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Schädlingsbekämpfung

Der Prinz und die Kakerlake
von

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Der einzige

Spätestens jetzt stellte er fest, dass er Leute mit lauten oder ausdauernden Stimmorganen nicht leiden konnte. Nein, er verabscheute sie. Sie nervten. Und sie gehörten alle geknebelt. Vor Kurzem hatte er von einer Säure gelesen, die die Stimmbänder zersetzen konnte, ohne das Opfer zu töten. Das gefiel ihm auch.

Sie hörten einfach nicht auf, zu singen. Sie krakehlten in tausend verschiedenen Sprachen, immer die gleiche Melodie, immer die gleichen Worte. Immer wieder.

Alles Gute, liebe Zwillinge.

Heuchler. Verdammte Heuchler.

(Er sollte nicht so oft verdammt sagen, hatte seine Mutter gesagt, aber das interessierte ihn nicht. Was seine Mutter sagte, interessierte ihn schon lange nicht mehr.)

Als ob sie den Zwillingen gratulieren würden. Als ob sie ihnen beiden gratulieren würden. Keiner von ihnen interessierte sich für die Prinzen. In Wahrheit waren sie alle nur wegen des Thronfolgers hier.

Belphegor versteckte sich hinter dem fast zwei Meter hohen Haufen seiner Geschenke, blätterte in einem Kinderbuch über das menschliche Skelett, das viel zu einfach geschrieben war, und schnaubte leise. Es war noch nicht einmal sicher, dass Rasiel Thronfolger wurde. Ihre Eltern hatten sich noch nicht ausdrücklich festgelegt, sie hatten ja auch noch einige Jahre Zeit dafür. Noch hatte niemand etwas in dieser Richtung gesagt.

Außer Rasiel selbst.

Dummerweise klangen seine Argumente alle recht schlüssig. Belphegor gab es nur sehr, sehr ungern zu, aber in den meisten Bereichen wurde er schlichtweg von seinem Bruder übertrumpft. Was auch immer sie taten, Rasiel war ein winziges bisschen besser. Rasiel hatte auch mehr Manieren. Und mehr Charme.

Belphegor wollte gar keinen Charme. Er war der Prinz, was sollte er mit Charme? Die Leute hatten ihm auch so zu Füßen zu liegen.

Das taten sie aber nicht. Bel war ruppig und unhöflich und das schreckte alle früher oder später ab. Er legte nicht viel Wert auf sein Benehmen, denn eigentlich war ja sowieso allen egal, was er tat. Solang er nichts zerstörte (was aber ab einem gewissen Punkt immer geschah), waren seine Handlungen völlig irrelevant.

Er war der Jüngere. Das war schon alles. Siels Argumente zählten überhaupt nicht, waren komplett nichtig, weil das währte: Belphegor war der jüngere Bruder.

Bruder – nicht Zwilling. Es gab keine Zwillinge. Das war ja absurd. Königsfamilien bekamen keine Zwillinge. Sie bekamen einen sicheren Thronfolger – einen Erstgeborenen – und danach höchstens noch ein paar Kinder zur Zierde. Aber wichtig war der Älteste. Der zählte, der bestimmte die Zukunft der Familie und der musste klar sein.

Ein paar Minuten. Das war alles, nur ein paar Minuten. Bel vergaß regelmäßig, wie viele es waren, Siel schien es sich zu merken. Drei, oder fünf, oder vielleicht sogar zehn, war ihm egal. Sein Bruder wusste bestimmt sogar noch die genaue Anzahl der Sekunden, die sie voneinander trennte. Aber Belphegor interessierten die eigentlich nicht groß. Es war eben die Tatsache, dass Rasiel älter war als er, und es deshalb zumindest wahrscheinlicher war, dass er den Thron erobern würde.

Aber sicher war es nicht. Und in Bels Augen war „erobern“ schon genau das richtige Wort. Er wollte diesen Thron. Diesen verdammten Thron (er mochte das Wort). Und er würde ihn sich holen, koste es, was es wolle.

»Was für bescheuerte Schleimscheißer.«

Irritiert hielt er in der Bewegung inne, blickte einige Sekunden lang still das lächerliche Buch an, in dem er noch immer geblättert hatte, und hob dann langsam den Kopf. Hatte er sich gerade verhört? Hatte er vielleicht schon akustische Halluzinationen? Bel glaubte nicht, dass er jemals jemanden in diesem Haus hatte fluchen hören, nur sich selbst. Und schon gar nicht in einem solchen Ausmaß.

Neben ihm, dadurch ebenfalls vom Geschenkehaufen vor den anderen versteckt, stand ein Mädchen.

Als er sie zum ersten Mal wahrnahm, fiel ihm als erstes auf, dass sie kein Kleid trug, wie die anderen Mädchen. Fein angezogen war sie dennoch, aber eben mit Hose und Bluse, das war ziemlich selten. Und alles war schwarz. Genauso wie ihre langen Haare. Die blauen Augen standen in extremem Kontrast dazu, wie er fand.

Belphegor blieb am Boden sitzen und sah ausdruckslos zu ihr hoch, zog schließlich eine Augenbraue nach oben, was sie jedoch natürlich nicht sehen konnte. »Hast du sie gerade bescheuerte Schleimscheißer genannt?«, fragte er tonlos.

»Nein, ich hab gesagt, sie sind regenbogenkotzende Einhörner, du hast dich nur verhört, weil du Haare in den Ohren hast«, sagte sie mit trockenem Sarkasmus, bevor sie sich einfach so ihm gegenüber auf den Boden setzte. Ihm fiel das zerbeulte, in hässliches Geschenkpapier gewickelte Päckchen in ihren Händen auf. »Ja, ich hab sie bescheuerte Schleimscheißer genannt. Sind sie doch auch. Als ob es ihnen irgendwas bringen würde, Rasiel in den Arsch zu kriechen. Am Ende steckt er sie nur alle an, mit seiner… Was auch immer das ist.«

»Dummheit?«, schlug Bel dumpf vor.

Sie grinste schief. »Ja, das kommt hin.«

Einige Sekunden lang saßen sie sich nur gegenüber und sahen sich schweigend an. Belphegors Hände hielten noch immer das dämliche Anatomiebuch für Kinder fest, er betrachtete sie misstrauisch und dachte nach. Er glaubte nicht, dass er sie wirklich kannte, aber nun, da er sie länger angeblickt hatte, wurde ihm klar, dass sie jedes Jahr auf seinem und Siels Geburtstag war. Wahrscheinlich waren ihre Eltern mit seinen befreundet und schleiften sie deshalb immer wieder mit. Wäre er nicht so von sich selbst eingenommen, hätte er vielleicht Mitleid mit ihr, denn diese dummen Feste machten wirklich nur Spaß, wenn man Rasiel hieß. Und er bezweifelte, dass sie das tat…

»Hat er dich geschickt, damit du mich verarschst?«, fragte er schließlich schroff. Er konnte sich das gut vorstellen. Dass Rasiel irgendein Mädchen dazu versklavte, zu ihm zu kommen und so zu tun, als sei es auf seiner Seite, nur damit ihm später wieder ein Strick daraus gedreht wurde und er Ärger bekam, weil er alle hinter ihrem Rücken beleidigte. Dabei konnten sie froh sein, wenn es nur Beleidigungen waren. Letztes Jahr hatte er hinter ihrem Rücken ganz andere Dinge gemacht, und er war heute noch stolz auf das Katapult aus Schalen und Besteck, das er gebaut hatte, um zwei besonders nervige Gäste mit Mousse au Chocolat zu bewerfen.

Dieses Jahr gab es keine Mousse au Chocolat.

Sie runzelte die Stirn und er musste feststellen, dass sie wirkte, als habe er sie gerade zutiefst beleidigt. Und vielleicht hatte er das sogar auch. Aus seiner Sicht zumindest war es nicht gerade ein Kompliment, unterstellt zu bekommen, mit jemandem wie Rasiel zusammenzuarbeiten. Er hatte nur nicht gedacht, dass das außer ihm noch jemand so sah.

»Nein, hat er nicht«, antwortete sie trotzig. »Meine Mum hat mich geschickt, damit ich dir endlich dein Geschenk gebe.«

Bel seufzte leise und deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Wirf es einfach auf den Stapel«, sagte er unwirsch. »Oder gib es gleich Siel, der wird es sowieso früher oder später klauen.«

Sie grinste schon wieder. »Dieses wird er nicht klauen wollen.«

Das bezweifelte Belphegor. Rasiel wollte aus Prinzip alles haben, was ihm gehörte. Na ja, er wollte generell alles auf dieser Welt haben, und dummerweise bekam er es auch. Und besonders reizvoll waren für ihn wohl Dinge, die eigentlich für seinen Bruder bestimmt waren. Bel dachte sich jedes Jahr um die Weihnachtszeit, die ja gleichzeitig auch die Zeit ihrer Geburtstage war, neue Fallen aus, die er in seinem Zimmer aufbauen konnte, damit Siel sich nicht nachts hineinschlich und einfach seine neuesten Geschenke klaute, aber irgendwie konnte sein Bruder sie immer umgehen.

Und egal, was sie ihm hier geschenkt hatte, selbst wenn Rasiel es hässlich, unnütz oder bescheuert fand (was eigentlich all ihre Geschenke immer waren), würde er es haben wollen. Nur, weil es Bel gehörte.

Sie warf ihm das Paket einfach in den Schoß. Gott, dafür, dass sie hier einem verdammten Prinzen gegenüber saß, war sie ganz schön dreist. Aber Bel hatte keine Lust, sich darüber aufzuregen. Es überraschte ihn nur ein wenig. Vielleicht machte es sie sogar ein bisschen interessant.

Mit gerümpfter Nase senkte er den Blick, zog das Buch unter dem Päckchen weg und legte es beiseite, tastete schließlich das Geschenkpapier ab.

»Was machst du da?«, fragte sie.

»Ich versuche, zu erfühlen, was drin ist«, antwortete Bel sachlich. Stoff. Wahrscheinlich. Es war etwas Weiches. Also kein Buch, das war schon mal gut, die Zahl der Bücher, die er jedes Jahr geschenkt bekam, stieg exponentiell.

Einen Moment lang sagte sie nichts, neigte nur stumm den Kopf auf die Seite. »Warum machst du es nicht einfach auf?«, fragte sie dann. »Dann wüsstest du, was drin ist, Idiot.«

Bel verzog das Gesicht und schielte an seinen Haaren vorbei zu ihr. »Ich bin kein Idiot«, fauchte er. Nein, er war ein Genie, und Genies machten das eben so, er wusste auch nicht, warum. Es war irgendeine Art Automatismus.

Schließlich seufzte er und drehte das Päckchen um, seine Finger suchten und fanden die dünnen Tesafilmstreifen und zogen sie schließlich fein säuberlich ab. Geschenkpapier zerriss er nie. Warum auch immer. Alles andere macht er eigentlich sehr gern kaputt, nur Geschenkpapier blieb jedes Jahr verschont. Vielleicht, weil man es ihm so beigebracht hatte. Er hatte keine Ahnung und es war ihm auch egal.

Schlussendlich kam unter dem Papier das hervor, was er erwartet hatte: Stoff. Das war aber auch schon alles, mit dem Rest hatte er nicht gerechnet. Bel hob die Augenbrauen und nahm den Pullover mit beiden Händen am Kragen, hielt ihn hoch und vor sein Gesicht, um ihn komplett zu mustern. Seine Größe. Keine Frage. Würde ihm wohl passen, war eindeutig für ihn. Und vielleicht würde Rasiel ihn doch nicht klauen. Sowas wollte er garantiert nicht haben.

Manchmal, wenn Belphegor nicht schlafen konnte, weil er zu aufgebracht war, schaltete er den riesigen Fernseher in seinem Zimmer ein. Und um diese Zeit in der Nacht kamen nur zwei Sorten von Filmen, nämlich Pornos und Horrorfilme. An Pornos war er nicht interessiert, dafür war er ja eh zu jung. Für Horrorfilme selbstverständlich nicht. Er war an diesem Tag erst acht geworden, aber was sollte es, er war ein Genie und damit schlau genug, um sogar zu wissen, dass die meisten Todesarten in diesen Filmen überhaupt nicht möglich waren.

Trotzdem fand er es amüsant, sie zu gucken. Er mochte das Bild von blutenden, schreienden Menschen, die alle Angst hatten und flüchteten vor einer einzigen, unheimlich coolen Person. Gut, manchmal war der Killer in diesen Filmen auch einfach nur ein ausgemachter Idiot und hin und wieder kam es vor, dass Bel den Fernseher vor lauter Ärger wieder abschaltete, weil er sich immer nur dachte, dass er das besser gekonnt hätte.

Es gab nur eine Reihe, die ihm immer gefiel. Es ging um Teenager und Alpträume. Dadurch, dass es mittlerweile schon zwölf Filme gab, wurde es mit der Zeit immer niveauloser, aber Bel sah sich trotzdem jeden einzelnen unheimlich gern an. Er mochte den Killer, der überall Narben im Gesicht hatte. Freddy Krueger. Und Freddy Krueger trug immer gestreifte Shirts. Manchmal schwarz-grün, manchmal schwarz-rot. Bel hatte immer auch so welche gewollt, aber Prinzen trugen so etwas nicht, deshalb hatte man ihm überhaupt erst keins besorgt.

Und nun besaß er einen schwarz-rot gestreiften Pullover. Wie Freddy Krueger. Jetzt fehlten nur noch die Klingen in der Hand…

»Gefällt er dir?«, fragte sie ungeduldig.

Etwas aus dem Konzept gebracht ließ er den Pulli sinken und sah zu ihr. »Eh… Ja«, antwortete er nur, und fügte dann ein »Danke« hinzu, das er nicht so meinte. Man hatte ihm beigebracht, dass er sich bedanken sollte, aber Bel sah keinen großen Sinn dahinter. Er war nie dankbar. Bald würde er auch aufhören, dieses Wort in den Mund zu nehmen.

Sie grinste, offensichtlich erfreut, und schien die Lüge hinter diesen bloßen zwei Silben nicht gehört zu haben. »Bitte!«, sagte sie. »Und pass bloß gut darauf auf – wenn du zulässt, dass dein dummer Bruder, der übrigens nichts von mir bekommen hat, ihn dir klaut, dann werd ich dich verprügeln.«

Belphegor schnaubte belustigt. Natürlich würde sie das. Niemand verprügelte ihn. Nicht einmal Siel schaffte das, obwohl er oft kurz davor stand. Sie prügelten sich häufig, doch letzten Endes gewann keiner. Zumindest sagte Bel das so, während Siel jedes Mal behauptete, der eindeutige Sieger zu sein.

»Alles klar«, meinte er nur.

Er legte den Pulli zusammen (eine Angewohnheit, die er auch bald verlieren würde) und in seinen Schoß, neigte den Kopf dann etwas. Sie hatte also ihm etwas zum Geburtstag geschenkt, was ihm tatsächlich gefiel, und seinem Bruder nichts. Das war … verdammt seltsam.

»Warum magst du ihn nicht?«, fragte er.

Sie schien ihn einen Augenblick lang zu mustern, bevor sie die Nase kraus zog und den Kopf schüttelte. »Du redest auch selten über was anderes als über ihn, oder?«, sagte sie schroff. »Genau deshalb mag ich ihn nicht. Ständig drängt er sich überall in den Mittelpunkt. Schau mal, nicht mal du kannst ihn ausstehen, und trotzdem taucht er in jedem zweiten deiner Sätze auf. Siel tut dies, Siel tut das. Siel darf dies und ich nicht, die Welt ist so ungerecht, weil sie ihm das erlaubt haben und mir nicht, bla, bla. Das ist nervig. Und ich sag dir, die anderen mögen ihn auch nicht. Sie tun nur so. Und ich bin ehrlich, das ist alles.«

Darauf schwieg Bel. Die Tatsache, dass sie Recht hatte, ärgerte ihn. Er redete wirklich verdammt oft über Rasiel, selbst wenn er dann mal nicht in der Nähe war, aber worüber sollte er schon sonst sprechen? In diesem verfluchten Anwesen gab es ja kaum etwas anderes Nennenswertes. Sein Bruder war omnipräsent. Und das war widerlich.

»Er wird ein lausiger König«, sagte sie seufzend.

Und mit einem Mal, als hätte sie einen Schalter umgelegt, schlich sich ein schmales, schiefes Grinsen auf seine Lippen.

»Er wird überhaupt kein König.«
 

Sie hatte nicht ganz verstanden, was er damit gemeint hatte. War aber nicht schlimm gewesen, damit hatte er ja gerechnet. Er hatte schon längst einen festen Plan, doch außer ihm wusste niemand Bescheid. Das einzige, was ihm noch fehlte, war der Zeitpunkt der Ausführung.

Der ließ nicht lang auf sich warten. Den Feiermarathon hielt er noch durch. Es war jedes Jahr das gleiche: Sie begannen am zweiundzwanzigsten Dezember, am Prinzengeburtstag. Dann war ein Tag Pause, darauf folgte Weihnachten. Und sie feierten nicht nur Heiligabend, sondern die ganzen verdammten Weihnachtstage durch, weshalb die sich für Belphegor gewöhnlich als die unerträglichsten und nervigsten Tage des Jahres gestalteten. Hatte er die überstanden, war wieder kurz Pause, dann kamen Silvester und Neujahr, und am zweiten Januar reisten dann endlich auch die hartnäckigsten Gäste endlich wieder ab. Bis dahin war seine Laune dann auf dem Tiefpunkt, Rasiels Laune auf dem Höhepunkt und die Geschenke, die sie in der Zeit bekommen hatten, hatten sich bereits sehr ungleich verteilt – was im Prinzip bedeutete, dass Rasiel so gut wie alles hatte, außer das, was wirklich, wirklich beschissen war. Das blieb dann für Bel.

Und sobald der letzte Gast das Haus verließ, begannen die Prügeleien wieder. Belphegor konnte sich vorstellen, dass sie jedes Jahr am zweiten Januar einen Deziliter Blut mehr verloren. Beide.

Dieses Mal war es ein klein wenig besser. Er und sie brachten sich gegenseitig zum Lachen, klebten die ganzen Weihnachtsfeiertage aneinander und manchmal bekam er den Gedanken, dass sie sich wohl wirklich irgendwie … anfreundeten. Sie machte all das mit, wofür er sonst nur Ärger bekam (der ihn natürlich nie störte). Sie spielten Streiche und lachten Leute aus, beleidigten alles und jeden, der ihnen über den Weg lief, und am letzten Weihnachtstag überredete er sie sogar, in seinem Zimmer zu übernachten und mit ihm Nightmare on Elm Street zu gucken, um ihr zu zeigen, weshalb er den Pullover so mochte.

Er trug ihn übrigens noch nicht, weil seine Eltern ihn fast an sich gerissen hätten, als sie ihn gesehen hatten. Sie meinten, es sei keine angemessene Kleidung für einen Prinzen. Belphegor beschloss, dieser Diskussion während der Feiertage noch aus dem Weg zu gehen und den Pulli später trotzdem zu tragen.

Und sie fand den Film nicht halb so lustig wie er. Aber der Abend war trotzdem schön gewesen.

Am neunundzwanzigsten Dezember kamen sie schließlich auf die Idee, sich in die Küche zu schleichen und einfach mal zu sehen, was man dort anstellen konnte. Es endete darin, dass der ganze Raum in Flammen stand.

Nach einer gigantischen Standpauke ihrer Eltern, einer Menge Schadenfreude seitens Rasiels und vielen hektischen Entschuldigungen packte ihre Mutter schließlich ihre Sachen zusammen und nahm sie frühzeitig mit nach Hause. Sie durfte Silvester nicht mit ihnen feiern und Bel musste helfen, die ausgebrannte Küche auszuräumen.

Als sie bereits zum Abschied auf der Türschwelle stand, machte Rasiel sich über die Tatsache lustig, dass an Belphegors Kleidung noch immer Ruß klebte und er stank. Daraufhin schlug sie ihm mit der bloßen Faust mitten ins Gesicht. Das war das letzte, was er von ihr sah.

Zumindest, bevor es passierte.

Es war der fünfte Januar. Rasiels Nase war gebrochen, nachdem Belphegor am gleichen Tag noch einmal draufgeschlagen hatte. Und in seinem Brustkorb drückte etwas verdächtig, was wohl hieß, dass Siel ihm schon wieder ein oder zwei Rippen angebrochen hatte. Aber das machte nichts. Kam öfter vor und basierte auf Gegenseitigkeit. Solang Bel wusste, dass sein Bruder ebenfalls Schmerzen hatte, war es in Ordnung.

Er war noch im Halbschlaf gewesen, weshalb er es nicht bemerkt hatte, wie Siel sich an den Stolperfallen vorbei in sein Zimmer geschlichen hatte. Es war ihm alles zu spät aufgefallen. Erst, als sein Bruder ihn bereits in die Matratze gedrückt hatte, mit genügend Abstand, um seinen Schlägen zu entgehen. Und dann hatte er Matsch im Mund gehabt. Und Regenwürmer.

Sicherlich rechnete Rasiel mit Rache. Aber garantiert nicht mit diesem Ausmaß. Es war eben nicht nur Rache für das widerliche Frühstück. Es war Rache für alles. Während Bel sich den Mund ausgewaschen hatte, war ihm klar geworden, dass es heute sein musste. Er konnte nicht recht sagen, wieso. Es schien einfach richtig.

Ihm war danach.

Heute war ein guter Tag, seinen Bruder zu töten. Das war alles.

Er hatte überlegt, ob er Schlaftabletten benutzen sollte, aber die waren ihm zu nett vorgekommen. Und zu langweilig. Nein, als er vorsorgend durch die Medizinschränke des gigantischen Krankenzimmers in ihrem Anwesen gestöbert hatte, hatte er etwas viel Unterhaltsameres gefunden.

Abführmittel.

Er wusste, wie es wirkte, jede Einzelheit. Erst würde er grässliche Magenschmerzen bekommen, wahrscheinlich schlimmer als jede gebrochene Rippe oder Nase, die Belphegor bereits verursacht hatte, schlimmer als jede Wunde. Er würde sich kaum auf den Beinen halten können vor Schmerzen. Tja, und dann würde er sich die Seele aus dem Leib scheißen.

Aber so weit würde er es vielleicht gar nicht kommen lassen. Er wollte nur sehen, wie Rasiel sich vor Schmerzen wand, nur sichergehen, dass er geschwächt war, das reichte schon.

Nicht gerade die feine englische Art, das wusste er auch. Aber Bel war ja kein Engländer, das reichte ihm als Entschuldigung. Es war immerhin sein dummer Bruder, der hatte überhaupt keine andere Behandlung verdient.

(Und auch, wenn das vielleicht niveaulos war, gefiel Bel die Vorstellung, dass Rasiel als Hosenscheißer sterben würde.)

Es war lächerlich einfach gewesen, Rasiel die Tropfen in sein Trinken zu mischen. Und es war unglaublich schwer gewesen, nicht lauthals zu lachen, als er dabei zugesehen hatte, wie er es einfach geschluckt hatte. Alles.

Kurz darauf hatte er da gesessen, sich gekrümmt und gezittert. Und Bel hatte kaum atmen können, so sehr hatte die Befriedigung ihn überrollt.

Er hatte sich Zeit gelassen, danach. Bis zum richtigen Augenblick gewartet, von dem er gewusst hatte, dass er kommen würde. Er war berechenbar. Oh, Belphegor genoss diesen Gedanken. Rasiel war berechenbar. Und genau daran würde er sterben.

Und hier stand er. Im Garten. Bel wusste nicht, warum er hierhergekommen war, als er gemerkt hatte, dass der Moment näher rückte. Vielleicht wollte er Rasiel noch eine kleine Herausforderung geben – ihn zu finden.

Es war helllichter Tag und für Januar sogar recht warm. Nirgends lag Schnee, das Gras war grün und sie standen zwischen kahlen Apfelbäumen, die die Idylle ein bisschen störten. Aber das machte ja nichts. Kahle Bäume würden bald nicht mehr die einzigen sein, die das taten.

Bel stand still auf dem Rasen, hatte ihm den Rücken gekehrt, denn er hörte noch, wie er lief. Er schätzte, dass sie noch ungefähr fünf Meter voneinander entfernt waren, als Siel stehen blieb.

»Heey, Bel.« Seine Stimme klang aggressiv. Aber sie war nicht so laut wie sonst und Belphegor konnte hören, dass er keuchte. Wahrscheinlich hatte er immer noch Schmerzen. Es war so unglaublich perfekt. »Ich weiß, was du getan hast.«

Langsam drehte Bel sich um. Sein Bruder war blass, fast völlig weiß im Gesicht. Er versuchte, es zu unterbinden, aber seine Finger zitterten. Das entging ihm nicht. Nichts entging ihm mehr. Belphegor war von Kopf bis Fuß angespannt, vorbereitet. Gleich würde der Angriff folgen. Er würde werfen. Mit rechts. Sie hatten leichten Wind, der von den Bäumen minimal abgebremst wurde, also würde der Dolch, den er bei sich hatte (Bel hatte das daran gesehen, wie der Gürtel um seine Hose saß, denn dort steckte die Waffe irgendwo), genau zwei Millimeter weiter links ankommen, als er eigentlich sollte. Die Flugbahn betrug gute fünf Meter und die Klinge würde nur einen Sekundenbruchteil brauchen, bis sie sich ungefähr auf der Höhe seines linken Schultergelenkes in seine Haut bohren würde.

Zumindest gesetzt dem Fall, dass es so lief, wie Siel wollte. Das würde es aber nicht tun. Diesmal nicht.

Die Schwächung seiner Glieder hatte Belphegor längst einberechnet. Der Dolch würde langsamer und deshalb etwas tiefer fliegen. Physik. Nur ein bisschen Physik.

Im Nachhinein war es fast desillusionierend, wie schnell alles geschah. Es dauerte nicht einmal fünf Minuten, bis Rasiel tot war. Bel war sich nicht sicher, ob es überhaupt eine Minute gedauert hatte.

Siels rechte Hand schnellte nach hinten und Belphegor sah vor seinem inneren Auge, wie die dünnen Finger sich um den vergoldeten Griff des Dolches schlossen. Dann bewegten sich beide Arme gleichzeitig, Rasiels rechter, Bels linker.

Er wollte eine einfache Prügelei. So wie sonst auch. Es begann oft so. Einer warf ein Messer und traf den anderen, es folgte eine Rangelei, bis jemand die Klinge wieder zu fassen bekam, und sie schnitten einander, oberflächlich, schlugen und traten. Und dann zog sie einer der Diener wieder auseinander. Und Rasiel behauptete, er habe gewonnen. Das wollte er, das erwartete er heute wieder.

Allein die Tatsache, dass es nicht so eintreten würde, wie sein Bruder dachte, versetzte Bels Genugtuung in ungeahnte Dimensionen.

Der Dolch flog haargenau so, wie er es berechnet hatte. Und deshalb war es ein Leichtes, ihn abzufangen. Ja, es war tatsächlich verdammt leicht. Belphegor hatte viel geübt, vor allem mit fliegenden Klingen. Er konnte sie werfen und fangen, so gut wie perfekt. Die richtigen Messer, die ihm gerecht wurden, hatte er noch nicht gefunden, aber die zahlreichen kleinen Dolche, die seiner Familie gehörten, waren gute Übungsobjekte.

Und nun stand er da und hielt den Dolch am Griff fest, bevor die Klinge seine Haut auch nur ansatzweise berührt hatte. Und es war egal, wie viele Haare vor Rasiels Augen hingen, Bel konnte genau sehen, wie er sie aufgerissen hatte und ihn anglotzte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Er lachte leise.

»Ushishishi…«

Rasiels Augen verengten sich augenblicklich wieder, er legte den Kopf etwas auf die Seite. »Oh, toll gemacht«, sagte er sarkastisch. »Wahnsinn, Bel, du bist so ein Genie…«

»Da hast du verdammt Recht«, hauchte Bel, und obwohl seine Stimme sehr leise war, konnte er ihn damit unterbrechen. Es war wohl dieser Moment, in dem Rasiel zum ersten Mal den Ernst der Lage erkannte.

Und es war wohl dieser Moment, in dem es viel, viel zu spät war.

Mit einer unerwartet plötzlichen Bewegung stürzte Belphegor nach vorn. Die fünf Meter zwischen ihnen hatte er fast genauso schnell zurückgelegt, wie es der Dolch eben getan hatte. Siel hob abwehrend die Hände und machte einen Schritt rückwärts, doch das nutzte ihm alles nichts mehr.

Belphegor brachte ihn mit seinem Körpergewicht zu Fall. Luft entwich aus Rasiels Lunge, als er hart mit dem leicht gefrorenen Boden kollidierte, er keuchte, japste für einen Moment nach Atem.

Dann schrie er auf.

Belphegor würde diesen Moment niemals, niemals in seinem ganzen Leben vergessen.

Blut benetzte sein weißes Hemd und seine rechte Hand. Es tränkte auch Rasiels schwarzes Oberteil. Und mit jedem pulsierenden Herzschlag seines Bruders trat es weiter aus der langen Wunde, die quer über seine Brust verlief. Sie war noch nicht tief genug, um ihn auf der Stelle zu töten, oh nein, so leicht würde Bel es ihm nicht machen.

Das dachte Rasiel sich wohl auch. »Geh runter von mir«, fauchte er, stemmte seine Hände gegen Belphegors Schultern und warf ihn von sich.

Bel kippte rückwärts auf den Hintern, stützte sich mit der freien, linken Hand (während seines Sturms nach vorn hatte er den Dolch natürlich in seine bessere Hand wechseln lassen) im kalten Gras ab. Er grinste, breit und schief, während er beobachtete, wie das Blut unaufhörlich aus dem Körper seines Zwillings floss.

»Du hinterlistiges Stück Dreck«, zischte Rasiel, der es gerade tatsächlich schaffte, sich wankend auf die Füße zu stellen. »Das gibt Ärger, das schwör ich dir!«

»Versprich nichts, was du nicht halten kannst«, flüsterte Bel, sein Grinsen war mittlerweile fast animalisch. Er sprang auf die Beine und warf sich nach vorne, die Klinge sauste durch die Luft, einmal, zweimal, dreimal – er hörte auf zu zählen.

Rasiel versuchte, sich zu wehren, aber nichts half ihm mehr. Belphegor befand sich in völliger Ekstase, wahrscheinlich hätte man ihm einen Arm absägen können und er hätte trotzdem einfach weitergemacht. Immer und immer wieder führte er das kalte Metall durch den Körper seines Bruders, das Blut spritzte ihm entgegen, es war überall, einfach überall, die ganze Welt war dunkelrot, die ganze Welt war Rasiel. So wie immer. Aber zum ersten Mal störte es ihn nicht. Denn Rasiel starb.

Seine Augen blickten ihm glasig entgegen, Bel konnte sie durch die Haare sehen, er hatte sie immer sehen können. Er wankte nach vorn, dann zurück. Dann wieder nach vorn. Und kippte um. Mit dem Gesicht voran in den Rasen, in den Dreck. Wie ein I-Tüpfelchen fiel die Krone vom Kopf. Unter dem kleinen, schwarz gekleideten Oberkörper breitete sich nach und nach eine dezente Blutlache aus, die gleich wieder im aufweichenden Boden versickerte.

Sekunden, die ihm wie Stunden vorkamen, vergingen, und alles, was er hörte, war sein eigener, rasselnder Atem. Der Dolch fiel neben ihm zu Boden, er starrte seinen Bruder noch einen Augenblick lang an, dann legte er den Kopf in den Nacken und starrte gen Himmel. Seine zitternden Arme hoben sich ebenfalls, er hielt sie vor sein Gesicht, musterte diese unglaubliche Menge an Blut, die an ihnen haftete, und lächelte ob der Schönheit, die von ihr ausging.

»Oh, mein Gott.«

»Einen Arzt. Holt sofort einen Arzt! Er verliert Blut, los, lauft schon, holt – den – Arzt! Prinz Siel! Prinz Siel!«

Ein heiseres Lachen entwich Belphegors Kehle. »Er ist tot«, erklärte er leise, bevor er langsam den Kopf zu dem jungen Diener drehte, der geschockt einige Meter entfernt von ihm stand.

»Warst… Warst du das etwa…?«

Sein Anblick war wohl Antwort genug. Der Mann schluckte hörbar.

»Aber warum…?«

Belphegor lächelte noch immer, mittlerweile war es fast höflich, so, wie er oft lächelte, wenn Personal anwesend war und er versuchen musste, Sympathie zu schinden.

Er zuckte die Achseln. »Ich hab ihn mit ‘ner Kakerlake verwechselt.«

Ungläubig starrte der Butler ihn an, wusste darauf wohl keine Antwort. Belphegor lächelte weiterhin selig, wandte den Blick von ihm ab und betrachtete wieder seinen am Boden liegenden Bruder. Ja, das war er. Eine Kakerlake. Mehr nicht. Ungeziefer, der Dreck unter seinen Schuhen. Ein Schädling, den man auslöschen konnte. Und das hatte er getan. Er hatte ihn einfach zerquetscht. Und das war alles, was blieb, alles, was er war. Nicht mehr und nicht weniger.

Nur eine Kakerlake im Gras.

Er hörte viele laute Schritte und nahm irgendwann die Stimmen seiner Eltern wahr. Oh, ja. Denen würde das nicht gefallen. Aber darüber hatte Belphegor auch schon vorher nachgedacht. Sie würden es wohl nicht sehr gutheißen, dass er die Kakerlake zertrampelt hatte. Wie sie meinten. Dann würde er sie wohl auch noch töten. War kein so großes Problem, fand er.

Dumpf drangen ihre Stimmen an seine Ohren. Sie waren entsetzt und klangen verzweifelt. Der Thronfolger war tot. So ein Mist. Aber er war ja auch nur eine Kakerlake gewesen, Insekten machten sich selten gut auf dem Thron. Das verstanden sie wohl nicht. Sie fragten ihn irgendetwas, was er nicht verstand, immer und immer wieder. Bel starrte nur weiterhin seinen toten, toten Bruder an, lächelte und lächelte, und sie packten ihn und rüttelten ihn und brüllten ihn an, riefen seinen Namen, »Belphegor, Belphegor!
 

Belphegor!
 

Belphegor!«

Ihre Stimme ist schwach und droht, zu brechen. Oh, richtig. Richtig…

Unter seinem Haar wandern seine Augen von links nach rechts und wieder zurück, er sieht sich völlig ruhig um. Sie befinden sich im Garten des Varia-Anwesens und es muss wohl Nacht sein. Der Himmel ist dunkel, es ist kühl. Unter seinen Füßen befindet sich farbloses Gras, in das hin und wieder ein wenig Blut tropft.

Die Finger seiner linken Hand umschließen ihren Kragen so fest, dass die Knöchel weiß hervortreten. In ihren Augen steht pure Todesangst, auf den Wangen entdeckt er getrocknete Spuren von Tränen und sie starrt ihn an wie ein verschrecktes Reh. Ob sie wohl weiß, dass sie es damit nur noch schlimmer für sich macht? Ob sie wohl weiß, dass ihn das nur noch mehr anstachelt?

»B-Bel… Bitte… D-Du hast gesagt, du tötest mich nicht…«

»Hab ich«, bestätigt er prompt. Seine Stimme ist wieder mal sehr leise und ein wenig heiser, er weiß, dass das so ist, weil er so viel gelacht hat.

Er wird sie auch nicht töten. Sie ist seine einzige noch bestehende Verbindung zu früher. Sie und all diese Pullover, die oben in seinem chaotischen Zimmer rumfliegen.

Aber sie hat sich selbst in diese Gefahr gebracht. Ja, langsam kehren die Erinnerungen wieder. Sie wollte trainieren. Mit ihm. Sie ist nicht schlecht, klar. Sie ist erwachsen geworden und ihrer Mitgliedschaft in der Varia verdammt würdig. Aber wie es aussieht, wusste sie trotzdem nicht, worauf sie sich da einließ.

Im Nachhinein weiß er nicht mehr, ob er sich absichtlich von ihr hat verletzen lassen, um ihr die ganze Sache mal zu demonstrieren, oder ob sie es tatsächlich irgendwann geschafft hat, ihn zu überrumpeln. Jedenfalls blutet er. Aus der Nase und aus zwei Schnitten in seiner Wange. Normalerweise reicht das nicht, um ihn derart in die Raserei zu versetzen, die ihn berühmt und berüchtigt gemacht hat. Aber all die Umstände haben es begünstigt.

Die Kühle. Das Gras unter ihnen. Der kahle Garten. Und sie.

Der Pullover, den er zum achten Geburtstag bekommen hat, ist mittlerweile natürlich viel zu klein. Aber er liegt noch immer oben in seinem Schrank. Manchmal denkt er, dass damit alles angefangen hat.

Mittlerweile hat er die richtigen Messer gefunden. Er geht nirgends mehr ohne sie hin. Eines von ihnen liegt an ihrer Kehle und er stellt fest, dass sich die Spitze bereits ein gutes Stück in ihre Haut gebohrt hat und gefährlich nah an ihrer Schlagader sitzt.

Ach, deshalb diese Furcht.

»Belphegor…«

Wieder hört er, wie sie alle seinen Namen rufen. Bald sind sie alle tot. Bald hat er sie alle getötet, jedes einzelne Insekt zermalmt, zu Boden getreten, verarbeitet zu einer klebrigen, schleimigen Masse, die nur noch lächerlich mit den Beinchen zuckt und schlussendlich aufgibt.

Bald hat er es ihnen allen bewiesen – dass er der einzige ist. Nicht der zweite, auch nicht der erste. Einfach nur der einzige.

Sie schluchzt auf und wimmert leise. Bel neigt den Kopf langsam so weit auf die Seite, dass sein Ohr fast seine Schulter berührt. »Keine Sorge«, sagt er und hätte beinahe behutsam geklungen, wäre da nicht der unverkennbare, wahnsinnige Unterton. »Ich werde dich niemals töten…«

Das Messer zieht sich aus ihrer Haut zurück. Er lässt ihren Kragen los und sie fällt zu Boden, rücklings ins dunkle Gras. Die blauen Augen starren ihn an und sie keucht leise.

Er lächelt. »Nicht, solang du mich daran erinnerst, dass ich der Prinz bin.«

Sie führt es ihm so wundervoll vor Augen, mit dieser wissenden, großäugigen Angst. Er ist es. Der Prinz. Nicht einer von zweien. Nicht der andere hinter dem ersten. Der einzige.

Ja, sie macht ihren Job gut. Vielleicht war es Zufall, dass sie sich wieder gefunden haben. Vielleicht auch nicht. Er ist immerhin ein Genie. Und sie… Manchmal denkt er, sie hebt sich von den anderen ab. Manchmal denkt er, sie ist etwas Besonderes.

Aber wahrscheinlich ist sie das nicht. Denn letztendlich sind sie alle gleich.

Letztendlich sind sie alle nur Kakerlaken im Gras.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-10-23T11:27:24+00:00 23.10.2010 13:27
Genial, genial, genial!
Dass du Bel mit Freddy Krueger verglichen hast brachte mich zum schmunzeln.
Ich muss wirklich anmerken, dass bei dir irgendwie immer Humor durchkommt, egal wie ernst es ist.
Deinen Schreibstil bewundere ich ja sowieso.
Kann es sein, dass es sich bei "ihr" um Mammon handelt?
Ich könnte mir das wirklich gut vorstellen, die Geschlechtsfrage ist bei Mammon meines Erachtens noch nicht vollständig geklärt :)
Liebe Grüsse
Ren
Von:  BarbieTosa
2010-03-11T16:19:20+00:00 11.03.2010 17:19
WoW!!
Das ist...
... ist....
..................
Triffts genial??
Ja, ich denk schon, ok das ist genial!!!!!!
°^°
Ich hätte an Bel's Stelle Rasiel regelrecht niedergemetzelt, sodas man ihn erst wieder zusammen suchen müsste...
Aber sie tut mir iwie leid...
& Bel is nach wie vor einfach nur hamma! ID
Vor allem seine Wut & seinen Hass auf Siel hast du gut darein gepackt. Würde ich in 1000000 Jahren nicht so... echt & glaubwürdig hinbekommen!
Oo
Ehrlich, man fängt an Siel so richtig zu hassen wenn man das liest!
^^
So, jetz fällt mir nix mehr ein. ;D

LG
M_C.
Von: abgemeldet
2010-03-07T13:26:44+00:00 07.03.2010 14:26
Whow.
Daaas war super special awesome!
Also jetz im Ernst und so. XD Das war total authentisch, i-wie waren Bels Gedankengänge richtig nachvollziehbar... Oh Gott, hab ich das grad wirklich geschrieben? XDDD
Jedenfalls - diese ständige Unterdrückung durch Siel und so, da kann man scho verstehen, dass Bel ma durchdreht. Zumal man es, wenn man es so sieht, eigtl fast gänzlich auf Siel schieben kann, dass Bel so geworden is. Nya, auf Siel und eine natürliche Veranlagung für Psychosen...
Und sie hat einfach perfekt reingepasst, in das Ganze.
Nyooo, ich mag den Titel Sehr passend. XD
Ah und das Ende, also dieser Schlussteil im Präsens, der gibt nen super Ausklang her :D
Jah. Also wie gesagt, es war alles i-wie... nachvollziehbar. Bestimmt is es wirklich so passiert. In Italien. Vor einigen Jahren. Darüber gibt's bestimmt Zeitungsberichte. Und bestimmt gibt es bewaffnete Mafia-Babys. Oder auch nicht. Hab den Faden verloren, duh!
...
Ah ja. Rasiel isn Arsch. Und sie is voll cool und so /D
Nyooo war wieder sehr nice zu lesen und alles, vor allem is der Schreibstil so addicting °__°


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