Entwicklung des Ackerbaus und Subventionen aus der Kriegskasse konnte das empfindliche Kraut seit kurzem auch in großen Feldern angebaut und verarbeitet werden. Die Menge reichte aus, um tausende von Soldaten damit aus zu statten, davon abhängig zu machen. Nach der Einnahme verblasste die Haut, der Glanz aus den Augen verschwand - aber mit ihm auch Angst und Zweifel. Die Männer fühlten sich stark, unbezwingbar, wütend. So bekamen sie neben ihrem fürchterlichen Erscheinungsbild auch noch eine Ausstrahlung die Frelims Soldaten schlaflose, albtraumreiche Nächte bereitete.

Brynn seufzte erschöpft. Seine Männer waren mit den Nerven am Ende - zumindest die, die noch lebten. Er war ihr General, ihr Vorbild. Doch auch ihm verweigerten seine Beine den Dienst, wenn er an den grausigen Anblick dachte.

Wie soll ich denn so meine Leute anführen?, dachte er verzweifelt. Der Krieg ist sowieso schon so gut wie verloren.

Doch das konnte er unmöglich akzeptieren. Den Krieg zu verlieren bedeutete unter der Herrschaft von König Ralgreim zu leben. Für das Volk von Frelim würde das die Aufgabe von Freiheit und Glauben bedeuten. Brynn würde lieber sterben, als so ein Schicksal für seine geliebte Heimat und seine Familie anzunehmen.

Aus diesem Grund schüttelte er seine düsteren Gedanken beiseite, erhob sich und trat aus seinem Zelt.

„Yaron, sattel die Pferde!“, befahl er seinem Knecht. „Wir brechen heute noch auf.“

Der Knecht, ein junger, blonder Bursche von vierzehn Jahren, blickte auf.

„Nach Eopal?“, fragte er, hätte sich die Frage aber auch sparen können, da er sich deren Antwort bereits gewiss war.

Brynn nickte. „Ja.“, antwortete er und schluckte trocken. „Zum schwarzen Turm.“
 

Eopal – eine Stadt erbaut auf einer Insel mitten im See Palyn. Der Palyn trennte im Westen Frelim von Ralgreims Reich, war neutrales Gebiet. Ebenso war Eopal eine unanhängige Stadt, unterstand weder den Gesetzen Frelims noch Ralgreims. Nie unternahm eines der Königreiche den Versuch Eopal einzunehmen, begründet durch reinen Aberglauben. Die Insel sei verflucht, hieß es. Vor Urzeiten schon sollten dort heidnische Rituale durchgeführt und Opfer an falsche Götter und böse Dämonen erbracht worden sein. Wer Eopal betrat, kehrte nicht mehr als er selbst zurück, hieß es.

Natürlich glaubte nicht jeder diesem Gemunkel. Und so mancher erkannter darin sogar einen Vorteil. So kam es, dass einige Gestalten zweifelhafter Gesinnung Eopal zu einem Umschlagplatz für Diebesgut machten. Aufgrund der Lage kam das Gut sowohl von Frelim als auch von Ralgreims Reich und die Gleichgesinnten beider Länder standen sich untereinander näher als ihren eigenen Landsleuten, sahen keinen Grund für mehr als die üblichen, harmlosen Feindseligkeiten. So entwickelte sich Eopal im Laufe der Jahrzehnte zu einer blühenden Stadt, doch war sie nach wie vor unter der offiziellen Herrschaft des Untergrunds. Außerdem erwies sie sich für beide angrenzenden Königreiche als äußerst lukrativ. Das Wissen beider Länder vereinigte sich, nie gesehene Waren konnte man erstehen. Und dann gab es da ja noch die Shalmaren.

Brynn lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter, als er aus dem Boot trat das ihn auf die Insel gebracht hatte. Er drückte dem Fährmann eine handvoll Münzen in die Hand, ein Wucherpreis den man hinnehmen musste wollte man Eopal betreten. Hier gab es wahrlich nichts zu billig und erst recht nicht umsonst. Brynn war zum ersten Mal hier. Doch hatte er schon viele Geschichten über diesen Ort gehört, die wenigsten davon nahmen jedoch ein erfreuliches Ende. Aber sie halfen ihm sich auf die Stadt vorzubereiten, ein Bild von ihr zu bekommen, zu wissen an wen er sich wenden musste.

Angespannt und mit höchster Aufmerksamkeit ging er durch die engen Gassen, den Blick immer wieder auf den hochragenden schwarzen Turm nahe der Burg gerichtet.

Der schwarze Turm war eine kleine Festung. Bedrohlich, düster, mit vergitterten Fenstern glich er manchmal mehr einem Gefängnis - und für manche war er das auch. Hier hausten die Shalmaren. Ein Volk voller Geheimnisse und rätselhafter Herkunft. Sie reisten durch die Lande, boten auf Stadtfesten und Jahrmärkten ihre Zauberkünste dar, jonglierten mit brennenden Fackeln, spuckten Feuer und weissagten auf Wunsch sogar die Zukunft. Sie waren gute Unterhalter, ansonsten aber zu nicht nütze, hieß es. Von anderen Völkern wurden sie in der Regel gemieden. Sie waren ihnen unheimlich und gottlos. Doch Eopal hieß die Shalmaren willkommen, war sich deren Vorteilen bewusst, schätzte gute Unterhalter vorne in den Gaststuben und Wahrsager in den Hinterzimmern.

Wahrsager, Hellseher, Visionen, Schicksal... Brynn schnaubte abfällig. Er hatte keinen Sinn für das Übernatürliche und schloss sich der allgemeinen Meinung an die Shalmaren als unheimliche Betrüger zu empfinden. Doch nun war er auf dem Weg zu ihnen. Zu ihr.

Die Seherin von Eopal

Shari blickte auf. Zwar hörte sie weder die hallenden Schritte ihrer Wächter noch sich nähernde Stimmen, aber sie spürte, dass sich jemand auf dem Weg zu ihr befand. Jemand, der nicht war wie die anderen, gewöhnlichen Gäste die sie sonst täglich begrüßen musste. Jemand, der sich aus ehrenvollen Gründen zu ihr begab; nicht die üblichen habgierigen Fragen über Macht und Reichtum stellen wollte. Jemand, der sich nicht für sein eigenes Schicksal interessierte, sondern bereit war die Verantwortung für das Schicksal der gesamten Welt zu übernehmen.

„Jemand, der mir den Himmel zeigen kann.“, flüsterte sie und heftete ihre Augen hoffnungsvoll auf die Flügeltüren zu ihrem Gemach, ihrem Gefängnis.

Das war es was sie sich wünschte.
 

Ein eisiger Schauer überkam Brynn als er die Schwelle des Turms übertrat. Schon als er das erste Mal zu seinem König gerufen wurde und von der geheimen Mission erfuhr, hatte er kein angenehmes Gefühl bei Sache. Er hatte gezögert, überlegt, nach anderen Möglichkeiten gesucht, die ihm weniger unheimlich und mysteriös – realistischer – erschienen. Doch nach allem was in der Zwischenzeit passiert war, was schief gelaufen war und einigen seiner besten Männer das Leben gekostet hatte, war dies die letzte Option die ihm geblieben war.

Schweigsam folgte er dem Mann der ihm Eintritt in den Turm verschafft hatte durch schmale Gänge deren schwarzes Gemäuer nur durch blasses Kerzenlicht erhellte wurde. Sein Führer, ebenso in dunkles Schwarz gekleidet, führte ihn durch ein Labyrinth aus Gängen, Treppen und Zimmern, bis Brynn nicht einmal mehr sagen konnte, ob sie den Turm in die Höhe erklommen oder vielleicht sogar in die Tiefe hinab stiegen. Gerne hätte er einige Fragen über den Turm und seine Bewohner gestellt. Eine Frage die sich ihm besonders aufdrängte war, warum sie niemandem auf ihrem Weg begegneten, wo der Turm doch angeblich hunderte von Shalmaren beherbergte. Doch man hatte ihm nahe gelegt still zu sein und seine Fragen für sich zu behalten – es würde sie ohnehin niemand beantworten.

Nach einer Weile, die Brynn in diesem düsteren und ungastlichen Gemäuer wie eine halbe Ewigkeit vorkam, erreichten sie schließlich einen kleinen, runden Vorraum. Brynn hörte, wie der Führer die Tür hinter ihnen verschloss und sah sich misstrauisch um. Der Raum war spärlich eingerichtet. Ein schlichter Holztisch und zwei Stühle standen auf der rechten, ein Schränkchen auf der linken Seite und ein runder, schwarzer Teppich lag in der Mitte des Raumes. Zwei Frauen, von Kopf bis Fuß gehüllt in undurchsichtige, schwarze Gewänder, die lediglich den Bereich der Augen und die Hänge frei gaben, erhoben sich von den Stühlen und forderten ihn auf seine Waffen und sein Bündel auf den Tisch abzulegen. Brynn löste den Tragegurt seines Kurzschwertes, holte die versteckten Dolche aus seinem Ärmel und seinem Stiefel und legte alles auf den Tisch. Eine der Frauen deutete ihm an sich in die Mitte des Raumes, auf den Teppich zu stellen. Sie begann damit Brynns Körper nach weiteren, besser versteckten Waffen zu untersuchen, hielt zudem nach Krankheitsmerkmalen Ausschau, während die andere Frau sich durch den Inhalt seines Bündels wühlte.

Brynn gefiel das nicht sonderlich. Ihm war unwohl dabei, dass die Frau ihn systematisch auch an den intimsten Stellen abtastete und kritisch beäugte, spürte den eiskalten Blick seines Führers im Nacken, der sich gegen die Tür lehnte und ihm wortlos zu verstehen gab, dass er den Turm nicht mehr verlassen würde, sollte er Ärger machen. Den Blick nach vorne, auf die massive, eiserne Flügeltür gerichtet, deren einzige Verzierung aus zwei großen, in das Metall hinein gearbeiteten Augen bestand die ihn eindringlich anzustarren schienen, eins auf dem rechten, eins auf dem linken Flügel, trug ebenfall nicht zu seiner Beruhigung bei. Die beiden Wächter davor, ausgerüstet mit Krummschwert und einem stechenden Blick, taten ihr übriges.

Die Seherin der Shalmaren – versteckt in einem dunklen Labyrinth, bewacht von erbarmungslosen Wachen, geschützt durch ein eisernes Tor. Sie war ein wertvoller Schatz für ihr Volk, weissagte ihnen die Zukunft und brachte willkommener weise viel Kundschaft von außerhalb, die bereit war horrende Summen für einen Blick in ihr eigenes Schicksal zu bezahlen.

Das Volk der Shalmaren wusste schon immer seine spirituellen Fähigkeiten auszubilden und – was noch viel wichtiger war – gekonnt zu verkaufen. Es gab einige gute Wahrsager unten in der Stadt die einem einen kurzen Blick in die Zukunft geben konnten indem sie Karten legten, aus der Hand lasen, pendelten.

Ebenso handelte sich um ein offenes Geheimnis, dass jeder Königshof, und auch jedes Fürstentum das es sich finanziell leisten konnte, einen Seher oder eine Seherin bei sich beschäftigte. Und sie alle waren gut, waren Meister ihres Faches, wurden bereits im Kindesalter ausgebildet sobald man das besondere Talent bei ihnen entdeckte.

Die Seherin von Frelim, Aleesha, hatte bereits zu Beginn des Krieges Frelims Untergang und Ralgreims Siegeszug vorhergesagt. Doch Kerold, König von Frelim, erzürnte bei dieser Weissagung sehr, ließ die Seherin in ihre Gemächer sperren, stürzte sich und sein Volk unbeirrt in einen erbitterten und – laut Aleesha – bereits verlorenen Kampf. Und das taten sie tatsächlich - verlieren. Eine Schlacht nach der anderen endete in einer blutigen Niederlage für Frelim. In seiner Verzweiflung suchte Kerold die Seherin schließlich erneut auf, reuevoll, entschuldigend, flehend um eine erneute Weissagung in der Hoffnung, dass Aleesha sich vielleicht doch geirrt hatte. Doch diese schüttelte nur den Kopf. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Frelim würde fallen, Ralgreims Armeen siegen. Was Frelim brauchte um den Krieg zu gewinnen war keine neue Vorhersagung – sondern ein neues Schicksal.

In diesem Zusammenhang fiel zum ersten Mal Sharis Name. Was folgte, waren Verhandlungen über ihren Preis.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Das_Kaetzchen
2010-05-08T12:53:54+00:00 08.05.2010 14:53
Also die Fortführung ist dir gut gelungen. Gleich am Anfang des 2. Kapitels hatte ich eine Gänsehaut. Du hast einen sehr schönen Schreibstil. Ich konnte zwar durch die ganzen ausgefallenen Namen ^^ nicht gleich den Sinn erfassen, aber beim 2. Mal liefs dann gut ^^ man muss sich eben immer erstmal reindenken. ^^ Die Beschriebung von Objeken und STimmungen gelingen dir super, man kann sichs richtig gut vorstellen ^^ ach und danke für den Zusatz "stolzes MItglied" *____*
Von:  Das_Kaetzchen
2010-05-08T12:51:31+00:00 08.05.2010 14:51
Also erstmal Respekt, wo hast du all die Namen hergezaubert. XD Wirklich ein sehr guter Einstieg. Auch der Satzbau und die Verwendung verschiedenster Ausdrücke gefällt mir. Auch die Vermischung von Mittelalterlichen Wörter und Abschnitten die mehr nach unserer Zeit klingen finde ich voll interessant ^^
Von:  Papaya
2010-04-08T15:59:50+00:00 08.04.2010 17:59
oh mein gott *u* das is so genial *u*

ich hatte sogar schon gänsehaut beim lesen, auch wenns noch nich fertig ist, bin wirklich begeistert und tief beeindruckt von deiner geschichte, weil mir beim zeichnen auch eine ähnliche geschichte im kopf rumspukte

also wirklich das ist wundervoll und ich kann es kaum erwarten wie es weitergeht *u*

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