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Mississippi Dreams

von

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Intrigen

Autor: desertdevil
 

Teil: 2/?
 

Beschreibung: June ist ein Junge der auf einer Plantage im Mississippi Delta aufgewachsen ist und mit seiner Stiefmutter zusammenleben muss. Ihren Launen ausgesetzt muss er sich ziemlich viel gefallen lassen, da sein leiblicher Vater nicht ihm, sondern seiner zweiten Frau die Plantage hinterlassen hat. Diese lässt keinen Mann aus und bringt schließlich sogar einen Liebhaber mit nach Hause, den sie gedenkt zu heiraten. June ist damit überhaupt nicht einverstanden, stellt sich quer und macht sich damit nicht nur weiter seine Stiefmutter zum Feind, sondern auch ihren Liebhaber.

Sooo.. mehr will ich gar nicht voraus nehmen, ist eigentlich schon viel zu viel. ^^

Viel Spaß beim Lesen…
 

Disclaimer: Die Geschichte ist frei erfunden und gehört mir, einschließlich aller Personen die darin vorkommen. Wer ausleihen möchte, bitte vorher fragen.
 

Rating: PG-16
 

Warnung: lemon/lime, rape, romantik, yaoi
 


 

Kapitel 02
 

Intrigen
 

»Sie sind hier nicht erwünscht, Mr. Riplay. Es wäre einfach für alle Beteiligten, wenn sie sich einfach in ihren Wagen setzen und abfahren würden.«

June biss die Zähne zusammen vor wieder aufkeimender Wut, als der Mann sich mit seiner linken Hand nur den Stumpen seiner Zigarre wieder in den Mund steckte und ihn einen Moment lang musterte, ohne ein Wort zu sagen. Mit spöttischem Gesichtsausdruck lehnte er an der Säule. Seine rechte Hand hing regungslos an ihm herunter, nur die Finger krümmten sich gelegentlich, als würde diese Hand ihm Schwierigkeiten bereiten, doch darauf achtete er nicht weiter.

Es ärgerte June nur noch mehr, wie der Kerl lässig an der Säule lehnte und allein das schon war beleidigend genug, dass sich die Härchen in seinem Nacken noch weiter aufstellten.

»Ein höfliches kleines Ding, das muss ich schon sagen. Aber schließlich kann ich nicht behaupten, Cecile hätte mich nicht gewarnt. Johnson, da wir uns gerade mit dieser reizenden Offenheit unterhalten, will ich Ihnen eins sagen: Ich beabsichtige Ihre Stiefmutter zu heiraten! Wenn hier etwas für alle Beteiligten einfacher wäre, insbesondere jedoch für Sie, dann wäre das, dass Sie sich mit den Tatsachen abfinden und uns mit Ihren Auftritten verschonen.«

Diese herablassende Art war einfach abscheulich und versetzte June einen schmerzhaften Stich in der Brust, sagte ihm dieser Kerl doch indirekt, dass seine Anwesenheit nicht erwünscht war. Doch er zeigte nicht, wie ihn das verletzte, konzentrierte sich auf die Wut, die in seinem Inneren brannte und blendete alles andere aus.

»Ich habe nicht die Absicht Ihnen irgendetwas leichter zu machen. Im Gegenteil! Ich plane, die Dinge so schwierig wie möglich zu machen!«, versprach June und funkelte sein Gegenüber aus blitzenden Augen an.

Der Mann seufzte und zog erneut an seinem Stumpen und als er weiter sprach, war seine Stimme fast zu sanft. »Johnson, offensichtlich haben Sie sich noch nicht klar gemacht, dass ich nach der Hochzeit eine gewisse – nein, eine ganze Menge – Autorität haben werde. Ich hoffe, dass unsere Beziehung wenigstens halbwegs erfreulich verläuft, aber wenn nicht…«

Er machte eine kurze Pause und sah June mit plötzlich kaltem Blick an.

»Dann werden Sie der Leidtragende sein. Das sollten Sie sich ganz schnell klar machen.«

June biss die Zähne noch fester zusammen.

»Wenn Sie so entschlossen sind, Cecile zu heiraten – und DAS ist mir völlig gleichgültig!! – warum nehmen Sie sie dann nicht mit zu sich und leben dort mit ihr? Ich dachte, man erwartet von einem Mann, dass er seine Frau ernährt und ihr ein Dach über dem Kopf bieten kann, und nicht anders herum«, fauchte er mit einem stichelnden Unterton zurück.

Das ärgerte sein Gegenüber offensichtlich sehr. June konnte es daran erkennen, dass er seine Augen etwas zusammenkniff, aber sonst ließ er sich nichts anmerken. Als er weiter sprach, klang seine Stimme ärgerlicherweise so unbesorgt wie bisher.

»Nicht, dass es Sie etwas angeht, aber zu meinem Besitz gehört nun mal kein Anwesen, das sich zur Gründung eines Hausstands eignen würde. Außerdem… Cecile fühlt sich hier wohl, und mir gefällt es hier auch – sehr sogar!«

»Die Plantage gehört mir!«, brachte June verkrampft heraus.

»Sie sind uns hier immer willkommen, auch wenn sie etwas mehr auf Ihre Manieren achten sollten«, meinte er betont ruhig und wandte den Blick ab, als wäre das Gespräch für ihn beendet, doch so nicht! So konnte dieser Kerl nicht mir ihm umgehen!

»Sie können Cecile doch nicht im Ernst heiraten wollen! Schließlich ist sie schon über dreißig!«, versuchte es June auf einer anderen Schiene.

»Ein ziemliches Alter, das stimmt schon. Doch Ihre Stiefmutter macht ihr vorgerücktes Alter voll und ganz mit ihrem Charme wett«, hielt er dagegen, nahm erneut einen Zug von seiner Zigarre und ließ die Hand wieder sinken. Voller Unmut beobachtete June das und er überlegte fieberhaft, was er noch sagen konnte, um diesen Kerl los zu werden.

»Sie lieben sie nicht!«

»Und wie sollte ein Kind wie Sie etwas über die Liebe wissen?«

Das tat weh und June senkte den Blick. Tja.. so unrecht hatte dieser Mann eigentlich nicht. Viel Liebe hatte er in den letzten Jahren ja auch nicht erfahren. Seit er mit Cecile alleine lebte, hatte er nur Zuflucht bei den Sklaven suchen können. Sie waren die einzigen, die immer nett zu ihm waren, aber das ersetzte noch lange nicht die Liebe, die man von seinen Eltern empfing und auch zurückgab.

»Sie können sie einfach nicht lieben! Cecile ist… ist… Sie können sie nicht lieben! Niemand könnte sie lieben! Weshalb also wollen Sie sie heiraten?«

June klang nicht mehr ganz so sicher, wie er es sich gewünscht hätte und er zwang sich, sich zusammen zu reißen. Vor diesem Mann durfte er sich keine Schwäche erlauben, weil er sie schamlos ausnutzen würde.

»Meine Gründe, Johnson, gehen sie, ebenso wenig wie meine Gefühle, nicht das geringste an.«

»Sie heiraten doch nur, weil Sie die Plantage haben wollen, oder etwa nicht? Sie wollen doch überhaupt nicht Cecile haben, sondern nur ihr Geld! Sie sind nichts weiter als ein elender Mitgiftjäger!«, beschuldigte er den Mann und war felsenfest überzeugt davon und das hörte man ihm auch an. Es war nämlich einfach unvorstellbar, wie jemand Cecile lieben konnte.

Einen Moment lang herrschte eisiges Schweigen. Riplay zog an seinem Stumpen, bis die Spitze rot aufglühte. Dann nahm er ihn aus dem Mund.

»Sie sind wirklich ein verzogenes, ausverschämtes kleines Gör. Ich habe mir heute einiges von Ihnen gefallen lassen, Johnson, weil mir klar ist, dass Sie verständlicherweise außer sich sind, aber jetzt reicht es mir!«

Blitzschnell griff er June am Kragen, zog ihn erbarmungslos zu sich heran, sodass sie auf gleicher Augenhöhe waren und bohrte seinen eisigen Blick in die weit aufgerissenen Augen des Kleineren.

»Sehr bald werde ich die Vaterrolle bei Ihnen einnehmen, und ich habe vor, die Vorrechte eines Vaters für mich zu beanspruchen und meinen neuen Sohn zu erziehen. Mit anderen und für Sie verständlicheren Worten: Jede Grobheit von Ihrer Seite wir eine entsprechende Strafe nach sich ziehen. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«

Der Griff war hart und unnachgiebig und June merkte schnell, dass er sich kaum daraus befreien konnte. Von den Worten ließ er sich trotz des Überraschungseffekts nicht einschüchtern und erwiderte das eisige Funkeln genauso kalt und furchtlos, obwohl sein Bauchgefühl ihm sagte, dass er es nicht zu weit treiben sollte. Dieser Mann war gefährlich!

»Sie glauben, Sie könnten mir mit Strafe drohen? Versuchen sie es doch!«

Entgegen seinem Instinkt, nahm June eine herausfordernde Haltung an so gut es ihm in dem Griff möglich war. »Die Leute hier werden Sie in Stück reißen: Es sind meine Leute, und es ist mein Haus! Versuchen Sie doch die Hand gegen mich zu erheben!«

»Nach der Hochzeit wird das hier MEIN Haus sein«, antwortete er nun wieder ruhiger und ließ June mit einem unsanften Schubs wieder los. Der Blondschopf gab sich nicht die Blöße sich an die abgequetschte Haut am Hals zu fassen, sondern starrte seinen Feind weiterhin unerschrocken und voller Hass an, als Riplay auch schon weiter sprach.

»Und es werden meine Sklaven sein. Wenn Sie sich auch nur das geringste aus ihnen machen, werden Sie sie bestimmt nicht dazu anspornen, die Hand gegen ihren neuen Herrn zu erheben.«

Dagegen konnte June so wenig einwenden, dass er fast an seinen Worten erstickte.

»Sie… sie sind ein abscheuliches Ekel!«, schimpfte er außer sich und hatte die Hände wieder zu Fäusten geballt.

»Und Sie setzen zu viel aufs Spiel, Johnson. Wenn Sie so weiter machen, werden Sie es bereuen, das verspreche ich Ihnen.« Seelenruhig nahm er wieder einen Zug von seinem Zigarrenstumpen, bevor er June erneut eines Blickes würdigte.

»Nun, Mr. Johnson, wollen wir uns nicht anfreunden? Ich habe vor Ihre Stiefmutter zu heiraten, und nichts, was sie sagen und tun könnten, wird mich von diesem Entschluss abbringen. Aber es besteht kein Anlass dafür, dass wir uns ständig in den Haaren liegen. Ich habe nicht die Absicht den strengen Stiefvater zu spielen, solange Sie mich nicht dazu zwingen.«

»Stiefvater! Sie… das…«

Ehe June die richtigen Worte fand, um diesem Kerl zu sagen, dass er ihn nie als Teil seiner Familie akzeptieren würde, ging die Haustür auf und Cecile trat auf die Veranda. Sofort ging sie lächelnd auf Logan zu und bemerkte June im ersten Moment gar nicht, der sie nur finster musterte.

»Du warst so lange hier draußen, Logan. Ich habe mir schon Sorgen gemacht!«

»Ich habe mich nur näher mit deinem netten Stiefsohn bekannt gemacht.« Während er das sagte, deutete er mit seinem Stumpen auf June, der nur angewidert das Gesicht verzog. Von wegen nett!

June sah ihr den Unwillen deutlich an, als Cecile in seine Richtung blickte. »Du bist also endlich wieder zu Hause? Das Abendessen hast du jedenfalls verpasst. Sissie hat den Tisch abgeräumt. Vielleicht gelingt es dir in Zukunft pünktlicher zu kommen.«

Bei dieser Predigt, biss June die Zähne fest aufeinander und presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Ich habe sowieso keinen Hunger!«, gab er verdrossen zurück.

Doch diese Verdrossenheit ließ ihn schwach wirken und das ärgerte June ungemein.

»Naja.. ist ja nichts neues, dass du nicht regelmäßig isst. Da kannst du ja auch schlecht wachsen und ein stattlicher Mann werden. Aber vermutlich ist es dir ja sowieso lieber ein unscheinbarer Stalljunge zu bleiben. So findest du aber nie eine Freundin, das lass dir gesagt sein. Deswegen solltest du vielleicht doch noch etwas essen. Wenn du gleich in die Küche läufst, wird Rosa dir sicher noch eine Kleinigkeit richten.«

Wieder einmal traf Cecile mit unglaublicher Genauigkeit einen wunden Punkt bei ihm nach dem anderen und June hatte keine Möglichkeit etwas dagegen zu sagen. Sie wusste eben genau, wie sie ihn fertig machen konnte. Noch so ein Grund, warum er gemeinsame Mahlzeiten meistens mied.

»Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich keinen Hunger habe!« Mit glühenden Wangen sah June verkniffen zu seiner Stiefmutter, die die Aufmerksamkeit eines Fremden auf seinen schlanken Körper gelenkt hatte. Es stimmte ja, dass er nicht gerade das Musterbeispiel eines Pflanzersohnes war, dazu hatte er viel zu viel von seiner Mutter geerbt, die ebenso zierlich und schlank gewesen war. Manchmal vermutete er einfach nur, dass Cecile einfach eifersüchtig war, aber nun spielte sie schon wieder mit ihm und schaffte es tatsächlich ihn wie einen armseligen kleinen Jungen aussehen zu lassen.

Anmutig zuckte Cecile auf seine Worte die Achseln.

»Tu, was du willst.« Dann wandte sie sich an ihren Liebhaber.

»Komm jetzt ins Haus, Logan. Es wird kühl draußen.«

Cecile hing sich bei ihm ein und als June den Charme sah, mit dem er sie anlächelte, geriet er außer sich. Sie ließen ihn einfach stehen, als wäre er einfach nur ein Störfaktor und behandelten ihn wie ein Kind, wobei doch June – June, und nicht Cecile und schon gar nicht dieser Riplay – der rechtmäßige Besitzer der Plantage war!

Erneut schäumte Wut in ihm auf und June war zu allem entschlossen.

»Es gibt da etwas, was Sie nicht über meine Stiefmutter wissen, Mr. Riplay«, sagte er laut und mit eiskalter Stimme. Wenn er jedoch erwartet hatte, dass die beiden erstarrt stehen blieben, war June dazu verdammt, enttäuscht zu werden. Sie liefen weiter, als hätten sie nichts gehört, vollkommen vertieft ineinander.

»Mr. Riplay!«

Er warf ihm einen unwilligen Blick über die Schulter zu, doch Cecile antwortete.

»Also wirklich, June, du kannst einem ganz schön auf die Nerven gehen. Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann kannst du mir das morgen früh ungestört erzählen.«

»Ich habe Mr. Riplay etwas zu sagen und nicht dir!«, gab June zurück und trat entschlossen in den Lichtschein, der durch die offene Tür fiel.

Cecile und Riplay musterten ihn verdrossen.

»Wie Cecile schon sagte, Johnson. Sie gehen uns auf die Nerven. Warum laufen Sie nicht in die Küche und holen sich etwas zu Essen und legen sich dann wie ein braver Junge schlafen, statt sich in Schwierigkeiten zu bringen?«

»Noch… nicht.«

Riplays herablassende Haltung erboste ihn fast so sehr wie seine Anwesenheit. Dennoch kostete es June Mühe die Worte heraus zu bringen. Er stammelte, holte tief Atem und stellte erstaunt fest, dass seine Hände zitterten. Es fiel ihm schwerer Cecile zu verpetzen, als er erwartet hatte, doch es musste sein!

Er rang die Hände, reckte das Kinn in die Luft und sah Riplay fest in die Augen.

»Wenn Sie vorhaben, sie zu heiraten, gibt es vorher etwas, was sie wissen sollten.«

»Und das wäre?« Riplay klang mehr als gelangweilt und June merkte, dass er sich über ihn lustig machte. Er hörte es aus der Stimme des Mannes heraus, aber er nahm auch wahr, dass dieser Kerl jetzt bereit war zuzuhören.

Cecile, die neben Riplay stand, sah June fest an. Doch June wagte es nicht ihr ins Gesicht zu sehen. Cecile konnte nicht wissen, was jetzt kam, denn sie ahnte schließlich nicht mal, dass June alles über ihr abscheuliches heimliches Leben wusste. Allerdings würde sie ihn für das, was er jetzt tat, bis in alle Ewigkeit hassen.

Noch einmal holte June tief Atem. Jetzt oder nie!

»Was würden Sie dazu sagen, wenn ich Ihnen erzähle, dass Cecile männliche Freunde hat?« Nein, so edel konnte er das nicht sagen, sonst klang es, als wollte er damit sagen, dass Cecile bloß absolut ehrbare Freier hätte. June wusste, dass er sich deutlicher ausdrücken musste, doch seine bisherige Erziehung hatte ihm nicht die Mittel in die Hand gegeben, das auszudrücken, was er zu beschreiben versuchte. Cecile riss jedoch jetzt schon die Augen weit auf, und Riplay schüttelte nur den Kopf und schien überaus belustigt zu sein.

Verzweifelt suchte June nach den richtigen Worten und sprudelte dann heraus, ehe Cecile ihm ins Wort fallen konnte. »Was ich meine ist, dass Cecile eine… eine… Hure ist.«

June verschluckte sich zwar fast an dem Wort, doch es kam ihm über die Lippen. Cecile keuchte, wurde weiß und schlug sich geschockt die Hand vor den Mund.

Riplay blinzelte einmal, als sei das die Zeit, die das Wort brauchte, um bei ihm anzukommen. Dann ballte er seine linke Hand zu einer Faust und schlug sie June direkt ins Gesicht.

Mit einem Schmerzensschrei taumelte June zurück, bekam noch zwei Stufen, stolperte bei der letzten, fiel unsanft rückwärts ins Gras. Mit Tränen in den Augen hielt June sich das Kinn und unbändiger Hass spiegelte sich in seinen dunkelgrünen Augen.

»Wie kannst du es wagen?«, brachte Cecile erstickt hervor, und ihre Wangen zeigten leuchtend rote Flecken. Ihre Augen funkelten June an und versprachen ihm grässliche Vergeltung für diese Worte.

»Du undankbarer Bengel, wie kannst du es wagen?«

Keuchend vor Schmerz richtete June sich auf, hielt sich immer noch das Kinn und versuchte das quälende Stechen in seinem Rücken zu ignorieren, das ihn bei jeder Bewegung peinigte. Er war genau aufs Steißbein gestürzt und der Schmerz zog sich bis in seine Finger- und Fußspitzen. Kaum hatte er sich ein bisschen gefasst, wurde er grob am Kragen hochgerissen, sodass er auf gleicher Augenhöhe mit Riplay war. Das Hemd schnürte ihm die Luft ab und June schlug und kratzte panisch an der stahlharten Faust, die ihn festhielt.

»Wenn du jemals wieder so etwas über deine Stiefmutter sagst, dann bekommst du von mir eine Tracht Prügel, die du nie vergessen wirst.«

Riplay stieß die Worte zwischen zusammen gebissenen Zähnen aus und starrte ihn wutentbrannt an. »Hast du mich verstanden?«

Er ließ June noch ein Weilchen zappeln.

»Aber es… ist wahr…«, krächzte der Blondschopf und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.

»Du hast gerade die Grenzen dessen überschritten, was ich dulde.«

June wartete schon auf einen weiteren Fausthieb, doch zu seinem Entsetzen mischte sich Cecile ein. »Nicht, Logan. Ich bin sicher, dass er gar nicht weiß, was er sagt. Er ist noch ein Kin!«

Beistand von Cecile…

Das war noch nie da gewesen und June war wie erstarrt.

»Du lässt dir von diesem Gör und seinem bösen Mundwerk mehr gefallen, als ich es täte«, meinte Logan, der June immer noch am Kragen festhielt und durch die Zähne zischte. Seine Faust spannte sich noch mehr an und June jappste. Schwarze Punkte tanzten schon vor seinem inneren Auge.

»Wäre Ihre Stiefmutter nicht, würde ich Sie für diese Worte töten. Aber so wie die Dinge stehen, kommen Sie ungeschorener davon, als Sie es verdient haben. Doch ich warne Sie: Von jetzt an werden Sie ihrer Stiefmutter Respekt entgegen bringen. Wenn sie so etwas von Ihnen duldet, dulde ich das noch lange nicht. Und in Zukunft, haben Sie es mit mir zu tun, Johnson. Vergessen Sie das nicht!«

Mit einem abfälligen Blick stieß er June zurück und der Kleine ging erneut zu Boden, hielt sich diesmal jedoch den Hals und schnappte hastig nach Luft. Jetzt schmerzte zu dem ganzen Rest auch noch sein Hals und das furchtbar. Trotz allem rappelte sich June wieder auf.

»Ich habe…«

»Es reicht… Sie werden sich jetzt bei Cecile entschuldigen, Johnson!«

»Nein!«, erwiderte June so fest er in seiner misslichen Lage konnte. »Ganz sicher nicht! Ich denke gar nicht daran!«

Cecile hatte die vor der Brust gefaltet und beobachtete diesen einseitigen Kampf zwischen ihrem Verlobten und ihrem Stiefsohn. Dabei brachte sie es fertig, wie ein Engel zu wirken und sich gleichzeitig verletzt von Junes Anschuldigungen zu geben. June wusste zwar, dass er nichts als die Wahrheit gesagt hatte, doch er wusste auch, dass er verloren hatte. Ceciles Geheimnis war die Hoffnung gewesen, an die er sich geklammert hatte. Er war so sicher gewesen, so absolut sicher, dass kein Mann Cecile heiraten würde, wenn er erst etwas über ihre Männergeschichten erfuhr. Aber Logan Riplay hatte ihm nicht geglaubt! Er hatte keinen Moment in Betracht gezogen es könnte…

»Was ist?« Seine Stimme klang bedrohlich und June trat einen Schritt zurück, bevor er erneut den Mund aufmachte. »Was soll sein?«, gab er genauso anmaßend zurück.

»Cecile erwartet eine Entschuldigung!«

»Da kann sie lange warten!«, meinte er entschlossen. June würde sich nicht klein kriegen lassen. Niemals. Da konnte sich dieser Kerl noch so bedrohlich vor ihm aufbauen, ihm mit Schlägen drohen und ihn verprügeln. Das würde er alles ertragen. Doch die Wahrheit würde er niemals leugnen und sich auch nicht entschuldigen. Lieber würde er sterben!

Riplays Lippen wurden schmaler. Er trat wieder einen Schritt auf June zu, doch der Kleine blieb trotz seiner Furcht, die ihm Bauchschmerzen verursachte, auf der Stelle stehen und zeigte keine Schwäche. Doch ehe der Mann erneut handgreiflich werden konnte, mischte sich Cecile sich ein zweites Mal ein.

»Ich bin ganz sicher, dass er sich morgen früh entschuldigen wird. Komm jetzt, Logan. Sein nicht mehr so grob zu ihm. Ich sagte dir doch schon, dass er im Grunde genommen noch ein Kind ist.«

»Ein verzogenes Kind mit schlechten Manieren und einem dreckigen Mundwerk«, knurrte Logan. »Da es Ceciles ausdrücklicher Wunsch ist, können Sie sich morgen bei ihr entschuldigen. Und Sie werden sich entschuldigen, das versichere ich Ihnen!!

Und bis dahin werden Sie sich in Ihr Zimmer zurück ziehen und nicht vor morgen früh wieder heraus kommen. Und dann auch nur, wenn Sie bereit sind, sich zu entschuldigen.«

June schluckte, doch er war weit davon entfernt klein bei zu geben.

»Hier geben Sie keine Befehle!«, fauchte June. »Und dazu wird es auch nie kommen. Ich tue, was ich will, Sie… Sie schmutziger Mitgiftjäger!«

Riplay wollte ihn packen, aber er war bereits aus seiner Reichweite verschwunden. June rannte zum dunklen Rasen, als sei der Teufel hinter ihm her. Und so war es auch. Logan Riplay lief ihm nach und ein Blick in sein Gesicht ließ June weiter in die Nacht hinaus fliehen.

Am Rand des Obsthains holte Riplay ihn ein. Dort hatte er sich wie ein Feigling zwischen den Hunderten von Bäumen verstecken wollen, doch eine kräftige Hand packte ihn hart an der Schulter und June schrie auf.

Riplays Gesicht war verzerrt vor Wut. June schrie erneut auf, als sich dessen Finger schmerzhaft in seine Oberarme bohrten. Der Mann schien so wütend zu sein, dass er ihm wirklich etwas antun wollte. Der Blondschopf dachte nur noch an Flucht. Der Selbsterhaltungstrieb flammte in ihm auf und brachte ihn dazu, sich auf Riplay zu stürzen, statt sich loszureißen. Seine schmalen Finger bogen sich zu Klauen, die die Wangen des Mannes aufrissen, während er auf seine Augen aus war.

»Du teuflisches kleines Miststück«, brüllte Logan und ließ ihn los, um sich die Hände vors Gesicht zu schlagen. Ehe June jedoch fortlaufen konnte, hatte er ihn schon wieder gepackt. Er trat um sich und schrie, als er hochgehoben wurde.

»Zum Teufel mit dir du undankbarer Bengel. Ich sollte dich verprügeln, dass du wochenlang nicht mehr sitzen kannst.«

Riplay hielt ihn so, dass er die Arme nicht mehr bewegen konnte und trug ihn auf diese Weise zum Haus zurück. June hatte schon die Zähne gebleckt, um ihn beißen zu können. Es war seine einzige Waffe im Moment. Doch da sah er über der kräftigen Schulter eine schmächtige Gestalt, die mit einer erhobenen Hacke aus der Dunkelheit des Obstgartens auf sie zueilte. Der Anblick versetzte ihm solch einen Schock, dass seine Gedanken sofort wieder klar wurden.

Nicht aus Angst um sich selbst, sondern um den Sklaven und um alle, die bald in Logan Riplays Gewalt sein würden, schrie er so laut er konnte.

»Nein! Aban, NEIN! Es ist alles in Ordnung! Mir fehlt nichts, hast du gehört? Das ist mein Kampf – überlass ihn mir!«

Logan wirbelte herum, als Junes Aufschrei ihn auf die drohende Gefahr aufmerksam machte. Er konnte nur den Umriss eines alten, gebeugten Mannes erkennen, der eine Hacke hob, auf der der Mond bedrohlich funkelte.

»Geh weg, bitte, geh weg! Ich befehle es dir!«

Junes Worte klangen verzweifelt. Zu seiner Erleichterung zögerte Aban und senkte dann die Hacke. Logan Riplay ließ ihn keine Sekunde lang aus den Augen. Als Aban die Hacke gesenkt hatte, wandte er sich wieder ab, kehrte dem Sklaven den Rücken zu und setzte mit June über der Schulter seinen Weg zum Haus fort.

Diesmal wehrte der Blondschopf sich nicht mehr. Er fürchtete, wenn er es täte, könnte es Aban das Leben kosten. Wenn sich ein Sklave gegen einen Weißen auflehnte, wurde das mit dem Tode bestraft.

»Du magst sie also leiden, stimmt´s? Das ist bisher der einzig nette Zug, den ich an dir entdecken konnte«, meinte Logan. Dann schwiegen beide, als er die Treppe erreichte, die Stufen hinauf stieg und das Haus betrat. An Cecile gerichtet, die mit gerunzelter Stirn und den Armen eng um sich geschlungen auf der Terrasse stand, fragte er nur: »Wo ist sein Zimmer?«

Cecile wies ihm den Weg und Logan trug ihn in das Haus, vorbei an Sissie und Rosa, die mit weit aufgerissenen Augen zusahen, zum Glück aber den Mund hielten. Dann ging es die Treppe hoch zu seinem Zimmer und nachdem er die Tür geöffnet hatte, ließ er June ohne weitere Umstände fallen, fast so, als wäre er ein lästiges Stück Gepäck.

Das zweite Mal an diesem verfluchten Abend fiel er schmerzhaft auf den Boden, doch die Blöße zu zeigen, wie weh ihm alles tat, gab er sich nicht. Stattdessen bis er die Zähne zusammen und versuchte krampfhaft die Tränen zurück zu drängen, die ihm in die Augenwinkel traten.

»Für den Rest des Abends wirst du nicht aus deinem Zimmer kommen. Und morgen früh wirst du dich bei Cecile entschuldigen«, sagte Riplay mit eisiger Stimme und einem kalten Blick auf June.

Der Blondschopf war jedoch so sehr damit beschäftigt, sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen, dass er kaum ein Wort verstand. Als er sich einigermaßen gefangen hatte, sah er nur noch Riplays breiten Rücken, der hinter der Tür verschwand, nachdem dieser den Schlüssel aus dem Schloss gezogen hatte. Dann hörte er von der anderes Seite der Tür das Klicken, als er ihn einsperrte. Nun hielt ihn nichts mehr davon ab, seinen Tränen einfach freien Lauf zu lassen. Er hatte schon lange nicht mehr geweint, doch nun konnte er nichts mehr gegen die Tränen tun, die sich unaufhaltsam einen Weg über seine blassen Wangen suchten.

Weinend rollte er sich auf dem Boden zu einer kleinen Kugel zusammen. Die Kraft aufzustehen und zum Bett zu gehen brachte June einfach nicht mehr auf. Er fühlte sich vollkommen kraft- und hilflos. So hatte er sich erst einmal gefühlt… nämlich als sein Vater damals gestorben war. Zwar überflutete nun kein Verlustgefühl sein Herz, doch der Schmerz darüber, dass ihm nie jemand glaubte und die Missgunst seiner Stiefmutter, die er schon so lange ertragen musste, quoll einfach über und sein schmaler Körper wurde von Schluchzern geschüttelt.
 

Als sich der Schlüssel das nächste Mal im Schloss drehte, war schon heller Morgen. Sissie war im Laufe der Nach gekommen, hatte leise an der Tür gekratzt und sich erkundigt, ob June etwas fehlte. Tudi und Rosa hatten sie geschickt. Die Versuchung war zwar groß gewesen, doch June hatte Sissies Angebot abgelehnt, ihn mit dem Nachschlüssel freizulassen, den Tudi als Haushälterin bei sich tragen durfte.

Wenn er entkommen wollte – und er hätte es liebend gern getan – dann musste er es eigenständig schaffen. Fiel ihm kein Mittel ein, dann würde bald dieser Riplay Hausherr und Herr über alle Sklaven sein. Auch wenn er noch so zornig über diesen Fakt war, war es nicht Junes Absicht, Tudi oder andere in Schwierigkeiten zu bringen, indem er zuließ, dass sie ihm halfen. Es waren seine Leute und er war für sie verantwortlich. Außerdem… sie waren das einzige, was er noch an Familie hatte.

Als die Tür sich öffnete, wandte sich June von dem hohen Fenster ab, an dem er gestanden und sich seine Chancen ausgerechnet hatte, einen Sprung zu überleben, ohne sich das Genick oder ein Bein zu brechen. Am meisten graute ihm davor Logan Riplay zu sehen, doch er konnte nicht der Eindringling sein. Er war am Abend zuvor, gut zwei Stunden, nachdem er ihn eingeschlossen hatte, aufgebrochen und June war so gut wie sicher, dass er in der Zwischenzeit nicht zurück gekommen war. Von seinem Fenster aus, konnte er die Auffahrt genau einsehen und wenn er nicht querfeldein geritten war, hatte er Riplay Ankunft todsicher bemerkt.

»Ich hoffe du hast gut geschlafen, June.«

Cecile trat mit einem gehässigen Lächeln ein und schloss die Tür hinter sich ab. Heute morgen trug sie ein bezauberndes Kleid aus weißem Satin mit blauen Streifen und das Haar fiel ihr in jugendlichen Ringellöckchen um Schultern und den natürlich wie immer sehr gewagten Ausschnitt.

Bestimmt versuchte sie sich für ihren Liebhaber jünger zu machen, dachte June missgelaunt, als Cecile den Schlüssel einsteckte und dann demonstrativ auf ihre Tasche klopfte. June musterte sie abschätzend. Er war nicht unbedingt viel größer als sie, doch an Kraft dürfte es ihm nicht gerade fehlen, und wenn er es darauf angelegt hätte, wäre es ihm bestimmt gelungen Cecile den Schlüssel abzunehmen. Doch er hatte seine Stiefmutter noch nie körperlich bedroht und das würde er auch nie tun.

Da Cecile keine Antwort zu erwarten schien, sah sie sich mit mäßigem Interesse in dem Zimmer um, das sie selten betrat. Das Zimmer hatte sich kaum verändert, seit June klein war. Die Wände waren weiß und schmucklos, die Vorhänge aus einfacher Baumwolle, die Möbel aus hochwertigem Mahagoni, jedoch schlicht verarbeitet. Der einzige edlere Gegenstand in diesem Zimmer war das vierpfostige Bett, das ehemalige Ehebett seiner Eltern. Stirnrunzelnd musterte Cecile es.

»Dieses Bett sieht hier drin einfach albern aus. Es ist viel zu aufwendig für einen Jungen.«

»Ich mag es«, meinte June einfach und seine Stimme klang mürrisch, so sehr er auch versuchte anders zu klingen. Er wusste genau, dass er dadurch jünger wirkte, aber Ceciles bloße Gegenwart ließ ihn jedes Mal in diesen Tonfall abgleiten. Bekümmert biss June sich auf die Unterlippe, senkte den Kopf und wartete, was seine Stiefmutter von ihm wollte.

»Das glaube ich sofort…«, lachte sie ihn aus. »Dein Blick für Möbel ist etwa so gut entwickelt wie dein Blick für passende Kleidung. Sie dir doch bloß diesen… diesen Anzug an, den du trägst. Du bist viel zu dürr dafür und an den Beinen und Armen ist er dir zu kurz und selbst wenn er richtig säße, wäre er noch scheußlich!«

Selbstgefällig strich sich Cecile den Rock ihres Kleides glatt, dessen Passform einfach nur perfekt war.

June sah an seinem ausgeblichenen Reitanzug hinunter. Seine übrigen Kleidungsstücke waren ebenso abgenutzt. Seit vier Jahren hatte er nichts Neues bekommen. Doch selbst wenn er eine so umfangreiche Garderobe wie Cecile besitzen würde, hätte er doch seinen geliebten Reitanzug getragen.

»Naja.. wie dem auch sei. Ich bin nicht gekommen, um mich mit dir über dein Äußeres zu unterhalten. Wir sollten miteinander reden, du und ich.« Mit einem höhnischen, abfälligen Blick sah Cecile noch einmal an June herunter, ehe sie ihm ins Gesicht schaute.

»Gestern Abend hast du mich mit einem Ausdruck beschimpft, den ich nie wieder von dir hören will.« Die Stimme, mit der Cecile sprach hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem Honigsüßen Gurren, das sie diesem Riplay vorspielte. Und June war sich ebenso sicher, dass die Kälte in ihren Augen und der verkniffene Mund Dinge waren, die noch kein Mann je zu Gesicht bekommen hatte, außer ihm natürlich. Diese Frau, die jetzt in seinem Schlafzimmer saß, war die wahre Cecile. Sie war diejenige, die außer June und den Dienstboten nie jemand zu sehen bekam.

»Aber das brauche ich dir ja wohl kaum zu sagen, oder? Ich bin sicher, dass du nicht so dumm bist, so etwas ein zweites Mal zu sagen. Es kann keine angenehme Erfahrung gewesen sein, eine Faust von Logan ins Gesicht zu bekommen. Er war ja so wütend! Ich fand das wirklich höchst erfreulich. Er sieht so gut aus und er ist so verliebt in mich. Man muss sich das einmal vorstellen! Er hätte dich für deine Worten getötet, wenn ich nicht so heldenhaft dazwischen gegangen wäre. Aber du wirst natürlich nie verstehen, wovon ich rede. Es ist eh stark anzuzweifeln, dass sich je jemand in die verlieben wird.«

Bedachte man den Umstand, dass die Jugendlichen hier in der Gegend Junes Existenz gar nicht zu bemerken schienen, war das eine treffende, wenn auch unfreundliche Äußerung. Es tat weh, fast so, als hätte Cecile ein Messer in sein Inneres gestoßen und würde es genüsslich hin und her drehen. June konnte nur hoffen, dass sie nicht wusste, wie sehr sie ihn immer mit ihren Worten verletzte.

»Solltest du so etwas noch einmal sagen, dann lässt sich wirklich nicht abschätzen, wie wütend Logan würde. Er könnte dich verprügeln – oder er könnte dich sogar fort schicken. Hoch in den Norden, in ein Pensionat für schwer erziehbare Jungen beispielsweise, auch wenn du bereits ein wenig zu alt dafür bist. Aber ich bin sicher, dass sich da etwas machen ließe.«

Die Panik, die bei diesen Mutmaßungen in ihm aufstieg, drängte June erfolgreich zurück, starrte seine Stiefmutter kalt an und meinte dann:

»Du weißt, dass ich die Wahrheit gesagt habe.«

June wusste aus Erfahrung, dass es das Beste gewesen wäre, wenn er den Mund gehalten hätte, aber er konnte die Worte nicht länger hinunterschlucken. Es mochte sein, dass Logan Riplay die Wahrheit nicht kannte, dass er auf Junes Vorwürfe mit rechtschaffener, wenn auch verfehlter Entrüstung reagiert hatte. Aber Cecile wusste, dass June nicht log. Wahrscheinlich war sie mit noch mehr Männern zusammen gewesen, als er vermutet hatte.

Lächelnd musterte ihn seine Stiefmutter.

»Das ich eine Hure bin? Das bin ich ganz gewiss nicht!«, leugnete sie lebhaft.

»Eine Hure nimmt Geld dafür, dass sie mit den Männer tut, was diese eben wollen, und das tue ich nie. Was sollte ich denn mit dem ganzen Geld anfangen? Als das…«, sagte sie mit einer ausholenden Geste, die die gesamte Plantage umfasste, »gehört mir.«

Junes Miene verfinsterte sich bei diesen Worten. Doch Cecile würdigte das mit keinem Blick, sondern schüttelte lächelnd und vollkommen unbeeindruckt den Kopf. Die braunen Ringellöckchen tanzten dabei um ihren Nacken.

»Du bist ein solches Kind, June! Du hast weder Ahnung von Frauen, noch von Männern. Männer sind so groß und kräftig, solche Tiere, und doch kann einen gute Frau sie an der Nase herum führen. Ein verliebter Mann tut alles, aber auch alles… Vor allem dann, wenn eine Frau sich weigert, ihm das zu geben, was er will. Darin besteht das Geheimnis, June. Aber du wirst eh nie solch ein Prachtexemplar von Mann. Demzufolge wird sich auch nie eine vernünftige Frau mit dir abgeben.

Dein Vater hat mich geheiratet, weil er mich in seinem Bett haben wollte und wusste, dass er mich mit keinem anderen Mittel dort hinbekommt, außer mit einer Heirat. Und sieh dir an, was für mich dabei herausgesprungen ist.: Die Nächte eines Jahres war ich ihm gefällig – und dazu hat er auch noch gut ausgesehen – und nun gehört all das hier mir!«

Erneut kamen June die Worte seiner Stiefmutter wie vergiftete kleine Speere vor, die sich in seine Brust bohrten und mitten in sein Herz drangen, um dort qualvolle Schmerzen entstehen zu lassen. Wie verletzlich er in diesem Moment wirkte, war June nicht klar, er wollte es auch gar nicht wissen.

»Aber dieser Riplay… er hat dir überhaupt nichts zu bieten…«

June bekam die Worte kaum heraus. Als Cecile seinen Vater so beiläufig erwähnt hatte, als sei er nichts weiter als einer ihrer zahllosen Männer gewesen, hatten sich seine Hände hinter seinem Rücken so fest um die Fensterbank geklammert, dass die Knöchel schmerzten. Cecile wollte ihm mit jedem einzelnen Wort niedermachen und ihm psychische Schmerzen zufügen.

»Ach, nein?«

Cecile lächelte ihr verschlagenes Lächeln und schien wirklich amüsiert zu sein. »Logan sieht so gut aus, dass mir bei seinem Anblick Schauder über den Rücken laufen. Findest du etwa nicht, dass er gut aussieht? Natürlich findest du das, ob du es nun zugibst oder nicht! Alle finden ihn attraktiv, nicht nur die Frauen. Und er ist so gebieterisch.«

Während sie von diesem Kerl schwärmte, senkten sich anzüglich ihre Lider und June spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Er hatte schon immer gewusst, dass Cecile einen Hang zur Lüsternheit besaß, doch bisher hatte sie ihn nie so offen gezeigt.

Trotz seiner neu erlangten Reife ließ sich June von dieser Freimütigkeit in Verlegenheit bringen, wenn es um ein so intimes Thema ging. Vor allem aber, weil Cecile eine Frau war, die sich ihm so präsentierte. Mit einem gleichgeschlechtlichen Gegenüber hätte er sich sicher nicht so geschämt. Allein schon diese Tatsache reichte aus, um das Rot auf seinen Wangen noch zu vertiefen, es war ihm peinlich und June konnte nichts dagegen tun.

Als Cecile June erröten sah, strahlte sie noch heiterer.

»Angesehen von seinen körperlichen Vorzügen, die auf der hand liegen, kommt er aus einer guten Familie, und wenn ich auch bezweifle, dass er so reicht ist wie ich, hat er doch eine hübsche Summe angespart. Er könnte sicherlich jede Frau heiraten, jede beliebige – und doch hat er mich all den süßen Dingern vorgezogen, die herumlaufen, obwohl doch etliche sehr hübsche darunter sind. Ihn dazu zu bringen, mir einen Heiratsantrag zu machen, war eine bravouröse Leistung«, lobte sie sich selbst in den Himmel und June konnte es schon gar nicht mehr hören. Für ihn klang das ganze so, als hätte dieser Kerl es tatsächlich nur auf die Plantage abgesehen. Es war die größte in der ganzen Gegend. Anders konnte es gar nicht sein. Warum sollte Riplay sonst Cecile gewählt haben? Da dürfte es ihr dann ja auch nicht schwer gefallen sein, ihn zu einer Hochzeit zu überreden. Das lag sicher nicht an ihren Reizen!

»Reicht es dir denn nicht, dass du ihn dazu gebracht hast und dass es alle wissen? Du brauchst ihn doch nicht auch noch zu heiraten. Weshalb solltest du das wollen? Er würde deinen… deinen Reisen doch nur im Wege stehen. Und deinen M-männern und.. und…«

Trotz seiner Verlegenheit brachte June die Worte heraus. Wenn es ihm gelang, Cecile die Nachteile, die ein Ehemann mitbrachte, vor Augen zu führen, war es vielleicht doch noch möglich eine Heirat abzuwenden.

»Hm.. so ungern ich es auch zugebe, aber ich bin dreißig geworden. Dafür habe ich mich äußerlich fantastisch gehalten, aber früher oder später wird man mir mein Alter ansehen. Ich spiele schon seit einer ganzen Weile mit dem Gedanken, wieder zu heiraten. Von einem gewissen Alter an, wird eine Frau bemitleidet, wenn sie keinen Mann hat. Aber die meisten Männer, die den entsprechenden Hintergrund haben, sind so langweilig! Oder sie sind unattraktiv, oder gar beides! Aber Logan…«, seufzte sie und legte sich eine Hand aufs Herz und die Geste sagte mehr als tausend Worte es vermocht hätten.

»Eine Ehe mit Logan kann ich mir vorstellen. Es wird aufregend sein. ER IST aufregend!«

June hatte zugehört, auch wenn er eigentlich gar kein Interesse an Ceciles Schwärmereien hegte. Und das was er hörte, erweckte bei ihm nicht den Anschein, als wäre seine Stiefmutter bis über beide Ohren verliebt. So hatte er sie schon öfter gesehen und da war es auch bloß anfängliche Schwärmerei für einen Kerl gewesen, die schneller wieder vergangen war, wie ein Mondzyklus. »Aber eine Ehe ist fürs Leben. Die Spannung lässt zwangsläufig nach und dann könnte es sein, dass du… dass du dich wieder für andere Männer interessierst. Nach allem was ich gesehen habe, glaube ich nicht, dass dein toller Logan seiner Frau Seitensprünge erlauben würde.«

Noch während er sprach, nahm June wahr, dass seine Worte wie Wassertropfen an Cecile abperlten.

»Weißt du… ich glaube Logan könnte genau der Mann sein, der mir genügt. Und wenn nicht…« Lächelnd zuckte Cecile die Schultern. »Ich bezweifle, dass er mir etwas verbietet. Wie könnte er das auch – solange er nichts davon weiß?«

Ihre Stimme wurde kälter und stahlhart.

»Sollte allerdings jemand so dumm sein und ihm erzählen, dass meine Ausflüge gelegentlich nicht nur einem Einkaufsbummel beinhalten, oder dass ich in den letzten Jahren etwas anderes als eine keusche Witwe gewesen bin, dann kann ich dir versichern, dass die Folgen für diese Person äußerst unangenehm sein werden.«

Die Drohung zeigte bei June keine Wirkung. Er hatte längst keine Angst mehr vor Cecile, auch wenn dieser Riplay nun hinter ihr stand und wahrscheinlich wie ein Schoßhündchen nach ihrer Pfeife tanzen würde. Viel schlimmer als die Prügel und die Demütigungen gestern Abend konnte es sowieso nicht werden, dachte er zumindest.

»Du musst doch wissen, dass er dich nicht liebt. Er heiratet dich doch nur, weil er die Plantage will!« Für June war es die einzige Wahrheit, doch schon während er die Worte aussprach, wusste er, dass es nichts nutzte. Cecile war entweder nicht bereit das einzusehen, oder es störte sie nicht.

Dann lächelte sie ihn an.

»Logan und ich werden am Sonntag in zwei Wochen heiraten. Ich bin reichlich verliebt in ihn, und ich wüsste nicht, warum ich länger warten sollte. Die Damen Riplay, das sind übrigens Logans Tanten aus Charleston, und hochnäsig sind sie auch noch – sind ganz begeistert darüber, dass er heiratet und dabei auch noch in der Gegend bleibt. Sie veranstalten heute Abend auf Tulip Hill ein kleines Fest für uns. Eine Art Verlobungsfeier. Du wirst mitkommen und du wirst zu allen nett und höflich sein, aber ganz besonders zu Logan. Wir wollen doch nicht, dass jemand glaubt, dass dir die Situation nicht passt, oder? Klatsch und Tratsch ist doch immer so unerfreulich! Und zu der Hochzeit wirst du ebenfalls erscheinen. Ich könnte dir sogar erlauben mein Trauzeuge zu sein!«

Ceciles Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen, als dächte sie gerade über diesen Fakt nach. »Jaa, ich bin sicher, dass das eine gute Idee ist. Du wirst mein Trauzeuge sein. Und du wirst lächeln, June.«

Voller Abscheu sah June seine Stiefmutter an. Sie beugte sich beim Reden vor und war dabei so zart und hübsch wie immer. Ein kleines Lächeln spielte auf ihren Lippen, als sie June Anweisungen erteilte, von denen sie selbst wissen musste, dass er sie niemals befolgen würde. Ungeachtet aller Drohungen hatte June die feste Absicht ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen.

»Und wenn du nicht nett und höflich bist, une, wenn du nicht tust, was ich gesagt habe…« Cecile unterbrach sich und ihr Gesicht nahm einen scharfen, boshaften Ausdruck an, der June an einen besonders schönen Stein erinnerte, den er einmal aufgehoben hatte, nur um festzustellen, dass auf seiner Unterseite tausende von Maden herumkrochen. Genauso war einem zu Mute, wenn man den Unterschied zwischen dem Anschein entdeckte, den sich Cecile gab und dem, was sie tatsächlich war.

»Wenn du nicht ganz genau das tust, was ich dir gesagt habe, dann werde ich diesen dreckigen Köter, den du so gern hast erschießen lassen und deinen tollen Hengst gleich mit. Vergiss das nicht!«

»Jasper – erschießen? Und Ferefly? Wenn du so etwas auch nur versuchst, werde ich…«

Entsetzte trat June mit geballten Händen einen Schritt vor und zitterte vor aufkeimender Wut.

»Du wirst gar nichts tun, mein lieber Stiefsohn, weil du nämlich nichts tun kannst! Dein guter Vater hat all das hier mir hinterlassen. Ich kann mit diesen Tieren umspringen wie ich will, denn von Rechts wegen gehören sie mir!!«

»Wenn du ihnen etwas antust, bring ich dich um!«, schrie June und konnte sich kaum noch zurückhalten, um sich nicht auf seine Stiefmutter zu stürzen, die ihm so etwas schreckliches antun wollte. Das war eiskalte Erpressung. Doch er war hilflos, denn sie hatte Recht, so weh es auch tat.

»Also wirklich, June. Jetzt wirst du schon wieder theatralisch, wie Logan sagen würde. Du wirst mich ganz bestimmt nicht umbringen. Du wirst brav tun, was ich sage.«

Mit diesen Worten stand Cecile zufrieden auf.

»Von mir aus können wir vergessen, dass es gestern Abend zu dieser unerfreulichen Szene gekommen ist.« Nun ging sie zur Tür, schloss auf und öffnete sie weit, den Schlüssel im Schlüsselloch stecken lassend.

June hätte in seinem ganzen Leben nicht geglaubt, dass er jemals jemanden so hassen könnte, wie er seine Stiefmutter jetzt hasste. Cecile stand schon im Korridor, als sie sich noch einmal zu June umsah und die Augenbrauen hochzog.

»Ach ja… Ich werde Logan sagen, dass du dich bei mir entschuldigt hast, nicht wahr?«, hauchte sie hämisch lächelnd und schlenderte durch den Korridor davon, ohne eine Antwort abzuwarten.

June konnte ihr nur hasserfüllt und vor Wut zitternd hinterher sehen. In ihm tobten die Gefühle und um sich wenigstens ein bisschen abzureagieren, trat er mit einem Aufschrei gegen die Tür, die daraufhin mit einem ohrenbetäubenden Knall ins Schloss fiel.
 

© by desertdevil



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  me-luna
2010-03-11T20:29:05+00:00 11.03.2010 21:29
Oh endlich kommt ein Kapitel mit June.
Der Junge tut mir wirklich leid und ich bin so gespannt, wie sich die Geschichte entwickelt.
lg
Von:  ApfelringDeluxe
2010-03-10T17:01:56+00:00 10.03.2010 18:01
schönes ende, seeeeehr schönes Ende!
Das schreit ja nach einem heißen Streit zwischen June und Logan!!!
Ich finde das die Charaktere wirklich super rüber kommen, besonders Junes Leiden! Wenn ich seine Stiefmutter sehen würde.... Lass sie bloß bald vom Pferd fallen oder von einem Aligatir gefressen werden. Die ist ja nicht zum Außhalten!
LG
Von:  ReinaDoreen
2010-03-09T21:18:31+00:00 09.03.2010 22:18
June hat es weiß Gott nicht einfach. Überall wird er eher belächelt oder es schlägt ihm die Ablehnung direkt entgegen.
Doch so richt wehren kann er sich nicht.
Reni


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