Zum Inhalt der Seite

Der Zweck heiligt die Mittel

HP/DM
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

So, ihr Lieben. Mein erster kleiner Monster-One-Short kommt hier online. =) Es steht zwar unter Drame, aber jeder, der mich halbwegs kennt, weiß, dass ich es hasse, wenn es keine Happy-Ends gibt. ;-)

Slash ist angedeutet, es kann also auch von jemandem gelesen werden, der Shonen-Ai nicht so toll findet... Denke ich zumindest. Lest es einfach und lasst euch überraschen. =) =)
 

=================================
 

Der Zweck heiligt die Mittel
 

Merkwürdig… Ich fühle mich, als würde ich schweben und doch drückt etwas auf meine Haut.
 

Er versuchte seinen Körper zu bewegen, doch er gehorchte ihm nicht. Seine Arme und Beine schienen die Be-fehle seines Gehirns nicht zu erhalten. Er wusste nicht einmal, ob sein Kopf schon klar genug war, um überhaupt Befehle auszusenden.
 

Was sind das für Geräusche? Sind das Stimmen?
 

Er lauschte angestrengt. Es schienen tatsächlich Stimmen zu sein. Sie waren ganz in seiner Nähe, doch er ver-stand kein einziges Wort.
 

Es fühlt sich an, als hätte ich Wasser in den Ohren.
 

Er bemühte sich, endlich die Kontrolle über seine Glieder zu bekommen, versuchte, die Augen zu öffnen. Doch noch immer reagierte nichts. Doch die Stimmen wurden ein wenig klarer.
 

Über was reden sie? Und was sind das für andere Laute? Klingt, als würden Blasen im Wasser entstehen.
 

Langsam begannen seine Lider zu zittern. Die Stimmen wurden lauter, hektischer.
 

Jetzt geht schon auf, ihr blöden Augen! Ich will sehen, wo ich bin.
 

Endlich öffneten sich seine Lider einen spaltbreit.
 

Luftblasen… Wasser… Warum bin ich im Wasser? Wie kann ich hier atmen?
 

Erneut schwollen die Stimmen an, redeten aufgeregt durcheinander. Ein unangenehmes, stetiges Piepsen drang nun ebenfalls an seine Ohren. Und langsam begann er auch seinen Körper zu spüren. Seine Hände zuckten leicht, als er versuchte, sie zu bewegen.
 

Irgendetwas ist an meinem Körper befestigt. Nur was? Und wozu?
 

Die Augen öffneten sich ein Stück weiter, vorsichtig wegen der Helligkeit. Sie waren überaus empfindlich.
 

Es kommt mir fast so vor, als hätten meine Augen noch nie zuvor Licht gesehen. Wie kann das sein?
 

Er ballte leicht seine Hände zu Fäusten. Endlich konnte er verstehen, was die Stimmen dort sagten.
 

„Wir haben es endlich geschafft! Seine Hirnaktivität hat ein normales Level erreicht und seine Vitalfunktionen sind vollkommen stabil.“
 

Mir kommt diese Stimme bekannt vor. Nur woher?
 

„Ohne Ihre Hilfe wäre mir das nicht gelungen. Jetzt haben wir endlich eine Chance!“
 

Eine Chance? Wofür?
 

„Nach so vielen Fehlschlägen haben wir endlich ein lebensfähiges Exemplar erschaffen.“
 

Zitternd schreckte Harry aus dem Schlaf. Seine grünen Augen waren weit geöffnet und starrten durch die abso-lute Dunkelheit ins Nichts. Die Hände hatten sich in die dünne Decke verkrampft, die seinen mageren Körper gegen die Kühle der Nacht schützen sollte.

Mühsam richtete er sich in eine sitzende Position auf und strich sich mit einer Hand ein paar Haare aus der Stirn. Nachdenklich blickte er auf seine Finger. „Was für ein seltsamer Traum das war.“
 

Seufzend blickte er sich in seinem Zimmer um. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit, sodass er nun einiges erkennen konnte. Der große Käfig war leer, Hedwig, seine Eule, war grad auf der Jagd und würde erst in einigen Stunden zurückkehren. Sein Schreibtisch verschwand beinahe unter den Unmengen an Büchern, Pergamenten und Zeitungen. Auf dem Boden lagen einige seiner Kleidungsstücke verstreut.
 

„Nun krieg dich mal wieder ein, Harry. Das war nur ein Traum.“, sagte er zu sich selbst und schüttelte verstimmt den Kopf. Er legte sich wieder hin und verschränkte die Arme unter seinem Nacken. „Du hattest schon wesent-lich schlimmere Träume, also bleib mal schön ruhig.“ Seine Augen schlossen sich mit der festen Absicht, dass er nun weiter schlafen würde. Doch daraus wurde nichts.

Stundenlang wälzte er sich von einer Seite auf die andere, ohne zu wissen, warum dieser Traum eine derartige Unruhe in ihm ausgelöst hatte. Normal war das nicht mehr.
 

Wenn er von Voldemort geträumt hätte, würde er es noch verstehen können. Das dieser hier war nun wirklich nichts Beunruhigendes gewesen. Eigentlich…
 

Sein Unterbewusstsein schien da ganz anderer Meinung zu sein. Unablässig flackerten Bilder durch seinen Kopf, Bilder seines Traumes, Geräusche und Worte der Männer. Dennoch kam er nicht dahinter, was dieser Traum bedeuten könnte. Wenn er überhaupt etwas bedeutete.
 

-------------------------------
 

Um kurz vor sieben Uhr morgens schwang er schließlich seufzend die Beine aus dem Bett und stand auf, um ins Bad zu gehen, dort eine kurze Dusche zu nehmen, die Zähne zu putzen und sich ansonsten für den kommenden Tag fertig zu machen.
 

Seine Verwandten ließen ihn inzwischen zum Glück in Ruhe, sodass er tagsüber wenigstens in Frieden gelassen wurde, solange er nicht Dudley und seinen Kumpels über den Weg lief. Doch im Ausweichen war er inzwischen ein richtiger Meister geworden. Meistens hörte er die Bande schon von weitem, lange bevor sie in Sichtweite kamen und er konnte sich rechtzeitig verkrümeln. In diesem Sommer schienen die sogar von Woche zu Woche lauter zu werden, oder kam ihm das nur so vor? Inzwischen begann er sogar zu riechen, wann immer sein fetter Cousin in der unmittelbaren Nähe war. Er verströmte einen derartig abstoßenden Gestank, dass Harry immer Mühe hatte, nicht vor Ekel das Gesicht zu verziehen. Im Haus war es besonders schlimm, so hielt er sich die meiste Zeit des Tages draußen an der frischen Luft auf.
 

Noch in dieser Woche würde Harry seinen siebzehnten Geburtstag haben, würde somit volljährig werden. Dann dürfte er endlich auch außerhalb der Schule seinen Zauberstab verwenden. Doch das wichtigste war, dass er dann endlich, endlich von den Dursleys wegkam. Er würde sich entweder eine eigene Wohnung in London su-chen oder das Haus am Grimmauldplatz beziehen, das er von seinem verstorbenen Paten geerbt hatte. Er würde sich spontan entscheiden. Seine Sachen würde er heute packen, damit er auch nichts hier vergessen konnte. Wie-dersehen wollte er dieses Haus nicht mehr.
 

------------------------------
 

Als er in sein Zimmer zurückkehrte, saß seine Eule Hedwig auf seinem Bett und putze gründlich ihre Federn. Sie hob den Kopf, nachdem sie ihn gehört hatte, und fiepte ihn freudig an. Lächelnd setzte sich Harry neben sie und strich ihr zärtlich über den Kopf. „Hallo, meine Schöne. Hast du was gefangen heute Nacht?“
 

Ihre bernsteinfarbenen Augen richteten sich blinzelnd auf ihn, während sie den Kopf schief legte. Dann fiepte sie erneut, schlug einmal kurz mit ihren weißen Flügeln und kniff ihm liebevoll in den Finger.
 

„Das heißt wohl Ja.“, lachte Harry und streichelte noch einmal das weiche Gefieder. „Gut gemacht.“, lobte er sie schmunzelnd, was die Eule dazu brachte, sich stolz aufzuplustern. „Du bist mir eine…“, grinste er und stand auf, um sich umzuziehen. Hedwig flatterte in ihren Käfig und trank ein paar Schlucke aus der frisch aufgefüllten Wasserschale. Zufrieden mit sich und der Welt steckte sie schließlich den Kopf unter einen Flügel und schlief ein.
 

Es sollte ein warmer Tag werden, doch für den Nachmittag hatten sie im Fernsehen Regen angesagt. Deswegen schnappte sich Harry gleich noch eine dünne Jacke, die er später überziehen konnte.
 

Dann schlich er hinunter in die Küche, machte sich schnell ein paar belegte Brote, legte sie in eine kleine Tüte und stopfte diese in die Ja-ckentasche. Seinen Zauberstab trug er wie immer in der hinteren Tasche seiner Jeans, auch wenn er ihn eh nicht benutzen durfte. Aber man konnte nie wissen. Vielleicht hatten es dieses Jahr wieder ein paar Dementoren auf ihn abgesehen. Vielleicht waren es aber auch Todesser oder sonstige Gestalten, denen er lieber nicht begegnen möchte.
 

So ausgestattet verließ er das Haus.
 

------------------------
 

Einige Tage später lag Harry vollkommen erschöpft auf seinem Bett, den Blick genervt auf seine Uhr gerichtet, die ihm anzeigte, dass er in drei Minuten volljährig sein würde. Er hatte in den letzten Nächten kaum ein Auge zugetan. Nicht aus Aufregung, weil er endlich seine verhassten Verwandten verlassen konnte, sondern weil sein blödes Unterbewusstsein noch immer an diesem einen Traum zu knabbern hatte. Deswegen war er total übermü-det, überaus leicht reizbar und noch dazu kaum im Stande, aufrecht zu stehen. Mit der Schlaflosigkeit war näm-lich auch die vollkommene Appetitlosigkeit gekommen. Er war ja von Natur aus schon immer ein wenig zu dünn gewesen, doch nun war er schon regelrecht mager. Seine Kräfte neigten sich auch langsam den Ende zu und würde es nicht endlich bald besser werden, würde er wohl verhungern. Denn selbst, wenn er sich zwang, etwas zu essen, würgte er es keine zehn Minuten später wieder aus. Sobald er in Hogwarts war, würde er sich von Ma¬dam Pomfrey ordentlich durchchecken lassen. Wenn er bis dahin noch lebte…
 

Genau Null Uhr… Er war volljährig! Mit einem Seufzen kämpfte er sich aus dem Bett, schnappte sich seinen gepackten Koffer und seinen Zauberstab und verließ langsam das Haus. Er blickte nicht zurück, als er die Straße entlang schlich. Und kaum hatte er das Ende erreicht, gaben seine Beine unter ihm nach, sodass er unsanft auf die Knie fiel. „Verdammt! Der Tag kann doch nur besser werden!“, fluchte er leise, um die Nachbarn nicht zu wecken. Die konnten nämlich verdammt unleidlich werden, wenn sie mitten in der Nacht geweckt wurden.
 

Schließlich hob Harry seinen Zauberstab und schüttelte ihn kurz, worauf es einen lauten Knall gab und ein pur-purfarbener, dreistöckiger Bus vor ihm hielt. Die Tür ging auf und ein ihm unbekannter Kerl stieg aus. „Sie ha¬ben den Fahrenden Ritter gerufen? Dann stehen Sie endlich auf und kommen rein! Sie halten den ganzen Ver¬kehr auf.“, schnauzte er unfreundlich, wobei er Harrys Koffer nahm und ihn in den Bus trug.
 

Harry kämpfte sich wieder auf die Beine, stützte sich dabei an dem Bus und kletterte mit einiger Anstrengung hinein. Der Typ verfolgte alles mit misstrauisch zusammen gezogenen Augenbrauen. „Geht’s Ihnen nicht gut? Sie sehen ziemlich schlecht aus.“
 

Harry verzog das Gesicht. „Vielen Dank. Ich würde bestimmt nicht so aussehen, wenn es mir gut gehen würde.“, knurrte er und wandte angewidert den Kopf ab. Der Geruch, der diesen Kerl umwaberte, war fast so übelkeitser-regend, wie der seines Cousins. „Ich will nach London, Grimmauldplatz.“
 

Schulterzuckend nannte der Typ den Preis, den Harry ihm schließlich übergab und sich schwer auf eines der Betten fallen ließ.

Die Fahrt dauerte nicht allzu lange. Zwischendurch hielt der Bus an verschiedenen Orten, um Leute abzusetzen oder aufzunehmen. Dennoch erreichten sie London innerhalb von zwei Stunden. Harry schleppte sich mühsam hinaus auf die Straße. Kaum hatte er das Gefährt verlassen, schoss er auch schon weiter, wobei ihm ein ganzes Haus ausweichen musste, dessen Muggel-Bewohner nichts davon mitbekamen.
 

Seufzend zog er seinen schweren Koffer hinter sich her. Ihm wollte partout nicht die Zauberformel einfallen, mit der man Gegenstände leichter machte oder hinter sich her schweben lassen konnte. Als er schließlich das Haus seines verstorbenen Paten erreichte, ließ er sich schwer gegen die Tür fallen und atmete einmal tief durch. Erst dann öffnete er die Tür und betrat das Gebäude. Im Stillen dankte er allen dafür, dass der Orden des Phönix sich letztes Jahr ein neues Hauptquartier gesucht hatte, weil Harry sie nicht in seinem Haus haben wollte. Dumble-dore war zwar alles andere als begeistert gewesen, doch schließlich hatte er zähneknirschend versprochen, dass der Orden spätestens zu Beginn der Sommerferien nicht mehr am Grimmauldplatz war. Der einzige, der noch hier lebte, war Remus Lupin. Ihn wollte Harry um sich haben, einfach weil er ihn sehr gern hatte und Remus im letzten Jahr fast so etwas wie ein Ersatzpate geworden war. Sie beide trauerten schwer um den Verlust, den sie erlitten hatten. Sirius hatte ihnen beiden eine Menge bedeutet. Und nun wohnten sie zusammen hier in dem Haus, das einmal dem letzten Black gehört hatte.
 

Harrys Koffer entglitt seinen Fingern und fiel laut scheppernd zu Boden. Er selber folgte nur Augenblicke später, als erneut seine Beine unter ihm nachgaben.
 

Der Lärm lockte natürlich den Werwolf aus seinem Bett, der erschrocken auf der Treppe stehen blieb, als er sah, dass Harry zusammen gebrochen war. Doch dann eilte er zu ihm und ging neben dem jungen Mann in die Knie. „Harry, bei Merlin! Du siehst schrecklich aus. Was ist denn passiert?“ Er tastete vorsichtig den dünnen Körper ab, um zu prüfen, ob er verletzt war. Doch außer ein paar Schürfwunden und aufgerissener Knie war er unver-sehrt.

„Remus…“, stellte Harry etwas verspätet fest. Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
 

„Ich hole einen Stärkungstrank für dich und dann isst du erst einmal etwas.“ Der Werwolf nahm Harry auf die Arme und legte ihn auf das Sofa im Wohnzimmer. Dann verschwand er kurz in der Küche, von wo er mit einer kleinen Phiole zurückkehrte. Schnell entkorkte er sie und hielt sie dem jungen Mann an die Lippen. Der trank die Flüssigkeit widerstandslos, die auch sofort ihre Wirkung entfaltete. Harry fühlte sich nun wesentlich kräftiger, sodass er sich aufsetzte und Remus dankbar anlächelte. „Vielen Dank, Remus.“
 

„Was ist geschehen, Harry? Du bist ja fast nur noch Haut und Knochen.“ Die hellbraunen Augen musterten ihn besorgt.
 

„Ich weiß nicht, was los ist.“, gab Harry seufzend zu. „Seit ein paar Tagen kann ich weder richtig schlafen noch kann ich essen. Ich hab keine Ahnung, warum.“
 

Remus hielt ihm eine Hand gegen die Stirn, um zu prüfen, ob er Fieber hatte. Verwirrt zogen sich die hellen Augenbrauen zusammen. „Du bist ja ganz unterkühlt.“ Während er den Schwarzhaarigen in eine dicke Decke einwickelte, fühlten zwei Finger bereits unter dem Kiefer den Puls. Und je länger er den Herzschlag überprüfte, desto irritierter wurde er. „Scheint so, als könne sich dein Puls nicht entscheiden, ob er nun langsamer oder schneller schlagen will. So etwas hab ich bisher noch nie gesehen. Ich werde Madam Pomfrey herbitten und Dumbledore am besten gleich mit.“
 

Harry wusste nicht warum, aber beim letzten Namen kam ein dermaßen großer Widerwillen in ihm hoch, dass er heftig den Kopf schüttelte. „Dumbledore bitte nicht.“
 

Remus zögerte kurz, doch er kam schließlich dem Wunsch des jungen Mannes nach und holte nur die Kranken-schwester. Sofort wuselte die ältere Frau um ihn herum und fuchtelte mit ihrem Zauberstab vor seiner Nase he-rum. Da er dieses Verhalten aber nun schon kannte, war er nur etwas genervt anstatt vollkommen panisch, wie beim ersten Mal. „Was ist nun mit mir?“, wollte er schließlich nach einiger Zeit wissen.
 

Pomfrey verzog missmutig das Gesicht. „Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Ich bekomm vollkommen wider-sprüchliche Ergebnisse. Ich werde dir wohl ein wenig Blut abnehmen müssen.“ Damit zauberte sie eine ge-wöhnliche Muggelspritze herbei und setzte diese sogleich an seine Armbeuge. Ein ungenehmes Ziehen später zog sie auch schon mit der Blutprobe davon. Harry blickte ihr ein wenig beunruhigt nach. „Ich hab sie noch nie so erlebt und ich war oft bei ihr.“
 

„Es ist sicher nichts Ernstes.“, versuchte Remus ihn zu beruhigen und legte dem Schwarzhaarigen eine Hand auf die Schulter.
 

Es vergingen paar Minuten, die die beiden schweigend überbrückten, bevor die Krankenschwester zu ihnen zu-rückkehrte. Ihr Gesicht war tief besorgt und vollkommen verwirrt. „Ich versteh das nicht. Das dürfte doch gar nicht möglich sein.“, murmelte sie leise, doch Harry verstand jedes Wort und auch Remus runzelte die Stirn.
 

„Was ist denn nun los mit mir?“, wollte Harry wissen. „Und wehe, Sie wollen mir etwas verschweigen.“
 

Pomfrey seufzte und ließ sich auf einen Sessel fallen. Mit einer Hand fuhr sie sich durch die grauen Haare, die aufgrund der späten Stunde nur durch einen einfachen Pferdeschwanz anstatt ihres üblichen strengen Knotens gehalten wurden. „Ich versteh das nicht. Die Werte sind zwar eindeutig, aber absolut widersprüchlich. Zusam-men dürfte es diese Merkmale gar nicht geben.“
 

„Von was, bitte, sprechen Sie?“
 

Ihre Augen fixierten ihn nun. „Durch Ihr Blut habe ich festgestellt, dass du nicht vollkommen menschlich bist.“
 

„Das heißt?“
 

„In deinem Körper vereinen sich mehrere magische Wesen, was an sich gar nicht möglich wäre. Du bist zum Teil ein Mensch. Aber ebenso trägst du Gene der Veelas und Vampire in dir. Aber nebeneinander in einem Kör¬per stoßen sie sich gegenseitig ab. Das wird der Grund sein, warum du nicht mehr essen kannst. Der Vampir in dir verlangt Blut, aber die Veela und auch der Mensch in dir vertragen kein Blut. Doch normale Nahrung kann der Vampir nicht verarbeiten, deswegen würgst du es wieder aus.“, erklärte sie ruhig, doch man konnte ihr deut¬lich ansehen, wie nah ihr das alles ging.
 

Harry schluckte. „Das heißt, dass ich eigentlich gar nicht lebensfähig bin?“
 

Die Krankenschwester nickte leicht. „Ich weiß nicht, wie das zustande kommen konnte. Es waren keine dieser Wesen bei den Potters, geschweige denn bei den Evans vertreten. Deswegen müsstest du vollkommen mensch-lich sein. Aber ich habe es gerade nachgeprüft. Lily und James sind eindeutig deine Eltern gewesen. Du trägst ihre Gene in dir. Allerdings…“ Sie verstummte.
 

„Was?“, fragte nun Remus nach, der seine Sprache wieder gefunden hatte.
 

Pomfrey seufzte. „Ich hab allerdings noch menschliche Gene gefunden, die weder zu Lily noch zu James gehör-ten. Und das allein ist schon ein Ding der Unmöglichkeit. Kein Mensch kann drei Elternteile haben. Das geht einfach nicht. Das ist biologisch vollkommen unmöglich.“
 

„Wie kommt es, dass es erst jetzt so schlimm ist? Warum bin ich nicht schon früher…“ Er stellte die Frage nicht zu ende. Seine Stimme versagte ihm den Dienst und Tränen der Angst sammelten sich in seinen Augen. Remus zog ihn wortlos in die Arme und streichelte ihm beruhigend über den Rücken.
 

„Vampire und Veelas werden als Menschen geboren und wandeln sich erst zu ihrem siebzehnten Geburtstag um. Deswegen hattest du vorher auch keine Probleme.“, erklärte der Werwolf leise. „Aber wir finden einen Weg, um das zu schaffen. Du wirst nicht sterben, Harry. Das lass ich nicht zu. Ich hab deinen Eltern und Sirius verspro-chen, dass ich auf dich aufpassen werde. Wir finden einen Weg. Wir finden einen Weg.“
 

Harry klammerte sich verzweifelt an ihm fest. Er hatte ja geahnt, dass sein Leben nicht sehr lang sein würde. Doch er hatte sich sein Ende ein wenig anders vorgestellt. Mit erhobenem Haupt im Kampf gegen Voldemort mit der Aussicht, den Dunklen Lord vielleicht noch mitnehmen zu können. Doch nun zerplatzte dieses Szenario wie eine Seifenblase. In seinem Zustand könnte ihn selbst ein Erstklässler mühelos überwältigen.
 

Aber vielleicht konnte Dumbledore doch noch helfen. Er musste den Widerwillen gegen diesen Gedanken mit großer Mühe hinunterschlucken. „Dumbledore…“, flüsterte er.
 

„Ich dachte, du wolltest nicht, dass er davon erfährt.“
 

Harry nickte. „Aber vielleicht ist er meine einzige Chance.“
 

Remus warf Pomfrey einen bittenden Blick zu, die sofort verstand und mittels Kamin den Schulleiter kontak-tierte. Der kam auch keine zehn Minuten später aus dem grünen Feuer und besah sich die Szene aufmerksam. Harry lag noch immer in den Armen des Werwolfs, während Madam Pomfrey nachdenklich hin und her lief.

Ihm fiel natürlich der schlechte Zustand des jungen Mannes auf, weswegen er sich seufzend auf einen Sessel setzte. „Wie geht es dir, Harry?“
 

Remus knurrte. „Das siehst du doch! Alles andere als gut!“
 

Die Krankenschwester setzte sich nun ebenfalls. „Ich hab einiges herausgefunden, was ich nicht verstehe. Viel-leicht weißt du, Albus.“ Sie begann ihm ihre Erkenntnisse vorzulegen, als er die Hand hob und sie daraufhin verstummte. „Ich weiß, was los ist. Und ich hatte gehofft, dass eben das nicht geschieht.“ Er seufzte. „Ich fürchte, dir bleibt nicht mehr viel Zeit, Harry.“
 

„Was willst du uns damit sagen? Du weißt, was los ist? Warum?“, fragte Remus fordernd.
 

Der Schulleiter zögerte noch einen Moment, bevor er schließlich erneut seufzte. „Es war notwendig. Voldemort wurde zu mächtig. Ich sah mich gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, um zu sichern, dass wir diesen Krieg nicht verlieren würden.“
 

„Was für Maßnahmen?“
 

„Ich hatte gehört, dass die Muggel in der Lage wären, Menschen zu kopieren. Klonen nennen sie es. Ich hab mich mit einem Wissenschaftler zusammengesetzt, der mit der magischen Welt vertraut war. Wir entwickelten zusammen eine Methode, um ein Wesen zu erschaffen, dass in der Lage sein würde, Voldemort ein für alle Mal zu vernichten. Es hat zwar einige Jahre gedauert und hat uns mehrere Versuche gekostet, aber schließlich gelang es uns ein Geschöpf zu erschaffen, dass mehrere Wesen vereinte und so auch ihre Stärken und Schwächen.“
 

Harry hob den Blick und starrte den Schulleiter entgeistert an. „Soll das heißen, dass ich erschaffen wurde?“
 

Dumbledore nickte. „Du wurdest nicht von Lily zur Welt gebracht, dennoch ist sie deine Mutter. Du trägst ihre Gene in dir, ebenso wie die von James. Vampirgene waren nötig, damit du gegen den Todesfluch immun bist und um deine magischen Kräfte zu verstärken. Die Veela war einfach dafür, dass du mühelos andere Menschen anziehen kannst, die dich im Kampf unterstützen.“
 

Fassungslos starrte Harry den alten Mann an. Er konnte nicht so recht begreifen, was er ihm soeben offenbart hatte. Er war erschaffen worden. Er war kein Kind gewesen, das aus der Liebe seiner Eltern heraus entstanden war. Er war einfach nur dafür geschaffen worden, den Krieg für Dumbledore zu gewinnen.
 

„Der Dunkle Lord sollte eigentlich schon längst tot sein. Ich hatte damit gerechnet, dass du zu deinem siebzehn-ten Geburtstag Probleme bekommen würdest. Allerdings hatte ich gehofft, dass Voldemort dann schon tot wäre. Da das nun aber nicht der Fall ist, müssen wir dafür sorgen, dass du deine Aufgabe noch erfüllen kannst.“
 

Harry glaubte nicht, was er gehört hatte. Es war dem Schulleiter offenbar egal, dass einer seiner Schüler sterben würde. Es kam ihm nur darauf an, dass er Voldemort vernichtete. Was Harry darüber dachte oder ob er vielleicht an seinem Leben hing, daran verschwendete er keinen einzigen Gedanken.
 

Die Hand, die sich in Remus’ Robe gekrallt hatte, verkrampfte sich schmerzhaft, und er drängte sich unbewusst näher an den Werwolf.
 

Ohne auf Harrys Reaktion zu achten, erhob sich der alte Mann. „Ich werde dir ein paar Tränke geben, die eine Zeit lang die nicht-menschlichen Gene in dir unterdrücken. Doch lange wird es nicht anhalten. Du wirst dich mir deiner Mission beeilen müssen.“ Damit warf er Flohpulver ins Feuer und verschwand.
 

Harry starrte wie versteinert in die Flammen.
 

„Das glaub ich nicht!“, schimpfte Remus wütend los. Die brauen Augen blitzten gefährlich, die Oberlippe ein wenig hochgezogen, sodass er die Zähne fletschte, was ihn nun fast so furcht einflößend aussehen ließ, wie den Werwolf, in den er sich einmal im Monat verwandelte. „Wie kann er es wagen? Wie kann er so kalt bleiben? Es geht hier immerhin um einen Menschen, um Harry, verdammt noch mal!“ Unbewusst zog Remus den Jungen noch dichter zu sich. „Ich werde nicht zulassen, dass du derartig missbrauchst wirst, Harry. Wir werden einen Weg finden, diese fremden Gene zu unterdrücken und wenn ich dafür Voldemort persönlich die Füße küssen muss!“
 

Trotz dem Ernst der Situation musste Harry grinsen. „Das würde ich gern sehen.“ Ihm verging das Grinsen aber sofort wieder. „Selbst wenn Voldemort eine Möglichkeit sehen würde, sehe ich keinen Grund, warum er seinem ärgsten Feind das Leben retten sollte. Er wird doch einen Freudentanz aufführen, wenn ich den Löffel abgebe.“ Seufzend drängte er sich an den warmen Körper neben sich, da die Kälte unaufhörlich durch seinen Körper kroch.
 

Remus spürte das Zittern, das den dürren Körper ergriffen hatte, und blickte besorgt zu dem jungen Mann hi-nunter. „Warum spielt seine Temperatur so verrückt?“
 

Poppy seufzte. „Die Unterkühlung liegt an dem Vampir in ihm. Vampire haben von Natur aus eine sehr niedrige Temperatur und auch eine sehr niedrige Pulsfrequenz und Blutdruck, weswegen die Muggel gedacht haben, sie wären tot. Die Veela ist aber ein sehr heißblütiges Wesen, dessen Temperatur, Puls und Blutdruck höher sind, als die, der Menschen. Deswegen spielt sein Puls so verrückt. Sein Herz weiß nicht, wie es schlagen soll.“ Sie zö¬gerte, entschied sich dann aber dafür, weiterzusprechen. „Sehr lange wird dein Herz das nicht mitmachen, Harry. Wenn wir nicht bald etwas machen, bleibt es einfach stehen.“
 

„Toll… Ganz toll.“, grummelte Harry. „Zuerst dachte ich, ich sterbe im Kampf gegen Voldemort, dann dachte ich, ich verhungere vorher und jetzt bekomm ich gesagt, dass ich wahrscheinlich in nächster Zeit an Herzstill-stand sterben werde. Wenn jemand noch eine Art zu sterben parat hat, die noch früher eintreffen wird, möge er nun sprechen.“
 

Remus warf Poppy einen ängstlichen Blick zu. Wenn das so weiter ginge, würde Harry noch verrückt werden. Der Junge hatte schon weit mehr ertragen, als die meisten anderen, die von weniger Einschnitten verrückt ge-worden waren. Wie lange würde Harry das noch aushalten?
 

Das Kaminfeuer verfärbte sich wieder grün und spucke Dumbledore aus, der ein paar Phiolen in der Hand hatte. „Hier sind die Tränke, die deinen Tod um einige Zeit verzögern. Trink immer einen, wenn sich dein Zustand verschlechtert. Ich kann dir leider nicht sagen, wie lange diese Tränke anhalten werden, und ich hab auch nur diese drei. Weitere zu brauen ist nicht möglich.“ Er legte die kleinen Glasbehälter auf den Tisch, besah sich die drei Personen noch einmal und verschwand dann wieder.
 

Remus versuchte seine Kiefer wieder zu entspannen, da er in Dumbledores Gegenwart so heftig die Zähne zu-sammengebissen hatte, dass er nun Probleme hatte, sie wieder voneinander zu lösen. Poppy stand auf, nahm eine Phiolen und ging vor Harry in die Knie. „Trink, dann wird es dir hoffentlich besser gehen.“
 

Er versuchte, das kleine Glas zu nehmen, doch seine Hand zitterte so stark, dass er das Vorhaben sofort wieder abbrach. Die Krankenschwester hielt sie ihm an den Mund und ließ die violette Flüssigkeit hinein fließen.
 

Gebannt warteten sie, ob der Trank seine Wirkung entfaltete. Es dauerte ein paar Minuten, doch schließlich er-wärmte sich Harrys Körper wieder und Poppy stellt mit einem prüfenden Anlegen an seine Halsschlagader fest, dass sich auch sein Puls wieder normalisierte. Remus atmete erleichtert auf und entließ den jungen Mann aus seinen Armen, als dieser sich aufrichtete. „Du solltest etwas essen.“
 

Harry nickte leicht, denn obwohl das Zittern etwas nachgelassen und ihm nicht mehr so eiskalt war, war er noch immer zu schwach, um allein aufstehen zu können. „Könntest du…?“
 

„Ich mach schon.“ Poppy erhob sich, lächelte ihm aufmunternd zu und ging in die Küche, um etwas zu Essen für ihn zu machen.

„Meintest du das vorhin ernst?“
 

„Was denn?“
 

Harry senkte den Blick. „Dass du Voldemort um Hilfe bitten würdest, wenn die Chance besteht, dass er einen Ausweg kennt.“
 

Remus lächelte und strich ihm durch die Haare. „Eigentlich hab ich gesagt, dass ich ihm die Füße küssen würde, wenn es sein müsste. Aber ja… Das hab ich ernst gemeint.“
 

„Was würden meine Eltern und Sirius dazu sagen? Immerhin ist er für ihren und den Tod von tausenden von Menschen verantwortlich.“
 

„Harry“, seufzte der Werwolf, „deine Eltern würden nicht wollen, dass du stirbst. Sie würden das gleiche für dich tun. Und was den Rest den toten Menschen angeht: Sie sind tot, oder? Du solltest dir über sie nicht den Kopf zerbrechen. Und die Lebenden können dir eh egal sein, wenn sie der Meinung sind, dass du für sie sterben solltest. Das zeugt von Feigheit und Egoismus. Du hast in den letzten Jahren genug Mut und Umsicht bewiesen, um damit den Rest deines hoffentlich noch langen Lebens versorgen zu können.“
 

Nachdenklich blickte Harry auf seine Hände. „Aber selbst wenn wir ihn um Hilfe bitten, heißt das nicht, dass er uns auch helfen wird.“
 

„Aber dann haben wir es wenigstens versucht.“ Remus hoffte inständig, dass Harry sich zu diesem Schritt durch-ringen kann.

Geschirrgeklapper ließ die beiden aufmerksam werden. Poppy balancierte ein Tablett durch den Raum und stellte es vorsichtig auf den Tisch. Ein mittelgroßer Topf gefüllt mit dampfender Suppe wurde von drei Porzel-lanschüsseln umgeben. Alle etwa halbvoll gefüllt.
 

„Ich hab euren Hauselfen gebeten, etwas Hühnersuppe zu machen. Da du seit einiger Zeit nichts mehr gegessen hast, solltest du damit anfangen.“
 

Harry nickte dankbar und nahm vorsichtig eine der Schüsseln entgegen. Seine Hände zitterten zum Glück nicht mehr so stark, sodass er allein essen konnte, ohne allzu viel zu verschütten. Und obwohl es nur eine gewöhnliche Suppe war, kam es ihm so vor, als hätte noch nie etwas Besseres gegessen. „Sehr freundlich von Ihnen.“
 

Die Frau schüttelte abwehrend den Kopf. „Nicht doch… Erstens bin ich Heilerin. Es liegt mir einfach im Blut jemandem zu helfen, der Hilfe braucht. Und zweitens bist du mein Lieblingspatient. So häufig, wie du schon bei mir zu Besuch warst, kommt es mir fast vor, als wärst du so etwas wie ein Sohn.“, erklärte sie lächelnd und legte ihrem Patienten fürsorglich eine Hand auf die Schulter. „Und was Mister Lupins Vorschlag bezüglich Du-weißt-schon-wem, kann ich nur eines sagen.“
 

Harry ließ die Schultern sinken, da er fest damit rechnete, dass die Heilerin ihm diesen Schritt ausreden wollte. Immerhin war sie strikt gegen den Dunklen Lord. Doch er sollte sich irren.
 

„Gehen Sie zu ihm, Harry. Vielleicht kann er Ihnen wirklich helfen.“ Sie hockte sich vor ihn und blickte ihm die vor Überraschung geweiteten Augen. „Wenn er es tut, kann er nicht so böse sein. Wenn er die Gelegenheit aber nutzt, um Sie zu töten“, sie seufzte, „dann haben Sie es wenigstens versucht und müssen nicht noch einmal so leiden, wie Sie es gerade erlebt haben. Sie haben also nichts zu verlieren.“
 

Harry blickte sie lange prüfend an. „Und was ist, wenn er mir zwar hilft, mich dann aber einsperrt, oder zu Tode foltert?“
 

„Ob Sie bereit sind, dieses Risiko auf sich zu nehmen, müssen Sie entscheiden. Aber solange die Möglichkeit besteht, dass Du-weißt-schon-wer Ihnen wirklich helfen kann, sollten Sie es versuchen. Wenn er auch nur ein Funken Menschlichkeit in sich trägt, wird er helfen.“ Die Heilerin nickte, um ihre Worte zu bekräftigen, und strich dem jungen Mann eine Träne von der Wange. Es tat ihr in der Seele weh, den früher so starken und ent-schlossenen Gryffindor so zu sehen. Aber das bewies ihr nur, was viele nur zu gerne verdrängten: Harry war nichts weiter, als ein Mensch, ein junger Mann, der schon viel zu viel erleben musste, dem schon viel zu viel zugemutet worden war. Er hatte versucht, sich dem anzupassen, und es war ihm bis zu einem gewissen Grad auch gelungen. Nach außen hin war er immer der strahlende Gryffindor gewesen, doch niemand hatte gesehen, dass er in seinem Inneren noch immer ein Kind war. „Wenn Sie sich entschieden haben, Hilfe zu suchen, dann sollten Sie vielleicht Severus Snape um Rat fragen. Er wird wissen, wie man mit dem Dunklen Lord in Verbin-dung treten kann.“ Poppy deutete auf die Schüssel. „Essen Sie, Harry. Sie werden es brauchen.“ Das war der letzte Rat, dem sie ihm geben konnte. Sie strich ihm noch einmal sanft durch die Haare, nickte dem Werwolf zu und zog sich durch den Kamin zurück.
 

Schweigend und nachdenklich löffelte Harry die Suppe und starrte dabei auf den Teppich. Er wusste, dass Vol-demort seine einzige Chance zu überleben war, so ironisch sich das auch anhörte. Dennoch war es gewaltiger Schritt und er wusste nicht, ob in die richtige oder falsche Richtung. Wenn er den Dunklen Lord um Hilfe bat, könnte es durchaus sein, dass dieser dafür seine Treue oder bedingungslose Kapitulation forderte. Auf der ande-ren Seite war diese Bitte an sich schon eine Kapitulation. Er würde definitiv nicht mehr kämpfen, weder für die eine noch für die andere Seite. Vielleicht war das für Voldemort schon Preis genug.
 

Harry verzog das Gesicht, da ihm diese Möglichkeit sehr unwahrscheinlich vorkam. Immerhin war Voldemort ein Slytherin und die taten bekanntlich nichts ohne eine entsprechende Gegenleistung.
 

„Zerbrich dir nicht den Kopf, Harry.“, drang Remus‘ sanfte Stimme zu ihm durch. „Du bist vollkommen fertig. Schlaf etwas, bevor du weiter darüber nachdenkst.“ Der Werwolf nahm ihm die leere Schüssel ab, stellte sie auf den Tisch und zog den schwachen Körper an sich, sodass Harrys Kopf an seiner Brust lag. „Ich passe auf dich auf.“ Sanfte Finger fuhren durch seine Haare, die dicke Decke wurde wieder zurechtgerückt.
 

Harry seufzte, legte sich bequem hin und rollte sich zusammen, wobei ihm Remus‘ Bein als Kissen diente. „Danke, Remus. – Für alles.“
 

------------------------
 

Als er erwachte, waren die Vorhänge zugezogen und das Feuer im Kamin ordentlich angeheizt. Remus hatte seinen Platz vorsichtig verlassen, um Harry nicht vorzeitig zu wecken, und hatte wieder eine Schüssel Hühner-brühe fertig gemacht, die nun dampfend auf dem Tisch stand.
 

Erleichtert stellte der Gryffindor fest, dass er sich wesentlich besser als am vorigen Tag fühlte, und setzt sich auf. Das einzige, was ihm ein wenig zusetzte, war das leichte Ziehen der Muskeln in Armen und Beinen. Ein Mus-kelkater, der davon kam, dass er seinen schweren Koffer quer durch das Land getragen hatte. – So kam es ihm jedenfalls vor.
 

Ein Blick auf die große Standuhr verriet ihm, dass es fünf Uhr war, und da gedämpftes Licht durch die Vorhänge fiel, konnte er davon ausgehen, dass es Nachmittag war. Er hatte also fast den ganzen Tag verschlafen.
 

Beim Anblick der warmen Suppe vor ihm, huschte ein dankbares Lächeln über seine Lippen. Er hob die Hand und prüfte, ob sie zitterte. Erst dann griff er nach der Schüssel und schlürfte langsam die würzige Flüssigkeit.
 

„Guten Morgen, Harry. Wie geht’s dir heute?“ Remus kam ins Zimmer gerade als Harry die leere Schüssel wie¬der auf den Tisch stellte.
 

Der junge Mann zog die Beine auf das Sofa und kuschelte sich wieder in die Decke, bevor er antwortete. „Besser als gestern, aber ich fühl mich immer noch so furchtbar schwach.“ Er schwieg kurz. „Ich habe von Voldemort geträumt.“
 

Besorgt blickte Remus ihn an. „Erzähl‘s mir.“, forderte er vorsichtig, worauf Harry mit den Schultern zuckte.
 

„Es war nichts Weltbewegendes. Ich habe geträumt, dass wir zu ihm gegangen sind und ihn um Hilfe gebeten haben. Seine Anhänger fanden das außerordentlich amüsant.“, berichtete er mit einem leidenden Gesichtsaus-druck.
 

„Und wie hat ER darauf reagiert?“
 

Wieder zuckte Harry mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich bin aufgewacht, bevor er etwas sagen oder ma-chen konnte.“ Er seufzte. „Das zeigt doch nur, dass ich mir nicht mal im Traum vorstellen kann, was er tun wird.“
 

Remus blickte ihn nachdenklich an. „Harry, wir beide wissen, dass es nicht leicht für dich sein wird, zu ihm zu gehen. Er wird vielleicht verlangen, dass du deine Bitte vor all seinen Anhängern vorbringst. Es wird dich eine Menge Stolz kosten.“
 

„Ich weiß, aber was habe ich denn für eine andere Wahl? Entweder ich gebe sofort auf und begehe Selbstmord, lass die Wirkung der Tränke ausklingen und sterbe elendig an einem Herzinfarkt oder Unterernährung oder ich mache mich vor allen Todessern zum Volldepp.“ Er grinste selbstironisch. „Ganz ehrlich? Der Volldepp ist zwar die augenscheinlich sinnvollste, aber längst nicht die einfachste Methode. Ich werde allen Mut brauchen, den ich zusammenkratzen kann, und mich so verzweifelt geben, wie ich bin. Wenn er nicht gerade ewige Knechtschaft verlangt oder mich zum Punching Ball der Todesser erklärt, ist das tatsächlich die beste Lösung. – Du weißt nicht zufällig, wie man Snape erreicht, oder?“
 

Remus lächelte und strich ihm väterlich durch die Haare. „Ich werde dich nicht aus den Augen lassen. Wenn Voldemort dir etwas antun will, wenn wir zu ihm gehen, muss er erst an mir vorbei. Und glaub mir: Mit einem wütenden Werwolf, der seinen Welpen beschützt, will er sich nicht anlegen. – Und wie es der Zufall will, habe ich bereits ein Brief an Severus verfasst. Lies ihn und sag mir, ob es so in Ordnung ist.“ Er beschwor einen Um¬schlag herbei und reichte ihn an Harry weiter.
 

Der junge Mann atmete einmal tief durch, bevor er das Pergament herauszog und die geschriebenen Zeilen las. Remus machte deutlich, dass es ihm wirklich ernst mit seiner Bitte war, wie dringend die Lage war, ohne zu viel zu verraten. Es ging nur hervor, dass es um Harry ging. Der Brief endete mit der Bitte, dass Severus sich doch bitte so schnell wie möglich bei ihnen im Grimmauldplatz melden sollte.
 

„Den hast du sehr gut verfasst. Du kannst Hedwig den Brief geben.“ Damit reichte er ihn an Remus zurück und legte den Kopf nach hinten auf die Sofalehne. Müde schloss er die Augen.

„Schlaf dich aus, Harry.“
 

----------------------
 

Die nächsten vierundzwanzig Stunden verbrachte Harry nur mit Hühnersuppe essen und schlafen, um seine Kräfte wieder langsam aufzubauen. Dann allerdings war es vorbei mit der Ruhe, da Severus Snape in einer grü

nen Flamme erschien, als Harry gerade bei seiner nächsten Mahlzeit war. Der Tränkemeister hob verwundert eine Augenbraue, als er den Gryffindor auf dem Sofa sitzen sah, eine dicke Decke um den dünnen Körper geschlungen und eine Schüssel Suppe in den Händen. Die grünen Augen des jungen Mannes blickten ihm entge-gen, doch nicht mit dem Ausdruck, den Snape gewohnt war. Aller Trotz und Aufmüpfigkeit war gewichen, stattdessen lagen nun Resignation und Schwäche in ihnen. „Mister Potter…“, grüßte Snape neutral und nickte dem Gryffindor zu. Der erwiderte die Geste leicht. „Professor…“
 

„Wissen Sie, wo sich…“
 

„Ah, Severus!“ Remus kam durch die Tür und atmete erleichtert auf. „Schön, dass du gekommen bist. Setz dich doch.“
 

Der Slytherin zögerte. „Ich habe nicht vor, lange zu bleiben.“
 

„Das mag sein. Aber meine Erklärungen, die du bestimmt hören möchtest, dauern eine Weile, also wäre es ange-nehmer, wenn du dich setzen würdest, schätze ich.“ Der Werwolf ließ sich neben Harry nieder, der damit fort¬fuhr seine Suppe zu löffeln, wobei er sich schutz- und wärmesuchend ihn lehnte.
 

Snape setzte sich langsam auf den Sessel, der den beiden gegenüber stand. „Wären Sie nun so freundlich mich aufzuklären? Wegen einer kleinen Erkältung werde ich nämlich nicht bleiben. Dafür ist Madam Pomfrey oder das Stankt Mungos zuständig.“
 

„Es geht nicht um eine Erkältung, Severus. Es geht um Harrys Leben.“
 

Der Tränkemeister hob die Augenbrauen. „Ich kann nicht erkennen, dass Mister Potters Leben im Augenblick bedroht sein soll.“
 

„Ist es aber. Harry hat nicht mehr lange zu leben, wenn wir niemanden finden, der uns helfen kann.“
 

„Kann Mister Potter nicht für sich selbst sprechen oder zählt die Schweigsamkeit schon zu den lebensbedrohlichen Symptomen?“
 

„Nein, Professor, zählt es nicht.“, antwortete Harry und stellte die leere Schüssel auf den Tisch. „Aber wie Sie gesehen haben, war ich noch beim Essen und mit vollem Mund redet man bekanntlich nicht.“ Er lehnte sich zurück und zog die Decke bis zum Kinn hoch. „Wie viel wissen Sie von Dumbledores Versuchen, Voldemort aufzuhalten?“
 

„Wenn Sie mich nur deswegen herbestellt haben, dann…“
 

„Beantworten Sie einfach die Frage, Professor, damit ich weiß, wie weit ich ausholen muss.“, unterbrach Harry ihn und blickte ihn bittend an.
 

Einen Moment lang war es still in dem Raum. Severus versuchte in den grünen Augen zu lesen, was der Gryf-findor mit seiner Frage bezwecken wollte. Doch wo er sonst immer eine Antwort gefunden hatte, fand er nun nichts weiter als Hilflosigkeit. „Ich weiß nicht viel über Dumbledores Vorgehen. Er verriet nie genau, was er vorhat, um sich nicht in die Karten schauen zu lassen.“
 

Remus schnaubte. „Das sieht dem alten Sack ähnlich.“
 

„Seit wann redet Dumbledores Schoßwolf denn so abfällig über ihn?“
 

„Wenn du zuhörst, dann wirst du es gleich wissen.“, schnappte Remus und deutete Harry, dass er fortfahren sollte.
 

Der Gryffindor änderte kurz seine Sitzposition, bevor er seine Erklärungen aufnahm. „Dumbledore hat viel mehr versucht, um Voldemort aufzuhalten, als jeder vermutet hätte. Wussten Sie, dass er mit Muggeln zusammenar-beitet, die mit der magischen Welt vertraut sind?“
 

„Muggeln? Wie sollten sie uns schon helfen können?“
 

„Eigentlich ist es ganz einfach. Es gibt Muggel, die sich auf die Biologie spezialisiert haben und unsere Gene entschlüsseln. Sie experimentieren damit, Menschen zu kopieren. Dumbledore fand diese Methode überaus interessant und hat sich genauer damit beschäftigt. Es reichte aber nicht, einfach nur einen Menschen zu kopie-ren, denn es gab niemanden, der Voldemort wirklich gewachsen war. Also hat er sich mit den Muggeln zusammengesetzt und Wege entwickelt, verschiedene Gene miteinander zu kombinieren.“
 

Severus hörte aufmerksam zu, konnte jedoch kaum glauben, was der junge Mann ihm da erzählte. Er ahnte schon, in welche Richtung das gehen würde.
 

„Jedenfalls hat er jahrelang versucht, lebensfähige Exemplare zu erschaffen, die von ihren Fähigkeiten und Ei-genschaften her Voldemort gewachsen waren. Vor siebzehn Jahren hatte er damit Erfolg. Er hatte ein Wesen erschaffen, dass die Gene von Zauberern, Veelas und Vampiren in sich trägt.“
 

„Und da sie sich in einem Körper gegenseitig abstoßen, stirbt das Wesen innerhalb kürzester Zeit, wenn die Gene nicht unterdrückt werden.“, beendete Severus die Erklärung ungläubig. „Sie sind dieses Wesen.“
 

„Treffer und versenkt. Als er gehört hat, dass ich kurz davor war, mit dem Sensenmann zu daten, hat er mir Tränke gegeben, die mich eine Weile noch am Leben erhalten können. Und er hofft, dass ich bis dahin Volde-mort vernichtet haben werde, sonst müsste er erneut einen Versuch starten. Dass ich dabei draufgehe, ist ihm scheißegal, Hauptsache sein Goldjunge macht seine Arbeit. Gott, ich könnt kotzen.“ Seine Stimme kippte weg, da ihm wieder Tränen der Verzweiflung in die Augen stiegen. Daher vergrub er sein Gesicht in der Decke und drückte sich ein wenig näher an Remus, der ihn tröstend in den Arm nahm.
 

„Deswegen möchten wir beide zum Dunklen Lord und ihn um Hilfe bitten. Er ist Harrys einzige Chance.“, be-endete der Werwolf.
 

Severus beobachtete das ganze milde erstaunt. „Sie haben seinen Angriff auf die Ministeriumabteilung verei-telt…“
 

„Was hatte ich denn bitte für eine Wahl?!“, brüllte Harry plötzlich los. „Ich hätte nicht eingegriffen, wenn er mir nicht vorgegaukelt hätte, dass er Sirius dort hat! Von mir aus hätte er diese bescheuerte Prophezeiung ruhig ha-ben können, da sie eh nur Scheiße beinhaltet! Meine Fresse! Ich werde demnächst den Löffel abgeben, auf die eine oder andere Weise, welche, muss ich mir noch aussuchen, aber verdammt noch mal, ich bin erst siebzehn! Ich fühle mich wie hundertdreißig und hatte in meinem ganzen Leben nur ein einziges Jahr, in dem ich wirklich frei war und daran kann ich mich nicht mehr erinnern! Also, wenn Voldemort mir unbedingt vorhalten will, dass ich seine scheiß Pläne vereitelt habe, dann kann er mich von mir aus gleich umbringen, damit ich es endlich hinter mir habe! Aber dann soll er dafür nicht wieder den Avada nehmen, denn der bringt eh nichts! Wie wäre es, wenn er mir stattdessen gleich das Herz aus der Brust reißt und es zum Frühstück verspeist?!“ Er ignorierte, dass Tränen ungehemmt über seine Wangen liefen und funkelte Severus herausfordernd an. „Das sollte ja wohl reichen, um es endlich zu beenden!“
 

Severus kannte den jungen Mann gut genug, um zu wissen, dass es wirklich schlecht um ihn stehen musste, wenn er schon vor ihm in Tränen ausbrach, ohne sich dafür zu schämen. Er hätte sich sonst nie diese Blöße ge-geben. Er überlegte, wie gut die Chancen des Gryffindors standen, dass der Dunkle Lord ihm wirklich helfen würde. Denn obwohl er den jungen Mann nie wirklich leiden konnte, war er immer noch der Sohn von Lily. Er würde es nicht übers Herz bringen, ihren Sohn einfach sterben zu lassen. Das würde sie ihm nie verzeihen kön-nen. „Wenn Sie wollen, kann ich den Dunklen Lord um eine Audienz für Sie beide bitten. Es wird dann allerdings vor allen Todessern stattfinden, um zu prüfen, wie ernst es Ihnen wirklich ist. Sie werden sich demütigen müssen, um ihn zu überzeugen.“
 

Harry lachte humorlos auf. „Noch mehr demütigen kann ich mich nicht mehr, wenn ich vor Ihnen schon rum-heule wie ein Schlosshund. Da machen ein paar Slytherins mehr oder weniger den Kohl auch nicht fett. So sehr mich mein Leben bisher auch angekotzt hat, ich hänge dran.“
 

Mit einem Nicken erhob sich Severus. „Ich werde mit dem Dunklen Lord Kontakt aufnehmen und euch dann informieren.“ Er warf dem Gryffindor einen flüchtigen Blick zu, der jedoch unbemerkt blieb, weil Harry sein Gesicht wieder in der Decke vergraben hatte. „Ich werde mich beeilen.“ Damit rauschte er zum Kamin, warf eine Handvoll Flohpulver in die Flammen und verschwand.
 

„Jetzt können wir nur noch warten und hoffen…“, murmelte Remus, während er dem jungen Mann neben sich beruhigend über den Rücken streichelte.
 

-----------------------
 

Die nächsten Tage waren schwer für die beiden. Harry, der immer wieder begann zu zweifeln, stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Er wurde noch stiller und wollte gar nicht mehr so recht essen, sodass Remus ihn jedes Mal aufs Neue überreden musste. So nahm der junge Mann zwar nicht wieder ab, aber kräftiger wurde er auch nicht. Die einzigen ruhigen Momente, die der Gryffindor vor seinen düsteren Gedanken hatte, waren wäh-rend der paar Minuten Schlaf, die nicht von Alpträumen heimgesucht wurden.
 

Als Severus zurückkehrte, schlief Harry gerade ruhig – eine seiner wenigen traumlosen Phasen. Remus saß auf dem Sessel und blickte den Tränkemeister müde an. „Bitte sag mir, dass du gute Nachrichten hast.“
 

Seufzend lehnte sich Snape mit der Schulter an die Wand. „Es sind auf jeden Fall keine schlechten. Der Dunkle Lord ist bereit, Sie beide zu empfangen. Er hat aber gewisse Bedingungen, wie Sie bestimmt vermutet haben. Sie sollen selbstverständlich unbewaffnet sein, müssen sich vorher gründlich auf irgendwelche Überwachungszauber oder ähnliches prüfen lassen und Sie werden im Kreise seiner engsten Anhänger auftreten.“ Er warf einen Blick auf Harry. „Sollten Sie ihn nicht wecken? Immerhin ist es sehr wichtig.“
 

Remus schüttelte müde den Kopf. „Er hat in den letzten Tagen schon kaum geschlafen und wenn, dann hatte er Alpträume. Ich bin froh, wenn er mal ruhig schlafen kann.“
 

Der Tränkemeister musterte den jungen Mann prüfend. Harry hatte die dicke Decke bis zum Kinn hochgezogen, sodass nur sein Kopf zu sehen war. Doch selbst so konnte er sehen, dass der Gryffindor nur aus Haut und Knochen bestehen musste. Die Wangen waren eingefallen und die Augen saßen etwas zu tief in ihren Höhlen und wurden von dunklen Rändern umschattet. Wenn man ihn so sah, konnte man ihn glatt für ein Kind halten, nicht für einen siebzehnjährigen, jungen Mann. „Der Lord wird Sie beide morgen Abend um sieben Uhr empfangen. Seid eine halbe Stunde vorher in Malfoy Manor, dort werden Sie überprüft.“ Er nickte dem Werwolf zum Ab-schied zu und verschwand wieder durch den Kamin.
 

Das Geräusch der hochpeitschenden Flammen weckte den schwarzhaarigen Gryffindor. Blinzelnd schlug er die Augen auf und blickte fragend zu Remus. „Was…?“
 

„Severus war gerade hier und hat uns die Antwort von Voldemort übermittelt.“ Er fuhr sofort fort, um Harry nicht noch weiter zu quälen. „Morgen Abend um halb sieben werden wir im Malfoy Manor erwartet, wo man uns auf Waffen oder Zauber untersuchen wird. Dann werden wir zum Lord gebracht und im Kreis seiner engsten Vertrauen müssen wir ihm unsere Bitte vortragen.“
 

Harry senkte den Kopf und seufzte schwer. „Dann wird es sich also morgen entscheiden, ob ich sterbe.“
 

„Harry?“ Remus machte die emotionslose Stimme des jungen Manns unruhig. Trübe, grüne Augen richteten sich auf ihn. „Gib nicht auf, Harry – nicht jetzt.“ Liebevoll strich er ihm über die Wange, was den Gryffindor erneut seufzen ließ.
 

„Ich trete morgen demjenigen gegenüber, der mich all die Jahre umbringen wollte. Es ist besser, wenn ich mit meinem Leben abschließe, als wenn ich mir Hoffnungen mache, die am Ende nur wieder enttäuscht werden. – Meinst du nicht?“
 

Statt einer Antwort zog Remus ihn an sich und grub sein Gesicht in die schwarzen Haare, um die Tränen zu verstecken, die plötzlich über seine Wangen liefen. „Ich will dich nicht verlieren. Du bist doch mein Welpe.“
 

„Mach dir keine Sorgen. Wenn das morgen wirklich mein letzter Tag sein sollte, werde ich zu meinen Eltern und Sirius gehen und dort auf dich warten.“ Er schlang die Arme um den Werwolf. „Du wirst nie wirklich allein sein. Versprochen!“ Nun liefen auch dem Gryffindor Tränen über die Wangen, während er sich trostsuchend näher an ihn drückte.
 

-----------------------
 

Der nächste Abend kam für die beiden viel zu schnell. Harry hatte den ganzen Tag über keinen Bissen hinunter bekommen und Remus ging es nicht anders. Nun war es fünf Uhr, sodass sie sich langsam umziehen sollten. Harry schlug die Decke beiseite, atmete einmal tief durch und richtete sich dann mühsam auf. Da er die letzten Tage nur gesessen oder gelegen hatte, wollten seine Beine sein geringes Gewicht kaum tragen. Doch darauf konnte der junge Mann heute keine Rücksicht nehmen. Mit kleinen, zaghaften Schritten kämpfte er sich ins Bad vor, um sich waschen zu können. Stets war Remus in der Nähe, um ihn im Notfall stützen oder halten zu können. Doch Hilfe brauchte Harry erst beim Anziehen. Zwar hatte er versucht, sich seine Hose allein anzuziehen, doch nachdem er mit den Unterschenkeln schon in der Jeans steckend auf dem Sofa saß, konnte er allein nicht mehr sicher aufstehen, um sie sich über die Hüften zu ziehen. „Merlin, ich fühl mich, als wäre ich ein Kleinkind.“, murmelte er, als Remus seine Hose an ihren Platz zog, während Harry sich an seinen Schultern festhielt, um nicht umzufallen.
 

„Die Zauberstäbe werden wir Severus anvertrauen, in Ordnung?“, fragte Remus, nachdem auch er sich fertig gemacht hatte. Er wartete Harrys Nicken ab, bevor er eine Handvoll Flohpulver nahm und es in die Flammen warf. „Zusammen?“
 

„Bitte… Ich hasse Flohpulver.“ Unsicher trat Harry mit Remus zusammen ins Feuer. Der Werwolf hielt ihn fest mit einem Arm umfasst. „Malfoy Manor!“
 

Der Gryffindor schloss die Augen und betete, dass diese Reise bald ein Ende hatte. Er vertrug die magischen Fortbewegungsmittel eben nicht sonderlich gut. So war es auch kein Wunder, dass er fast aus dem Kamin ge-stolpert wäre, als sie ankamen, hätte Remus ihn nicht festgehalten.
 

„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich der Werwolf besorgt.
 

„Ja, gib mir nur einen Moment.“ Harry konzentrierte sich auf seine Beine, die sich wie Pudding unter ihm an-fühlten. Schwäche und Flohpulver – keine gute Kombination.
 

Es dauerte eine Minute, bevor er sich halbwegs sicher war, dass seine Beine nun wieder bereit waren, ihre Arbeit zu tun. Sich auf Remus stützend kämpfte er sich aus dem Kamin und blieb verdutzt stehen, als er Draco, Nar-zissa, Lucius und Snape keine drei Meter entfernt stehen sah. „Oh… Äh… Guten Abend?“
 

Snape schnaubte vage amüsiert, während Draco nur die Augen verdrehte. Narzissa hingegen musterte den jun-gen Mann sichtlich besorgt. Sie hatte Harry Potter bereits im vierten Jahr einmal gesehen und war erschüttert, wie schlecht er nun aussah. Doch viel schlimmer als die sichtliche körperliche Schwäche war der Ausdruck in seinen Augen. Sie drückten ein Alter aus, das weit über das hinausging, was ein Siebzehnjähriger haben sollte. Der Gryffindor musste so viel mehr miterlebt haben, als ihr bekannt war. „Guten Abend, Mister Potter, Mister Lupin.“ Sie nickten den beiden Gästen grüßend zu.
 

Lucius aber hielt sich mit solchen Förmlichkeiten nicht auf. Er zog seinen Zauberstab, doch bevor er überhaupt etwas machen konnte, hielt Harry ihm seinen Stab schon mit dem Griff zu Lucius gewandt hin. Etwas durchein-ander gebracht, nahm der Malfoy das Holz entgegen, ebenso wie den von Remus, und reichte sie an Severus weiter, der sie sicher in der Innentasche seiner Robe verstaute. Dann wandte er sich wieder an die beiden Gryf-findors. „Ich werde Sie nun auf irgendwelche Zauber überprüfen.“, kündigte er an und führte die dazu nötigen Bewegungen aus. Harry fühlte ein leichtes Kribbeln an seinem ganzen Körper, das nur wenige Augenblicke anhielt.
 

„Was tragen Sie für Tränke bei sich, Lupin?“, verlangte der blonde Mann zu wissen.
 

Remus zog die Augenbrauen zusammen. „Das sind Tränke für den Fall, dass Harry wieder einen Schwächeanfall bekommt.“
 

Narzissa und Draco runzelten zeitgleich die Stirn, war es ihnen doch neu, dass Harry schon einmal einen solchen Anfall gehabt haben soll.
 

„Zeigen Sie sie mir!“ Lucius streckte die Hand aus, nahm die beiden Phiolen entgegen und beäugte die blaue Flüssigkeit darin kritisch. „Das ist kein Stärkungstrank, wie ich ihn kenne. Severus?“
 

Auch Severus konnte keinen Stärkungstrank nennen, der eine violette Färbung besaß. So konfiszierte der schwarzhaarige Mann auch die kleinen Glasbehälter. Er konnte sich zwar denken, dass diese Tränke zur Unter-bindung der sich gegenseitig abstoßenden Gene gedacht war, doch er hatte den strikten Befehl, dass er alles, was er nicht genau als ungefährlich definieren konnte, in seinen Besitz bringen musste.
 

Harry hoffte nur, dass nicht gerade jetzt die Wirkung des ersten Trankes nachließ.
 

„Noch etwas, bevor wir euch zu ihm bringen.“, begann Lucius. „Sie werden ihn mit dem nötigen Respekt an-sprechen, unterbrechen ihn nicht und werden nicht beleidigend. Zudem werden Sie vor ihm auf die Knie gehen, um Ihre gute Absicht deutlich zu machen. Haben Sie mich verstanden?“ Er fixierte vor allem Harry, von dem er wusste, dass er aussprach, was er gerade dachte.
 

Die beiden Gryffindors nickten leicht.
 

„In Ordnung. Dann kommen Sie mit.“ Lucius drehte sich um und schritt auf die schwere, dunkle Flügeltür zu, ohne sich zu versichern, dass die zwei Gäste ihm folgten.
 

Harry löste sich ein wenig von Remus, um den Rest des Weges aus eigener Kraft zu gehen. Er musste sich stark konzentrieren und immer den Boden im Auge behalten, aber es funktionierte. Der Malfoy führte sie einen langen Gang entlang, hinter ihnen gingen Snape, Narzissa und Draco. Harry wunderte sich. Er hatte nicht gedacht, dass sein Klassenkamerad jetzt schon zu Voldemorts Anhängern zählte. Immerhin war dieser auch erst vor kurzem volljährig geworden.
 

Doch am Ende des Ganges, als sie erneut eine große Flügeltür erreichten, wandte sich Narzissa an ihren Sohn. „Du wartest draußen.“
 

„Ich weiß.“ Draco nickte leicht, warf seinem erklärten Lieblingsfeind noch einen skeptischen Blick zu und ent-fernte sich von der kleinen Gruppe. Offensichtlich hatte er nur erfahren wollen, ob Harry wirklich erschien.
 

Lucius wartete, bis sein Sohn nicht mehr zu sehen war, bevor er die Tür öffnete und in den dahinter liegenden Raum ging.
 

Harry widerstand dem Drang, seine Hand zur Stirn zu führen, wo seine Narbe begann unangenehm zu stechen. Er hatte vollkommen vergessen, dass Voldemorts Nähe im Schmerzen bereitete, aber es war zu spät, um jetzt noch umzukehren. Zumal das eh keinen Sinn gehabt hätte. Also biss er die Zähne zusammen und befahl seinen Beinen, Lucius zu folgen.
 

Der Raum, den er nun betrat, war kleiner, als er erwartet hatte. Wenn er richtig schätzte, war er vielleicht acht¬mal acht Meter groß. Voldemort saß am anderen Ende in einem Ohrensessel, die roten Augen starr auf Harry gerichtet und ein kleines, erwartungsfrohes Grinsen auf dem lippenlosen Mund. „Harry Potter, welch eine Ehre dich hier begrüßen zu dürfen.“, ergriff er das Wort, wobei seine Stimme noch immer so unnatürlich hoch und zischelnd war, wie Harry sie in Erinnerung hatte.
 

Harry nickte ihm nur zu, da er nicht wusste, wie er ihn ansprechen sollte. Narzissa und Snape räusperten sich gleichzeitig verhalten, was den Gryffindor daran erinnerte, was er zu tun hatte. Mühsam schluckte er seinen letzten, kümmerlichen Rest Stolz hinunter und sank vor dem Dunklen Lord auf die Knie. Remus tat es ihm nach, wobei er seinem Welpen aus den Augenwinkeln einen besorgten Blick zuwarf.
 

Voldemort lehnte sich entspannt zurück und lehnte die Fingerspitzen beider Hände aneinander. „Severus be-richtete mir, dass du eine Bitte an mich richten möchtest. Nur keine falsche Scheu, Harry. Sprich dich ruhig aus.“ Er machte eine auffordernde Geste.
 

All seinen Mut zusammennehmend öffnete Harry den Mund und begann zu reden. „Mylord“, unbewusst be-nutzte er diese Anrede, was Voldemort vage überrascht wahrnahm, „habt vielen Dank, dass Ihr mich trotz unse-rer Feindschaft empfangt.“
 

Der Dunkle Lord starrte den schwarzhaarigen jungen Mann beinahe entgeistert an, doch Harry bemerkte diesen Blick nicht, da sein eigener gen Boden gerichtet war. Der Schwarzmagier hatte viel erwartet: eine geniale Falle von Dumbledore, eine unüberlegte Aktion von dem Gryffindor, doch keinen ehrlichen Hilferuf. Dass Harry ihn derartig respektvoll ansprach ohne den geringsten Indiz, dass er es nicht so meinte, wie er es sagte, bewies ihm, dass der Junge wahrlich in großen Schwierigkeiten stecken musste.
 

„Ich bin mir durchaus bewusst, dass Ihr meinen folgenden Worten nicht vertrauen werdet. Doch um meine Ehr-lichkeit zu beweisen, stelle ich Euch gerne meine Erinnerungen zur Verfügung, damit Ihr Euch selbst davon überzeugen könnt.“ Harry hob nun endlich den Kopf und sah den Lord direkt an. „Ich brauche Euch Hilfe und niemand außer Euch wäre in der Lage mir zu helfen. Wenn Ihr es nicht tut, werde ich wahrscheinlich noch die¬sen Monat sterben.“
 

Lucius und Narzissa starrten den jungen Mann entgeistert an. Sie wussten nicht, dass es wirklich derartig drin-gend war und konnten nicht einmal vermuten, was der Grund für Harrys baldigen Tod sein könnte.
 

Auch Voldemort hob überrascht die haarlosen Augenbrauen. Severus hatte berichtet, dass es um Leben und Tod ging. Doch dass Harry so bald sterben könnte, hatte er verschwiegen. „Eigentlich wäre es doch nur hilfreich, wenn ich dir nicht helfe. Immerhin bist du mein Feind, Dumbledores kleines Schoßtier. Wenn du dich selbst aus dem Weg räumst, nimmst du mir eine Menge Arbeit ab.“
 

„Das ist richtig und Ihr habt eigentlich überhaupt keinen Grund mir zu helfen. Dennoch bin ich hierher gekom-men. Ich bin nicht länger einer von Dumbledores Männern. Der alte Mann hat mich zutiefst verraten und ver-kauft. Würde er diesen Krieg gewinnen, weiß ich nicht, ob das nicht das Ende der Welt sein würde, wie wir sie kennen. Er ist fest entschlossen, alles Schwarzmagische auszurotten, koste es, was es wolle. Doch dass die Welt beide Magiearten braucht, um im Gleichgewicht zu bleiben, übersieht er.“
 

„Hmm… Es scheint, als hättest du dir viele Gedanken gemacht. Und sie führen auch in die richtige Richtung. Aber ich kann Dumbledore auch vernichten, ohne dir zu helfen.“
 

Harry seufzte. „Möglich, aber Dumbledore würde andere wie mich erschaffen, um Euch zu stoppen.“
 

„Wie meinst du das?“, verlangte Voldemort zu wissen und lehnte sich ein wenig vor. „Andere wie dich erschaffen – was willst du damit sagen?“
 

Der Gryffindor fühlte, dass plötzlich etwas mit seinem Körper nicht stimmte. Zu den Kopfschmerzen, die er Dank Voldemorts hatte, gesellte sich ein leichtes Schwindelgefühl. Doch er drängte es zur Seite, um weiterer-zählen zu können. „Ich bin kein Mensch – jedenfalls nicht ganz. Dumbledore hat mithilfe von Muggeltechnolo-gie eine Methode entwickelt, um verschiedene Gene miteinander zu kombinieren.“ Er kniff kurz die Augen zu-sammen, um den Schwindel loszuwerden. „Ich trage die Gene von Lily und James Potter, doch ich wurde nicht von ihnen gezeugt. Ebenso trage ich nämlich die Gene von Veelas und Vampiren in mir, die sich aber ganz und gar nicht vertragen. – Scheiße!“ Seine Stimme kippte weg, als der Schwindel stärker wurde und er begann zu schwanken. Mit einer Hand stützte er sich am Boden ab, um nicht umzufallen. Remus hielt ihn am Oberarm fest und blickte ihn besorgt an.
 

„Der Trank – scheint nicht mehr zu wirken.“, keuchte er.
 

„Scheiße!“ Remus richtete sich auf und wandte sich an Severus. „Gib mir einen der Tränke!“
 

Severus warf einen fragenden Blick zum Dunklen Lord, der die ganze Situation interessiert verfolgte. „Warte noch einen Moment.“ Er erhob sich und trat zu Harry, der inzwischen am Boden kauerte und nicht wusste, wo oben und unten war. Voldemort hob seinen Zauberstab und sprach ein paar Diagnose-Zauber, um herauszufin-den, was mit dem jungen Mann los war. Die Ergebnisse passten zu dem, was Harry ihm erzählt hatte. Seine Veela trieb seinen Puls wieder in die Höhe, während der Vampir in auf ein Minimum herabsenkte. Diese Schwankungen waren für den Schwindel verantwortlich, der Harry am Boden fesselte.
 

„Severus, gib mir einen der Tränke.“ Voldemort streckte seine Hand aus und nahm eine der Phiolen entgegen. Auch diese wurde mit einem Zauber untersucht. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis alle Zutaten aufgelistet waren, doch die verrieten dem Dunklen Lord, dass dieser Trank nicht gefährlich war.
 

Harry lief inzwischen der Schweiß über die Stirn, weil er sich extrem anstrengen musste, nicht vor Voldemort auf den Boden zu kotzen. Er nahm nur am Rande wahr, dass ihm jemand ein kleines Glas an die Lippen hielt und er schluckte fast mechanisch die kühle Flüssigkeit. Sofort danach hielt er sich den Mund zu, um den Trank bei sich zu behalten, wobei seine Hand wieder fürchterlich zu zittern begann. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis die Übelkeit und der Schwindel langsam nachließen und nur eine tiefe Erschöpfung zurückließen. „Hat das beim letzten Mal auch so lange gedauert?“, fragte er schwach.
 

Remus schüttelte den Kopf. „Nein, dieses Mal hat es wirklich sehr viel länger gedauert, bis er wirkt.“ Er wurde nachdenklich. „Das würde zumindest erklären, warum Dumbledore dir nur drei gegeben hat. Ich nehme nicht an, dass ein vierter noch helfen würde.“
 

„Das und die Tatsache, dass einige Zutaten gar nicht mehr verfügbar sind…“, fügte Voldemort hinzu. Fragende Blicke trafen ihn. „In diesem Trank waren Gene der Potters. Da sie aber tot sind, kann Dumbledore den Trank nicht mehr herstellen. Diese Gene vermischt mit ein paar anderen Zutaten haben die anderen soweit unterdrückt, dass ihre Symptome nicht ausbrechen konnten.“
 

„Und die Wirkung wird von Mal zu Mal schwächer.“ Harry senkte den Kopf. „Obwohl es besser ist, wirkt der Trank nicht mehr so gut wie beim ersten Mal.“ Er hob die Hände an die Stirn. „Gott, mein Kopf fühlt sich an, als würde er gleich explodieren.“ Überrascht nahm er etwas verspätet wahr, dass Voldemort direkt vor ihm kniete und die leere Phiole in der Hand hielt. „Vielen Dank.“
 

„Ich lass dich nicht sterben, bis nicht alles geklärt ist.“, meinte der Lord nur und erhob sich wieder, um seinen Platz in dem Sessel wieder einzunehmen. „Du hast uns offensichtlich die Wahrheit gesagt. Ich wusste schon immer, dass Dumbledore über Leichen geht, um seine Ziele zu erreichen.“
 

Harry warf ihm einen vielsagenden Blick zu, verkniff sich aber eine Bemerkung. Doch Voldemort hatte die Be-deutung verstanden.

„Ich gehe auch über Leichen, um meine Ziele zu erreichen. Aber meine Ziele dienen dem Schutz unserer magischen Welt, nicht deren Zerstörung.“
 

„Darf ich offen sein?“, wollte Harry wissen, bevor er vielleicht doch noch versehentlich Voldemorts Zorn auf sich lenkte, indem er unaufgefordert sprach. Erst nach dessen Nicken teilte er ihm seine Gedanken mit. „Es dient nicht unserem Schutz, wenn Ihr Muggelgeborene tötet. Im Gegenteil: Sie tragen unser Erbe in sich und Ihr zer-stört es. Alle Menschen, die magisch begabt sind, sollten von uns geschützt werden, eben WEIL es nur so wenige von uns gibt. Dass sie bei Muggeln aufgewachsen sind, macht sie nicht wertloser. Ich bin bei Muggeln aufgewachsen und Ihr auch. Wir beide wissen, wie schrecklich es sein kann, unter ihnen leben zu müssen, aber sie sind keine Bedrohung – nicht solange die magische Welt zusammenhält. Und dazu brauchen wir auch die Muggelgeborenen. Sie können erstens unser Sprachrohr bei den Muggeln sein, weil sie verstehen, wie sie leben, und zweitens müssen sie nicht unbedingt weniger begabt sein.“ Er dachte an Hermine, die die schlauste und begabteste Hexe der Schule war, an Neville, der trotz seiner reinblütigen Abstammung in fast allen magischen Gebieten versagte. Auch diese Bespiele sprach er laut aus. Erstaunlicherweise stimmte dies den Dunklen Lord doch ein wenig nachdenklich.
 

„Möglicherweise hast du Recht und ich habe mich zu sehr in etwas hineingesteigert. Ich lasse mich nicht gerne belehren, aber das hier kann ich nicht ignorieren.“ Voldemort blickte Harry direkt an. „Deine Freundin, diese Granger, ist die Jahrgangsbeste, hast du gesagt?“
 

„Ja, das ist sie. Nebenbei kennt sie noch die halbe Bibliothek auswendig und kennt viele magische Dinge besser, als jeder Reinblüter.“, erklärte der Gryffindor.
 

„Warum lernt sie so viel über uns?“
 

„Weil sie stolz darauf ist, ein Teil der magischen Welt sein zu können.“
 

Voldemort blickte ihn nachdenklich an. „Wenn ich dir helfe, wirst du dann kämpfen – auf meiner Seite?“
 

Erschöpft schloss Harry für einen kurzen Moment die Augen. „Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich mich ein-fach zurückziehen könnte. Ich bin des Kämpfens müde. Aber wenn das die Bedingung für Ihre Hilfe ist, werde ich alles tun, um diesen Krieg möglichst schnell zu Euren Gunsten enden zu lassen – solange Hermine nichts passiert.“
 

„Deiner kleinen Freundin wird nichts geschehen, darauf hast du mein Wort. Du hast mich neugierig gemacht, ob sie wirklich so gut ist, wie du sagst. Wenn ja, werde ich meine Ansichten bezüglich Muggelgeborenen wohl wirklich überdenken müssen.“ Voldemort wandte sich an Severus. „Nimm ihm etwas Blut ab, damit wir sehen können, ob ihm zu helfen ist.“ Damit wandte er sich um und verließ den kleinen Raum durch eine unscheinbare Tür zu Harrys Linken.
 

Remus half seinem Welpen wieder auf die Beine. Dass dieser nun offensichtlich noch mehr seiner Kräfte einge-büßt hatte, machte ihm Sorgen. Der Schwarzhaarige konnte nicht einmal mehr ohne Hilfe gehen. Er stützte sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Werwolf und ließ sich von ihm aus dem Raum helfen. Narzissa führte die beiden wieder den Gang entlang, doch sie führte sie nicht in das Kaminzimmer zurück, in dem sie angekommen waren. Vorher öffnete sie eine Tür und machte eine einladende Geste. Remus und Harry kämpften sich hinein, wo der Schwarzhaarige sich schwer auf eines der dort stehenden Sofas fallen ließ. Er bemerkte nicht, dass auch Draco im Raum war und ihn prüfend, fast besorgt musterte. „Sag mir bitte, dass Stärkungstränke sich mit dem Zeug vertragen…“, murmelte Harry und blickte fast flehend zu Severus, der ihnen mit geringem Abstand gefolgt war. „Wenn ich weiterhin durch die Gegend getragen werden muss, explodiert hier noch was!“
 

Remus grinste schief. „Und das sollte man wörtlich nehmen… Er hat es geschafft, seine Tante in die Luft zu jagen.“, erzählte er.
 

„Du hast…?!“, Draco und Narzissa starrten den Gryffindor entsetzt an.
 

„Doch nicht so!“, protestierte er heftig, worauf er zusammenzuckte. Mit Kopfschmerzen lauter zu werden, war keine gute Idee, wie er feststellen musste. Etwas leiser fuhr er fort: „Sie ist nur immer dicker geworden, bis sie irgendwann abgehoben ist.“
 

„Einfach so?“
 

„Was? Nein! Ich bin wütend geworden, weil sie angefangen hat, meine Eltern mit räudigen Kötern zu vergleichen.“
 

Draco hob eine Augenbraue. „Wenn ich mich recht erinnere, habe ich ebenfalls schon oft genug deine Eltern beleidigt und mich hast du deswegen nie derartig – in die Luft gejagt.“
 

Genervt schnaubte Harry. „Ich hab das auch nicht wirklich unter Kontrolle. Es passiert einfach. Und von dir bin ich so etwas schon gewohnt. Wenn du nicht auf mir oder meinen Freunden rumhackst, sind es meine Eltern. Wird dir das eigentlich nicht mal irgendwann langweilig?“
 

„So, wie du immer gleich abgehst? Ganz sicher nicht!“ Der blonde Slytherin grinste fies. „Dazu macht es einfach viel zu viel Spaß.“

„Hmpf! Schön, dass dir das Spaß macht. Aber amüsier dich nicht zu sehr, sonst könnte man noch denken, du hättest auch sowas wie eine gute Seite.“
 

„War das gerade so etwas wie ein Ratschlag?“
 

„Gewöhn dich nicht dran. Ich hab heute meinen schwachen Moment, mir dürfen Ausrutscher passieren.“ Harry warf ihm einen amüsierten Blick zu. „Pass auf, dass dir das nicht passiert.“
 

„Keine Sorge, Potter. Ich will ja nicht, dass du denkst, ich wäre vielleicht weich.“ Draco grinste. „Aber ich wusste, dass bei meinem Anblick alle schwach werden.“
 

„Wenn Arroganz fliegen würde, würdest du nie wieder auf den Boden zurückkehren können.“, erwiderte der Gryffindor augenverdrehend. „Ich würde mir aber Sorgen machen – schlecht ist mir nämlich auch.“
 

„Okay, das reicht!“, mischte sich nun Lucius ein.
 

Narzissa grinste. „Deswegen redest du die ganzen Ferien über ihn, Draco.“
 

„Weswegen?“ Draco blickte seine Mutter unwissend an.
 

„Man sieht euch an, dass eure Streitereien mehr dem Spaß dienen, als dass sie wirklich ehrlich gemeint sind.“
 

Harry legte nachdenklich den Kopf schief. „Dann wissen Sie aber mehr als ich.“
 

Remus lächelte ihn leicht an. „Zumindest lenkt es dich ein wenig ab.“
 

Der Schwarzhaarige stutzte. „Stimmt… Aber einen Stärkungstrank brauche ich trotzdem noch.“ Um die Dringlichkeit seiner Bitte zu verdeutlichen, hob er seine rechte Hand und versuchte sie waagerecht in der Luft zu halten. Doch er hielt nur wenige Sekunden durch, bevor sie wieder auf die Armlehne fiel.
 

Remus nahm dankend die Decke entgegen, die Narzissa ihm anbot, und wickelte seinen Welpen darin ein. Dann setzte er sich neben ihn und zog ihn wieder an sich. Kaum lag Harrys Kopf auf seiner Schulter, fielen dem jun-gen Mann schon die Augen zu. Der Tag war einfach viel zu anstrengend für seinen schwachen Körper gewesen. Narzissa bot dem Werwolf an, dass er und Harry ein Gästezimmer beziehen könnten, bis es dem Gryffindor wieder besser ginge. Es war aber letztendlich Severus, der ihn dazu bewegte. Sein Argument war einfach, dass in ein paar Tagen Vollmond wäre und Remus dann nicht in der Lage wäre, sich um Harry zu kümmern.
 

Die Hausherrin beauftragte eine Hauselfe damit, zwei Gästezimmer herzurichten und bei ihnen eine Verbindungstür einzubauen, damit Remus jederzeit nach Harry sehen konnte.
 

Lucius hatte sich recht früh aus der Gruppe gelöst mit der Begründung, dass er noch einiges zu erledigen habe und auch erst spät zurückkehren würde. Severus hatte nur schnell die Stärkungstränke – und vorsorglich noch Traumlosschlaftränke – vorbeigebracht und verbrachte den Rest des Tages damit, Harrys Blut zu analysieren. So saßen nur noch Remus, Narzissa, Harry und Draco in dem Raum. Draco war seltsam still und betrachtete den schlafenden Schwarzhaarigen nachdenklich. Er wusste bisher noch nicht, was genau mit ihm los war, doch er ahnte, dass es nicht gut um seinen Lieblingsfeind stehen konnte. Die Tatsache allein, dass er sich an den Dunklen Lord wandte, um Hilfe zu erhalten, zeigte schon, dass Harry überaus verzweifelt sein musste. Dass er aber auch noch in Malfoy Manor einschlief, bewies ihm, dass Harry bereits mit einem Fuß im Grab stand. Er kannte den Gryffindor gut genug, um sagen zu können, dass er den Slytherin immer so viel Misstrauen entgegen gebracht hatte, dass er ihnen nicht einmal mit einem Zauberstab in der Hand den Rücken zugekehrt hätte.
 

Er war neugierig, was der Grund für diesen radikalen Sinneswandel war, doch sein Stolz und die Feindschaft zu Harry verboten es ihm nachzufragen.
 

Mit einem leisen Plopp erschien eine Hauselfe und berichtete, dass die Gästezimmer nun hergerichtet seien und bezogen werden konnten. Narzissa entließ die Elfe mit einem kurzen Nicken und erhob sich dann von ihrem Platz. „Ich werde Sie zu Ihren Räumen bringen.“ Sie warf einen nachdenklichen Blick zu Harry, der noch immer tief schlief und nicht den Anschein machte, als wolle er sobald erwachen.
 

Remus stand vorsichtig auf und hob seinen Welpen einfach auf seine Arme. Da dieser durch die unfreiwillige Fastenzeit sehr dürr war und fast nichts wog, war es für den Werwolf kein Problem, ihn längere Zeit so zu tragen. Nur die dicke Decke, die um den dünnen Körper geschlungen war, machte es schwieriger.
 

Harry grummelte ein wenig, als er so plötzlich hochgehoben wurde, schlief aber weiter. Unbewusst griff er nach dem Hemd von Remus und hielt es fest. Dem Werwolf traten bei dieser Geste fast wieder die Tränen in die Augen, denn das letzte Mal, als er dies von Harry gesehen hatte, war bereits viele Jahre her. Damals hatten Lily und James noch gelebt und der kleine Harry war gerade einmal elf Monate alt gewesen. Er war auf dem Schoß seines Vaters eingeschlafen und hatte sich genauso in dessen Hemd verkrallt, als er ihn in sein Zimmer tragen wollte, wie der junge Mann es nun tat.

Remus wünschte Draco noch schnell eine gute Nacht, bevor er Narzissa folgte.
 

Es dauerte lange, bevor er wieder hinunter den Raum ging, in dem die Hausherrin und ihr Sohn sich noch immer befanden. Er saß die ganze Zeit über auf der Bettkante und beobachtete seinen Welpen, der tief in die Decke gekuschelt schlief. Die Angst, Harry könnte erneut Alpträume erleiden und alleine erwachen, fesselte ihn hier und ließ nicht zu, dass er das Schlafzimmer verließ. Doch nachdem der Gryffindor etwa zwei Stunden vollkommen entspannt und friedlich geschlafen hatte und es keinerlei Anzeichen dafür gab, dass sich das ändern würde, riss er sich los und trottete hinunter, aber nicht, ohne seinem Welpen noch einmal sanft über die Stirn zu streichen.
 

Remus warf dem blonden jungen Mann einen müden Blick zu. „Du kannst ruhig schlafen gehen. Harry ist für eine ganze Weile außer Gefecht gesetzt.“
 

Gekonnt hob Draco eine Augenbraue und blickte den Werwolf skeptisch an. „Das müssen gerade Sie sagen, der hier wie ein Inferi durch die Gänge schlürft.“
 

Mit einem tiefen Seufzen schüttelte Remus den Kopf. „Ich werde nicht eher wieder ruhig schlafen können, bis Harry gerettet wurde.“

„Was bei Salazar hat Potter eigentlich nun wieder ausgefressen? Am falschen Zaubertrank genippt? Würde ich ihm glatt zutrauen.“, schnaubte der Slytherin und dachte daran, dass Harry eine absolute Niete in Tränkekunde war.
 

„Nein.“ Remus warf Narzissa einen fragenden Blick zu, der mit einem leichten Nicken erwidert wurde. Die Frau war also der Meinung, dass ihr Sohn Bescheid wissen sollte. „Dieses Mal hat Harry gar nichts getan. Es ist nicht seine Schuld.“
 

„Ach, und wer soll es dieses Mal sein? Ich? Oder vielleicht doch eher die kleine rote Weaslette?“
 

„Dumbledore ist schuld.“
 

Draco hob überrascht die Augenbrauen.
 

„Wenn er nicht diese Situation zu verantworten hätte, wäre Harry wahrscheinlich niemals mit seiner Bitte zum Dunklen Lord gegangen.“ Er senkte den Kopf. „Es hat so kommen müssen. Wenn ich früher etwas davon gewusst hätte, hätten wir viel früher nach einer Lösung suchen können. Dann würde Harry jetzt nicht in Lebensgefahr schweben.“
 

„Tut er das nicht immer? Ich meine, der Dunkle Lord will ihn doch schon immer tot sehen. Was für ein Unterschied besteht zwischen dieser und jener Situation?“, wollte der Blonde wissen.
 

„Der Unterschied ist, dass Harry dagegen nichts tun kann außer abwarten. Gegen Voldemort konnte er kämpfen. Er hatte die Wahl, ob er wirklich kämpft, oder ob er sich ihm anschließt. Hier hat er keine Wahl. Die Wahl wurde lange vor seiner Geburt für ihn entschieden.“ Remus schüttelte leicht den Kopf. „Harry ist kein Mensch, Draco, und er wurde auch nicht auf natürlichem Wege geboren.“
 

„Was?! Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Die Potters waren alle Menschen, von der Familie seiner Muggelmutter mal ganz abgesehen. Wie kann er also keiner sein? Und wie soll ich das verstehen, dass er nicht auf natürlichem Wege geboren wurde? Wie kann man unnatürlich geboren werden?“ Draco verstand das alles nicht und das regte ihn tierisch auf.
 

„Hast du Muggelkunde belegt?“
 

„Jaaah, aber spielt das für eine Rolle?“
 

„Hat man euch erklärt, was Muggel unter Klonen verstehen?“
 

„Ja, das Kopieren eines Lebenswesens. Aber…“ Draco verstummte kurz. „Wollen Sie mir sagen, dass Potter nur ein Klon ist?“
 

„So etwas in der Art. Aber es ist nicht nur das. Er wurde mithilfe verschiedener Gene erschaffen, darunter jene von Lily und James Potter, Veelas und Vampiren, und noch einer weiteren bislang unbekannten menschlichen.“
 

Nun begann Draco endlich zu verstehen, was mit dem schwarzhaarigen Gryffindor los war. Er wusste viel über magische Wesen, nicht zuletzt, weil einiger seiner Vorfahren ebenfalls welche gewesen waren. Deswegen wusste er auch, dass Nachkommen von Veelas und Vampiren nicht lange lebensfähig waren. Alle waren gestorben, nachdem ihr Erbe erwacht war, was mit dem siebzehnten Lebensjahr geschah. Potter hatte vor einiger Zeit genau dieses Alter erreicht. Kein Wunder, dass es ihm dermaßen schlecht ging. „Aber ich denke nicht, dass der Dunkle Lord ihm damit helfen kann. Man sucht bereits seit etlichen Jahren nach einer Lösung dieses Problems, weil viele Veelas sich an Vampire binden und ihre Nachkommen nicht lange leben. Warum sollte man also ausgerechnet jetzt ein Mittel finden? Nur weil Potters Leben davon abhängt?“
 

Remus seufzte. Er wusste, dass der junge Malfoy Recht hatte, doch er klammerte sich an die Hoffnung, dass der Dunkle Lord vielleicht eine Lösung fand; und das sehr bald. Die Tränke, die Dumbledore ihnen gegeben hatte, hielten gerade einmal eine knappe Woche an und vielleicht würde jeder Trank, der nachgenommen wurde, ein wenig seiner Wirkungsdauer verlieren. Harry hatte also eineinhalb Wochen Zeit, bevor die Symptome bei ihm wieder durchschlugen und ihn umbringen würden. Er wusste, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Mittel innerhalb dieser kurzen Zeit zu finden, fast gegen Null ging, doch er weigerte sich seinen Welpen aufzugeben.
 

Narzissa blickte den Werwolf mitfühlend an. Wenn ein Werwolf seine Familie oder sein Rudel verlor, war er hilflos und allein. Remus hatte sein Rudel zum größten Teil zu der Zeit verloren, als Lily und James getötet und Sirius nach Askaban gebracht worden war. Doch auch Sirius war vor einigen Wochen endgültig von ihnen gegangen. Wenn nun auch noch Harry starb, der das letzte Mitglied des Rudels war, würde sich der Werwolf nicht mehr davon erholen können. Sie selbst mochte sich gar nicht vorstellen wie es war, sein Kind zu verlieren. Obwohl sie Draco mit einer gewissen Härte hatte erziehen müssen, damit er im Krieg nicht unterging, liebte sie ihren Sohn über alles und er wusste das auch. Sie konnte sich das Grauen gar nicht ausmalen. Erst recht nicht, wenn man seinem Kind auch noch beim Sterben zusehen musste, ohne etwas tun zu können.
 

Schließlich ergriff Remus noch einmal leise das Wort, um auf Dracos Frage zu antworten. „Harry ist dem Tod schon in so vielen Situationen von der Schippe gesprungen, auch in eigentlich vollkommen aussichtslosen. Ich hoffe einfach, dass es dieses Mal wieder so sein wird.“
 

Draco schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber dieses Mal reicht es nicht, wenn sich jemand für ihn opfert.“
 

„Draco!“, ermahnte Narzissa ihren Sohn entsetzt.
 

„Was denn? Stimmt doch! Jedes Mal, wenn Potter irgendetwas überlebt hat, ist ein anderer dafür gestorben. Seine Eltern, Diggory, Black... Und seine Freunde Weasley und Granger sind nur deshalb noch am Leben, weil selbst der Tod einen besseren Geschmack hat.“
 

„Draco Lucius Malfoy, ich hatte eigentlich gedacht, dass wir dich besser erzogen hätten! Harry Potter liegt bereits am Boden, da musst du nicht auch noch anfangen auf ihm herum zu trampeln! So etwas gehört sich nicht! Erst recht nicht, wenn er bereits mit einem Bein in seinem Grab steht.“
 

Draco verdrehte die Augen und erhob. „Ich werde mich jetzt zurückziehen. Gute Nacht, Mutter, Mister Lupin.“ Er nickte den beiden noch einmal zu, bevor er den Raum verließ.
 

Narzissa wandte sich seufzend an den Werwolf. „Ich muss mich für meinen Sohn entschuldigen. Er kann ein fürchterlicher Starrkopf sein, wenn er will – erst recht, wenn es um Harry Potter geht.“
 

Nickend senkte Remus den Kopf. „Ja, Harry ist genauso, wenn es um Draco Malfoy geht.“
 

Die beiden tauschten ein resigniertes Lächeln aus, bevor Remus sich ächzend erhob. „Ich glaube, ich werde jetzt versuchen zu schlafen. Es hilft Harry schließlich auch nicht, wenn ich vor Müdigkeit umkippe.“
 

„Sehr vernünftig… Aber wie ich gehört habe, waren Sie schon immer eher der vernünftige Typ.“
 

Melancholisch dachte Remus an die Zeiten der Rumtreiber zurück. „Einer musste es ja sein.“ James hatte eigentlich immer nur Lily im Kopf. Und wenn sie es nicht war, dann neue Arten, um Snape ärgern zu können. Sirius hatte sämtlichen Mädchen hinterher gesabbert, seit er alt genug war, um zu verstehen, dass ein Junge mit seinem Gehänge mehr tun konnte, als nur pinkeln zu gehen, und Peter… Nun ja, der war ein Fall für sich. Eigenständig denken hat dem noch nie gelegen. Stattdessen hat er sich an James und Sirius orientiert und war immer schwer enttäuscht gewesen, wenn ein Mädchen ihn abgewiesen hatte. Nun trollte sich diese Ratte vor dem Dunklen Lord und trug die Last von Lilys und James‘ Tod, was nun noch schrecklichere Konsequenzen mit sich trug, als nur der Verlust der besten Freunde oder in Harrys Fall der Eltern. Dieser Verrat hatte Harry seiner letzten Möglichkeit beraubt, die widersprüchlichen Gene mithilfe der Tränke zu unterdrücken. Vielleicht wäre es sogar möglich gewesen, mithilfe eines Zauber oder Rituals und dem Blut der Potters die Gene vollständig zu verschließen. Aber es war Zeitverschwendung, sich darüber Gedanken zu machen.
 

--------------------------------
 

Remus lag die Nacht wach in seinem Bett und starrte an die Decke. Obwohl er hundemüde war, konnte er nicht einschlafen und immer wieder wanderte sein Blick zu der Verbindungstür, die seine und Harrys Räume miteinander verband. Gedanklich verfluchte er zum x-ten Mal den Mond, der immer voller wurde und in wenigen Tagen seinen vollen Umfang erreicht hatte. Dann würde er zwar dank des Wolfbanntrankes von Severus nicht als tollwütiger Wolf durch die Gegend rennen, sondern sich ruhig in seiner Wolfsgestalt zusammenrollen konnte. Dennoch wäre es zu dieser Zeit zu gefährlich in Harrys Nähe zu kommen. Sein Speichel übertrug den Lykanthropen-Virus viel zu schnell, sodass nur ein Tropfen an der falschen Stelle reichte. Außerdem war er sich nicht sicher, ob der Trank auch wirkte, wenn er in die Nähe eines schwachen Menschen kam, der sich nicht gegen einen ausgewachsenen Werwolf wehren könnte. Die Gefahr, dass er die Kontrolle verlor, war einfach zu groß, als dass er das Risiko eingehen könnte. Musste es auch gerade in den unpassendsten Momenten einen Vollmond geben?
 

Mit einem resignierten Seufzen richtete er sich auf und schwang die Beine aus dem Bett. Er wusste, er würde in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden. Da konnte er auch genauso gut bei Harry sitzen. Auf leisen Sohlen schlich er also durch den Raum zu der Verbindungstür und öffnete diese so geräuschlos wie möglich. Erstaunlicherweise gab das alte Holz nicht einen einzigen Laut von sich.
 

Harrys Zimmer war dunkel, doch der Mond draußen gab gerade genug Licht, dass Remus die Silhouetten erkennen konnte. Er trat an das große Doppelbett und setzte sich vorsichtig auf die Bettkante. Sein Welpe lag in der Mitte der Matratzen und ging in den dicken Decken fast unter. Doch sein Schlaf war ruhig, was Remus erleichtert feststellte. Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass Harry nicht unter Alpträumen litt.
 

----------------------
 

Der nächste Morgen brach an und Harry schlug blinzelnd die Augen auf. Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster direkt auf dein Gesicht, was der Grund war, warum er erwacht war. Erfreut stellte er fest, dass es ihm besser ging. Er fühlte sich zwar noch immer schwach und konnte sich nur mit einiger Anstrengung aufsetzen, doch es gelang ihm ohne Hilfe. Als er seinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, das er nun offensichtlich bewohnen sollte, entdeckte er Remus, der halb bei auf dem Bett lag. Die Beine hingen hinaus, doch ab der Hüfte aufwärts lag der Werwolf auf den weißen Laken und schlief. Da diese Position nicht unbedingt bequem aussah, beschloss Harry, ihn zu wecken. Er legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter und rüttelte vorsichtig. „Hey, Remus. Wenn du schlafen willst, solltest du dich richtig hinlegen, bevor du noch Rückenprobleme bekommst.“ Obwohl Harrys Stimme leise war, öffnete Remus blinzelnd die Augen und schoss hoch, als er Harry neben sich sitzen sah. „Harry! Wie geht’s dir?“
 

Der junge Mann grinste schief. „Besser als gestern allemal…“
 

„Du siehst auch nicht mehr ganz so fertig aus. Das freut mich.“ Remus strich ihm kurz durch die Haare und lächelte erleichtert.
 

„Trotzdem könnte ich noch ein paar Jahre weiterschlafen.“, witzelte Harry schwach und warf den geöffneten Vorhängen einen bösen Blick zu. „Zumindest, wenn es hier nicht so hell wäre.“
 

Remus erhob sich und zog wortlos die Vorhänge vor die Scheiben, sodass der Raum augenblicklich dunkler wurde. „Wenn du müde bist, schlaf noch ein wenig. Du kannst es brauchen.“
 

„Nein“, meinte Harry kopfschüttelnd, „ich habe genug geschlafen. Außerdem muss ich mal.“
 

Amüsiert deutete Remus auf die Tür, die ins Bad führte. „Brauchst du Hilfe?“
 

Der junge Gryffindor antwortete erst einmal nicht, sondern rutschte an die Bettkante und schwang die Beine aus dem Bett. Vorsichtig drückte er sich hoch und stand schließlich. Er schwankte ein wenig, doch die ersten Schritte konnte er selbständig machen, was ihn lächerlich stolz machte. Remus blieb in Reichweite, um seinen Welpen im Notfall halten zu können. Etwa zwei Schritte vor der Badezimmertür knickten Harry plötzlich die Knie ein und nur dem Werwolf war es zu verdanken, dass er nicht unsanft auf den Boden fiel. „Danke…“
 

„Du solltest dich nicht überanstrengen. Lass dir lieber helfen, bevor du dich noch verletzt.“
 

Nickend stützte sich Harry auf ihn und ließ sich ins Bad führen. Eine leichte Röte schoss ihm in die Wangen, als er den Toilettensitz musterte und das Bedürfnis der Natur immer drängender wurde. Doch der Werwolf schien nicht zu bemerken, dass er irgendwie störte. „Ähm… Remus? Könntest du bitte…?“ Harry deutete leicht auf die Tür und blickte ihn bittend an.
 

„Oh, natürlich. Tut mir leid… Ruf mich einfach, wenn du Hilfe brauchst.“ Remus wandte sich verlegen zur Tür, wartete nur noch kurz Harrys ‚mach ich‘ ab und verließ das Bad. Die Tür schloss er hinter sich. Zu seiner Erleichterung hörte er, dass sie von innen nicht verriegelt wurde. Sein Welpe war also vernünftig.
 

Er wartete auf dem Bett sitzend, bis der junge Mann mit seiner Morgentoilette fertig war. Es dauerte seine Zeit, doch da Harry noch schwach war, war das an sich kein Grund zur Beunruhigung. Nach etwa einer halben Stunde ging die Tür auf und der Schwarzhaarige stand etwas wackelig im Rahmen. „Könntest du…?“ Er brauchte die Frage nicht zuende stellen. Remus sprang von seinem Platz auf und legte sich wieder Harrys linken Arm über die Schultern. Dass er etwas gebückt gehen musste, weil sein Welpe etwa ein Kopf kleiner war als er, störte ihn in diesem Moment nicht. Später aber würde sich sein Rücken wahrscheinlich herzlich dafür bedanken.
 

Er setzte ihn auf dem Bett ab und ging vor ihm in die Hocke. Prüfend musterte er seinen Welpen und strich immer wieder leicht über die eingefallenen Wangen, bis der Gryffindor seine Hand lächelnd stoppte. „Es geht mir gut, Remus. Noch etwas schwach, aber gut.“, versicherte er und blickte den Werwolf offen an.
 

Seufzend ließ Remus seine Hand sinken. „Obwohl du nicht von ihr geboren wurdest, hast du wahnsinnig viel Ähnlichkeit mit deiner Mutter, Harry, charakterlich. Sie war eine starke Frau und diese Stärke hat sie an dich weitergegeben. Hör bitte nicht auf, in ihr deine Mutter zu sehen. Lily wäre so verdammt stolz auf dich.“
 

Harry lächelte wieder und wischte sich leicht über die Augen. „Lily wird immer meine Mutter bleiben. Und James immer mein Vater, so wie Sirius immer mein Pate sein wird. Aber du kommst einem Vater im Moment am nächsten. Du bist alles an Familie, was ich noch habe, Remus. Danke…“ Er schlang die Arme um Remus‘ Nacken und schmiegte sich vertrauensvoll an ihn. Dieser erwiderte die Umarmung liebevoll und strich seinem Welpen sanft durch die Haare und über den Rücken. Bevor er aber noch Gefahr lief, Tränen zu vergießen, löste er sich wieder von dem jungen Mann. „Hast du Hunger? Ich kann dir etwas holen.“
 

Harry lächelte. „Das wäre lieb. Ich habe keine Lust, draußen Malfoy über den Weg zu laufen.“
 

„Dem großen oder dem kleinen?“
 

„Das kannst du dir aussuchen.“, grinste der Gryffindor. „Obwohl der kleine gar nicht so klein ist. Der ist fast einen Kopf größer als ich.“, grummelte er anschließend.
 

Remus kicherte. „Das ist keine Kunst, Kleiner. Wenn ich mich nicht verguckt habe, hat sogar Hermine dich um ein paar Millimeter überholt.“
 

Harry streckte ihm die Zunge raus. „Wann hast du uns denn zum letzten Mal zusammen gesehen? Das muss ja schon einige Zeit her sein. Seit dem bin ich gewachsen.“
 

Der Werwolf antwortete darauf nicht, sondern hob nur vielsagend die Augenbrauen. Sein Welpe wusste so gut wie er, dass er bedingt durch diesen Vorfall nicht gewachsen sein konnte. Und wenn, dann nur um wenige Millimeter. Remus hätte sonst sofort bemerkt. „Ich geh dann mal runter und hole dir etwas zu Essen. Du musst dringend ein wenig zunehmen.“
 

Harry grinste schief und schlang die Arme um sich selbst. „Ich weiß. Danke…“
 

------------------------
 

„Hey, Potter.“ Draco hatte die Tür geöffnet und stand nun lässig am Türrahmen lehnend im Zimmer.
 

„Was willst du hier?“, wollte Harry mit einem genervten Unterton wissen und verdrehte leicht die Augen. Es wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein, wenn der junge Malfoy ihn einfach in Ruhe gelassen hätte.
 

Der blonde Slytherin schnalzte mit der Zunge. „Nicht so unhöflich, Potter. Immerhin ist es das Haus meiner Eltern, in dem du es dir gemütlich gemacht hast.“
 

„Soll ich jetzt dankend vor dir auf die Knie fallen, oder was erwartest du nun von mir?“
 

Er hob eine Augenbraue. „Das wäre doch zumindest schon einmal ein Anfang. Aber…“ Draco verstummte, als Harry seufzend aus dem Bett kletterte, ein kleines, fieses Grinsen auf den Lippen, und sich vor seinem Rivalen auf die Knie sinken ließ. Durch seine schwarzen Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fielen, blinzelte er zu dem Blonden auf. „Vielen Dank, dass deine Eltern mich hier dulden. Zufrieden?“ Als der Slytherin nicht reagierte, sondern ihn nur erstaunt und geschockt zugleich anstarrte, erhob er sich ächzend wieder und setzte sich auf die Bettkante. „Schau nicht so! Ich bin schon vor dem Dunklen Lord auf die Knie gegangen.“, zuckte er mit den Schultern und wandte den Blick ab. Noch immer waren die Vorhänge in seinem Zimmer geschlossen, weil er das Sonnenlicht nicht so gut vertrug. Es blendete ihn unentwegt. Remus hatte die Vermutung, dass das mit den vampirischen Genen zusammenhing. Stattdessen brannten ein paar Kerzen und das Feuer im Kamin war entfacht. Eine Hauselfe sorgte dafür, dass die Flammen nicht erloschen.
 

„Du hast dich verändert, Potter.“
 

„Das bringt eine lebensbedrohliche Situation so mit sich. Man muss seinen Stolz runterschlucken, wenn man überleben will und genau das habe ich getan, sonst wäre ich nicht hier.“ Er warf dem Slytherin einen undefinierbaren Blick zu. „Ich weiß, dass meine Chancen dennoch sehr schlecht stehen. Was ich mich im Moment nur frage ist, würdest du dich über meinen Tod freuen?“
 

Draco antwortete zunächst nicht, sondern blickte ihn nur weiter prüfend an. Dann verließ er wortlos das Zimmer.
 

Mit einem Seufzen wandte sich Harry wieder dem Buch zu, das er zu lesen begonnen hatte, nachdem er sich wieder richtig in die Decke gekuschelt hatte. Er saß mit dem Rücken am Kopfende, das dicke Kissen stützend hinter ihm. Er wusste nicht, ob er enttäuscht über Dracos Schweigen sein sollte. Wenn er ehrlich war, wusste er nicht einmal, warum er diese Frage gestellt hatte.
 

Vielleicht fühlte er sich trotz Remus‘ Fürsorge doch ein wenig einsam und wollte sichergehen, dass ihn wenigstens jemand vermissen würde, wenn er sterben sollte. Draco und er waren immer erbitterte Feinde gewesen, aber die Streitereien hatten ihm mit der Zeit sogar irgendwie Spaß gemacht. Narzissa hatte dies bereits am ersten Tag bemerkt. Ob das die Instinkte einer Mutter waren? Oder eher die einer Frau?
 

Niedergeschlagen überlegte er, ob er wohl seiner besten Freundin einen Brief schreiben konnte. Er wollte immerhin nicht ohne ein Wort des Abschieds einfach sterben. Aber er wusste auch, dass er den Brief nicht abschicken konnte, bis er die Sache mit dem Dunklen Lord besprochen hatte. Vielleicht würde er Remus das Pergament anvertrauen, der es dann Hermine und Ron aushändigen konnte.

So kramte er Pergament, Feder und Tinte aus dem Schreibtisch und setzte sich an den Brief.
 

Hey, Mine!
 

Ich weiß, der Anfang wird ziemlich klischeehaft, aber mir fällt nichts anderes ein. Wenn du diesen Brief liest, werde ich wahrscheinlich nicht mehr leben. Der Grund dafür reicht weit in meine Vergangenheit zurück und heißt zur Abwechslung mal nicht Voldemort. Eher im Gegenteil: Es ist Dumbledore… Ich weiß, es klingt unglaubwürdig, aber es stimmt. Dumbledore ist für meinen Tod verantwortlich. Er hat mich zum Tode verurteilt, lange bevor ich geboren wurde. Du wirst es wahrscheinlich am ehesten verstehen, wenn ich versuche, es zu erklären. Du kennst dich dafür gut genug in der Muggelwelt aus. Am einfachsten ausgedrückt heißt das: Ich bin ein Klon! Dumbledore hat mich mithilfe von Magie und Muggeltechnologie erschaffen. Aber die Gene, die er dafür benutzt hat, vertragen sich nicht. Die Veela, der Mensch und der Vampir in mir stoßen sich gegenseitig ab. Dank eines Trankes können die Auswirkungen für kurze Zeit unterdrückt werden, aber sie halten nicht lange und verlieren mit jedem Mal ein wenig ihrer Wirksamkeit. Remus vermutet, dass mir vielleicht nur noch wenige Tage bleiben, bevor es wieder losgeht. Voldemort sucht nach einem Mittel dagegen… Ja, Voldemort! Du liest richtig. Dumbledore kann ich nicht mehr vertrauen. Er meinte nur, ich solle Voldemort vernichten, solange ich noch am Leben bin. Hilfe kann ich von ihm nicht erwarten und was bleibt mir anderes übrig, als zum mächtigsten Magier neben Dumbledore zu gehen und ihn um Hilfe zu bitten, wenn ich weiterleben will?
 

Ich hoffe wirklich, dass es nicht zu meinem Tod kommt. Aber wenn doch, dann bitte ich dich inständig nicht gegen Voldemort zu kämpfen! Er hat mir sein Wort gegeben, dich am Leben zu lassen, egal, was aus mir wird. Ich möchte nicht, dass du stirbst. Du bist wie eine Schwester für mich, auch wenn ich dir das noch nie gesagt habe. Aber ich denke, du weißt es eh schon.
 

Kümmere dich auch bitte ein wenig um Remus. Ich weiß nicht, wie gut er meinen Tod verkraften wird. Er soll sich nicht aufgeben! Sag ihm, dass ich nicht will, dass er mir folgt. Dass ich ihm das nicht verzeihen würde… Nein, das stimmt nicht. Verdammt… Ich weiß nicht… Ich sitze hier und heule wie ein Schlosshund, weil ich diesen Brief an dich schreibe und weiß, dass du ihn erst lesen wirst, wenn ich tot bin. Dass ich dich nicht wiedersehen werde, tut verdammt weh.
 

Es tut mir leid! Ich wollte nicht, dass es so kommt. Ich wollte auch nicht, dass du es so erfährst. Ich würde es dir von Angesicht zu Angesicht erzählen, obwohl das wahrscheinlich noch viel schlimmer wäre, als es aufzuschreiben.
 

Ich bin wahnsinnig froh, dass ich so eine Freundin wie dich hatte. So häufig, wie du mir geholfen hast, kann ich gar nicht aufzählen. Du warst immer für mich da und hast hinter mir gestanden, auch, wenn der Rest der Zaubererwelt gegen mich war. Du hast immer an mich geglaubt. Dafür danke ich dir von ganzem Herzen!
 

Ich werde auch Ron einen Brief schreiben, obwohl der wahrscheinlich nicht so lang sein wird. Erkläre du ihm bitte, was los ist. Ich bin nicht sicher, ob er es verstehen würde, wenn ich es aufschreibe. Du weißt ja, dass er in Sachen Muggeltechnik nicht sonderlich bewandert ist. Ich liebe dich, Mine! Leb wohl!
 

In Liebe

Harry
 

Mit tränenden Augen beendete Harry den Brief. Einige seiner Tränen waren auf das Pergament gefallen, doch die Worte waren noch gut lesbar. Er schob es in einen Umschlag und schrieb Hermines Namen und Adresse vorne drauf. Dann begann er den Brief an Ron. Wie er vermutet hatte, wurde dieser nicht so lang. Er ließ die ganzen Erklärungen weg und bat seinen Freund darum, sich von Hermine alles berichten zu lassen. Auch ihm dankte er dafür, dass er all die Jahre lang sein bester Freund gewesen war und verabschiedete sich unter vielen Entschuldigungen.
 

Kurz nachdem er auch diesen in einen Umschlag gesteckt und Rons Namen drauf geschrieben hatte, klopfte es an seiner Zimmertür und Remus trat ein. „Hey, Welpe. Wie geht’s dir?“, erkundigte er sich besorgt.
 

Harry wischte sich kurz über die Augen, um die Tränenspuren zu beseitigen und drehte sich dann zu dem Werwolf um. „Mir geht’s gut, Remus.“
 

„Du hast geweint.“, stellte der Ältere erschüttert fest und eilte zu seinem Welpen. „Tut dir was weh?“ Prüfend musterten die bernsteinfarbenen Augen den dünnen Körper.
 

Harry aber schüttelte den Kopf. „Nein… Ich habe nur einen Brief an Ron und Hermine geschrieben. Sie sollten Bescheid wissen, findest du nicht?“ Er nahm die Umschläge vorsichtig in die Hand und drehte sie unschlüssig. „Könntest du ihnen die beiden Briefe geben, wenn ich…“
 

„So weit wird es nicht kommen, Harry.“ Remus kniete sich neben ihn und nahm sein Gesicht in beide Hände, um ihn zu zwingen ihn anzusehen. „Du wirst nicht sterben. Voldemort sucht mit Severus zusammen fast Tag und Nacht nach einem Mittel.“
 

Mit einem leichten Lächeln nickte der junge Mann. Er war nicht überzeugt, aber er wollte Remus beruhigen. Der Werwolf sah vollkommen aufgelöst aus, sodass Harry es einfach nicht übers Herz brachte, weiter über seinen Tod zu reden. Er würde die Briefe einfach auf dem Schreibtisch liegen lassen. Wenn er starb, würde Remus sich an seine Bitte erinnern, wenn er die Umschläge sah. Und selbst wenn nicht, würde bestimmt jemand dieses Zimmer aufräumen und dabei die Briefe finden. Mit den Namen und den Anschriften würden sie ihr Ziel finden.
 

Seufzend schlang er die Arme um Remus‘ Nacken und schmiegte sich an ihn. „Ich hab dich lieb, Remus.“ Innerlich verabschiedete er sich schon einmal von dem Werwolf. Es blieben ihm nur noch wenige Tage und es schien nicht so, als wären Voldemort und Severus der Lösung näher gekommen. Sein Leben würde also bald enden.
 

Remus murmelte etwas in das schwarze Haar hinein, das Harry nicht verstand. So hob er den Kopf und blickte ihn fragend an. „Was hast du gesagt?“
 

„Ausgerechnet während dieser Zeit muss es Vollmond werden. Dann werde ich drei Tage lang nicht für dich da sein können.“
 

Harry zwang sich zu einem Lächeln. „Ich verspreche dir, dass ich in dieser Zeit nicht schlapp machen werde. Mach dir keine Sorgen.“

„Ich verlass mich darauf. Wenn doch, werde ich dir gehörig den Hintern versohlen.“, drohte Remus nicht ganz im Ernst. Ihm standen Tränen in den Augen, doch er zwang sie entschlossen zurück. Es würde Harry nicht helfen, wenn er vor ihm anfangen würde zu heulen.
 

„Du kennst mich doch. Ich bin doch viel zu stur, um zu sterben.“ Damit spielte der junge Mann auf die vielen Male an, in denen er dem Tod schon knapp entkommen war.
 

-----------------------
 

Vollmond rückte immer näher und Harry spürte, wie die Wirkung des Trankes von Tag zu Tag nachließ. Zuerst konnte er die Symptome noch verheimlichen, doch nachdem er sich in Remus‘ Gegenwart übergeben hatte, war damit auch Schluss. Die letzte Phiole wurde geleert, doch der junge Mann spürte, dass die Wirkung nicht mehr so stark war wie bei den vorherigen. Die Übelkeit ging zwar zurück, verschwand aber nicht ganz, und auch sein Blutdruck schwankte noch immer etwas. Lange würde es also nicht mehr dauern. Ihm wurde von Severus strenge Bettruhe verordnet, sodass er es nur verlassen durfte, wenn er ins Bad musste. Aber auch dann wurde er meistens von Remus getragen. Der wieder einsetzende Schlafmangel kostete ihm zusätzliche Kraft, sodass er erneut begann abzunehmen. Während dieser Zeit wich ihm Remus kaum noch von der Seite und auch Narzissa war immer häufiger in seinem Zimmer anzutreffen. Anfangs hatte sie nur in einem der Sessel gesessen und stumm den Gesprächen von Remus und Harry gelauscht. Doch später hatte sie an den Konversationen teilgenommen, auch wenn diese meist daraus bestanden hatten, entweder Remus oder Harry Trost zu spenden. Hin und wieder verirrte sich sogar Draco zu ihnen. Doch er sagte nie etwas, sondern stand nur für ein paar Minuten neben dem Türrahmen und verließ das Zimmer ebenso wortlos wie er es betreten hatte.

Am Tag vor dem Vollmond verlor der Trank endgültig seine Wirkung. Harry ging es so schlecht wie nie. Er hatte schwarze Ränder unter den trüben Augen und bestand nur noch aus Haut und Knochen. Ein paar Stunden zuvor hatte er sogar versehentlich das Bett genässt, weil seine Kräfte nicht einmal mehr dafür reichen, das Wasser zu halten. Sein Blutdruck hatte es ihm nicht einmal mehr erlaubt, aus Verlegenheit rot zu werden. Remus hatte das Missgeschick mit einem einfachen Zauber beseitigt. Er saß auf der Bettkante und hielt Harrys Hand, nicht gewillt seinen Welpen loszulassen. Er wusste, dass er ihn nach diesen drei Tagen Vollmond nicht lebend wiedersehen würde. Harry war bereits zu schwach. Kurz vor Sonnenuntergang waren Voldemort und Severus zu ihnen gekommen und hatten gebeichtet, dass sie kein Mittel gefunden hatten. Sie schienen darüber wirklich betroffen zu sein, besonders nachdem sie Harry derartig kraftlos gesehen hatten. Der Dunkle Lord ging auf den jungen Mann zu und berührte ihn kurz an der Schulter. Dann wandte er sich ab und verschwand. Severus schüttelte leicht den Kopf und übergab Remus dann eine Phiole. „Wolfsbanntrank…“, erklärte er leise. „Ich habe ihn ein wenig verstärkt, damit Sie gefahrlos bei ihm bleiben können.“
 

Dankend nahm der Werwolf den kleinen Behälter entgegen und trank den Inhalt in einem Zug.
 

„Ich lass euch allein.“ Severus blickte den jungen Gryffindor fast freundlich an. „Ihre Eltern wären stolz auf Sie.“ Damit verließ er das Zimmer.
 

Harrys Augen begannen zu tränen. Diese Worte von dem Mann zu hören, der ihn all die Jahre über nur verspottet hatte, bescherte ihm ein unglaublich warmes Gefühl, aber auch die Erkenntnis, dass es nun wirklich und endgültig vorbei war. Jede Hoffnung auf ein Überleben war vernichtet und er war sich ziemlich sicher, dass diese Nacht die letzte sein würde. Er hatte kaum noch Kraft dazu, seine Augen offen zu halten, und das Atmen fiel ihm immer schwerer, als würde ein Felsen auf seinem Brustkorb liegen, der mit jedem Atemzug schwerer wurde.
 

Das Klacken der Tür, die leise geöffnet wurde, schreckte ihn auf. Draco stand ihm Türrahmen und warf Remus einen kurzen Blick zu. Der Werwolf verstand die Bitte und riss sich widerwillig von seinem Welpen los. „Ich bin gleich wieder da, Harry.“ Er setzte ihm einen Kuss auf die Stirn und verließ nach einem letzten besorgten Blick das Zimmer.
 

Draco rührte sich nicht von der Stelle, stand noch immer am Türrahmen und blickte den jungen Gryffindor mit einem undefinierbaren Ausdruck in den grauen Augen an. Minuten verstrichen, ohne, dass auch nur ein Wort gesagt wurde, und Harry gab die Hoffnung auf, noch etwas von dem Slytherin zu hören. Doch dann ergriff dieser doch noch das Wort. „Nein, würde ich nicht.“
 

Harry runzelte schwach die Stirn. Diese Worte ergaben in seinem kraftlosen Hirn keinen Sinn, doch er wusste, dass einer dahinter steckte.
 

Der Slytherin bemerkte bestürzt, dass Harry sich nicht mehr erinnerte, und half ihm ein wenig. „Du hattest mich gefragt, ob ich mich über deinen Tod freuen würde. – Nein, würde ich nicht.“, wiederholte er seine Antwort, auf die Frage, die vor einigen Tagen gestellt worden war. „Ganz ehrlich, Potter. Ich werde dir nie verzeihen, wenn du tatsächlich abkratzt.“
 

Ein erleichtertes Seufzen drang aus seinem Mund. All seine Kraft zusammen nehmend krächzte und keuchte er eine Erwiderung. „Das freut mich… Aber ich denke nicht, dass ich noch eine Wahl habe. – Tut mir leid.“
 

„Man, Potter!“, knurrte Draco augenverdrehend. „Hör endlich auf, dich für alles entschuldigen zu müssen.“ Er schritt auf das Bett zu und blieb erst stehen, als er direkt an der Bettkante in Höhe von Harrys Schulter stand. „Es ändert nichts daran, wenn du dich entschuldigst. Hast du dir mal überlegt, dass du Menschen zurücklässt, denen dein Tod sehr nahe gehen würde?“ Der Blonde wusste, dass er unfair war, wenn er jetzt noch anfing, Harry Schuldgefühle einzureden, aber er konnte nicht anders seine Gefühle ausdrücken. „Das kannst du nicht machen! Aber du warst ja schon immer egoistisch! Dein Ding durchziehen, ohne Rücksicht auf Verluste…“
 

Harry hörte sich diesen Vortrag erstaunt an. Etwas im ihm sagte, dass der Slytherin diese Worte nicht wirklich so meinte, sondern damit nur ausdrücken wollte, dass er ebenfalls unter Harrys Tod zu leiden hätte. Aus diesem Grund lächelte er den jungen Malfoy schwach an. „Ich wünschte, wir wären Freunde gewesen. – Der Hut meinte damals, dass man in Slytherin noch echte Freunde findet.“ Er schnappte nach Luft. „Schade, dass ich es nie erleben durfte.“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch Draco hatte dennoch jedes Wort verstanden und kämpfte nun sehr damit, seine Fassung zu bewahren. Sein Blick wurde kalt und abweisend. „Ich warne dich, Potter. Du würdest deinen Tod bereuen.“ Damit wandte er sich um und verließ das Zimmer.
 

Kaum war der Blonde aus der Tür raus, betrat Remus den Raum wieder und eilte an Harrys Seite. „Magst du mir erzählen, was er wollte?“
 

Müde schüttelte Harry den Kopf und schloss die Augen. Eine bleierne Müdigkeit überkam ihn, doch er wollte nicht einschlafen. Verbissen kämpfte er dagegen an, doch er wusste, dass er keine Chance hatte. Mühsam kämpften sich ein paar letzte Worte aus seinem Mund, bevor er endgültig in den tiefen Schlaf fiel. „Lebe, Remus…“
 

Dem Werwolf liefen Tränen über die Wangen, während er nach der Hand seines Welpen griff und sie festhielt, als wäre sie sein Anker. Immer wieder prüfte er am dünnen Handgelenk den unregelmäßigen Puls. Er war zwar schwach, aber noch nicht lebensbedrohlich. Es war einfach nur Schwäche gewesen, die Harry in diesen Schlaf getrieben hatte. Dennoch war es unsicher, ob er daraus jemals wieder erwachen würde.
 

Er ließ die Hand nicht los, bis er sich durch die Strahlen des Vollmondes zu verwandeln begann. Es dauerte nur ein paar Augenblicke und anschließend rollte sich Remus neben seinem Welpen auf dem Bett zusammen. Den grau-braunen Wolfskopf legte er direkt neben Harrys Kopf, während seine Ohren auf den Brustkorb ausgerichtet waren, um den Herzschlag hören zu können.

Er schreckte auf, als der dieser kurz stolperte. Mit Entsetzen spürte er, dass sein Wolf durch diesen Laut offenbar an die Oberfläche brach. Trotz dem verstärkten Wolfsbanntrank gelang es Remus nicht, die Bestie zu unterdrücken.
 

--------------------
 

Das nächste, was er wahrnahm, waren aufgeregte Stimmen. Blinzelnd schlug er die Augen auf. Er lag auf dem Boden neben der Tür, die zum Bad führte. Um seinen Hals lag etwas Schweres und als er kurz den Kopf wandte, erkannte er, dass es eine Eisenkette war, die zudem in der Steinwand befestigt war. Für einen kurzen Moment fragte er sich, was geschehen war, doch dann kehrte die Erinnerung zurück. Er hatte die Kontrolle verloren! Panisch stand er auf und versuchte einen Blick auf seinen Welpen zu erhaschen, doch Severus und Narzissa versperrten ihm die Sicht. Sie wuselten hektisch um das Bett und fuchtelten mit ihren Zauberstäben herum. Er roch Angst und … Blut.
 

Winselnd legte Remus die Ohren an und kauerte sich zusammen. Ihm wurde bewusst, dass er seinen Welpen angefallen hatte. Harry konnte diese hinterhältige Attacke nicht überlebt haben. Er war doch schon so schwach gewesen. Der Blutverlust hatte garantiert das übrige getan. Er hatte seinen Welpen getötet!
 

„Salazar, wie kann das sein?“, ertönte plötzlich Narzissas leise Stimme. Sie starrte geschockt auf das Bett und sah aus, als würde sie jeden Moment ohnmächtig werden. „Wir hatten die Lösung die ganze Zeit über vor Augen. Harry hätte überhaupt nicht derartig leiden müssen.“
 

Verwirrt hob Remus den Kopf und gab einen fragenden Laut von sich, weswegen sich Severus zu ihm drehte. Der Tränkemeister sah wütend aus, zeitgleich aber auch erleichtert. „Was auch immer Sie sich dabei gedacht haben, als sie Mister Potter gebissen haben, aber es hat ihm das Leben gerettet.“
 

Irritiert legte Remus den Kopf schief. Er verstand nicht, was der Slytherin ihm sagen wollte. Harrys Leben gerettet? Das konnte nicht sein! Nicht einmal Voldemort hatte ein Mittel gefunden, um seinen Tod zu verhindern, wie sollte dann er…?
 

Und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der Virus! Der Lykanthropen-Virus war in Harrys Blut gelangt und hatte seine ganze Genetik umgewandelt, um ihn in einen Werwolf zu verwandeln. Dabei musste er die anderen Gene vollkommen absorbiert oder zerstört haben. Verdammt, warum hatte er nicht früher daran gedacht? Ein Leben als Werwolf war allemal besser als der Tod. Harry war noch jung und würde sich schnell der neuen Situation anpassen können. War er tatsächlich so blind gewesen, dass er das Offensichtliche nicht gesehen hatte?
 

Severus ruhige Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Aus Ihrem Verhalten schließe ich, dass Sie Mister Potter nicht bewusst gebissen haben. Aber durch den Wolfsbanntrank hätte Ihr Wolf nicht durchbrechen dürfen.“
 

„Vielleicht hast du beim Brauen…“, wollte Narzissa eine Vermutung äußern, wurde aber schroff von dem Tränkemeister unterbrochen. „Ich habe beim Brauen keinen Fehler gemacht!“ Er wurde nachdenklich und musterte den Wolf im Raum prüfend. „Vielleicht wusste Ihr Unterbewusstsein, dass Ihr Biss ihn retten könnte, und hat deshalb den Wolf in Ihnen freigegeben.“
 

„Wir vermuten doch schon länger, dass der Wolf eigentlich nicht böse ist, Severus. Was, wenn der Wolf instinktiv gewusst hat, was zu tun ist, und deshalb durchgebrochen ist? Er wollte seinen Welpen retten.“ Die Frau strich Harry leicht durch die schwarzen, verschwitzten Strähnen. Sein Atem kann stoßweise, doch sein Herzschlag wurde kräftiger, wie Remus hören konnte. Je weiter sich der Virus ausbreitete, desto stabiler wurde sein Zustand.

Severus schüttelte den Kopf. „Und wieder hat Potter es geschafft, dem Tod im letzten Moment von der Schippe zu springen. Unglaublich…“ Er schritt zu Remus und löste die Eisenkette von seinem Hals. Sofort sprang der Wolf auf und hüpfte zu Harry auf das Bett. Der junge Mann war bewusstlos, doch seine Haut hatte schon eine wesentlich gesündere Farbe als das blasse Grau, wie es bis zum vorherigen Abend noch der Fall gewesen war. Wenn Remus in dieser Gestalt hätte weinen können hätte er es getan. Er war so erleichtert darüber, dass sein Welpe am Leben und auf dem Weg der Besserung war, dass er ihn am liebsten nur noch umarmen und gar nicht mehr loslassen wollte.
 

------------------------
 

Blinzelnd schlug Harry die Augen auf, schloss sie aber sofort wieder, als ihn das Licht blendete. Nun etwas zaghafter versuchte er es erneut, sodass sich seine Augen langsam an die Helligkeit gewöhnen konnten. Seine rechte Schulter tat ein wenig weh, aber sonst schien er in Ordnung zu sein. Er blickte nach links, wo er die Wärme eines anderes Körpers ausmachen konnte und wo der vertraute Geruch, der ihm in die Nase stieg, seinen Ursprung hatte. Remus lag mit dem Oberkörper auf dem Bett, Harrys Hand festhaltend und tief schlafend. Der Werwolf hatte dunkle Schatten unter den Augen und sah erschöpft, aber auch irgendwie erleichtert aus. Erst jetzt wurde Harry bewusst, dass er noch am Leben war und sich wesentlich besser fühlte. Fast zeitgleich drängte sich die Frage auf, wie das überhaupt möglich war. Der Dunkle Lord und Snape hatten kein Mittel gefunden und daran, dass plötzlich eines von Himmel gefallen war, konnte er nicht glauben. Aber es musste offensichtlich so sein. Neugierig versuchte er, seine rechte Hand zu bewegen. Doch kaum hob er sie mühsam ein Stück vom Laken, durchfuhr ein stechender Schmerz seine rechte Schulter, weswegen seine linke reflexartig hochzuckte, um die schmerzende Stelle zu umfassen. Dadurch wurde aber Remus geweckt, der sofort hellwach wurde, als er bemerkte, dass Harry aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war. „Hey, Welpe… Wie fühlst du dich?“
 

Harry musterte ihn kurz, da ihn Remus‘ zurückhaltende Art skeptisch machte. In den bernsteinfarbenen Augen lag tiefe Freude und der Gryffindor brauchte nicht lange, um in seinem nun wieder halbwegs fitten Hirn eins und eins zusammenzuzählen. „Erstaunlich gut… Danke.“ Seine linke Hand lag noch immer auf seiner rechten Schulter und befühlte diese vorsichtig.
 

„Ich habe die Kontrolle über meinen Wolf verloren, worauf er dich gebissen hat. Das Virus hat deine anderen Gene fast vollständig umgewandelt und dich zu einem Werwolf gemacht. Ich hoffe, du kannst damit leben.“
 

Harry blickte ihn überrascht an. „Du hast mir das Leben gerettet, Remus, auf eine Art und Weise, die mir nicht einmal im Traum eingefallen wäre.“ Seine Stimme wurde sanfter. „Jetzt gehöre ich wirklich zu deinem Rudel, oder?“
 

Remus nickte stumm und vergrub seine Nase tief in dem schwarzen Haarschopf, um den Geruch des anderen aufnehmen zu können. „Du bist jetzt mein Welpe, Kleiner.“
 

„Und stolz darauf.“ Harry runzelte die Stirn. „Was genau bedeutet das jetzt aber? Ich weiß, dass ich nun ein Werwolf bin, aber was genau hat das für Auswirkungen, außer, dass ich mich an drei aufeinander folgenden Tagen im Monat in einen Wolf verwandel?“

„Bemerkst du keine Unterschiede?“
 

Seufzend blickte Harry ihn an. „Remus, ich weiß nicht mehr genau, wie es war ein Mensch zu sein. Die Veela und der Vampir haben alles vollkommen durcheinander gewürfelt. Ich kann nur vermuten, was nun anders ist.“
 

Schuldbewusst, dass Remus das vergessen hatte, senkte er den Kopf. „Tut mir leid.“
 

„Brauch es nicht. Es war einfach zu viel. Aber nun erzähl…“

Der Werwolf wollte gerade lächelnd zu erzählen beginnen, als Harrys Magen lautstark verkündete, dass er Hunger hatte. „Ich glaube, es wäre besser, wenn du erst einmal etwas zu Essen bekommst. Du hast in letzten Tagen viel zu wenig gegessen.“ Er rief eine Hauselfe und bat sie, etwas zu leichtes Essen zu bringen, das Harrys Magen nach einer solch langen unfreiwilligen Fastenzeit verarbeiten konnte.
 

Während das kleine Wesen folgsam nickte und in die Küche verschwand, klopfte es an der Tür und Narzissa betrat den Raum. Sie lächelte erfreut, als sie sah, dass Harry erwacht war. „Wie geht es dir?“ Die Frau war abgesehen von Remus , Draco und Voldemort, die den jungen Mann mit ‚du‘ ansprachen. Lucius und Snape hielten sich weiter distanziert und blieben bei ‚Mister Potter‘.
 

Harry begrüßte sie mit einem freundlichen Lächeln. „Sehr viel besser, danke. Nur die Schulter tut noch weh.“
 

„Kein Wunder…“, schmunzelte sie mit einem Nicken. „Ein Biss von einem Werwolf braucht einige Zeit, bis er verheilt ist, weil er nicht auf Heiltränke anspringt.“
 

„Macht nichts. Das ist es mir allemal wert.“ Trotz der Schmerzen in seiner Schulter richtete er sich in eine sitzende Position auf, da die Hauselfe zurück war und einen Suppenteller auf ihren Händen balancierte. Remus nahm ihr den ab und reichte ihn an Harry weiter. Kaum drang der Geruch in die empfindliche Nase des Gryffindors, verzog dieser das Gesicht und blickte auf die Suppe hinab, als wäre sie etwas außerordentlich Ekliges. „Was – bei Merlin – ist das?“
 

Narzissa warf einen prüfenden Blick auf den Teller und musste unwillkürlich grinsen, als sie bemerkte, was falsch lief. „Nun, das ist eine Gemüsebrühe. Kein Wunder, dass du das nicht riechen kannst.“ Sie nahm den Teller und stellte ihn auf den Schreibtisch. „Remus, hast du vergessen, dass Harry ein junger Werwolf ist?“, fragte sie amüsiert. „Junge Werwölfe brauchen etwas Richtiges zu Essen. – Tinki?“ Sie wartete, bis die Hauselfe wieder erschien. „Würdest du bitte die Suppe wieder mitnehmen und uns ein Steak rare bringen?“ Ihrem Wunsch wurde sofort entsprochen, sodass eine Minute später ein Teller mit einem mittelgroßen Stück Steak auf Harrys Schoß lag. Der schnupperte genießend, blickte die Frau aber trotzdem fragend an. „Steak rare?“
 

„Das heißt, dass der Kern noch roh ist. Junge Werwölfe brauchen Fleisch, Harry. Und ich denke mich zu erinnern, dass es ihnen rare am besten geschmeckt hat.“ Sie warf Remus einen vielsagenden Blick zu und grinste frech, da der ältere Werwolf ein wenig rot wurde, als ihm bewusst wurde, dass er tatsächlich irgendwie vergessen hatte, dass Harry von nun an etwas andere Essensvorlieben haben würde.
 

Harry währenddessen hatte bereits angefangen und ließ sich das Fleisch sichtlich schmecken. Doch trotz seines großen Hungers, bekam er das ganze Stück nur mit Müh und Not hinunter. „Ich fürchte, mein Magen muss sich erst einmal wieder daran gewöhnen, dass er arbeiten muss.“, grinste er schief und gab Remus den leeren Teller.
 

„Das wird nicht lange dauern.“ Narzissa zwinkerte ihm lächelnd zu. „Werwölfe müssen ein wenig mehr essen, als normale Menschen. Deswegen wirst du wahrscheinlich in etwa zwei bis drei Stunden wieder Hunger haben.“
 

Harry hob erstaunt die Augenbrauen. „Ich wusste gar nicht, dass Werwölfe mehr essen müssen.“ Fragend blickte er Remus an. Er hatte nie bemerkt, dass dieser einen größeren Appetit als normal. Aber wahrscheinlich hatte er einfach nie darauf geachtet.
 

„Mein Sohn war übrigens sehr erleichtert, als er gehört hat, dass du über den Berg bist.“, meinte die blonde Frau verschwörerisch, als würde sie ein Geheimnis ausplaudern. Wobei Harry vermutete, dass es tatsächlich so war. Draco würde nicht wollen, dass er so etwas erfuhr.
 

Einem plötzlichen Impuls folgend verriet er grinsend: „Er hat mir gedroht… Ich würde meinen Tod bereuen.“
 

Narzissa gab einen entzückten Laut von sich, während Remus aussah, als zweifle er an der geistigen Gesundheit der beiden. „Und das ist gut, weil…?“, wollte er wissen.
 

Sie verdrehte die Augen. „Das ist doch ganz einfach, Remus. Draco war nie jemand, der seine Gefühle wild durch die Gegend posaunt, schon gar nicht bei seinem ehemaligen Erzfeind. Also musste er es so verpacken, dass er sich selbst keine Blöße gab, Harry jedoch trotzdem zu verstehen geben konnte, dass er ihn vermissen würde.“ Mitfühlend legte sie dem älteren Werwolf eine Hand auf die Schulter. „Man muss erst einmal bei ihm durchsteigen, bevor man ihn richtig versteht. Und ich denke, Harry hat bereits genug Übung darin bekommen, um es zu können – nicht wahr?“, wandte sie sich an den jungen Mann, der grinsend nickte, dann aber nachdenklich den Kopf senkte. „Was meint ihr? Wie lange muss ich noch Bettruhe halten?“
 

„Solange, bis Sie wieder kräftig genug sind, Mister Potter.“, beantwortete Snape die Frage, während er den Raum betrat. „Die letzte Zeit war äußerst kräfteraubend und Ihr Körper braucht Zeit, um sich zu erholen. Aber wenn alles normal läuft, denke ich, dass Sie in drei Tagen wieder herumlaufen können. Im diesem Punkt sind Werwölfe bevorteilt. Sie regenerieren ihre Kräfte schneller als normale Menschen.“
 

Harry und Remus tauschten ein verschwörerisches Grinsen. „Wie sieht es mit dem Wolfbanntrank aus –?“ Obwohl der junge Mann noch nicht fertig war, wurde er von Snape ungeduldig unterbrochen.

„Die ersten Verwandlungen müssen ohne diesen Trank passieren. Das heißt, dass Mister Lupin Sie in besagten Nächten nicht aus den Augen lassen wird.“
 

„Warum ohne?“
 

Snape rieb sich die Nasenwurzel. „Der Trank unterdrückt den Wolf. Wenn man ihn aber von Beginn an unterdrückt, kann es sein, dass er Trank nach einiger Zeit seine Wirkung verliert. Der Wolf muss sich erst einmal frei entfalten können. – Man wird dafür sorgen, dass Sie niemanden verletzten können.“ Er hob seinen Zauberstab und wirkte verschiedene Zauber auf den jungen Werwolf, um festzustellen wie dessen körperlicher Zustand war. Erstaunt hob er seine Augenbrauen. „Sie erholen sich schneller als gedacht. Ihr Magie muss sich wieder einpendeln, aber sonst scheint es Ihnen gut zu gehen.“
 

„Wie lange war ich eigentlich weg?“
 

„Der Biss liegt nun fünf Tage zurück. Normalerweise sind die Betroffenen nicht so lange bewusstlos, aber du warst dem Tod sehr nahe.“, antwortete Narzissa.
 

Harry wandte sich an Remus. „Wie lange hat es damals bei dir gedauert?“
 

„Dreieinhalb Tage…“ Der Werwolf grinste schief. „Das aber auch nur, weil Greyback mich damals ganz schön zugerichtet hatte.“ Er deutete auf seine Narben, die sich noch immer gut sichtbar auf seiner Haut abzeichneten.
 

„Warum auch immer es so weit gekommen ist…“, murmelte Narzissa undeutlich.
 

Der Gryffindor blickte sie fragend an, da er jedes Wort verstanden hatte. „Wie meinst du das? Werwölfe haben sich doch, während sie verwandelt sind, überhaupt nicht unter Kontrolle. Warum hätte es nicht so weit kommen sollen? Ich bin ehrlich gesagt froh, dass Remus diesen Angriff überhaupt überlebt hat.“
 

Die Frau druckste ein wenig rum, doch Snape nickte ihr leicht zu. „Wir haben schon lange die Vermutung, dass Werwölfe eigentlich gar nicht so wild und gefährlich sind, wie die Zaubererwelt sie immer darstellt.“ Als Remus und Harry sie skeptisch anstarrten, fuhr sie erklärend fort. „Ich weiß, dass du, Remus, deinen Werwolf nicht unter Kontrolle hast. Aber wenn er wirklich so gefährlich ist, wie ihr denkt, warum hat er Harry dann nicht getötet? Warum ist Harry nur gebissen worden und das noch nicht einmal sonderlich tief? Wir vermuten, dass der Wolf nur deswegen so wild ist, weil er sich bedroht fühlt.“
 

„Von was denn?“
 

Narzissa warf dem Schwarzhaarigen einen bedeutsamen Blick zu. „Von allen… Die Zauberer fürchten Werwölfe, besonders wenn sie verwandelt sind, und machen zu Vollmond pausenlos Jagd auf sie. Das aggressive Verhalten kann einfach daher kommen, dass der Wolf sich schützen will. Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung.“
 

Nachdenklich senkte Harry den Kopf. Es ergab Sinn, was die blonde Frau erzählte. Er erinnerte sich an sein drittes Schuljahr. Remus hatte sich vor ihnen in einen Werwolf verwandelt, Sirius hatte sich daraufhin sofort in den riesigen schwarzen Hund gewandelt, um sein Patenkind zu schützen, und hatte Remus am Nacken von ihm weggezerrt. Der Wolf war diesem Moment nicht aggressiv gewesen, sondern hatte sich nur gegen den Hund gewehrt. Es hatte nicht den Anschein gehabt, als wolle er auf die Kinder damals losgehen, sondern war im Gegenteil in den Wald geflüchtet.
 

Noch etwas fiel ihm auf. Als Remus noch als Schüler nach Hogwarts gegangen war und die Rumtreiber ihm in ihren Animagi-Gestalten in den Vollmondnächten Gesellschaft leisten, konnte er auch nicht aggressiv gewesen sein. Von den drei Freunden war einfach keine Gefahr ausgegangen, deswegen war der Wolf friedlich geblieben. Und davor, als Remus noch Schutz in der Heulenden Hütte gesucht hatte, war er die drei Nächte über dort geblieben. Ein Werwolf, der auf Blut aus war, würde doch nicht in einem halbverfallenen Haus bleiben, wenn keine zwei Kilometer weiter ein kleines Dorf war. So gesehen schien die Hetze gegen die Werwölfe vollkommen ungerechtfertigt zu sein.
 

Der Wolf hätte Harry vor ein paar Tagen einfach töten können. Remus hatte doch gesagt, dass er die Kontrolle verloren hatte. Dennoch hatte er nur eine vergleichsweise kleine Bisswunde an der Schulter, eine Stelle, wo Bisswunden nicht so tragisch waren. Ein paar Zentimeter weiter war immerhin schon sein Hals gewesen. Ein Biss dorthin hätte ihn umgebracht.
 

„Es macht erschreckend viel Sinn.“, murmelte er und warf Remus einen vielsagenden Blick zu. „Wenn das so wäre, dann sollte ich Wolfsbanntrank zumindest hier nicht brauchen, weil es hier niemanden gibt, den der Wolf als Bedrohung ansehen könnte, oder?“
 

Narzissa nickte. „Fenrir benutzt den Trank auch nicht…“
 

„Ja, weil der nicht viel helfen würde.“, knurrte Remus.
 

„Ich gebe zu, dass er ein wenig zu sadistisch verlangt ist. Aber eigentlich ist er nicht böse.“
 

„Er hat nur Remus halb umgebracht.“, kam die trockene Erwiderung von Harry und deutete auf dessen Narben.
 

Die Frau musterte die langen Narben prüfend. „Das ist Kratzspuren, keine Bisse. Remus muss sich damals heftig gewehrt haben. Aber der einzige, der euch wirklich erklären kann, was damals passiert ist, ist Fenrir selbst.“
 

------------------------
 

Am Abend saß Harry mit dem Rücken an das Kopfende des Bettes gelehnt auf seiner Decke und las ein Buch über Werwölfe, das ihm Narzissa mitgebracht hatte. Es war keines der gewöhnlichen Bücher, die man bei Flourish & Blotts finden würde. Es handelte von der Theorie, die Narzissa ihnen am Vormittag erklärt hatte, und versuchte sie anhand von verschiedenen Beispielsituationen, die angeblich genauso geschehen sein sollen, zu beweisen. Außerdem erklärte das Buch die Unterschiede in Verhalten und Gewohnheiten von normalen Menschen und Werwölfen. Es gab mehr, als Harry gedacht hatte. Werwölfe hatten selbst in ihrer menschlichen Form eine sehr viel feinere Nase und ein empfindlicheres Gehör als Menschen. Sie sollten kräftiger und ein wenig schneller sein und eine Vorliebe für Fleisch haben, während sie Gemüse und anderes pflanzliches Zeug eher mieden.
 

Ein Klopfen forderte seine Aufmerksamkeit, weswegen er das Buch zusammenklappte, einen Finger aber zwischen die Seite klemmte, die er gerade gelesen hatte. „Ja?“
 

Die Tür öffnete sich einen Spalt, durch den Draco geräuschlos ins Zimmer glitt. Graue Augen blickten ihn prüfend an. „Du hast also überlebt.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.
 

Harry grinste. „Manchmal wirken Drohungen eben ganz gut.“
 

„Mum hat erzählt, dass du nun ein Werwolf bist.“
 

„Hast du ein Problem damit?“
 

„Nein, warum sollte ich?“ Draco stand noch immer neben dem Türrahmen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Ist ja nicht so, als würde den ganzen Müll glauben, den das Ministerium über Werwölfe verbreiten lässt.“
 

Harry musterte den blonden, jungen Mann und seufzte leise. „Warum setzt du dich nicht? Wenn du die ganze Zeit rumstehst, machst du mich nervös.“
 

Wortlos ließ sich Draco in einem der Sessel nieder, die sich etwas weiter weg von Harrys Bett befanden. „Was liest du da?“
 

„Ein Buch über Werwölfe… Narzissa meinte, ich solle mich mit meiner Art vertraut machen.“
 

Draco nickte leicht.
 

Nach einer kurzen Zeit des Schweigens entschloss sich Harry die Stille zu unterbrechen. „Warum bist du hier?“
 

„Ich wohne hier, falls du das vergessen haben solltest.“
 

„Das weiß ich…“, schnaubte der Schwarzhaarige. „Ich wollte wissen, warum du hier bist… in meinem Zimmer.“
 

„Also, eigentlich ist es nicht dein Zimmer, Potter. Es ist eines unserer Gästezimmer und genau genommen gehört es meinem Vater.“
 

„Malfoy, du weichst meiner Frage aus.“
 

„Nein, ich korrigiere nur deine falschen Ansätze.“
 

Genervt schloss Harry kurz die Augen und massierte sich die Nasenwurzel. „Also gut… Versuchs wir’s nochmal: Warum wolltest du dich davon überzeugen, dass ich überlebt habe?“
 

„Ich lebe nicht gern mit einer Leiche unter einem Dach.“
 

„Oh bitte! Als hätte dein Vater mich hier tot liegen lassen! Außerdem hat deine Mum dir doch bestimmt schon berichtet, dass ich noch lebe. Warum wolltest du dich mit deinen eigenen Augen davon überzeugen?“
 

„Nun, mit den Augen meiner Mutter kann ich schlecht gucken, oder?“
 

„Malfoy! Du raubst mir gerade den letzten Nerv, weißt du das eigentlich, oder machst du das absichtlich?“, knurrte Harry und funkelte den blonden Slytherin gereizt an.
 

Draco hob die Augenbrauen. „Ich kann nichts dafür, wenn du die falschen Fragen stellst.“
 

„Wie wäre es, wenn du aufhörst, sie dir zurechtzubiegen, wie du es gerne hättest.“
 

„Ich bin ein Slytherin, Potter. Was erwartet du eigentlich?“
 

Plötzlich ging Harry ein Licht auf und er blickte Draco lauernd an. „Stimmt ja… Slytherin versuchen sich ja aus Situationen herauszuwinden, die ihnen nicht gefallen. Die Antwort auf meine Frage ist dir also unangenehm, sehe ich das richtig?“
 

„Ich weiß nicht, was du dir einbildest, Potter.“
 

„Ich werde dir jetzt eine ganz einfache und eindeutige Frage stellen und erwarte, dass du sie wahrheitsgemäß beantwortest.“ Harry wartete Dracos Reaktion nicht ab, sondern fuhr gleich fort. „Hasst du mich?“
 

Dracos Zögern war an sich schon Antwort genug.
 

„Ganz ehrlich, Draco… Irgendwie mag ich dich. Wenn du mir gegenüber nur ein wenig offener wärst…“
 

„Was dann, Potter? Sind wir dann keine Feinde mehr? Oder könnten womöglich vielleicht sogar ein wenig befreundet sein? Aber weißt du was? Das reicht mir nicht!“ Der blonde Slytherin war von seinem Platz aufgesprungen und blitzte Harry aufgebracht an. Als dieser ihn nur verwirrt anblickte, schüttelte er den Kopf. „Du verstehst es nicht, oder?“ Damit drehte er sich um und verließ den Raum, ließ einen zutiefst verwirrten Gryffindor zurück.
 

So fand Narzissa ihn kurze Zeit später. „Ich habe meinen Sohn eben ganz aufgelöst weglaufen sehen. Was ist denn passiert?“
 

Harry blickte sie mit großen Augen an. „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“ Nach einer auffordernden Geste von der blonden Frau begann er zu erzählen, was zwischen ihm und ihrem Sohn abgelaufen war. Als er endete, schüttelte sie seufzend den Kopf und setzte sich neben ihn, während sie ihm eine Hand auf die Schulter legte. „Nach allem, was passiert ist, kann keiner von dir erwarten, dass du dir darüber Gedanken machst. Aber hast du dir mal überlegt, dass Draco mehr als nur ein Freund für dich sein möchte?“
 

„Mehr als nur ein Freund? Wie soll das gehen?“
 

Narzissa seufzte. „Ich sag das nicht gern, weil ich eigentlich irgendwann einmal Enkel haben wollte, aber mein Sohn hat kein Interesse an Mädchen, wenn du verstehst.“
 

Der schwarzhaarige Gryffindor runzelte nachdenklich die Stirn, bis ihm klar wurde, worauf die Frau hinaus wollte, und prompt rot wurde.
 

„Ich sehe, du hast verstanden, worauf ich hinaus wollte.“, schmunzelte sie, wurde aber gleich wieder ernst. „Wie sieht es bei dir aus? Kann du dir eine Beziehung mit einem anderen Mann vorstellen?“
 

Ein wenig überfordert zuckte Harry mit den Schultern. „Ehrlich, ich weiß es nicht. Ich hatte nie wirklich die Gelegenheit mir darüber Gedanken zu machen. Aber“, er senkte nachdenklich den Kopf, „ich denke, dass das Geschlecht mir ziemlich egal ist, solange ich diese Person liebe. Sicher bin ich mir aber nicht.“
 

„Das ist doch schon mal etwas…“, freute Narzissa sich und strich dem jungen Werwolf durch die Haare. „Dann hat mein Sohn ja sogar noch Chancen bei dir.“
 

------------------------
 

Dieses Gespräch lag nun schon zwei Tage zurück und Harry hatte sich soweit erholt, dass Snape ihm die Erlaubnis gab, das Bett zu verlassen. Während dieser zwei Tage hatte der junge Werwolf stark über den blonden Slytherin nachgedacht. Doch er konnte nicht sagen, was genau er für ihn empfand. Er mochte ihn auf eine verquere Art und Weise, doch er dachte nicht, dass auch da auch mehr war. Zudem hatte er den anderen seitdem nicht mehr gesehen. Vielleicht würde sich das nun ändern, da Harry nun endlich wieder herumlaufen konnte.
 

Seine ersten Gehversuche startete er keine Minute, nachdem er die Erlaubnis bekommen hatte. Remus stützte ihn zu Anfang noch, da er sehr lange im Bett gelegen hatte und seine Muskeln dementsprechend schwach waren. Doch dank der fleischreichen Ernährung hatte er nicht halb so viele Probleme, wie er befürchtet hatte. Die ersten Schritte waren unsicher und unbeholfen gewesen, doch er bekam das schnell in den Griff, sodass er das erste Mal seit über einer Woche wieder allein ins Bad gehen konnte. Doch danach ließ er sich schwer aufs Bett fallen und verordnete sich selbst mindestens eine halbe Stunde Pause. Doch kaum war diese vorbei, stand er wieder auf seinen Beinen, dieses Mal sicherer, und wagte die ersten Schritte aus seinem Zimmer hinaus. Remus war die ganze Zeit über an seiner Seite, um auf ihn aufzupassen und ihm Notfall stützen zu können. Da Harry von dem großen Haus außer dem Kaminzimmer, einen Flur, einem kleinen Wohnzimmer und sein Zimmer noch nichts weiter gesehen hatte, war er natürlich entsprechend neugierig, wie sein erklärter nicht-mehr-Erzfeind so lebte. Er hatte immer vermutet, dass es ein großes Anwesen sein musste, aber dass in das Gebäude die ganze Weasley-Familie fünfmal reinpassen würde, wenn jeder sein eigenes Zimmer bekommen würde, hätte er nicht erwartet. Staunend sah er sich im den Haus um und wäre so auch fast in den blonden Slytherin hineingelaufen, hätte Remus ihn nicht im letzten Moment zurückgehalten.
 

Der ältere Werwolf nutzte die Gelegenheit. „Ah, Draco. Können Sie einen Moment bei Harry bleiben? Ich muss mal eben für kleine Wölfe.“ Er ließ dem jungen Mann keine Chance zu antworten, sondern verschwand schnell um die nächste Ecke. Harry blickte ihm halb verwirrt, halb panisch hinterher. Er hatte doch ein wenig Angst vor Dracos Reaktion, immerhin hatten sie sich seit dessen verstecktem Geständnis nicht mehr gesehen. Dementsprechend unsicher war er. Zur Vorsichtig stützte er sich an der Wand ab, damit seine Beine nicht plötzlich unter ihm nachgaben. Zu Harrys Überraschung war es Draco, der zuerst das Wort ergriff. „Du solltest dich hinsetzen. Ich werde dir nämlich nicht aufhelfen, wenn du hinfällst.“
 

Der schwarzhaarige Gryffindor warf ihm einen bedeutsamen Blick zu. „Es gibt hier nichts, wo ich mich setzen könnte.“
 

„Mach doch nichts alles schwerer als es ist.“, schnaubte Draco und legte sich Harrys linken Arm um die Schultern, um ihn dann ins nächste Zimmer zu führen. Dort setzte er ihn auf einen Sessel, während er selbst sich auf das Bett setzte.
 

Harry verfluchte sich dafür, dass er rot wurde. Im Moment sehnte er den Moment zurück, an dem sein Blutdruck ihm das nicht erlaubt hatte. „Danke…“ Um dem Blick der grauen Augen auszuweichen, sah er sich in dem Zimmer um. Es war in Dunkelgrün und Weiß gehalten und sehr ordentlich. Auf einem Regal standen viele kleine, schwarze Drachenfiguren in geordneten Reihen, was ihm verriet, wem das Zimmer gehören musste. „Das ist dein Zimmer.“ Verwundert blickte Harry ihn an. Er hatte nicht erwartet, dass der Blonde ihn ausgerechnet mit in sein Zimmer nehmen würde.

Draco antwortete nicht darauf, sondern öffnete nur eine der Nachttischschubladen und holte etwas Kleines daraus, das er in beiden Händen haltend zu Harry brachte. „Das hast du im fünften Jahr verloren.“ Damit hielt er ihm den kleinen Hornschwanz entgegen, den Harry bei der ersten Aufgabe des Trimagischen Turniers gezogen hatte.
 

Irgendwie war Harry froh, den kleinen Drachen wiederzusehen. „Ich hatte schon gedacht, irgendein Vollidiot hätte ihn behalten, um damit angeben zu können.“ Vorsichtig nahm er den kleinen Drachen auf seine linke Hand und genoss den kleinen Moment, in dem sich seine und Dracos Hand berührten.
 

„Ihr habt Umbridge damals ganz schön auflaufen lassen. Das hätte ich der Granger gar nicht zugetraut.“
 

Harry wusste, dass diese Aussage so etwas wie eine Entschuldigung darstellen sollte. Deswegen nickte er einfach nur und lächelte leicht, als Zeichen, dass er ihn verstanden und ihm verziehen hatte. „Draco, hör mal… Wegen dem, was du vor zwei Tagen gesagt hast…“, begann er, doch der Blonde unterbrach ihn.

„Meine Mutter hat mir mal gesagt, dass man alles erreichen kann, wenn man nur dranbleibt.“
 

Prompt wurde Harry rot, da er die Bedeutung dieser Worte sofort verstand. Draco würde nicht aufgeben und weiter um seine Zuneigung kämpfen. Und er wusste, dass Draco ihm eigentlich keine andere Wahl lassen würde, als seine Gefühle irgendwann zu erwidern. Ein leichtes Kribbeln durchfuhr seine Hand, als Draco noch einmal federleicht über die Haut strich. Doch er zog sich schnell wieder zurück und setzte sich auf das Bett zurück.
 

„Gib nicht auf…“, wisperte Harry, dem in diesem Moment klar wurde, dass er von Draco erobert werden wollte. Er wollte die Gefühle des Slytherins erwidern. Doch er wusste auch, dass so etwas einige Zeit in Anspruch nehmen würde.
 

Über Dracos Lippen huschte ein Lächeln, aber es verschwand so schnell, wie es erschienen war. Die Atmosphäre zwischen ihnen war plötzlich sehr angenehm und entspannend, da sie ihre Streitereien stumm und wortlos beendet und etwas völlig Neues begonnen hatten. Sie würden sich gegenseitig neu kennenlernen und irgendwann eine für Harry vollkommen unbekannte Ebene erreichen.
 

Ein Klopfen an der Scheibe riss die beiden aus ihren Gedanken. Draco stand auf und ließ den Waldkauz ein, der daraufhin zu Harry glitt und auf seinem Schoß landete. An dem Bein der Eule war ein Brief befestigt, den Harry nun mühselig zu lösen versuchte. Doch sein rechter Arm war noch immer nicht wirklich zu gebrauchen, da jedes Heben des Arms oder Anspannen der Muskeln mit heftigen Schmerzen an die Bisswunde erinnerte.
 

Draco kniete sich neben seine Beine und schob die Hand beiseite, um den Brief selbst zu lösen, den er dann dem jungen Werwolf gab. Die Eule fiepte kurz und ließ sich auf der Eulenstange nieder, die in dem Zimmer stand.
 

Harry öffnete den Umschlag und holte einen weißen Muggelbrief heraus, was ihm verriet, dass Hermine der Absender sein musste. Der blonde Slytherin setzte sich auf das Bett zurück, um zu verdeutlichen, dass er den Brief nicht gegen den Willen des Gryffindors lesen würde.
 

Harry,
 

Der Angesprochene runzelte verwirrt die Stirn, da eine solche Anrede für Hermine äußerst untypisch war.
 

Ich habe dir inzwischen mehrere Briefe geschrieben, aber alle fünf sind ungeöffnet und mit derselben Eule zurückgekommen, was mir verrät, dass das Tier dich nicht gefunden hat oder du keine Briefe annehmen kannst. Dies ist der letzte Brief, den ich dir schreibe...
 

Erschrocken hob er die Augenbrauen. Er hatte vergessen, dass an seinem Geburtstag eigentlich immer Briefe von seinen Freunden ankamen. Aber dieses Jahr waren keine gekommen. War Hermine so sauer darüber, dass sie ihm drohte, die Freundschaft zu kündigen? Eigentlich traute er ihr das nicht zu.
 

Wenn die Eule auch dieses Mal wieder zurückkommt, werde ich davon ausgehen, dass deine Verwandten dich wieder eingesperrt haben oder dass sie wissen müssen, was mir dir passiert ist. Wenn du dich also nicht bis heute um vierzehn Uhr meldest – meine Telefonnummer hast du – dann werde ich persönlich bei deinen Verwandten auftauchen und nach dir sehen. Und dann sollten sie besser eine vernünftige Erklärung haben.

Bis später!
 

„Draco, wie spät ist es?“, fragte Harry halb panisch, weswegen der Slytherin verwundert eine Augenbraue hob.
 

„Es ist jetzt etwa halb drei.“
 

„Scheiße!“ Er sprang auf und wollte aus dem Zimmer laufen. Doch seine Beine waren noch nicht wieder so kräftig. Er knickte mit dem Knöchel um und hätte böse Bekanntschaft mit dem Boden gemacht, hätte Draco nicht reagiert und ihn aufgefangen.
 

„Was ist los?“
 

„Hermine! Sie ist bei meinen Verwandten und wie ich sie kenne, macht sie denen die Hölle heiß. Die haben nämlich keine Ahnung, wo ich abgeblieben bin. Ich bin mitten in der Nacht abgehauen. Ich muss da hin und sie beruhigen, bevor sie den Dursleys noch wehtut.“ Harry sprach mit einer solchen Nachdruck, dass Draco sich wieder seinen linken Arm um die Schulter legte und den Raum verließ. In dem Korridor kam ihnen ganz gemütlich Remus entgegen, der fröhlich lächelte. Doch dieses Lächeln verschwand augenblicklich, als er Harrys Panik bemerkte. „Was ist los?“
 

„Hermine! Sie ist bei den Dursleys, weil ich mich nicht gemeldet habe.“
 

Remus starrte ihn an – eine Sekunde, zwei Sekunden –, dann zückte er seinen Zauberstab. „Wo kann man hier apparieren?“, wollte er von Draco wissen. Der Slytherin führte die beiden in das Kaminzimmer, wobei sie auf dem Weg dahin noch Narzissa begegneten. Ohne eine Erklärung zu erwarten, schloss sie sich der kleinen Gruppe an. Remus schnappte sich Harrys Hand und disapparierte, nachdem er Narzissa die Adresse genannt hatte. Die Frau griff nach der Hand ihres Sohnes und folgte den Werwölfen. Sie tauchten zwischen zwei kleinen, Einfamilienhäusern wieder auf. Als sie auf die Straße traten, sahen sie noch Harry und Remus, die keine zwei Häuser weiter durch das Gartentor traten. Es war das Haus mit der Nummer vier. Draco und Narzissa taten es ihnen nach. Die Haustür war geschlossen, doch Remus änderte das schnell. Nach ein paar Zaubern schwang die Tür auf. Harry eilte in das Haus. „Hermine!“ Keuchend hielt er im Türrahmen, der zum Wohnzimmer führte, inne und starrte erschrocken auf die Szene.
 

Hermine stand mit gezücktem Zauberstab in der Mitte des Raumes. Petunia und Vernon kauerten in einer Ecke, die Augen starr auf das lange Holz gerichtet. Seinen Cousin entdeckte er auf dem Sofa. Er zitterte angstvoll und wimmerte kläglich vor sich hin, während seine fleischigen Hände seinen Kopf umfassten. Unter seinen dicken Fingern quollen große, rosa Ohren hervor.
 

Hermine wandte ihren Kopf zu Harry und blickte ihn aus verengten Augen misstrauisch an, da hinter ihm Draco und Narzissa standen. Remus trat hinter ihn und legte ihm stützend einen Arm um die schmale Hüfte.
 

„Hermine, leg den Zauberstab weg.“, bat Harry eindringlich. Er wollte nicht, dass sie wegen Verfluchung von Muggeln vor Gericht enden würde.
 

Doch sie schnaubte nur. „Beweis mir, dass du Harry bist.“
 

Schnell überlegte er sich etwas, dass nur sie wissen konnte. „Im zweiten Schuljahr haben wir zusammen im Klo der Maulenden Myrte Vielsafttrank gebraut. Doch du hast versehentlich Katzenhaare erwischt, erinnerst du dich?“
 

Die junge Frau ließ den Stab ein wenig sinken. „Was machen die Malfoys hier?“
 

„Sie haben mich hierher begleitet. Ich habe die letzte Zeit bei ihnen gewohnt. Die Umstände erkläre ich dir später. Aber jetzt lass bitte endlich den Stab sinken, bevor noch das Ministerium hier aufläuft.“

„Für wie blöd hältst du mich eigentlich? Meinst du, ich würde hier rumzaubern, ohne schützende Maßnahmen vorher zu ergreifen?“, fauchte sie, während ihr Stab rote Funken sprühte.
 

„Wer war denn bitte diejenige, die mir verboten hat, meine Verwandten zu verfluchen, als wir uns vor den Sommerferien am Bahnhof verabschiedet haben?“, grinste Harry, während er versuchte, seine zitternden Beine zu beruhigen. Es war wohl ein wenig zu viel gewesen.
 

Hermine presste die Kiefer aufeinander und wurde ein wenig rot um die Nase. „Das war etwas anderes. Ich habe dich wochenlang nicht erreichen können. Weißt du, was ich mir für Sorgen gemacht habe? Ich habe mir schon das Schlimmste ausgemalt. Dass Todesser dich entführt haben oder dass deine Verwandten dich wieder irgendwo einsperren und halb verhungern lassen. Ich war gerade dabei herauszufinden, ob sie mir die Wahrheit gesagt hatten, als sie meinten, dass sie nicht wissen, wo du abgeblieben seist. Deine Sachen sind aus deinem Zimmer verschwunden, aber im Grimmauldplatz war auch niemand. Und Dumbledore wusste angeblich auch nicht Bescheid, obwohl ich dem gegenüber ziemlich misstrauisch bin. Wer weiß schon, was dem wieder eingefallen ist?“ Sie verstummte, als sie bemerkte, dass sie zu plappern anfing, stürmte auf ihn zu und schmiss sich ihm an den Hals, wobei Harry kurz das Gesicht verzog, als sich seine Schulter schmerzhalft meldete. „Ich bin so froh, dass es dir gutgeht.“, nuschelte sie an seinen Hals und weinte vor Freude. Dass sie Harry beinahe von den Füßen gerissen hätte und der nur von Remus und Draco gehalten wurde, bekam sie zuerst gar nicht mit. Als Harry sie dann aber leicht von sich schob und keuchend nach Luft schnappte, besah sie sich den jungen Mann genauer. „Was ist passiert? Du siehst nicht gut aus… viel zu dünn und unausgeschlafen.“ Dann bemerkte sie den Verband, der unter dem verrutschten Shirt hervor blitzte. „Du bist verletzt!“
 

Harry grinste schief. „Das gehört zu den Erklärungen, die ich dir später geben werde. Wir sollten hier erst einmal verschwinden.“

„Und den Muggeln die Erinnerungen verändern?“, schlug Draco abfällig vor, wobei er den besagten Personen einen arroganten Blick zuwarf.
 

„Och… Ich fände es ganz schön, wenn sie sich daran erinnern könnten.“ Harry tauschte einen amüsierten Blick mit Hermine, die dann aber lachend den Kopf schüttelte. „Zu blöd, dass du dann in Gefahr wärst.“, fügte er noch hinzu.
 

„Aber Erinnerungen ohne Genehmigung verändern ist…“ Sie verstummte, als Harry ihr einen bezeichnenden Blick zuwarf. „Ist ja gut. Dann ändern wir ihre Erinnerungen halt.“
 

„Ich mach das.“ Remus zog seinen Zauberstab und richtete ihn auf Vernon, der den Mund öffnete, um lautstark protestieren zu können. Doch der Zauber war schneller. Petunia schrie entsetzt auf, als ihr Mann von einem hellen Blitz getroffen wurde und verstummte. Doch schnell stand auch sie unter diesem Zauber, keine dreißig Sekunden später dann ihr Sohn. Doch bei Dudley musste Remus noch ein wenig mehr verändern. Hermine hatte sich offensichtlich einen Spaß daraus gemacht, Harrys fetten Cousin zu verzaubern, sodass der nun Schweineohren, einen Ringelschwanz und eine große Schweinsnase besaß. Als das rückgängig gemacht worden war, verließ die kleine Gruppe das Haus, wobei Harry sich schwer auf Draco stützte, was Hermine mit besorgten Augen verfolgte. Doch sie geduldete sich. Nur eines wollte sie gerne wissen. „Wohin gehen wir nun? Ich will Erklärungen, Harry.“
 

Der junge Werwolf warf Narzissa einen fragenden Blick zu, doch es war Remus, der meinte. „Der Grimmauldplatz wäre vielleicht am besten.“
 

„Das denke ich nicht.“, schnappte Draco. „Dort wird die alte Bonbonschleuder doch zuerst nach ihm suchen.“
 

„Stimmt… Daran hatte ich nicht gedacht.“
 

„Dann nach Malfoy Manor.“, bestimmte Narzissa und hielt der jungen Gryffindor ihre Hand entgegen. „Ich nehme Sie gerne mit, Miss Granger.“
 

Harry und Draco hoben synchron die Augenbrauen. Sie wussten, dass es für die blonde Frau nicht einfach war, einer Muggelgeborenen gegenüber so offen zu sein. Doch da es sich hierbei um Harrys beste Freundin handelte, deren Leben schon von dem Dunklen Lord als unantastbar bezeichnet wurde, war sie bereit dazu.
 

Hermine war ebenfalls überrascht und misstrauisch zugleich. Doch Harry nickte ihr ermunternd zu, sodass sie die Hand schließlich ergriff.
 

--------------------
 

Hermine hatte sich alles ruhig angehört. Sie saß auf der Bettkante und starrte Harry an, der vor ein paar Minuten eingeschlafen war. Remus hatte das Erklären für seinen Welpen übernommen und der jungen Frau alles berichtet. Nun aber war der Werwolf verstummt und wartete auf eine Reaktion. Die kam in einer Art und Weise, die er niemals erwartet hätte. Hermine sprang von ihrem Platz auf und umarmte Remus. „Danke, vielen Dank! Du hast ihn gerettet. Ich danke dir.“ Als sie sich von ihm gelöst hatte, setzte sie sich wieder zu Harry und nahm seine Hand in ihre. „Er hat schon viel zu viel durchmachen müssen. Ich werde nicht zulassen, dass es noch mehr wird. Und wenn ich persönlich Harrys Platz in Voldemorts Armee einnehmen muss.“ Sie warf einen Blick zu Draco, der in einem Sessel an Harrys Bett saß, und sie erstaunt ansah. „Und was machst du eigentlich hier? Ich dachte, du magst ihn nicht.“
 

„Nicht alles ist so, wie es scheint, Granger.“
 

Sie war klug genug, um nicht weiter nachzufragen, obwohl es ihr schon in den Finger juckte. Doch Harry würde es ihr erzählen, wenn er soweit war. Ungefragt würde sie nicht in seinem Privatleben herum schnüffeln. Nicht einmal, wenn es dabei um Malfoy gehen würde. Und dass die beiden etwas verband, hatte sie schon gesehen, als Harry sich von Malfoy stützen ließ.
 

„Du hast vorhin einen schwarzmagischen Zauber benutzt, um zu verhindern, dass das Ministerium deine Magie bei den Muggeln aufspüren kann.“, meinte er lauernd. „Woher kannst du den?“

Hermine wurde verlegen und rutschte unruhig auf dem Laken herum. „Ich habe ein paar Bücher aus der Knockturngasse gekauft, um ein paar Nachforschungen anzustellen. Man muss schließlich wissen, wogegen man kämpft, oder nicht?“
 

Remus lachte bellend auf, was Harry aus seinen Schlaf schrecken ließ. Müde rieb er sich die Augen und blinzelte desorientiert. Hermine lächelte bei dem Bild und strich ihm sanft durch die wirren Haare. „Dein Leitwolf lacht mich gerade aus, Phelan.“ Als der junge Gryffindor sie verständnislos anblickte, fuhr sie fort. „Ich habe nur ein bisschen intensiver recherchiert, als für andere normal zu sein scheint.“
 

„Und was bedeutet Phelan?“, fragte Narzissa neugierig.
 

„Das bedeutet Kleiner Wolf.“
 

„Ich bin nicht klein.“, kam prompt der leise Protest, woraufhin alle um ihn herum lachten. Sogar Draco grinste fröhlich vor sich hin. „Potter, du bist klein. Sieh es endlich ein!“
 

Als Harry ihm grummelnd in die Augen sah, wurde ihm klar, dass Draco seinen Kampf bereits gewonnen hatte. Solches Herzklopfen konnte er überhaupt nicht falsch verstehen. Jetzt würde nur noch die Zeit zeigen, ob sie beide wirklich zusammen passten. Aber er würde es versuchen.
 

„Bild dir bloß nicht ein, dass ich dich nochmal aus den Augen lasse, Potter. Du schaffst es sonst nur wieder, in Schwierigkeiten zu kommen.“, schnaubte Draco, doch Harry wusste, dass der junge Malfoy ihm soeben versprochen hatte, auf ihn aufzupassen und für ihn da zu sein.
 

Hermine grinste. Auch sie hatte die Botschaft hinter den harten Worten verstanden. Es würde lustig werden, wenn die beiden wirklich einmal zusammen sein sollten. Denn selbst dann würden sie es nicht lassen können, sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu zanken.
 

Um seine plötzliche Verlegenheit zu überspielen, wandte er sich an seine Freundin. „Dann hat der Kampf gegen Dumbledore also begonnen.“
 

Sie nickte. „Das hat er.“
 

ENDE
 

==========
 

Wie fandet ihr es? *liebguck* =)



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  ai-lila
2015-09-22T14:12:54+00:00 22.09.2015 16:12
Hi... bin nun erst über deine Geschichte gestolpert und finde sie einfach nur klasse.

Lg Ai
Von:  ShadowPhoenix
2012-04-28T23:49:02+00:00 29.04.2012 01:49
für mich gibt es nur ein einziges wort zu deiner FF zu sagen....
WOW...
Ich les auf jedenfall weiter :D
Mach weiter so ;)
Von:  91Cyber
2011-12-14T20:10:57+00:00 14.12.2011 21:10
Wow un glaublich schön

und der brif erst ich musste heule wunder schön geschreiben freu mich schon auf mehr


Von:  Omama63
2010-02-23T13:44:07+00:00 23.02.2010 14:44
Eine super Geschichte, die hat mir sehr gut gefallen.
Ab der Mitte ungefähr, musste ich immer wieder heulen.
Du hast die FF mit sehr viel Gefühl geschrieben.
Ich finde das Ende schreit förmlich nach einer Fortsetzung.
Mich würde schon interessieren was aus den Beiden wird und was sie mit Dambeldore machen.
Solltest du eine Fortsetzung schreiben, dann bitte sende mir eine ENS.
Von: abgemeldet
2010-02-08T17:53:44+00:00 08.02.2010 18:53
ich war ziemlich überrascht das du ein kapitel mit 69 seiten geschrieben hast, aber ich finde das echt gut.
dein schreibstil ist interessant und lässt sich gut lesen.
weiter so!
alice


Zurück