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Amnesie

von

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Burger und Salat

Das kleine Diner gegenüber dem Motel war ausgesprochen gemütlich.

Zumindest nach Deans Maßstäben. Ein hochangesehener Geschäftsmann, der vier Sterne für ein Restaurant als absolutes Minimum betrachtete, hätte wahrscheinlich angewidert die Nase gerümpft und wäre spätestens an der Eingangstür wieder umgedreht, aber Dean hatte schon in weitaus schlimmeren Spelunken gegessen. Wenigstens war alles sauber, die Farbe an den Wänden wirkte einigermaßen frisch, der Geruch des Essens war schon mal vielversprechend und – was am wichtigsten war – die Kellnerin war wirklich heiß.

Hätte er nicht einen geistig verwirrten Bruder an der Backe kleben gehabt, hätte Dean seine wirkungsvollsten Verführungskünste aufgefahren und das Mädchen um den Finger gewickelt. Eine leidenschaftliche Nacht ganz sicher nicht ausgeschlossen.

Nun aber konnte er sie nur anlächeln, ein wenig mit ihr flirten und bloß davon träumen, mit ihr unanständige Dinge anzustellen.

„Was kann ich Ihnen denn bringen?“, wollte sie wissen.

„Zwei Bier bitte, Stacy“, meinte Dean mit einem Blick auf ihr Namensschild.

Ihre Mundwinkel zuckten kurz nach oben. „Sehr gern. Sonst noch was?“

Dean schaute zu Sam, der ihm gegenüber auf der gepolsterten Bank saß und neugierig seinen Blick schweifen ließ. Die Kellnerin beachtete er dabei in keinster Weise.

„Äh, wir überlegen noch“, sagte Dean. „Wir geben dann Bescheid.“

Stacy schenkte ihm schnell noch ein bezauberndes Lächeln, ehe sie sich umwandte und sich zu einem anderen Gast gesellte. Dean blickte ihr wehmütig hinterher und verfluchte einmal mehr den verdammten Geist, der Sam in ein ahnungsloses Kleinkind verwandelt hatte.
 

„Was möchtest du essen, Sammy?“, hakte Dean nach. Er lehnte sich ein wenig nach vorne und stupste Sam kurz gegen den Arm, um dessen Aufmerksamkeit zu erhaschen.

„Wo ist Bobby?“, fragte dieser stattdessen. Seine Augen huschten dabei immer noch durch den ganzen Raum, als wollte er jeden Zentimeter des Diners intensiv inspizieren.

Dean seufzte. „Er trägt noch Informationen über den Geist zusammen. Wenn wir Glück haben, bekommst du schon heute Abend dein Gedächtnis zurück und ich könnte vielleicht doch noch ein bisschen Zeit mit Stacy verbringen.“

Dieser Gedanke entlocke ihm ein breites Grinsen.

Sam hatte derweil seinen Blick wieder auf Dean gerichtet. Seine Augen funkelten auf eine merkwürdige Art, als er sagte: „Wir werden kein Glück haben.“

Dean runzelte die Stirn. Sams Tonfall klang irgendwie sonderbar, fast schon ein wenig prophetisch. Als wüsste er ganz genau, was auf sie zukäme.

„Und warum bist du dir so sicher?“, wollte Dean wissen.

Sam zuckte mit den Schultern. „Du und Bobby würdet es wahrscheinlich ‚Instinkt‘ nennen.“

Dean war über diese Aussage ehrlich überrascht. Eigentlich hatte Sam die ganze Zeit im Motelzimmer den Eindruck erweckt, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders und würde um sich herum nichts mitkriegen. Aber offenbar hatte er den Gesprächen durchaus gelauscht.
 

„Ich habe Hunger“, meinte Sam unvermittelt.

„Was willst du denn?“

Sam schaute unsicher zu einem der Nachbartische hinüber. „Was esse ich denn normalerweise?“

Dean musste unweigerlich grinsen. „Fleisch! Nichts lieber als Fleisch! Steaks, Burger und was es da nicht alles gibt. Außerdem noch tonnenweise Süßigkeiten und fettiges Zeug.“

Sam hob eine Augenbraue und musterte seinen Bruder skeptisch. „Du verarschst mich, oder?“

Offenbar hatte er zwar keinen blassen Schimmer mehr, was er gerne aß, aber ihm war sehr wohl klar, dass es nicht die Lebensmittel waren, die Dean aufgezählt hatte. Durchaus ein Lichtblick, wie der ältere Winchester fand. Unterbewusst wusste Sam anscheinend mehr, als man es je vermutet hätte.

„Du hast mich durchschaut, Sammy“, meinte Dean, während er die Hände abwehrend erhob. „Du bist dem Ganzen zwar nicht vollkommen abgeneigt, aber wenn du die Wahl zwischen einem leckeren, kross gebratenen und unwiderstehlichen Burger und einem dummen, langweiligen Salat hättest, würdest du jederzeit das Kaninchenfutter vorziehen. Eine Einstellung, wohlgemerkt, die ich absolut nicht nachvollziehen kann.“

Sam musterte seinen Bruder einen Moment stillschweigend, ehe er schließlich knapp nickte und meinte: „Dann sollte ich wohl einen Salat bestellen, was?“

Er verzog hierauf kurz sein Gesicht, sodass Dean schon fast annahm, Sam wäre von der Idee doch nicht allzu begeistert. Dann aber merkte der Ältere, dass sein kleiner Bruder seine Lippen ein wenig nach oben zog.

Es war ein Lächeln! Zwar ein halbherziges und auch wenig überzeugendes Lächeln, aber immerhin ein Lächeln!

„Du findest wohl allmählich deinen Humor wieder, was?“, stellte Dean freudig fest.

Sam schaute verwundert drein. „Ich habe ihn verloren?“, hakte er verwirrt nach. „Habe ich ihn denn irgendwo aus Versehen liegenlassen?“

Dean musste laut auflachen, sodass ihn einige der anderen Gäste einen Moment lang überrascht musterten. Er jedoch störte sich nicht daran. Er war bloß froh, dass Sam nun offensichtlich ein bisschen auftaute und nicht nur verträumt in die Gegend starrte. Er ging endlich auf Dean ein und akzeptierte nicht alles fraglos, was dieser ihm sagte.

Eine gute Basis, um wieder dort anzufangen, wo sie aufgehört hatten.
 

„Du bist gutgelaunt“, stellte Sam fest. Seine Stimme klang zwar wieder so furchtbar neutral, aber seine Augen funkelten dennoch und zeigten das Leben, das in ihm steckte und nur darauf wartete, endlich erneut ausbrechen zu können.

„Es geht bergauf, Sam“, meinte Dean. Er nahm sich seine Bierflasche und prostete seinem Bruder zu. „Bald schon haben wir den Geist an seinen Eiern … na ja, wohl eher an seinem Rockzipfel – und dann bist du wieder ganz der Alte! Und jetzt sag bloß nichts von wegen ‚Wir werden kein Glück haben‘. Unser ganzes Leben lang sind wir von einer Katastrophe in die nächste geschlittert. Jetzt kann uns das Schicksal mal hold sein.“ Er nahm einen kräftigen Schluck, ehe er abschloss: „Das haben wir verdient.“

Sam verfiel wieder ins Schweigen und sah sein Gegenüber prüfend an. Und mit jeder Minute schien sein Blick skeptischer zu werden.

Schließlich sagte er: „Du bist irgendwie seltsam, weißt du das?“

Dean zuckte mit den Schultern. Das hörte er des Öfteren. Genaugenommen war es das letzte Mal sogar Sam gewesen, der es keine zwei Wochen zuvor ausgesprochen hatte, weil Dean unglaublich scharf darauf gewesen war, auf Wendigojagd zu gehen.

„Ich weiß, Sammy, ich weiß“, meinte Dean schmunzelnd. „Aber ehrlich? Ich bin irgendwie stolz drauf, seltsam und anders zu sein. Es wäre doch sonst sterbenslangweilig.“

Sam schien nicht sicher zu sein, wie er auf diese Aussage reagieren sollte. Zunächst sah es so aus, als wollte er zustimmen, dann aber hielt er sich zurück und schüttelte den Kopf, bloß um eine Sekunde später seine Meinung wieder zu ändern und kräftig zu nicken.
 

„Ich verwirre dich, nicht wahr?“, hakte Dean amüsiert nach.

„Ein bisschen“, bestätigte Sam vorsichtig. Er betrachtete seinen Bruder eine Weile, ehe er meinte: „Darf ich dich was fragen?“

„Klar, Sam. Alles was du willst.“ Dean hielt kurz inne und fügte schließlich hinzu: „Außer du fragst mich, was damals vor gut fünfzehn Jahren wirklich mit deinem Lieblingsfußball passiert ist. Ich hab dir schon gesagt, dass der riesige Hund von Mr. Lyle ihn zerbissen hat, und dabei bleibe ich auch.“ Er hob die Schultern. „Ich meine, komm schon … das klingt doch sehr viel wahrscheinlicher, als wenn ich dir erzählen würde, dass dein großer Bruder ihn versehentlich aufgespießt hat, oder?“

Sam furchte seine Stirn und schien einen Augenblick tatsächlich auf diese Geschichte eingehen zu wollen, aber letztlich ignorierte er es einfach. Stattdessen fragte er: „Ich bin auch anders, oder?“

Dean grinste schief. „Wir sind Jäger, Sammy! Wir sind eben anders. Mach dir keinen Kopf deswegen und akzeptier es einfach.“

„Nein, nein, das meine ich nicht“, erwiderte Sam vehement. „Da … da ist irgendwas. In mir drin, richtig?“

Deans Lächeln erlosch auf der Stelle. „Du … du fühlst es?“, hakte er nach. Eigentlich hätte er es irgendwie kommen sehen müssen und dennoch war er nicht darauf vorbereitet. Sam machte seit der Attacke des Geistes einen dermaßen verletzlichen Eindruck, dass Dean im Grunde schlichtweg verdrängt hatte, was mit seinem Bruder los war.

Doch mit einem Mal kam es wieder hoch. Die Streits, die heftigen Auseinandersetzungen. Wie entsetzt Dean gewesen war, als er Sam bei dem Benutzen seiner Kräfte erwischt hatte. Und wie sehr Sam ausgerechnet Ruby – einer Dämonin! – vertraute.

Dinge, die Dean in letzter Zeit sehr beschäftigt und ihm regelrechte Magengeschwüre beschert hatten.
 

„Was ist in mir drin?“, wollte Sam wissen.

„Hör zu, Sammy, vielleicht sollten wir …“

„Sag es mir!“

Dean seufzte schwer. „Dämonenblut.“

Sam wirkte bei dieser Antwort ehrlich überrascht. Er musterte seinen Bruder verwirrt und wartete offenbar eine ganze Weile, ob Dean nicht vielleicht scherzte.

„Wirklich?“, fragte er schließlich.

Dean schloss kurz die Augen. Eigentlich hatte er keine Lust, darüber zu reden. Wenn er ehrlich zu sich war, hatte er nie Lust, darüber zu reden. Er wünschte sich im Grunde nur, dass das alles nie passiert wäre. Dass Sam so seltsam war, wie es sich für Dämonenjäger nun mal gehörte, aber nicht so seltsam.

„Dämonenblut also?“ Sam wirkte wenig begeistert. „Das ist sehr schlecht!“

„Ganz deine Meinung“, stimmte Dean zu und merkte dabei erstaunt, wie froh er war, dass Sam diese Worte endlich aussprach.

„Macht es mich … böse?“

„Nein!“, entgegnete Dean entschieden, während er im selben Augenblick nicht wusste, ob diese Antwort der vollen Wahrheit entsprach. Tatsache war zumindest, dass Sam ihm in der letzten Zeit zunehmend Angst gemacht hatte. Angst davor, dass sein kleiner Bruder sich unter Umständen eines Tages selbst vergessen könnte.

Und zwar nicht auf eine Mein-Gedächtnis-wurde-gelöscht-und-ich-habe-keine-Ahnung-mehr-was-um-mich-herum-geschieht Art und Weise.
 

„Aber irgendeinen Effekt hat es doch auf mich, oder?“, erkundigte sich Sam.

Dean holte einmal tief Luft. „Sam, ich will wirklich nicht …“

„Macht es mich für Frauen attraktiver?“

Dean blinzelte verdutzt. „Was?“

Sam richtete seinen Blick auf einen Punkt hinter Dean. „Die Frauen dort hinten … sie starrt mich die ganze Zeit schon an.“

Dean wandte sich um und entdeckte an einem Tisch etwas weiter entfernt eine junge, brünette Frau, die erschrocken zusammenzuckte, als die Aufmerksamkeit der beiden Brüder auf ihr ruhte, und sich hastig wegdrehte. Der ältere Mann, der ihr gegenübersaß und wahrscheinlich ihr Vater war, konnte hierauf ein Grinsen nicht unterdrücken.

Auch Dean musste unweigerlich schmunzeln. „Ich würde sagen, die steht auf dich.“

Sam schien diese Aussage sehr zu verunsichern. „Wirklich? Etwa wegen dem Dämonenblut?“

„Quatsch, du Idiot!“, entgegnete Dean. „Weil du, na ja … du hast dieses Milchbubi-Gesicht und diese schmachtenden Puppenaugen. Du erinnerst die Frauen an einen Hundewelpen. Und Frauen lieben Welpen!“

Bevor Sam die Chance erhielt, hierauf zu antworten – auch wenn er augenscheinlich nicht so genau wusste, wie er darauf reagieren sollte –, ging die Tür des Diners auf und Bobby trat hinein. Extra für den Assistenten des Professors hatte er sich zuvor in Schale geworfen, nun aber hatte er bereits wieder das schicke Jackett abgestreift und die Hemdsärmel nach oben gekrempelt. Mit einem Flyer, den er vermutlich irgendwo auf der Straße in die Hand gedrückt bekommen hatte, fächerte er sich Luft zu.
 

„Hallo, Jungs“, begrüßte er die beiden, bevor er Sam wenig sanft zur Seite drückte und sich neben ihn auf die Bank setzte. „Und, auch so einen schönen Abend wie ich gehabt?“

Ohne zu fragen packte er sich Deans Bier und nahm einen kräftigen Schluck, während Dean sich selbst auf die Zunge biss, um nicht zu protestieren. Ansonsten hätte er sich von Bobby wahrscheinlich bloß eine Kopfnuss eingefangen.

„Ich kann euch sagen, dieses Jüngelchen von Assistent war eine echte Landplage“, murrte Bobby. „Ich wette, der Knabe ist ein Einzelkind.“

Sam beobachtete Bobby interessiert, wie er den Rest des Bieres hinunterspülte. „Wieso denkst du, dass er ein Einzelkind ist?“, fragte er.

„Arrogant, selbstverliebt, rechthaberisch … klassische Symptome“, erklärte Bobby zähneknirschend.

Sam nickte verstehend. „Bist du dann teilweise auch ein Einzelkind?“

Bobby hielt mitten in seiner Bewegung inne und warf Sam einen düsteren Blick zu, während dieser selig lächelte und sich keiner Gefahr bewusst zu sein schien.

Dummer Sammy!

Dean räusperte sich derweil vernehmlich. „Hast du denn was Nützliches herausgefunden, Bobby?“

Der Angesprochene seufzte daraufhin und erzählte in einigen wenigen Sätzen, was er von Roger Miles erfahren hatte.

„Eingeäschert?“, hakte Dean nochmal nach. Im Grunde war er nicht sonderlich überrascht. Die ganz besonders nervigen Geister waren immer eingeäschert und zwangen die Jäger somit stets zu stressigen Schnitzeljagden.

„Wir sollten uns in ihrem ehemaligen Zimmer umsehen“, meinte Bobby. „Dort sind die Chancen immer noch am besten. Wenn wir dort aber nichts finden, sollten wir das ganze Haus auseinandernehmen.“

„Ein Haus, das unter Quarantäne steht“, entgegnete Dean.

„Ich weiß, das wird nicht einfach, aber wir haben schon weitaus schlimmeres überstanden, oder?“ Bobby schmunzelte leicht. „Und bevor wir uns unnötig einen Kopf machen, sollten wir heute Abend einfach mal die Lage überprüfen. Vielleicht haben die Herren vom Gesundheitsamt einfach nur die Türen abgeschlossen und das war’s auch schon. Zumindest als ich eben mal kurz an dem Museum vorbeiging und ich es ein bisschen unauffällig untersucht habe, ist mir nichts Besonderes aufgefallen. Wenn dieser Miles mir nicht von der Abriegelung erzählt hätte, hätte ich wahrscheinlich gar nichts bemerkt.“

Dean nickte zustimmend. Erst einmal war es wirklich am sinnvollsten, die Lage zu analysieren. Möglicherweise war es tatsächlich gar nicht so kompliziert, wie es sich anhörte.

„Hallo, meine Herren“, erklang plötzlich Stacys glockenhelle Stimme. Dean blickte auf und schenkte der Kellnerin ein breites Lächeln. Es war schon immer wieder erstaunlich, wie wenig manchmal notwendig war, um einem tristen und grauen Tag etwas Farbe zu verleihen.

„Darf ich Ihre Bestellungen aufnehmen?“

Sam beugte sich vor und verkündete voller Inbrunst: „Ich nehme Kaninchenfutter!“
 

* * * * *
 

„Das sind also die Winchesters?“

Mica beobachtete die jungen Männer, wie sie nach vollendeter Mahlzeit von ihrem Tisch aufstanden und das Lokal verließen. Der größte von ihnen – Sam Winchester, soweit man sie richtig informiert hatte – warf ihr noch einen letzten, merkwürdigen Blick zu, ehe er durch die Tür verschwand.

„Du hättest sie wirklich nicht so anstarren sollen“, meinte Cormin scharf. „Das hätte schiefgehen können.“

Mica zuckte nur mit den Schultern. „Ist doch noch gutgegangen. Sie haben wahrscheinlich geglaubt, ich würde sie süß finden oder so.“

Es handelte sich bei ihnen ja auch wirklich um ein paar ganz ansehnliche Kerle. Allerdings eilte ihr Ruf ihnen voraus.

Mica wandte ihren Blick wieder Cormin zu. Dieser hatte sich als Gefäß einen schon etwas älteren Mann mit einem gestutzten Vollbart und unglaublich intensiven blauen Augen ausgesucht, der auf Anhieb sympathisch wirkte und keinerlei Verdacht erregte. Mica auf der anderen Seite war es hierbei sehr entgegengekommen, dass der nette alte Herr gerade seine hübsche Tochter zu Besuch gehabt hatte.

Zwei kleine, schwache Menschen, die gegen zwei mächtige Dämonen nicht den Hauch einer Chance gehabt hatten.

„Ich habe mir die Winchesters irgendwie … imposanter vorgestellt“, meinte Mica einlenkend, während sie an ihrem Soda nippte. „Keine Ahnung, ein bisschen … furchteinflößender.“

Cormin lachte auf. „Was hast du erwartet? Schwarze Mäntel, Sonnenbrillen und eine greifbare Aura der Gefahr?“

Mica schnaubte. „Natürlich nicht! Nur die beiden … Sam Winchester hat sich irgendwie ein bisschen seltsam benommen. Ich kann’s nicht genau erklären …“
 

Cormin winkte aber bloß ab. Für ihn waren solcherlei Dinge noch nie entscheidend gewesen. Er war ein Mann der Tat – oder mit anderen Worten: der schlichten und unbarmherzigen Gewalt – und achtete nur selten auf Gesten und Verhaltensweisen. Sam Winchester hätte auch auf einen Tisch springen und Polka tanzen können – Cormin selbst hätte sich nicht großartig darum geschert oder es überhaupt in irgendeiner Weise hinterfragt, sondern hätte es einfach kommentarlos hingenommen und wäre keinen Millimeter von seinem Plan abgewichen.

Mica war in dieser Hinsicht ganz anders. Sie verstand es bestens, ihr Gegenüber zu lesen. Selbst die kleinste Muskelzuckung nahm sie ernst und analysierte, ob man dies irgendwie zu seinem Vorteil nutzen konnte. Sie betrieb ‚intelligente Kriegsführung‘, wie ihr ein mächtiger Dämon vor sehr vielen Jahren bescheinigt hatte.

„Es ist völlig egal, wie die beiden drauf sind“, entgegnete Cormin. „Wichtig ist nur, dass wir hier und heute unsere Chance bekommen. Du weißt doch sicher noch, was die alte Hexe gesagt hat, oder?“

Natürlich wusste Mica das noch sehr gut. Deswegen waren sie überhaupt erst nach Willcox gekommen und hatten entschieden, sich den Winchesters zu stellen.

Normalerweise wäre das keine Option für Mica gewesen. Im Grunde hatte sie vorher nicht mal ernsthaft darüber nachgedacht. Viel zu viel hatte sie von den Brüdern – ganz besonders von Sam – gehört, um derart wahnsinnig zu sein. Starke Dämonen hatten sich schon mit den zweien angelegt und waren hoffnungslos gescheitert. Warum sollte es da bei Mica, die nicht mal ansatzweise über so viel Macht verfügte, anders laufen?

Aber als Cormin vor gut zwei Wochen bei ihr aufgetaucht war und sie zu jener Hexe gebracht hatte, hatte sich die Lage grundlegend verändert.

Eine alte Frau hatten sie vorgefunden, fast am Ende ihres Lebens. So gut wie keine Zähne mehr, runzlige Haut und schütteres Haar. Alles in allem kein besonders ehrfurchtseinflößender Anblick. Und dennoch unglaublich nützlich für die Dämonen.

Schon seit Jahrzehnten suchten viele diese spezielle Frau auf, die die Gabe der Weissagung in die Wiege gelegt worden war. Zwar ereilten sie nur unregelmäßig und auch eher verhältnismäßig selten Visionen der Zukunft, aber stets waren diese geradezu erschreckend zutreffend.

Auch diesmal hatte die alte Frau etwas zu berichten gehabt. Mit verschwörerischer Stimme hatte sie von der Stadt Willcox in Arizona gesprochen. Und von einer vielleicht einzigartigen Gelegenheit.

„Sam Winchester wird schwach sein“, hatte sie gesagt. „Ein Geist wird ihn lähmen und wehrlos machen. Hilflos wie ein Kind.“

Cormin hatte nach dieser Aussage nicht lange gefackelt, sofort war er Feuer und Flamme gewesen. Und auch Micas Neugier war geweckt gewesen.

Ein schwacher und schutzloser Sam Winchester?

Eine bessere Chance würde es wohl kaum geben.
 

„Wir sollten sie genau beobachten“, meinte Cormin. „Und darauf warten, dass Sam alleine ist. Ich habe keine Lust, mich mit den beiden anderen Jägern auch noch anzulegen.“

„Du willst Dean also nicht töten?“

Cormin knirschte mit den Zähnen. „Nur Sam ist wichtig. Der ältere Bruder wäre zwar noch ein netter Bonus, aber nicht unbedingt notwendig.“ Er schnaubte. „Sam ist das Hauptproblem. Wie er schon seit Monaten durch die Gegend streift und Dämonen mithilfe seiner übernatürlichen Kräfte zurück in die Hölle schickt. Er kommt sich vor wie ein Gott. Und ich bin sehr erpicht, ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.“

Seit Sam ihn vor gut zwei Monaten beinahe erwischt hatte und er im Grunde nur durch einen glücklichen Zufall entwischt war, war Cormin von diesem Gedanken geradezu besessen.

„Wir sollten alles sorgfältig planen und nichts überstürzen“, warnte Mica. Cormin neigte unglücklicherweise zu extrem impulsiven Aktionen, sodass man ihn immer wieder zur Raison bringen musste, wenn man nicht wollte, dass er sich eines Tages aufgrund seines Temperaments selbst umbrachte.

Und im Moment wünschte ihm Mica nicht unbedingt den Tod.

Dafür Sam Winchester umso mehr.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  RyouAngel
2010-02-26T09:57:12+00:00 26.02.2010 10:57
Gott das Kapitel war so süß!
Ich liebe es wenn sammy solche Süßen Fragen stellt *_*
*schmacht*
Und am besten fand ich die Frage on Bobby, ob er teilweise auch ein Einzelkind sei (wir wissen ja alle warum Sam das frage) und seine Bestellung XD
Er nehme Kanninchenfutter!
Gott ich bin fast vom Stuhl gefallen
*kugel*

Bin ja jetzt wirklich unheimlich gespannt auf das nächste Kapitel^^

Deine RyouAngel
Von:  DoctorMcCoy
2010-02-25T18:48:22+00:00 25.02.2010 19:48
Cooles Kapitel. Jetzt kommen auch noch Dämonen dazu (heißt vielleicht, dass die Engel nicht mehr weit entfernt sind?) Den beiden Jungs bleibt auch nichts erspart. So etwas Dummes, dass diese blöde Hexe so eine genaue Vision gehabt hat.
Aber die beiden gefallen mir irgendwie. Passen glaube ich, als Team sehr gut zusammen. Der Typ würde wahrscheinlich jämmerlich untergehen ohne die Frau.

Aber jetzt kommen wir mal zum besten Teil des Kapitels. Endlich war Sam auch mal wieder dabei. Hach, er ist einfach zu süß, ohne Gedächtnis. Aber wie es scheint, hat er ja nicht alles vergessen. Wie schon gesagt, gibt es ja auch noch ein Körpergedächtnis und wahrscheinlich hat sich sein ganzer Körper geschüttelt, als Dean von Fastfood anfing, was ich überhaupt nicht verstehen kann.
Die beste Szene war jedoch, als Bobby reinkam und die Symptome eines Einzelkindes aufzählte und wie Sam dann nur fragte, ob Bobby auch Einzelkind wäre. Boah, Sarah, auf so eine Idee wäre ich niemals gekommen. Einfach zu köstlich. Aber mir tat Sam leid, weil Bobby ihn so böse angeguckt hat, dabei kann er doch gar nichts für sein Unwissen.

Aber ich bin jetzt schon sehr gespannt, ob sie ihre Schnitzeljagd ohne große Schwierigkeiten antreten können. Ob sie Sam dann alleine lassen? Zum einen würde er ihnen bestimmt nur im Weg stehen, aber ob Dean ihn wirklich alleine lassen würde in so einem Zustand? Eigentlich glaube ich das nicht. Aber wir werden ja sehen.
So, und ich gehe jetzt mal los und suche Sams Humor. Irgendwo muss er ihn ja verloren haben^^
Bis zum nächsten Kapitel.
LG Lady_Sharif


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