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Lumiél

Königreich der Monde
von

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Stock und Stein

Es war unbequem. Ja ganz schrecklich und geradezu bedrückend unbequem – und Alistair ließ es sich nicht nehmen, das auch gebührend anzumerken... alle paar Minuten wieder.

„Ash, mir ist langweilig...!“ quengelte der Meisterdieb Lumiéls wie ein verzogenes Kind herum und zupfte ein paar weitere Grashalme aus, die er kurz mit seinen Fingern malträtierte, ehe auch sie auf dem kleinen Haufen zerfledderter Gewächse landeten. Unlängst sah das Stück Wiese um ihn herum aus, als hätte jemand eine Schafsherde sehr präzise einen bestimmten Kreis abfressen lassen – und das, obwohl das einstmals hohe Gras ihm eigentlich Schutz vor Entdeckung und Sichtung bieten sollte.

Die Elbe an seiner Seite störte sich wenig an seinen botanischen Exkursionen, kamen sie doch über einen Umkreis von einer Armeslänge nicht hinweg, doch was sie störte, bei den Göttern, das war sein ständiges Gemaule.

„Hältst du jetzt endlich die Klappe?“ fuhr sie ihn erzürnt an, „Denkst du, ich finde das hier lustig?“ zischte sie ihm rhetorisch zu, ehe sie sich wieder umwandte. Eigentlich hätte sie sich konzentrieren müssen. Sie lagen auf einem kleinen Grashügel mitten in einem seicht bewaldeten Gebiet, direkt vor ihnen fiel der Hang steil ab und kreuzte sich mit einem gegenüberliegenden Hang zu einem kleinen Tal. In genau dieser Mulde verlief die Handelsstraße, über die seine Majestät König Phillipe der Dritte, selbsternannter Gott Lumiéls, am heutigen Tage eigentlich eine Waffenlieferung versenden wollte.

Eigentlich.

Nur warteten sie auf die verdammte Karawane schon den halben Tag lang und allmählich wurde allen langweilig, nicht nur Alistair. Selbst die Rebellen, die ihnen als Verstärkung zugeteilt worden waren, hatten begonnen, Würfel auszupacken, Karten zu spielen, sich zu unterhalten. Der reinste Sauhaufen!

„Sieh sie dir doch mal an...“ nuschelte der Dieb erneut. Ashes kannte ihre überaus aussichtslose Situation. Man konnte den Langfinger zum Schweigen bringen, wenn man ihm etwas zu tun oder etwas Neues zum bestaunen gab. Es funktionierte sogar, ihm Gewalt anzudrohen oder ihm einen Klaps zu verpassen, doch... nichts davon hielt sonderlich lange. Er konnte es einfach nicht. Er konnte einfach nicht den Mund halten. Sobald ihm langweilig wurde, fing er an zu reden, wie ein Wasserfall, über Gott und die Welt und dann suchte er meist auch noch Ablenkung, indem er erhoffte, irgendwer würde irgendwie auf sein Gefasel eingehen.

Die Elbe kannte sich damit aus. Sie reisten schon einige Monate zusammen und gute Güte, diese schmächtige Kalkwand hatte es in ihr Bett und sogar bis in ihr Herz geschafft.

Das machte ihn nur nicht weniger anstrengend.

„Was meinst du?“ bot Ashes schließlich Schützenhilfe und einen Moment wurde es still. Sie spähte nur aus dem Augenwinkel zu ihm herüber und sah, wie der Langfinger sie bis über beide Ohren anstrahlte. Jedem anderen wäre das Sinnbild eines Hundewelpen in den Sinn gekommen, doch Ashes hatte es nicht so mit Tieren – weder den Kleinen, noch den vermeintlich Süßen, und das, obwohl sie eine Elbe war. Nein, das ganze verdammte Viehzeug konnte ihr gut und gerne gestohlen bleiben. Sie bemerkte lediglich zufrieden und ganz, wie sie es erwartet hatte, dass sie Alistair nicht einfach nur überrascht hatte, sondern ihm eine richtige Freude bereitete.

Im Grunde zeichnete auch das ihre Verbindung gewissermaßen ein Stück weit aus. Ashes war eine Kämpfernatur, eine Kriegerseele. Sie entsprach ein Stück weit sogar den damit verbundenen Klischees: Sie war rau, grob und hatte wenig Sinn für große, emotionale Ausbrüche. Würde Alistair aus irgendeinem Grund anfangen zu weinen, wäre ihr erster Kommentar vermutlich ein 'Heul nicht rum, ist eben so, kannst du auch nicht mehr ändern!'. Und obwohl ihre recht ungeschliffene, oftmals als feindselig oder unhöflich empfundene Natur nicht unbedingt das beste Klima für Romantik und Liebschaft bot, hatte der Dieb es irgendwie dennoch geschafft. Er, der von seiner Mutter mit all diesen wirren, absurden Idealen und Wunschvorstellungen vollgepumpt worden war, hatte sein Herz an sie verloren – und genoss, gerade weil sie war, wie sie war, jeden noch so winzigen Moment, da sie ihre Härte ablegte und ihm einen Schritt weit entgegen kam. Seien es nun kleine Zärtlichkeiten, ein Lächeln oder eben auch nur die Einladung zu einem Gespräch, das ihm die Langeweile vertreiben sollte.

Alistair überlegte nicht lange. Die Einladung war möglicherweise einmalig und er wollte nicht zu lange in seiner Freude schwelgen – obwohl genau das ihm durchaus ähnlich gesehen hätte. „Naja... die nennen sich Rebellen und sie planen einen großen Aufstand und Überfälle und eine Machtübernahme... aber erinnerst du dich, was die uns für einen Mist erzählt haben? Ich habe gesehen, wie skeptisch du die Augenbraue gehoben hast... die wissen nicht mal, was sie nach einem Umsturz machen sollen. Oder wie. Und ob sie je bis dahin kommen, ist auch mehr als fraglich. Sieh dir doch die Leute mal an, mit denen wir hier sind. Unsere sogenannte Unterstützung. Ich gehe jede Wette ein, die Meisten von denen wissen immer noch mit einer Heugabel besser umzugehen als mit dem Schwert, das sie tragen... vermutlich hat man ihnen gerade genug beigebracht, damit sie wissen, dass man mit der Spitze zusticht und wie man sich bei einem Schwung nicht selbst enthauptet...“ resümierte der Dieb seine gesamten Beobachtungen, seit sie vor zwei Wochen mehr oder minder freiwillig in die Dienste der Renegaten getreten waren.

„Und?“ erwiderte Ashes lediglich mit den Schultern zuckend. Natürlich war ihre Reaktion durchaus angemessen, das wusste Alistair. Das waren fremde Leute, die für eine fremde Sache in einem fremden Land kämpften. Gut, man hätte einwenden können, dass Alistair in Lairuinen geboren war – einem kleinen, ziemlich xenophoben Dorf hoch im Norden, oberhalb der Schnee- und Eisgrenze. Doch seit seinem letzten Besuch dort war es weniger Heimat geworden als jede Schatzkammer, jede Taverne und jedes bezahlte Bett der Welt... und nichts konnte sich mit dem Gefühl messen, wenn er bei seiner Gefährtin war – da sahen sogar die Schatzkammern schlecht aus, und das, obwohl Alistair stets leicht zu locken war, sobald es um Türen, Schlösser, Fallen und vor allem, um Münzen und Reichtümer ging.

Das hier war nicht ihr Kampf. Es war nicht ihr Krieg, nicht ihr Aufstand, nicht im Ansatz irgendetwas, womit sie näher zu tun hatten. Allerdings war der Nordmann immer schon weicher im Herzen als die Elbe – obwohl sie gewiss sogar darauf beharrt hätte, dass er mit seinem ständig sonnigen Gemüt und seiner Gedankenlosigkeit manches Mal genug Grund zu der Annahme bot, dass er auch im Kopf weicher sei als sie.

Sie waren Söldner.

Ein Berufsstand, den die Welt brauchte, dringend brauchte. In manchen Zeiten mehr, in anderen weniger, aber Söldner waren immer eine Art... notwendiges Übel. Für Geld übernahmen sie Arbeiten. Für viel Geld übernahmen sie schwere Arbeiten. Und für ein Vermögen stürzten sich manche von ihnen sogar in schier ausweglose Situation in der Hoffnung, die Götter mögen dem Mutigen gewogen sein und ihnen einen Ausweg schaffen. Ashes und ihr Dieb waren nie so dümmlich gewesen. Als Söldner hatte man eine sehr knapp bemessene Lebenserwartung, was meist daran lag, dass man sich irgendwann – mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Gier – überschätzte. Oder aber, man nahm einen Auftrag an, der aufgrund seiner Belohnung oder Schwierigkeit zu großer Konkurrenz führte... schließlich töteten Söldner einander ebenso, wenn es nur Grund dazu gab. Und als dritter Punkt wurden einem nur zu gerne persönliche Bindungen zur Stolperschnur.

Sie waren ein Paar – und hielten dennoch stets eine professionelle Ebene aufrecht. Wenn sie arbeiteten, dann arbeiteten sie. Zeit für alles andere fand sich bei sehr seltenen Gelegenheiten zwischen drin, ansonsten erst, wenn der Auftrag abgeschlossen war. Sie hatten nie lebensmüde gehandelt und sich immer erst ein Bild von Umfang und Schwierigkeit der Aufträge gemacht. Gewiss hätten sie mehr wagen können. Sowohl was die komplexeren Aufgaben, als auch die Einforderung höherer Löhne anbelangte.

Aber wer auf Risiko spielte, der erhöhte auch die Wahrscheinlichkeit, irgendwann ganz übel zu stürzen. Sie hatten sich nie übernommen und deshalb lebten sie beide noch. Deshalb ging es ihnen gut, deshalb konnten sie nicht über Hunger und Durst klagen und deshalb hatten sie eine lange Reihe zufriedener Kunden hinter sich zurückgelassen, von denen ihnen keiner nach dem Leben trachtete.

Nur waren Söldner eben auch verpönt. Ein notwendiges Übel vielleicht, aber ein Übel. Echte Helden, die übernahmen solche Aufgaben nur für Ruhm und die gerechte Sache. Echte Helden, die setzten sich für Gerechtigkeit ein und ihre Tugendhaftigkeit zeugte von wahrer Größe.

Echte Helden starben auch früher und ob das Volk es nun wahr haben wollte oder nicht – auch echte Helden mussten essen, trinken, schlafen, ihre Wunden versorgen.

Genau das waren auch die Gedanken, die Alistair beschäftigten. Er machte keinen Hehl daraus, dass er früher Heldengeschichten verschlungen und geliebt hatte – und dass sich daran im Grunde nicht viel geändert hatte. Noch immer bezahlte er hin und wieder in den Gasthäusern, in denen sie logierten, einen zufällig zugegen befindlichen Barden, damit er ihm irgendwelche Abenteuergeschichten erzählte. Ashes meinte dann oft, er sei nie erwachsen geworden, doch sie ließ ihm diesen kleinen Flecken und zerriss ihn nicht mit ihrem Zynismus. Aber trozt allem waren sie Söldner.

Und jetzt lagen sie hier im Gras und... warteten mit einem Haufen Bauerntölpeln, denen man ein Schwert in die Hand gedrückt hatte, bis sie eine Karawane des hiesigen Regenten überfallen konnten, und sie taten das weil... nun, zumindest nicht für Geld.

„Wir könnten ihnen helfen. Verstehst du? Wir könnten sie besser organisieren. Sie ausbilden.“ schob der Dieb vorsichtig nach einer langen Pause ein.

„Wir?“ hakte Ashes lediglich mit einem geradezu wölfischen Grinsen nach, da wurde der Langfinger auch schon eine kleine Spur rot.

„Naja... also... du könntest sie organisieren und ihnen das Kämpfen beibringen und ich... könnte ihnen viel größere finanzielle Mittel besorgen. Dann müssten sie nicht mehr in solchen abgewetzten Lederharnischen herum rennen und mit Schwertern kämpfen, die so scharf sind, dass man auch Holzattrappen hätte nehmen können. Oh und ich könnte ihre Verstecke sichern! Und Fallen legen! Hätte ich gewusst, was wir machen, das wir heute hier sind... also hätten sie mir auch nur das Geringste gesagt, wohin wir gehen und wozu, dann hätte ich was basteln können... wir hätten viel Zeit und möglicherweise auch Leben sparen können...“ weitete der Nordmann langsam seine Darlegung der Ideen aus. Ashes schien von alledem wenig begeistert und das hatte mehrere Gründe.

Zum einen hatten sie am Höllenschlund Blut und Feuer durchlitten, eine Zeit, die ihnen allen noch tief in den Knochen steckte und von der sich völlig zu erholen wohl eine Weile brauchen würde. Meist war Ashes es, die einem völlig verschreckt und panisch auffahrenden Alistair erklären musste, dass er geträumt hatte und sich verdammt nochmal beruhigen sollte.

Dann war mit Lairuinen der nächste Fehlschlag gekommen. Welches Band auch immer den Dieb mit dem Norden dieses Landes im Allgemeinen und mit jenem Dorf samt seiner Familie im Speziellen verbunden haben mochte, wurde rüde zerrissen. Sie konnte schwer abschätzen, wie viel ihm das wirklich bedeutete, vermutete aber, dass er sich weniger anmerken ließ als tatsächlich der Fall war.

Dann war da die Schwarzkutte. Der Henker, den Phillipe der Dritte ihnen auf den Hals gehetzt hatte. Die Götter mochten wissen, woher dieser Mann solche Kräfte bezog, aber klar war, dass es sich bei dieser einzelnen Person um einen überaus gefährlichen Feind handelte – selbst für sie, die sie als eingespieltes Team schon so manche Gefahr überwunden hatten, an der unzählige Andere gescheitert wären. Er hatte sie in Sundergrad aufgesucht, es hatte gänzlich unscheinbar angefangen. Doch rasch wurde klar: Der König war ungeduldig geworden und hatte gehandelt. Nun brauchte man die Söldner nicht mehr und versuchte, sich ihrer zu entledigen, einfach schon, weil sie zu viel wussten. Der erste Versuch war gescheitert und sie konnten erfolgreich aus der Stadt in Richtung Höllenschlund fliehen. Doch Ashes wusste genauso gut wie Alistair, dass dieser Mann sie weiter jagen würde. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis er sie finden könnte.

Ihre beste Chance lag darin, das Land zu verlassen und das deckte sich auch bisher ziemlich gut mit ihren Plänen: Kathryn, die Piratin aus Anadyr, war ihnen schließlich gefolgt, um sie für sich zu gewinnen, für eine Art von... nun, man konnte es wohl unumwunden Attentat oder Staatsstreich nennen. Das Königshaus von Anadyr hatte einen Umbruch erfahren, die Familie war von der eigenen Tochter verraten worden und die einstige Jugendfreundin Kats hatte ihre Crew inhaftieren lassen. Anadyr war bunt, exotisch, warm und feucht – ein Klima, das Alistair zu schätzen wusste, von den reichen Edelsteinküsten und den unvorsichtigen Krämern in allerlei Tavernen ganz abgesehen. Es wäre ein Paradies für einen Dieb wie ihn.

Dummerweise kam man schlecht aus einem Land heraus, wenn man steckbrieflich gesucht wurde. Begriffen hatten sie das nicht in dem Moment, als eine Wachpatrouille sie durch Varakas hetzte, sondern erst, als sie am Hafen von jedem angesprochenen Kapitän abgewiesen wurden und man ihnen daraufhin ihre eigenen Steckbriefe unter die Nase hielt. Die Hoffnung, dass die erbärmliche Wache nur versuchte, die Arbeit der Schwarzkutte auszuführen, war damit zersprungen und ihnen wurde klar, dass sie dieses Land nicht mehr würden verlassen können.

Zumindest nicht ohne Hilfe.

Natürlich hatten beide zügig die gleiche Idee gehabt: Sundergrad.

Seit sie dort das Fürstenmedaillon gestohlen hatten, gab es wieder eine Piratenkönigin, die die zerstrittenen Clans der Freibeuter vereinte. Sie hatten inzwischen von der Revolte in den Straßen von Lumiéls größtem Hafen und Umschlagplatz ausländischer Waren gehört – die Stadt war gefallen. Zumindest für seine Majestät. Eine freie Handelszone, unabhängig, regiert von... nun, Piraten. Aber die könnten es wohl kaum schlechter machen als der König selbst.

Sie waren für den Diebstahl damals reich bezahlt worden und von den Diamanten waren noch immer genug übrig. Wenn sie einen gewissen Teil an die Königin zurückzahlen würden, könnte die sie zweifellos mit einem ihrer Schiffe außer Landes bringen.

Das war ein guter Plan gewesen und genau genommen, war er es das noch immer. Nur hatte sich nach dem Zwischenfall mit der ersten Wachpatrouille in Varakas recht schnell die Kunde ihrer Gegenwart verbreitet und es hatte sich als schwierig herausgestellt, aus der Stadt heraus zu kommen. Sie waren geflohen, das Netz hatte sich immer enger um sie zugezogen und ein paar der Rebellen erkannten eine sich bietende Gelegenheit.

Man hatte sie heraus geschmuggelt und man bot ihnen sogar an, sie ungesehen und ungestört bis nach Sundergrad zu bringen. Nur... hatte jedes Geschäft so seine zwei Seiten. Das sie hier lagen und einer Truppe drittklassiger Bauern'krieger' zum Sieg verhelfen sollten, das war beispielsweise ein Teil der Kehrseite.

„Wir könnten uns von ihnen dafür bezahlen lassen! Mal ehrlich, sie hätten es bitter nötig...“ schloss der Dieb seine Erwägungen. Natürlich war das möglich. Sie hatten Kathryn nicht fest zugesagt, nur erwidert, dass sie sich die Lage in Anadyr mal ansehen würden. Und für die Rebellen arbeiten, könnte lukrativ werden. Sie nannten die Orte, wo die Geldsäckchen prall waren, Ashes gab Schützenhilfe und Rückendeckung, während Alistair sie leerte. Sie könnten den Widerstand binnen kürzester Zeit im Geld schwimmen lassen – und daran ihren sicher nicht unerheblichen Anteil haben.

Doch würden sie Kat damit zurückweisen, sie würden das Risiko mit der Schwarzkutte eingehen und schlimmer noch – sie würden generell ein reichlich großes Risiko auf sich nehmen. Die Soldaten seiner Majestät waren brutale Idioten, aber gewiss keine Stümper. Man hatte sie gut ausgebildet, sie waren exzellent ausgerüstet und verstanden sogar die Grundsätze von Strategie und Taktik.

Söldner waren sie – keine Helden. Sie übernahmen keine Selbstmordmissionen... denn egal, wie gut die bezahlt wurden, man kam selten lebend davon, wenn man auf die Gunst der Götter vertraute.

Ashes bemerkte, wie die Karawane in Sichtweite kam. Gute Güte, das wurde auch Zeit! Endlich würde etwas Bewegung in die Sache kommen. Ihr waren längst die Glieder taub geworden und eingeschlafen, eine lästige Erscheinung. Doch noch blieb abzuwarten. Jetzt etwas zu überstürzen, würde unnötiges Blutvergießen bedeuten – auf beiden Seiten, und ihr wäre es lieber, wenn nur eine Seite bluten müsste.

Drei Soldaten flankierten den von einem Viergespann gezogenen Planwagen auf jeder Seite, zwei liefen vorneweg, einer saß auf dem Kutschbock. Irritiert verzog die Elbe die Gesichtszüge – da stimmte etwas nicht. Warum war der Wagen nach hinten ungedeckt?

Erst durch ihre ausbleibende Antwort folgte auch Alistair ihrem Blick und bemerkte den Konvoi. Sofort keimte eine Mischung aus Nervosität und Vorfreude in ihm auf. Ihm ging es nicht so sehr um Kampf und Blutvergießen – darin war Ashes deutlich geschickter und begabter -, er war eher darauf aus, etwas zu stehlen. Es war viel, es war wertvoll und es gehörte jemandem mit großem Namen, das machte diese Beute für ihn ziemlich... verlockend.

In geübter Manier zog die Elbe die Armbrust von ihrem Rücken, spannte den Bolzen ein und erfasste das Ziel. Die Rebellen waren immer noch zu sehr mit ihren Unterhaltungen und Kartenspielen beschäftigt, um den Karren zu bemerken, der da die schlechte Schotterstraße entlang rumpelte, sodass die Elbe genug Zeit zum Planen hatte.

„Der Kutscher hat einen Bogen. Damit kann er auf kurze Entfernung schnell und präzise schießen. Den schalte ich zuerst aus. Wenn sich diese Idioten nicht beim ersten Gegenschlag töten lassen, dann müsste das schnell und sauber-“ hob Ashes gerade flüsternd an, als plötzlich ein Ruf die Stille im Wald zerschnitt.

Für die Freiheit!“ plärrte einer der Rebellen vom anderen Hang her.

Ashes wurde rot, als Zorn ihre Mimik verzerrte.

„Verdammte Stümper!“ blaffte sie wütend, doch da stürmten schon die Ersten voran. Ein paar Rebellen wollten sogar noch zunächst ihre Würfel und Karten einpacken, sodass es keinen koordinierten, gleichzeitigen Schlag gab... sondern ein konfuses, wirres Durcheinander von Schreien.

„Die gehen alle drauf!“ zischte Ashes erbost. Hastig sprang sie auf die Füße und eilte den Hang herab. Noch im Sturm schnellte der Bolzen von ihrer Armbrust und fegte den Bogenschützen vom Kutschbock herab. Die Konstruktion landete irgendwo im Gras, während Ashes noch im Ansturm befindlich das beachtliche Schwert von ihrem Rücken zog. Kriegsgebrüll, so befand die Elbe, war in der Mehrheit der Situationen schlichtweg peinlich und unnütz – man verausgabte sich und seine Ausdauer zu Gunsten eines archaischen Schreies, der gerade in Situationen wie dieser nicht das Geringste bewirkte. Soldaten seiner Majestät ließen sich selten davon einschüchtern, dass ein Haufen Bauern auf sie zugestürmt kam. Selbst dann nicht, wenn es zwei Dutzend Bauern waren.

Der erste Ansturm allein kostete vielen Rebellen das Leben und die Abwehr der Eskorte hielt stand – zumindest bis zu dem Moment, da Ashes in ihre Reihen brach. Den Hang ohne Rückhalt herab zu rasen, hatte ihr eine enorme Geschwindigkeit verliehen und als der Soldat das Schwert zum Hieb ausholte, drückte sich die Elbe schlicht vom Boden ab.

Vermutlich war es für den Eskortschutz recht ungewöhnlich, eine schwer gepanzerte Elbe zu sehen, die trotz ihres mit Schwert und Rüstung beachtlichen Gewichtes so leicht wie eine Feder in die Luft kam. Ihr Schwert drang präzise zwischen Hals und Schulter in die weichen, ungepanzerten Teile des Körpers. Sie musste es nicht tief in den Leib drängen, schon jene paar Zentimeter waren tödlich. Die Elbe sank wieder, ließ sogar ihr Schwert fallen und rollte sich erschreckend geschickt unter den Pferden hindurch. Die Rösser kamen in Unruhe, trabten auf der Stelle. Der Geruch von Blut und das Geschrei und Gekreische machte sie nervös, doch die Scheuklappen sorgten dafür, dass sie wenigstens nicht durchgingen.

Auf der anderen Seite angelangt, riss die Elbe einen der Soldaten um, indem sie sich gegen seine Beine warf. Einen am Boden liegenden, um Gleichgewicht und Erholung von der Überraschung kämpfenden Mann sollten ja wohl selbst diese Idioten bezwingen können. Sie packte den zweiten Soldaten, der soeben einem Rebellen das Schwert in den Leib trieb. Eine schwere Kopfnuss später taumelte er zurück. Ashes entriss ohne Zögern und ohne Skrupel dem Rebellenleib das Schwert – und wendete es gegen seinen früheren Besitzer.

In der Zeit, in der Ashes vier Männer des Königs getötet hatte, kam Alistair endlich am Wagen an. Die Art ihres Stils allein wurde allzu rasch bemerkbar – der Dieb blies eine kleine Spur merkwürdig glänzenden Staubes von der rechten Hand. Der Soldat fuchtelte mit der Waffe um sich, während er sich den Stoff aus den Augen zu reiben versuchte, doch der Langfinger war geschickt und wenig genug, flink allen Angriffen auszuweichen – zumal so unkoordinierten. Das Schlafpulver indes tat seine Wirkung und ließ den Mann wie einen Sack Mehl zusammen klappen. Den zweiten Soldaten auf 'seiner' Seite schaltete er mit einer weiteren Prise Pulver aus, die er vorsorglich in der linken Hand gehalten hatte. Ein wenig davon war unterwegs verloren gegangen und durch die Nervosität haftete etwas an seinen leicht verschwitzten Händen an, doch es löste sich bei einem kräftigen Atemstoß noch immer genug, damit sich auch dieses Mal eine feine Wolke um den Kopf des Feindes verteilte. Winzigste Metallsplitter waren es – eine fürchterlich schmerzhafte Erfahrung, machte man den Fehler, sie in Augen, Nase oder Mund zu lassen. Der Soldat taumelte zurück, versuchte wie sein Kamerad schon zuvor, sich das Pulver aus den Augen zu reiben – und verschlimmerte seine Lage damit wesentlich. Noch bevor aus zwei verschiedenen Richtungen die erbärmlichen Schwerter der Rebellen ihren Weg in seinen Körper fanden, blutete er aus Nase und Augen, war halb erblindet und hätte kaum noch schmerzfrei reden können.

Alistair blieb nicht, um zu gaffen.

Wer zusah, dem entging an anderer Stelle etwas, so hatte er es frühzeitig gelernt. Statt sich die Resultate anzusehen, vertraute er blindlings auf sein Können und die Wirkung der Pulver. Er rieb sich kurz die Hände, um auch die letzten Rückstände los zu werden, zog den kleinen, mit feinen Runen verzierten Dolch aus seinem Gürtel und setzte zum Kampf an. Natürlich keineswegs so, wie es sich für ein Gefecht eigentlich gehörte.

Die Rebellen hatten üble Verluste erlitten, zogen sich aber unlängst aus dem direkten Kampf zurück. Zu effektiv waren die Elbe und ihr kleines Anhängsel, man wollte ihnen ja nicht im Wege stehen... und das eigene Leben gefährden, wenn andere das viel besser konnten. Die zwei Soldaten an der Spitze des Zuges und ihr letzter Kamerad an der anderen Flanke sammelten sich neu – und kreisten das ungleiche Gespann rasch ein.

„Verdammte Feiglinge...!“ maulte Ashes wütend, während die Rebellen offenbar versucht waren, bereits jetzt, da der Kampf nicht einmal sicher gewonnen war, den Wagen auszuräumen. Statt sich aber darum zu kümmern – denen würde sie schon früh genug ihre Abreibung verpassen! -, griff sie frei heraus den ersten Soldaten an. Der wuchtige Hieb ließ ihn den Kopf einziehen – ganz wie erhofft. Ihrem empor gezogenen Knie konnte er dann nicht mehr ausweichen. Es warf ihn um und obwohl sein Kamerad ihm zu Hilfe zu kommen versuchte, war ihrer beider Schicksal besiegelt. Die Elbe packte das Schwert mit beiden Händen am Griff, um mehr Widerstand und Koordination aufbringen zu können und rammte es, die Klinge an ihrer eigenen Seite vorbei geschoben, direkt durch den Brustpanzer des vermeintlichen Helfers. Noch während der mitsamt dem Schwert im Leib zurück taumelte und langsam zu Boden ging, packte die Elbe den niedergeschlagenen Soldaten an Kinn und Hinterkopf – und brach ihm mit einem Ruck das Genick.

Alistair dagegen spielte das Spiel, in dem er sich bestens auskannte. Tänzelnd umrundete er immer wieder den letzten Soldaten, wich flink seinen Attacken aus und setzte nur sporadisch zu Gegenangriffen an. Meist waren diese sogar recht erfolgreich, zumindest, wenn man kleinere, lästige und meist schmerzhaft brennende, oberflächliche Schnittwunden als Erfolg zählen wollte. Als er seinen Gegner nach wenigen Augenblicken völlig erschöpft hatte und dessen Bewegungen immer zäher und träger wurden, erwog der Dieb, den letzten Schlag anzusetzen.

„Sie wird dir den Arsch aufreißen...“ witzelte der Langfinger, da fuhr der Soldat – in der Befürchtung, sich Ashes gegenüber zu sehen – bereits herum. Nur um zu sehen, dass die Elbe seinem Kamerad gerade das Genick brach. Kaum aber, dass er sich erneut umwandte, stockte er. Die Augen vor Überraschung aufgerissen, ehe ein Schwall Blut aus seinem Mund quoll. Seine Augen wanderten, sein Blick glitt herab und fand nicht nur den Dieb erschreckend nahe – der hatte seinen Dolch bis zum Heft in der Brust versenkt.

Mit einem kräftigen Ruck drehte Alistair die Klinge und zerrte sie wieder aus dem Körper hervor. Noch bevor der Soldat auf dem Boden aufschlug, war auch er tot.

Alistair atmete schwer. Abgesehen davon, das es ziemlich viel Aufregung gegeben hatte, war er nicht für Kraftaktionen ausgelegt. Sein sehniger, schmaler Körper erfreute sich eher an Ausdaueraufgaben und dennoch hatte ihn selbst das Umrunden und Ausweichen etwas erschöpft. Das war jedoch wohl kein Vergleich mit Ashes, die wie ein Stier schnaufte. Der Dieb wusste inzwischen, dass das nicht über die noch immer schwelende Kampfbereitschaft hinweg täuschen konnte.

Und dann... dann kam dieser Moment, der nie etwas Gutes bedeutete.

Der Kampf war vorbei. Neun Feinde lagen bezwungen am Boden. Blutlachen breiteten sich aus, versickerten teilweise im Erdreich. Leere Augen starrten in alle Richtungen. Die Schlacht war gewonnen, die Beute gebührte ihnen und... es war still.

Selbst die verdammten Vögel schienen plötzlich die Luft anzuhalten. Kein Krähen, kein Krächzen, kein Gesang und was noch viel wichtiger war: Keine Jubelrufe, keine Siegeslieder, nicht einmal Glückwünsche oder dergleichen. Es war einfach nur... still.

„Hier stimmt was nicht.“ merkte die Elbe zum zweiten Mal an.

Zusammen mit ihrem Dieb trat sie von der Spitze des Zuges hinfort. Dort lagen... Rebellen. Natürlich, im Kampf waren einige gefallen, das brauchte man nicht beschönigen, doch die Elbe war nicht annähernd so dumm, wie mancher es gerne geglaubt hätte. Die Kämpfe hatten an den Flanken und im Frontalbereich stattgefunden – diese Rebellen aber lagen hinten.

Hinten war kein Soldat, hinten war generell nicht gesichert...

Ihr Blick fiel misstrauisch zu der Plane, die das Gestell des Karrens überzog und alles verdeckte, was sich möglicherweise im Innenraum befand. Was, wenn dort zehn Soldaten mit Bögen nur darauf warteten? Nein. Die Toten trugen weder Bolzen noch Pfeile. Sie... sah viel Blut, aber nicht einmal ein einziges Schwert – zumindest nicht im Körper eines Gefallenen.

Ihre Sorge brauchte sie nicht einmal weiter auszusprechen. Alistair war ebenfalls nicht dumm, er sah das Selbe und dachte sich dabei sogar das Gleiche. Das Ashes davon beunruhigt war, sah er ihr an und wappnete sich entsprechend auf eine Fortführung des Kampfes.

Sie umrundeten schließlich in größerem Bogen den Karren. Dicht genug, um die Rückfront sehen zu können, aber nicht so dicht, damit man sie hätte heran zerren und ihnen die Kehlen aufschlitzen können. Das Feld hinter dem Planwagen war eine Schlachtbank geworden. Zwei Dutzend Rebellen hatten ihnen helfen sollen, sicherlich – eine Hälfte davon hatten sie schon bei den Kämpfen gegen die Verteidiger verloren. Aber gute Güte... hier lag die andere Hälfte verstreut und bildete fast kleine Berge.

Ashes hatte keine Ahnung, keine Vermutung – aber sie wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Sie ließ Alistair Wache halten, ging ein Stück an der Flanke des Wagens zurück und zerrte den von einem Bolzen niedergestreckten Kutscher von seinem Bock. Sie nahm ihm Bogen und Köcher ab, legte sich Letzteren an und spannte den ersten Pfeil auf die Sehne. Man musste einer möglichen Gefahr ja nicht näher kommen als nötig.

Wieder bei ihrem Liebsten angelangt, machten sie sich bereit und sprangen mit einem Satz vor den Karren. Beide... erstarrten.

„Es sind doch immer wieder die unerwarteten Zufälle, die das Leben unterhaltsam machen, nicht wahr?“ erkundigte sich in scheinbarem Plauderton jene Gestalt, die in aller Seelenruhe auf den Bergen von Schwertern, Bögen, Äxten und anderen Waffen saß. Die fahle, todkrank wirkende Haut, die über jenem ausgemergeltem Leib spannte, war längst nicht mehr so prägend wie der Anblick der schwarzen Robe, die jene Gestalt verhüllte.

Ein alter Bekannter hatte sie wiedergefunden.

Die Bewegungen kamen gleichzeitig auf. Der Feind wollte sich nach vorne stürzen und sie zweifellos in ihr Verderben reißen, zeitgleich hob Ashes das Bogenholz wieder und ließ den Pfeil von der Sehne schnellen. Der erste Pfeil traf noch recht unkoordiniert seine Schulter und riss ihn herum und schon nur, um ihnen einen Vorsprung zu verschaffen, versetzte sie drei weitere Pfeile. Zwei durchbohrten seine Beine, der Letzte trat in seinen Rücken ein.

Rasch stoben die zwei Söldner daraufhin davon. Wohin? Die Frage war gut. Man hatte sie hierher geführt, ohne ihnen zu sagen, was sie hier wollten. Weil der Widerstand ihnen trotz allem noch nicht vertraute, immerhin waren sie ja 'nur schäbige Söldner'. Sie kannten den Weg zurück auch nicht und selbst wenn sie ihn gekannt hätten, wäre die Frage geblieben, ob es sinnvoll wäre, zurückzukehren. Gegen diesen Gegner hatten die Rebellen nichts in der Hand, nichts, was ihnen helfen könnte, nichts, was ihn aufhalten könnte. Das letzte Mal waren sie ihm knapp entronnen, waren aus der Stadt in Bereiche geflohen, in denen er wenig Macht besaß.

Dieser Priester – zumindest legte die Robe jene Funktion nahe – bezog seine Macht aus der Dunkelheit. Wie immer das auch vonstatten ging, jeder Schatten, jede Nacht, jede Schwärze waren ihm Verbündete. Sie hatten gesehen, wie er sich von Wunden, die hätten tödlich sein müssen, wieder erholte. Sie hatten gesehen, wie er unter Tonnen von Trümmern begraben wurde und daraus empor stieg. Sie hatten gesehen, wie er in die Schatten trat und sich völlig auflöste, keinerlei greifbaren Körper mehr besaß.

Sie stoben durch den Wald, wissend, dass sie schlimmstenfalls bereits jetzt verloren hatten. Natürlich würde das keiner von ihnen zugeben, sie würden bis zum bitteren Ende alles in ihrer Macht Stehende tun, doch... wie viel stand denn überhaupt in ihrer Macht? Sie hätten ihn Köpfen, vierteilen und in faustgroße Häppchen zerlegen können, aber hätte ihn das auch wirklich umgebracht? Noch dazu besaß er große magische Kräfte, mit denen man erst einmal fertig werden musste. Gerade eben mochten sie ihn überrascht haben, aber nochmals würde das gewiss nicht gelingen.

Sie verbargen sich im Wald. Er war nur seicht gewachsen, viel zu licht und weitläufig, um wirklich Schutz zu geben. Dort, wo dichtes Unterholz hätte sein müssen, um ihnen Flucht zu erlauben, Deckung und Unterschlupf zu bieten, war Gras gewachsen. Es ergab malerische Landschaften, für die Ashes keinerlei Sinn hatte und die Alistair momentan aus der Lage heraus nicht zu würdigen wusste. Der einzig wirklich nützliche Vorteil des Waldes war der Boden, der sich beständig hob und senkte. Die ganze Region war wie eine Art von großem, beständigem Wellental geformt und wie es das Glück, der Zufall oder die Götter so wollten, fanden sie nach einigen Minuten, in denen sich beide sowohl in Ausdauer, als auch im Tempo völlig verausgabt hatten, in einer eben dieser Wellen eine kleine Felsspalte, die zu einer Höhle führte. Natürlich nicht gerade die Krone der bequemen Häuslichkeit, aber für den Anfang war die Spalte schmal und unscheinbar genug, um leicht übersehen zu werden und die Höhle dahinter groß genug, damit sie beide sitzen konnten. Ein kleines Rinnsal, das der Decke entsprang und sich an der Wand entlang zum Boden zog, wo es in einem kleinen Loch verschwand, spendete zudem nach einer Kostprobe seitens der Elbe durchaus genießbares Wasser.

Nur würden sie hier nicht bleiben können. Ausruhen, ja, Kräfte sammeln und sich erholen, gewiss. Aber viel wichtiger war, dass sie einen Plan schmiedeten.

„Ich sehe ein, wir können nicht bei den Rebellen bleiben...“ brachte Alistair leise hervor, nachdem er einige Minuten gebraucht hatte, um wieder zu Atem zu kommen.

„Bleib du hier, ich bin in ein paar Minuten zurück!“ antwortete ihm Ashes lediglich und noch bevor der Langfinger eine ganze Reihe von Protesten vom Stapel lassen konnte, hatte sich die Elbe bereits wieder durch den Fels gezwängt und war nach draußen verschwunden. Zurück blieb der Dieb, der versuchte, seine Augen an die im Inneren herrschende Dunkelheit zu gewöhnen, um wenigstens erkennen zu können, ob er gerade in den Exkrementen irgendeines Waldtieres und möglichen Bewohners dieser Höhle saß oder nicht...

Tatsächlich bedurfte es nur weniger Minuten, ehe die Elbe zurückkehrte und recht ungewöhnliche Kunde mit sich trug.

„Er ist noch beim Wagen. Hat sich auf die Seite gerollt und flucht leise, aber er hat sich nicht erholt. Noch nicht.“ eröffnete die Kriegerin. Tatsächlich waren das skurrile Nachrichten. Womit ging es wohl einher, dass dieser schier unbezwingbar wirkende Erzfeind plötzlich verletzlich wirkte?

„Hast du versucht, ihn umzubringen?“ hakte Alistair nach und sah, wie die Elbe den Kopf schüttelte.

„Nach allem, was wir gesehen haben, könnte das genauso gut eine Falle sein.“

Auch da war durchaus etwas dran. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass dieser spezielle 'Bekannte' sie unter dem Deckmantel der Verwundbarkeit hatte hervorlocken wollen. Beide grübelten darüber nach, wie es nun von hier aus weiter gehen sollte.

„Varakas ist vielleicht anderthalb Tagesreisen von hier... eine, wenn wir uns sputen.“ eröffnete Alistair leise, „Die Stadtwache wird nicht erwarten, dass wir nach unserer erfolgreichen Flucht tatsächlich wieder zurückkehren. Wir könnten einen der Kapitäne bestechen... oder wahlweise erstechen, falls uns der erste Offizier eher weiter hilft. Sie schmuggeln uns außer Landes und die Sache hat endlich ein Ende.“

Der Gedanke war grundsätzlich nicht verkehrt und Ashes musste schon allein deshalb schmunzeln, weil es selten vorkam, dass ihr Lieblingsdieb einen wohldurchdachten, weitreichenden Plan hatte. Meist stolperte er eher zufällig in irgendwelche absurden Situationen hinein und schaffte es mit Geschick, einer geübten Zunge und flinken Fingern wieder, sich gerade so um Haaresbreite aus ihr zu befreien. Wobei Glück und Ashes' Beteiligung an solchen Aktionen wohl durchaus auch zu den wesentlichen Bestandteilen gehörten.

Dennoch war der Plan soweit nicht schlecht, er hatte nur eine Lücke – und daran, wie Alistair ihr dies vorgeschlagen hatte, hörte sie auch, dass er sich dieser kleinen Schwierigkeit durchaus bewusst war.

Kat.

Wenn sie nach Anadyr aufbrachen, würden sie die Piraten zurücklassen müssen. Sie mussten jetzt weg, jetzt sofort. Kat einzusammeln hieße, erst einmal den Weg zurück zur Zelle der Rebellen zu finden, ihr die Lage zu erklären und mit dieser horrenden Verschwendung von Zeit zu riskieren, dass ihr Freund Schwarzkutte ihnen auf die Schliche kam und ihnen bis zu den Rebellen folgte. Sie mochten vielleicht 'nur schäbige Söldner' sein und sich durchaus weit weniger für die Sorgen und Nöte derer interessieren, die ihnen kein Geld zahlten, dennoch war es unnötig, ein solches Gemetzel zu provozieren.

Andererseits... könnten sie der Piratin auch eine Nachricht zukommen lassen. Wenn sie außer Landes waren, beispielsweise. Der Punkt war: Wiederfinden konnte man sich leicht, aber im Moment war ihr Überleben vorrangig nötig, denn tot nützten sie niemandem mehr irgendetwas. Entsprechend war der Plan zwar gefasst, doch das dezente Räuspern des Langfingers wies darauf hin, dass es noch eine weitere Kleinigkeit zu bedenken galt.

„Es wird bald Nacht.“

Soweit sie es bisher erlebt hatten, waren die Kräfte ihres Verfolgers immer dann am stärksten. Gewiss, es war strahlend blauer Himmel gewesen und die Chancen standen gut, dass es eine helle Nacht voller Sternen- und Mondlicht werden würde, aber dennoch... würde er in wenigen Stunden weit mächtiger sein als noch zuvor.

Ashes wog einen Moment den Kopf hin und her, ehe ihr Blick – inzwischen an die Dunkelheit in der Höhle gewöhnt – auf ihren Dieb fiel.

„Du sagtest doch vorhin, du hättest Fallen aufstellen können...? Wie viel Zeit bräuchtest du?“ kam die Elbe direkt zum Punkt ihres Kerngedankens. Einen Moment stutzte der Langfinger und musste ernstlich überlegen, ob sie Witze machte, doch das sah der Elbe nicht ähnlich. Nicht, dass sie keinen Humor besaß, aber sie war wohl eher ein Freund von Situationskomik... Schwarzer Humor und Schadenfreude, dergleichen inspirierte sie schon eher zu einem Lachen, schmunzelte der Dieb in sich hinein.

„Das heißt dann wohl, das wir die hiesige Abgeschiedenheit nicht nutzen können?“ erkundigte sich der Langfinger und die Spur von Kummer in seiner Stimme hätte nicht aufrichtiger sein können. Tatsächlich wusste die Elbe nur zu gut, dass es ihm schwer fiel, die Finger von ihr zu lassen – doch auch Alistair zwang sich in aller Regel zu der bitter nötigen Professionalität, zumindest, während sie Aufträge bewältigten. Dieser hier war nun mehr oder weniger gescheitert, vorbei.

Mit einem Schwung hob sich die Elbe über den Schoß ihres Liebsten, stemmte die Ellbogen auf seine Schultern und blickte so zu ihm herab, wie er zu ihr aufsah. Nur wenige Millimeter trennten sie und es war für sie nicht schwer, zu spüren, dass ihm da ganz andere Dinge durch den Kopf geisterten als das Konstruieren von Fallen. „Ich verspreche dir... sobald wir auf einem Schiff sind, das uns hier raus bringt, haben wir alle Zeit der Welt...“ säuselte sie leise. Ihr war klar, dass Alistair Motivation brauchte – und ihr war ebenso klar, dass er spätestens jetzt genug davon hatte.

Er seufzte zwar schwer, als sie sich wieder erhob, doch zumindest sträubte er sich nicht, als sie ihm die Hand reichte und ihn auf die Füße empor zog.

In den restlichen Stunden des Tages zeigte Alistair ein Arbeitstempo und einen Eifer, der an Ameisen oder Bienen erinnerte. Selbst die Elbe hatte es nun schwer, seinen Gedankengängen und Handgriffen zu folgen und das trotz seiner hin und wieder aufbrandenden Beschwerden, dass er hier auf primitivstem Niveau und ohne die richtigen Ressourcen arbeiten musste. Aus Steinen, Stöcken, Ästen und Seilen baute er alles, was sein Geist hergab. Die Schwierigkeit bei Fallen in einem Wald war, dass man den Gegner praktisch 'hinein lotsen' musste. Ein Wald war groß und dreidimensional, zu leicht konnte man einer Falle entgehen, ohne es zu wissen, indem man einfach einen anderen Weg einschlug. Irgendwer musste also Köder spielen und Alistair wusste genau, wer das war.

Ashes war stark und schnell, daran konnte kein Zweifel bestehen. Sie war der Garant des kleinen Duos, dass sie ihren Willen gegenüber Opfern und Auftraggebern immer gleichermaßen würden durchsetzen können. Doch wenn es um Ausdauer ging, dann kam die Elbe nicht auf die gleiche Kontinuität wie ihr Dieb. Vor allem wohl, da er nur eine sehr leichte Rüstung trug und kaum Waffen mit sich herum schleppte, während man die Elbe zu ihren Spitzenzeiten mit einer wandelnden Waffenkammer hätte verwechseln können.

Insgesamt fünf Fallen konnte der Nordmann konstruieren und installieren, bevor die Dämmerung einbrach. „Lauf so weit vor wie du kannst... ich komme nach.“ waren die Worte, mit denen der Dieb sich schweren Herzens von der Elbe verabschiedete. Er wollte sich nicht trennen, doch es war die einzig vernünftige Möglichkeit. Rasch jedoch zeigte sich, warum Alistair noch immer lebte, noch immer keine grauen Haare besaß und manchmal Ashes zur Weißglut trieb: Das unverbesserlich-charmante Lächeln zog wieder auf seinen Lippen auf, kaum dass jene Sekundenbruchteile des Kummers überwunden waren.

„Das wird schon gut gehen. Und es wird sicher lustig anzuschauen sein. Wollen wir wetten, ob er flucht?“

Die Elbe verpasste ihm einen kleinen Klaps und mahnte, dass er es nicht übertreiben solle. Ihre Worte klangen, wie es ihrer Natur entsprach. Hart, schroff... aber er wusste, dass sie sich sorgte. Sie... konnte es eben nur nicht so gut zeigen wie andere. Einen Moment blickte er ihr hinterher, bewunderte den wiegenden Gang, erwischte sich dabei, ihr unverhohlen auf den Arsch zu starren, ehe er sich mit einem verschmitzten Grinsen los riss und seinen Weg zurück zu jenem Planwagen suchte.

Sie sie es erwartet hatten, stärkte die einsetzende Dämmerung die Kräfte ihres alten Bekannten.

Er entriss seinem Fleisch nach und nach die Pfeile, die Ashes auf ihn abgegeben hatten, die Wunden heilten und bald schon schlüpfte er von der Ladefläche, agil wie eh und je. „Geht's wieder?“ erkundigte sich der Langfinger fröhlich. Überrascht riss die Schwarzkutte den Blick herum, erkannte den Narren, der so töricht war, ihn heraus zu fordern – und setzte ihm nach.

Insgeheim hatten sie es erwartet. Sowohl, dass dieser Kerl während der Nacht sich nicht im Geringsten um seine Kondition zu scheren brauchte, als auch, dass er in den Schatten springen konnte. Glücklicherweise kannte er das Gelände nicht und auch, wenn Alistair eine fürchterlich schlechte Orientierungsgabe hatte, wusste er zumindest, wo er seine eigenen Fallen gelassen hatte.

60 Schritte links, 200 Schritte geradeaus...

Angaben, die er nun natürlich im Rennen begriffen ein wenig abrunden und eher grob schätzen musste, doch wenn er einmal etwas sah, dann reagierte er entsprechend. Die größte Stärke des Diebes war schließlich seine Beobachtungsgabe – und er erkannte immer, wann etwas durch seine Finger geglitten war.

Da sie schon gesehen hatten, wie wenig sich ihr Feind von Netzen, verschlossenen Türen und dergleichen aufhalten ließ, hatten sie die Idee einer Netzfalle, die ihn einfangen sollte, gleich wieder verworfen. Tödliche Fallen – zumindest tödlich für jeden normalen Idioten – würden ihn wohl am ehesten aufhalten können, zumindest für eine Weile.

Die erste Etappe rammte ihm zwei angespitzte Äste Speeren gleich in die Flanken. Es ging sogar schnell genug, damit der Priester die Falle nicht bemerken und sich in Schatten auflösen konnte. So war er gezwungen, sich unter elenden Schmerzen aus der Falle zu befreien, die tiefen, schweren Wunden zu schließen, ehe er seinem Ziel erneut nachhetzen konnte. Die zweite Falle funktionierte nach dem gleichen Prinzip, baute aber auf dem Lerneffekt des Gegners auf – der Priester erkannte die Parallelen zur ersten Falle und wollte den Seitenhieben ausweichen, indem er vorsprang... weit genug vor, damit weitaus kleinere und spitzere Speerspitzen sich durch die Ledersohlen seiner Schuhe bis in seine Füße bohrten.

Auch diesmal ließ sich der Priester davon nicht aufhalten und sehr zu Alistairs Enttäuschung entdeckte und umging er die Fallen Nummer drei und vier. Schließlich, was so nie beabsichtigt war, stellte der Feind ihn auf einer kleinen Waldlichtung.

„Nette Ideen, aber der Weg endet hier.“ zischte eine geradezu geisterhafte Stimme. Dennoch war kaum zu überhören, wie schrecklich wütend Alistairs kleine Spielereien ihn gemacht hatten. Einerseits grämte ihn das – jeder Mensch wäre tot gewesen! -, andererseits erfreute es ihn, dass er zumindest irgendetwas bewirkt hatte. Beispielsweise, Ashes einen Vorsprung einzuräumen.

„Glaubst du, die kleine Elbenschlampe ist sicher? Ich werde sie schon finden...“ drohte der Gegner an und ging damit genau den einen Schritt zu weit. Niemand, nicht dieser penetrante Nervtöter, nicht irgendwelche volltrunkenen Tavernenschränke und nicht einmal Ceteus selbst, niemand nannte seine Gefährtin so!

Der Dieb packte einen Stein vom Boden, hob ihn unter dem belustigten Lachen des Feindes empor und warf... in die falsche Richtung.

Die fünfte Falle war etwas, das schon zu dem Zeitpunkt, als sie sie konstruiert hatten, sehr nach Ashes' Geschmack ausgefallen war. Wenig subtil, aber sehr brachial. Ein ganzer Baumstamm – natürlich moderaten Ausmaßes, schließlich mussten sie ihn, trotz Seilwinden, zu zweit empor hieven können. Darauf hatte Alistair einige weitere Astspeere angebracht und soeben kam dieses archaische Konstrukt mit reichlich Schwung herab gestürzt. Alistair warf sich gerade noch rechtzeitig zu Boden, als das todbringende Stück Holz über ihn hinweg fegte. Dummerweise ging auch sein Gegner in Deckung.

„Das war's? Das war der große Plan, mich zu stoppen? Nachdem ihr in Sundergrad so erfolgreich entkommen seid, euch so gewunden und clever angestellt habt... ist dieser Mist alles, was ihr noch aufbringt?“ spottete der Priester und lachte erneut auf – Alistair dagegen blieb am Boden liegen und grinste nur zufrieden.

„Und du warst auch schon mal intelligenter!“ erwiderte der Dieb just in dem Moment, als Schwerkraft und Trägheit die Falle zurück schwingen ließen. Der Gegner konnte nicht einmal mehr seinen Fehler begreifen, als sich bereits drei der Spieße in sein Rückgrat, seinen Schädel und Nacken bohrten. Zudem brach die schiere Wucht, mit der der Stamm ihn traf, ihm die Schulter und kaum, dass das Pendel auch diesmal den höchsten Punkt erreicht hatte, warf es den Priester von sich, der einige Meter flog, ehe seine Bahn abrupt durch einen Baum gebremst wurde. Er krachte dagegen, Nase, zwei Rippen und der Unterarm brachen und ein Gewirr stürzte zu Boden. Er brach auf seinem Weg zwei Äste, die ihm unzählig Schrammen beibrachten und als er aufschlug, wurde zudem sein noch gesunder Arm ausgekugelt.

Was dort am Boden liegen blieb, sah aus wie eine Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hatte.

In der vagen Hoffnung, ihn damit für einige Stunden ausgebremst zu haben, sprang Alistair wieder auf die Füße und hastete davon.

Sehr zu seiner Überraschung hatte Ashes in der Tat viel Boden gut gemacht und kam ihm auf gut der halben Strecke bereits wieder entgegen. Ihr Gesicht sprach mehr als tausend Worte: Was immer sie gesehen hatte, Varakas war keine Option mehr.

„Was ist los?“ erkundigte er sich hastig und warf einen Blick zurück. Gewiss, die Dämmerung war seit ein oder zwei Stunden vorüber, der neue Tag angebrochen und er hatte seinen Kontrahenten nicht wieder gesehen... doch das hatte vermutlich weniger zu bedeuten, als er insgeheim hoffte.

„Es gibt nicht nur einen.“

Obwohl Alistair bereits ahnte, was ihre Worte zu bedeuten hatten, ließ er sich auf dem Weg zurück zum Planwagen erklärten, wie die Elbe versucht hatte, Zeit zu sparen. Über die Tunnel, die der Widerstand benutzt hatte, um sie aus der Stadt zu schleusen, hatte sie in Selbige zurückkehren wollen. Doch schon bevor sie eindrang, sah sie am Stadttor von Varakas Schwarzkutten. Drei der Ihren sogar, die offenbar etwas mit den Torwächtern berieten. Einen Silberling und ein paar Drohungen hatte es sie gekostet, von einer kleinen Gruppe ausreisender Krämer zu erfahren, dass diese 'unheimlichen Gestalten, die wohl Pestkranke seien' sich sehr für das Auftauchen und Verschwinden zweier steckbrieflich gesuchter Söldner interessiert hätten. Genug sogar, um die Zöllner von ihrer Arbeit abzuhalten – weshalb die Krämer durch das Tor gekommen waren, ohne Zoll zahlen zu müssen.

Wenn eine Schwarzkutte ihnen schon solche Probleme bereitete, würden sie Dreien niemals lebend davon kommen. Varakas war Geschichte, sie brauchten die Hilfe der Rebellen, sie brauchten jemanden, der sie nach Sundergrad schmuggelte und um bei den Rebellen dergleichen noch erwirken und einfordern zu können, brauchten sie etwas, das ihnen eine bessere Position verschaffte. Vier Pferde, ein Planwagen mit dem königlichen Emblem und eine Ladung voller Waffen beispielsweise.

Den Weg zurück zum Wald zu finden, war nicht schwierig und Ashes Orientierung war weit besser als die ihres Kumpanen. Gemeinsam fanden sie die Handelsstraße wieder, das Leichenfeld und – brave Pferde! - auch den Wagen samt Inhalt. Sie machten es sich einfach, setzten auf dem Kutschbock auf und lenkten das Gespann so rasch wie irgend möglich die Straße entlang. Tatsächlich tauchte der Priester nicht nochmals auf und es dauerte kaum zwei Tage, bevor sie 'überfallen' wurden. Die Rebellen, in der Annahme, der erste Versuch sei gescheitert, hatten einen zweiten Hinterhalt gelegt. Er war genauso stümperhaft vorbereitet wie der Erste, sodass Ashes den vermeintlich Lauernden schon von Weitem zugerufen hatte, wie die Sache beschaffen sei.

Man hatte sie daraufhin zurückgebracht und musste einsehen, dass es ein Fehler war, ihnen den Standort der Zelle nicht zu verraten. Andererseits war niemand begeistert davon, dass zwei Dutzend Kampfwillige ihr Leben gelassen hatten. Manche der Renegaten vermuteten hinter vorgehaltener Hand, Ashes hätte möglicherweise sogar nachgeholfen, aber niemand war dumm genug, das laut zu sagen.

An die Geschichte vom übermenschlichen Priester dagegen... glaubte keiner. Hirngespenster, Halluzinationen, Illusionen – alles, aber diese furiose Geschichte konnte unmöglich war sein. Wenn jemand einen Speer in die Flanke gerammt bekam, dann war derjenige tot. Das galt für Menschen, für Elben, für Zwerge, für Magier, für einfach alle. Niemand konnte so etwas überleben!

Dennoch: Als Resultat der Lieferung, der Unterstützung im Kampf und der vermeintlich umgehenden Überführung der Beute in den Besitz der Renegaten gestand man ihnen größeres Vertrauen zu.

Leider wurde das nicht dadurch ausgedrückt, dass man sie endlich nach Sundergrad brachte. Alistair fühlte sich erstmals betrogen und wurde das Gefühl nicht los, dass man sie gar nicht gehen lassen, sondern irgendwie auf einem völlig verdrehten Pfad für diese Sache gewinnen wollte – womit sie bei Ashes zweifellos an der falschen Stelle waren.

Dann jedoch eröffnete man ihnen, dass ein Treffen arrangiert worden sei. Man fuhr sie mit einer Kutsche zu einem verlassenen Festplatz außerhalb eines unbedeutenden kleinen Dorfes im Herzen des Landes. Ein guter Treffpunkt für jene, die ungestört bleiben wollten, aber das Gesetz fürchten mussten. Die vage Hoffnung, endlich nach Süden zu entkommen, brach schnell hinfort und machte Platz für Verwirrung.

Alistair, Ashes und Kat sahen einander abwechselnd an. Keiner von ihnen wusste, was hier vor sich ging oder hatte eine Idee, auf deren Basis man sich etwas hätte zusammen reimen können. Und dennoch standen sie hier auf diesem verlorenen Feld im Niemandsland und ihnen gegenüber... stand eine zweite Kutsche. Mit... anderen Figuren.

Drei Frauen. Die Linke trug eine Kutte aus derben, braunen Leinen. Offenbar versteckte sie eine abscheuliche Wucherung an ihrem Rücken, einen grässlichen Buckel. Die Kapuze hing ihr so tief ins Gesicht, das man kaum etwas erkennen konnte... außer dem merkwürdigen, gelegentlichen Blitzen von Augen.

Die Rechte war von kleinem Wuchs und ihr Anblick erinnerte Alistair auf verwirrende Weise an einen Baum. Ranken, Blätter, Grün überall. Er hatte von Dryaden gehört... aber noch nie war er einer begegnet.

Und als wäre das alles nicht schon absurd genug, stand ihnen eine feine Dame im Zentrum der anderen Gruppe gegenüber. Sie trug ein edles Kleid, knickste mit geradezu höfischer Manierlichkeit und obwohl sie keine Krone oder dicke Ketten oder ählich überborderte Schmuckstücke trug, wirkte sie wie von Adel.

Eben jene Dame trat aus der kleinen Gruppe hervor.

„Verzeiht bitte, dass man euch so wenig sagte. Dieser Tage ist der Drang nach Sicherheit recht groß. Erlaubt mir, mich euch vorzustellen: Mein Name ist Ninafer. Und ich glaube, wir haben... 'gemeinsame Freunde', über die wir reden sollten.“



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