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Lösegeld

Takuya X Koji Wichtelgeschichte
von

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Lösegeld

Takuya stand am Rand des Marktplatzes und beobachtete die Leute. Es war kalt, der Wind zog eisig um die Häuser und brachte Wolken aus dem Norden mit sich. Bald würde es schneien, da waren sich alle sicher.

Auf dem Markt war heute nicht viel los, das lag wahrscheinlich an der Kälte. Auch einige Stände fehlten, vermutlich waren die Besitzer krank, denn jemand vom Mark würde niemals einen Markttag verpassen. Schließlich waren das fast alles Leute, die nicht viel hatten und auf ihr Einkommen angewiesen waren. Trotzdem drang das Schreien der Verkäufer, das Feilschen der Kunden und die Geräusche, die die Tiere hier von sich gaben selbst bis zu den Häusern durch, die einige Straßen entfernt waren.

Eine dicke Frau watschelte vorbei, den Rücken gebeugt. Sie war in dicke Wolltücher gehüllt und trug je zwei Tragetaschen rechts und links am Arm. Beim Gehen schnaufte sie. Hinter ihr liefen zwei kleine Kinder, ein Mädchen und ein Junge. Der Junge streckte Takuya im Vorübergehen die Zunge raus. Takuya schnitt ihm eine Grimasse und lief schnell weiter, die Kappe noch tiefer ins Gesicht gezogen und den Kragen seiner Jacke hochgeschlagen.

Da sah er ihn plötzlich und seine Miene änderte sich. Schlagartig verzog er das Gesicht und funkelte ihn an.

Er war mit seinen Eltern, den wahrscheinlich wohlhabendsten Bürgern der Stadt, und mit seinem Zwillingsbruder unterwegs. Die beiden unterhielten sich und schienen nicht viel von ihrer Umwelt wahrzunehmen. Takuya warf ihnen einen so bitterbösen Blick hinterher, dass sie auf der Stelle umgekippt wären, wenn Blicke töten könnten. Er bedauerte, dass sie es nicht konnten.

Mit den beiden Brüdern, oder viel mehr mit dem etwas älteren, Koji, verband ihn seit jeher eine Feindschaft, die mit den Jahren zu wachsen schien. Schon als Kinder hatten sie sich nicht gemocht und mehr als einmal hatte Takuya Koji einen Schneeball hinterhergeworfen.

Takuya hätte niemals zugegeben, dass er den Grund für die gegenseitige Abneigung gar nicht mehr kannte. Es war eine Art Tradition, dass er, Takuya, der in einem der ärmsten Viertel der Stadt wohnte, den reichen Koji nicht leiden konnte. Es war einfach eine Art Naturgesetz.

Die Familie verschwand hinter einem großen Fischstand und er drehte sich um.

Als er nach Hause stapfte, begannen die ersten Schneeflocken zu fallen.
 

Die Straße, in der Takuya wohnte, gehörte nicht gerade zu den reichsten Vierteln der Stadt. Müll lag auf dem Boden, Abzweigungen und engere Seitenwege waren nicht gepflastert und die Häuser waren klein und schäbig. Kinder rannten herum, spielten Fangen oder Verstecken und jagten sich gegenseitig die Straße rauf und runter. Takuya suchte zwischen den Kinderhorden nach seinem kleinen Bruder, fand ihn aber nicht. Ungeduldig bahnte er sich seinen Weg durch die umstehenden Erwachsenen, die sich unterhielten, vielleicht Geschäfte abschlossen oder einfach nur den neuesten Klatsch und Tratsch austauschten.

Er bemerkte, dass einige Jungs, in seinem Alter oder älter, einem Mädchen hinterher schauten, das gerade mit zwei großen Taschen vom Einkaufen kam. Drei rannten auf sie zu und halfen ihr beim Tragen. Sie lächelte.

Ihre Haare waren blond, ihre Augen blitzten blau. Sie sah gut aus, keine Frage. Trotzdem spürte Takuya nichts, als er sie vorbeilaufen sah. Ihm fiel auf, dass er sich noch nie zu einem Mädchen hingezogen gefühlt hatte. Bisher hatte er nie darüber nachgedacht, aber jetzt … war er schwul?

Energisch schob er den Gedanken beiseite und setzte seinen Weg fort.

Die Tür seiner Wohnung war nicht verschlossen, sodass er sie einfach aufdrücken konnte. Leise betrat er das Wohnzimmer, der einzige Raum neben dem Schlafzimmer seiner Eltern. Während er daran vorbeiging, steckte er unauffällig einige Münzen in die Haushaltsdose, die auf dem schiefen Küchentisch stand und leer und ausgebeult wirkte.

Sein Vater war noch arbeiten, seine Mutter auch, nur Shinya, sein kleiner Bruder, war da. Er lag auf seinem Bett, das neben Takuyas auf der rechten Seite des Wohnzimmers stand und schaute ihn mit großen Augen an.

„Hey Kleiner“, begrüßte Takuya ihn mit aller Freude, allem Optimismus, den er aufbringen konnte. „Wie geht’s?“

Shinya setzte sich unsicher auf und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. „Wo warst du denn so lange, Takuya?“

„Auf dem Markt“, antwortete er wahrheitsgetreu.

„Was hast du da gemacht?“

„Ein paar … Geschäfte.“ Seine Eltern sahen es nicht gerne, wenn er klaute, darum erzählte er es ihnen nicht. Doch er wusste, dass sie das Geld, das in der Haushaltskasse auftauchte, bemerkten, er war ihnen aber dankbar, dass sie nicht danach fragten. Letztendlich war er ja nur ein kleiner Taschendieb, der reich aussehenden Leuten auf dem Markt ein paar Münzen aus der Tasche zog. Mehr nicht. Shinya wusste ebenfalls nichts von den Diebstählen seines großen Bruders, er war noch zu klein, um sich zu fragen, woher das Geld, das Takuya beinahe jeden zweiten Tag in der alten Büchse versenkte, kam.

Takuya setzte sich neben ihn auf die Matratze. „Und, was hast du heute den ganzen Tag so getrieben?“

„Mama sagt, ich soll im Bett bleiben, weil es mir nicht so gut geht.“

Ein kurzer Ausdruck des Schmerzes huschte über Takuyas Gesicht, wurde jedoch gleich wieder von dem alten Lächeln überdeckt. Er wuschelte Shinya durch die Haare.

„Später ist dann ein Arzt gekommen, der mich untersucht hat.“

„Ein Arzt?“ Takuya wusste, dass seine Eltern lange auf diese Untersuchung gespart hatten und er war gespannt, was der Kleine erzählen würde. „Konnte er dir helfen?“

„Eigentlich hat er die meiste Zeit mit Papa geflüstert.“

„Hmm … und ansonsten?“

„Nicht viel.“

Anscheinend war aus ihm nicht viel rauszukriegen, sodass Takuya die Befragung auf später verlegte. „Na denn, Kleiner, lass uns irgendwas spielen.“

Meistens spielten sie Mühle, dafür brauchte man nur ein paar Steinchen und ein Brett, das man leicht selber machen konnte. Auch heute saßen die beiden Brüder zusammen da und spielten, bis ihre Eltern nach Hause kamen.

Nach dem nicht sehr üppigen Abendessen wurden die beiden Kinder ins Bett geschickt.
 

Takuya rollte sich auf der Matratze neben seinem kleinen Bruder zusammen und versuchte einzuschlafen. Er schloss die Augen und dachte daran, dass morgen wahrscheinlich Schnee liegen würde und dass er Schnee liebte.

„Takuya“, flüsterte Shinya plötzlich in die Stille. „Schläfst du schon?“

„Fast“, antwortete Takuya eben so leise, denn seine Eltern hatten sich nach dem Abendessen in ihr gemeinsames Schlafzimmer verzogen und diskutierten dort über ein den Brüdern unbekanntes Thema.

„Glaubst du, sie reden über den Arzt?“, fragte Shinya besorgt und streckte seine Hand nach Takuyas Arm aus. „Glaubst du, mir geht es sehr schlecht? Muss ich sterben?“

„Unsinn“, antwortete Takuya energisch. Shinya war einfach viel zu lange allein, gefesselt ans Bett und ohne jemanden, mit dem er reden konnte. Klar, dass er da auf solche Gedanken kam. Trotzdem, insgeheim hatte Takuya sich schon dieselben Fragen gestellt, doch er war ein optimistischer Mensch und hatte es immer geschafft, sie zu verdrängen. Jetzt, in der Dunkelheit des Zimmers schienen sie auf einmal groß und mächtig, wie fauchende Ungeheuer, die nach ihm schnappten und ihn nicht mehr losließen. Er musste etwas tun, sonst würde er vor Shinya noch mit seinen eigenen Befürchtungen herausplatzen.

Beinahe hektisch stand er auf, einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen bevor er sich wieder fing.

„Ich werde mal Mäuschen spielen und hören, was die beiden da so reden.“ Shinya war sofort Feuer und Flamme. „Kann ich auch?“

„Nein“, verbat Takuya sofort. „Du bleibst liegen, ich erzähle dir dann nachher alles.“

„Bitte, ich will auch mal was Spannendes machen“, bettelte Shinya.

„Nein“, knurrte Takuya, eine Ader seiner manchmal etwas tyrannischen Art zeigend, „das ist nichts für kleine Jungs wie dich.“

Er war bereits auf dem Weg zur Schlafzimmertür. Auf Zehenspitzen schlich er so nahe heran, bis er sein Ohr an das Holz legen konnte. Von der anderen Seite des Zimmers betrachtete Shinya ihn gespannt.

Zuerst konnte Takuya gar nichts hören, nur leises Getuschel und ab und zu einzelne Wortfetzen die allerdings keinen Sinn ergaben.

„Hörst du was?“, posaunte Shinya durchs Zimmer.

„Scht. Wenn du hier Lärm schlägst natürlich nicht!“

Die Stimmen verstummten und Takuya befürchtete schon sie hätten ihn gehört und wollte gerade zu seiner Matratze flüchten, da hörte er seine Mutter schluchzen. Erschrocken riss er die Augen auf, er hatte seine Mutter noch nie weinen hören.

„Was sollen wir denn machen?“, fragte sie und er konnte jedes Wort verstehen. Vielleicht hatte der Schock seine Sinne geschärft, denn sie sprach nicht viel deutlicher als zuvor.

„Ich weiß es nicht“, antwortete sein Vater.

„Wo sollen wir das Geld herbekommen?“

Was für ein Geld?, dachte Takuya. Für was denn?

„Ich weiß es nicht“, sagte der Vater wieder, er schien mit der Situation ein bisschen überfordert. Auch in seiner Stimme lag Kummer, beherrscht zwar, aber doch erkennbar.

„Bist du dir sicher, dass der Arzt gesagt hat er könne ohne die Operation nicht … nicht …“, ihre Stimme erstarb.

In diesem Moment wollte Takuya nur noch weglaufen und sich unter seiner Bettdecke verkriechen, wo er nichts mehr sehen oder hören könnte. Die Neugier, die er schon seit Kindesbeinen besessen hatte, hielt ihn jedoch an seinem Platz. Er war wie unter einem Bann und konnte einfach nicht weggehen.

„Wenn wir das Geld für die Operation nicht zusammenbringen, wird er sterben müssen, fürchte ich. Vielleicht nicht bald, aber in ein oder zwei Jahren.“

„Oh Gott“, seine Mutter weinte lauter.

„Takuya“, quengelte Shinya und riss seinen Bruder aus dessen Starre. Takuya fuhr zu ihm herum, als wäre er gerade bei einem Verbrechen ertappt worden. Shinya war im Begriff, sich von seiner Matratze zu erheben und aufzustehen. Wenn er das Gespräch seiner Eltern hören würde, nicht auszudenken was mit ihm geschehen könnte.

Mit einer schnellen Bewegung hechtete Takuya zu ihren Matratzen rüber.

„Scht, ich glaube sie kommen!“

Sofort duckte Shinya sich unter seine Decke. Das gab ihm etwas Zeit. Was soll ich ihm sagen?, dachte er. Was soll ich ihm sagen? Denn ihm von der Operation zu erzählen oder von dem Geld kam nicht infrage. Einige Minuten lagen sie da, beide in angstvollem Schweigen, wenn auch verstrickt in verschiedene Ängste.

„Ich glaube nicht, dass sie kommen“, sagte Shinya schließlich und richtete sich ein bisschen auf. „Was haben sie denn jetzt gesagt, Takuya?“

„Sie … ich … ich habe nichts gehört, sie haben zu leise gesprochen.“

„Gar nichts?“, fragte Shinya enttäuscht.

„Nein. Leider. Gar nichts.“, erwiderte Takuya kurz angebunden. „Und jetzt lass mich schlafen.“ Er musste nachdenken.

„Gute Nacht“, murmelte Shinya, etwas vor den Kopf gestoßen.

„Gute Nacht“, sagte Takuya, dem es jetzt schon Leid tat, dass er so schroff gewesen war.

Er rollte sich zu einer Kugel zusammen und dachte nach. Nachts, im Bett, konnte er am besten denken. Alles war still und niemand beobachtete ihn. Er konnte seine Gedanken frei schweifen lassen und schon manches Mal war er am nächsten Morgen aufgewacht mit der Lösung seiner Probleme im Kopf.
 

Die Wintersonne schien durch das leicht geöffnete Fenster und weckte Takuya. Schlagartig war er hellwach. Sonne? Hatte er verschlafen?! Erleichtert ließ er sich einige Minuten später wieder auf sein Bett sinken. Es war Sonntag, kein Grund sich aufzuregen. Das Haus war leer, alle waren schon gegangen. Wahrscheinlich machte seine Mutter mit Shinya einen Ausflug.

Shinya … ihm fiel wieder ein, was ihn gestern so bedrückt hatte.

Was sollte er tun? Wenn sie das benötigte Geld nicht zusammen bekamen würde sein kleiner Bruder sterben. Takuya wusste, dass, obwohl sowohl sein Vater, als auch seine Mutter hart arbeiteten, selten genug Geld da war. Ärger überkam ihn.

Koji und sein Bruder waren reich geboren worden, keiner von ihnen musste fürchten, wegen Geldnot nicht am Leben bleiben zu können. Wie ungerecht das doch alles war. Missmutig stand er auf.

Und eine Lösung für das Problem war ihm auch nicht eingefallen.

Aber während er sich anzog, begann am Rande seines Bewusstseins eine Idee zu wachsen, zuerst nur langsam und allmählich. Er hatte Erfahrung mit solchen Ideen. Man musste ihnen Zeit geben, dann entwickelten sie sich von allein.

Zum Frühstück schaufelte er eine Schüssel Müsli in sich hinein und verschwand dann nach draußen auf die Straße, um seine Freunde zu suchen.

Es schneite nicht mehr, aber viel Schnee lag noch auf den Dächern und teilweise auf der Straße. Kinder spielten, Erwachsene tratschten, es war genau wie immer. Doch statt sich wie sonst eifrig in das Getümmel zu stürzen, lief er, einem Ruhepol inmitten von Bewegung gleich, durch das Gedränge hindurch und beschäftigte sich mit seiner Idee.

Auf einmal blieb er mitten auf der Straße stehen, ein breites Lächeln auf dem Gesicht. Der Plan, wie er das Geld beschaffen hatte, stand klar und deutlich vor seinem inneren Auge. Es war so einfach, und trotzdem war er nicht drauf gekommen.

Er musste mit seinen Freunden sprechen, musste sie sofort finden, denn er würde ihre Hilfe brauchen. Gerade wollte er loslaufen, da hielt ihn eine Stimme zurück:

„Hey, Takuya! Hier drüben!“

„Leute!“; rief er als er sich umgedreht hatte. „Euch hab ich gesucht, hört zu, es geht um was Ernstes.“
 

Drei Tage später schneite es immer noch. Die Schneeflocken wurden von den Straßenlaternen und den anderen Lichtern der Stadt angestrahlt und hoben sich leicht von dem dunklen Himmel ab, der sich wie ein schweres Zelt über das Land gespannt hatte. Es war halb fünf Uhr abends.

Takuya stand mit dem Rücken an eine kahle Häuserwand gelehnt und blickte ins Dunkle. Er atmete angestrengt, gleich würde es losgehen. Er, Zoe, Tommy und JP hatten sich Gedanken gemacht, hatten den Plan entwickelt und verbessert. Ohne seine Freunde wäre die Umsetzung nicht möglich gewesen und einmal mehr war er froh sie zu haben. Aufgeregt schloss er die Augen und versuchte sich zu beruhigen.

Alles war genau geplant, jeder kannte seine Rolle und trotzdem hatte er Angst, dass es schief gehen könnte. Es gab so viele unberechenbare Dinge, die niemand vorhersehen konnte. Ein Ziegel könnte vom Dach fallen und Zoe treffen, die als erste an der Reihe war. Oder Tommy könnte genau in dem Moment aufs Klo müssen, in dem … Energisch schüttelte er den Kopf. Es würde schon gutgehen. Es musste.

Seine Sinne waren zum Zerreißen gespannt. Um sich abzulenken rezitierte er ein altes Gassenlied mit sage und schreibe zwanzig Strophen. Doch trotz des Liedes schlichen sich wieder Zweifel in seinen Kopf und bissen sich fest.

War es überhaupt rechtens, was sie taten oder machte er einen großen Fehler? Die bedingungslose Unterstützung seiner Freunde, besonders das Vertrauen von Tommy, hatte ihm in den letzten Tagen sehr geholfen und ihn meistens vor solchen Gedanken, wie er sie jetzt hatte, bewahrt.

Aber in seinem Hinterkopf wusste er, dass die drei ihm bedingungslos folgten. Selbst bei unausgegorenen Plänen, wie zum Beispiel die Äpfel des Bauern draußen zu stehlen, indem sie den Hund mit einem Knochen ablenkten. (Der Plan war in die Hose gegangen, weil es im Garten auch noch Gänse gab, und niemand von ihnen hatte daran gedacht, dass die weit bessere Wächter als Hunde waren.)

Nein, sagte er sich, ich darf jetzt nicht anfangen zu zweifeln. Es ist richtig, was ich tue, weil es um das Leben meines kleinen Bruders geht und es wird alles klappen, weil jeder weiß, was er zu tun hat.

In einiger Entfernung blitzte auf einmal ein Licht auf. Es blinkte dreimal kurz und verlosch dann wieder. Takuyas Herz begann zu rasen.

Jetzt geht’s los, dachte er und zog sich die Mütze tiefer ins Gesicht und den Schal über seinen Mund, sodass nur noch seine Augen zu sehen waren. Er stand am Eingang einer Seitenstraße, die in eine etwas größere Straße mündete. Die Nebenstraße war verlassen und dreckig, Mülleimer und anders Gerümpel standen herum. Er duckte sich hinter eine besonders große Tonne und wartete.

Von der größeren Straße näherten sich links Schritte. Zoes Stimme war zu hören. Sie redete scheinbar fröhlich vor sich hin.

„Warte“, sagte sie plötzlich. „Ich kenne eine Abkürzung. Hier lang.“

„Hmm … davon habe ich noch nichts gehört. Bist du sicher?“, antwortete eine andere Stimme. Tief und dunkel.

„Ich nehme sie manchmal, wenn die Jungs weiter vorne an der Straße eine Schneeballschlacht machen“, sagte Zoe. „Schließlich will ich keinen Schneeball abkriegen.“

„Hmm …“, machte die andere Stimme wieder.

In seinem Versteck biss sich Takuya auf die Lippen. Dies war der kritischste Moment an dem ganzen. Wenn ihr Opfer jetzt nicht anbiss, hatten sie ein Problem und mussten die ganze Aktion abblasen. Still schickte er ein Stoßgebet zum Himmel.

„Nun komm schon“, sagte Zoe. „Du bist doch kein Feigling, oder?“

Das zog. Takuya hörte wie sich die beiden auf den Eingang zu bewegten und an ihm vorbeigingen. Mühsam beugte er sich vor und linste durch den Spalt zwischen zwei Mülltonnen. Zuerst kam Zoe. Ihr blondes Haar schaute unter einer rosa Mütze hervor. Sie hatte ein fröhliches Lächeln aufgesetzt und schien auch sonst guter Dinge, doch der Eindruck täuschte. Takuya konnte sehen, dass sie beide Hände zu Fäusten geballt hatte und nervös von einer Ecke zur anderen blickte. Trotzdem verbarg sie ihre Anspannung gut. Unwillkürlich bewunderte er sie für ihre schauspielerische Leistung. Sie hatte den schwersten Job von ihnen allen, doch außer ihr war niemand dafür in Frage gekommen.

Direkt hinter ihr folgte Koji. Takuya hätte ihn auf der Stelle zerfleischen können. Trotzdem musste er zugeben, dass der schlanke hochgewachsene Junge in seinem eng anliegenden Mantel und dem Schal, den er sich lässig um den Hals geschlungen hatte, gut aussah. Obwohl er Wintersachen trug, wie sie alle, konnte man deutlich erkennen, dass sein schwarzer Mantel wahrscheinlich mehr gekostet hatte, als Takuyas Wintergarderobe insgesamt.

Der reiche Gimpel, dachte Takuya. Der hat’s aber auch wirklich verdient.

Er schaltete seine Gefühle (vor allem seine Skrupel) ab und erhob sich langsam. Nur noch sein Kopf war da. In seiner rechten Hand hielt er einen langen Stock. So leise wie möglich jagte er auf Koji zu. Doch der hörte ihn vorher und schaffte es, sich halb umzudrehen; leider eine Sekunde zu spät. Takuya hieb ihm mit dem Stock auf den Kopf. Es gab ein furchtbares Geräusch, viel zu hölzern und Koji taumelte nach vorne und blieb schließlich im Schnee liegen.

„Oh mein Gott!“, rief Zoe. „Glaubst du er ist tot?!“

„Halt die Klappe!“, fauchte Takuya leise. „Oder willst du, dass uns alle hören?“

Aber ihm saß ebenfalls der Schreck in den Gliedern. Hatte er zu fest zugeschlagen? Über diesen Teil des Planes war viel geredet worden, denn niemand wusste, wie fest man zuschlagen musste, dass das Opfer zwar bewusstlos wurde, nicht aber starb. Keiner wollte einen Mord zu verantworten haben.

Zoe kniete sich neben Koji und fühlte seinen Puls. „Er lebt noch“, seufzte sie, deutlich erleichtert.

„Gut“, erwiderte Takuya fest. „Wo sind die anderen?“

Da bog Tommy in die Gasse ein, eine Taschenlampe in der Hand.

„Hat es geklappt?“, keuchte er und verstummte, als er den am Boden liegenden Jungen sah. „Er sieht aus wie tot“, flüsterte er dann. Hinter ihm kam JP. Auch er stockte zunächst, schritt dann aber sofort zur Tat.

„Okay, Takuya“, sagte er, „können wir ihn wegschaffen?“
 

Hinterher kam es ihnen allen wie ein ewig langer Weg vor, den sie mir Koji gegangen waren. Sie hatte ihn, gefesselt und geknebelt, auf einen Schlitten geladen und mit alten Säcken zugedeckt. Danach brachten sie ihn in das alte Fabrikgebäude, das schon seit Jahren leer stand.

Takuya kannte das Gebäude gut. Er und sein Bruder hatten es einmal erkundet, als sie beide noch jünger gewesen waren. Später war er oft alleine hierher gekommen, wenn er nachdenken musste. Seltsamerweise hatte er den Ort nie jemand anderem gezeigt.

Es war ein weiter Weg dorthin, denn das Gebäude lag außerhalb der Stadt, in einem Teil, der kaum noch bewohnt wurde und von dem sich der Lebensmittelpunkt, der Kern der Stadt, langsam wegbewegte. So war es kein Wunder, dass es viele Gebäude um die Fabrik herum gab, die ebenfalls leerstanden. Nur ganz selten sah man jemanden auf der Straße.

In dieser Hinsicht war der Ort perfekt für ihr Vorhaben.

Doch als die vier Jugendlichen die alte Fabrik entdeckten, wurde ihnen allen, obwohl sie längst nicht mehr an Geister glaubten, etwas mulmig zumute. Der Schnee, der sonst alles schöner und heller machte, lag verloren auf einigen ebenen Flächen und schien das alte Metall und die verrosteten Balken in seiner Sanftheit nur noch stärker hervorzuheben. Hie und da staken Spitzen, abgebrochene Stahlträger und Gerümpelteile aus dem Gebäude hervor. Es ähnelte mehr einem Schrottplatz, als einem Gebäude. Die vorherrschende Farbe war graugrün, mit ein bisschen schwarz und rostrot.

Tommy schauderte. „Müssen wir da wirklich rein, Takuya?“

Takuya wäre genauso gerne zuhause bei seiner Familie gewesen, wo es warm und sicher war, doch er dachte an seinen Bruder und biss die Zähne zusammen. „Ja“, sagte er. „Es ist nicht gefährlich.“

„Etwas könnte zusammenbrechen“, bemerkte Zoe und sah aus, als ob sie überall lieber gewesen wäre, als hier.

„Kommt schon, Leute“, rief Takuya verzweifelt. „Wir sind so weit gekommen, ihr könnt doch jetzt nicht einfach aufgeben!“

„Takuya hat recht“, sagte JP. „Gehen wir rein.“

Sie waren in den letzten Tagen schon einige Male hier gewesen. Um Dinge herzuschaffen, die sie brauchen würden und um sich auf den besten Raum für Kojis Gefangennahme zu einigen. Aber da war es immer Tag gewesen. Auch Takuya, der sich hier besser auskannte als die anderen, spürte eine gewisse Furcht vor der um sich greifenden Dunkelheit. Eigentlich konnte in diesem finsteren Gemäuer doch alles lauern. Er nahm all seinen Mut zusammen und stapfte entschlossen voran, mit der Taschenlampe den Weg vor sich ausleuchtend. Hinter ihm folgten in einer unregelmäßigen Reihe die anderen. Zuerst Tommy, der sich dicht hinter Takuya hielt und sich immer ängstlich umschaute. Dann kam JP, der den Schlitten zog und entschlossen war, sich sein Unbehagen (vor allem vor Zoe) nicht anmerken zu lassen, und zuletzt Zoe, die eifrig darauf bedacht war, die anderen nicht in all dem Gerümpel und den dunklen Gängen zu verlieren.

Schließlich betraten sie einen etwas größeren Raum, dessen Decke noch intakt war und der nur ein schmales Fenster hatte, das man leicht mit einem Sack verhängen konnte. Sie hatten ihn ausgewählt, weil man darin heizen konnte. Eine nötige Vorrichtung, denn nachts wurde es sehr kalt und es würde immer einer von ihnen eine Wache übernehmen müssen. Rund um die Uhr.

Auf der linken Seite des Raumes stand ein kleiner Tisch, den sie am vorigen Tag hereingetragen hatten. Darauf stapelten sich Kekse und Flaschen, Decken und ein paar andere Sachen. Darunter lag etwas Feuerholz. Eine dünne Eisenstange, wahrscheinlich ein ehemaliges Heizrohr, lief etwa auf Hüfthöhe an der Wand des Raumes entlang.

Takuya und JP wuchteten Kojis Körper vom Schlitten und banden ihn an diese Stange. Danach überprüften sie die Augenbinde. Den Knebel hatten sie ihm abgenommen, weil sie Angst hatten, er könnte ersticken. Sollte er anfangen zu schreien, würden sie ihn sofort zum Schweigen bringen, aber da hier in der Gegend kaum jemand wohnte, war diese Gefahr nicht so groß.

„Denkt dran“, flüsterte Takuya. „Wenn er aufwacht, dürfen wir nicht mehr miteinander reden. Unsere Stimmen könnten uns verraten.“

Einträchtiges Nicken.

„Dann könnt ihr jetzt gehen“, sagte Takuya, an Zoe und Tommy gewandt. Es war beschlossen worden, dass JP und Takuya die erste Wache übernehmen sollten, tagsüber konnten die anderen beiden aufpassen. Niemand wollte hier alleine Wache schieben, deshalb hatten sie sich immer in Zweierteams aufgeteilt.

Nachdem Zoe und Tommy sich verabschiedet hatten und leise hinaus geschlichen waren, ließ sich Takuya auf eine alte Matratze gegenüber von Koji fallen. JP setzte sich neben ihn.

Koji, der immer noch bewusstlos war, hatten sie auf einen Stuhl gesetzt, auf dem er jetzt zusammengesunken saß. Fast wirkte er wie eine Marionette ohne Spieler. Die schwarze Augenbinde verlieh ihm eine Unschuldigkeit. Wie ein gefallener Engel, dachte Takuya. Die beiden Freunde betrachteten ihn scharf. Jede Sekunde konnte er aufwachen, aber noch hielt er still und atmete ruhig.

Es war schließlich JP, der das Schweigen brach.

„Glaubst du, es ist richtig, was wir tun?“

Takuya stieß einen unterdrückten Seufzer aus. „Ich weiß es selber nicht genau. Als wir die Sache geplant haben, hörte es sich irgendwie … einfach an. Aber jetzt, wo es geklappt hat … er tut mir Leid, obwohl ich ihn hassen sollte.“

„Mir geht es ähnlich“, gestand JP. „Vorher klang alles wie ein Abenteuer, aber jetzt … wir können dafür ins Gefängnis kommen, weißt du das?“

„Ja, wenn wir geschnappt werden.“

„Glaubst du, wir –“

„Nein“, widersprach Takuya vehement. „Wir haben alle Vorkehrungen getroffen. Es wird nichts passieren.“

„Hast du ein schlechtes Gewissen?“

„Ja … nein … ein bisschen. Aber ich tue es für meinen Bruder.“

Sie schwiegen wieder.

Draußen breitete sich die Nacht weiter aus und hatte die ganze Stadt verschluckt. Unaufhaltsam fiel weiter der Schnee und deckte die Fußspuren der vier Freunde fast vollständig ab.
 

Am Abend des nächsten Tages stand Takuya an einen Laternenpfahl gelehnt auf dem Gehweg. Er hatte sich die Mütze tief ins Gesicht gezogen und den Kragen hochgeschlagen. Obwohl er unter dem Lichtkegel der Laterne stand, fiel er kaum auf. Nur ein weiterer Junge der auf der Straße herumlungerte. In Wirklichkeit beobachtete er angespannt das Haus schräg gegenüber. Sich direkt davor zu postieren hatte er nicht gewagt, das war zu auffällig. Es war das Haus von Kojis Familie.

Noch brannten drei Lichter. Zwei im Erdgeschoss und eines im ersten Stock. Schon allein die Garage des Hauses war so groß wie das Wohnzimmer von Takuyas Familie. Wütend knirschte er mit den Zähnen und drehte den Briefumschlag in den Händen. Er war furchtbar nervös.

Koji war in der Nacht aufgewacht und hatte kein Wort gesagt. Weder hatte er das Essen akzeptiert, das sie ihm angeboten hatten, noch etwas zu trinken. Er war einfach aufrecht auf seinem Stuhl sitzen geblieben und hatte geschwiegen. Heimlich waren sowohl JP als auch Takuya froh gewesen, dass er eine Augenbinde trug, denn sie konnten sich seinen eisigen Blick lebhaft vorstellen.

Am Morgen hatten Zoe und Tommy sie abgelöst, doch Takuya war zuerst noch bei ihnen geblieben. Zum einen, weil ihm nicht wohl war, die beiden „Schwächeren“ mit Koji allein zu lassen, aber auch, weil er seinen Eltern noch nicht unter die Augen treten konnte. Er hatte Angst, sie würden das Geschehene in seinen Augen lesen können. Ihnen hatte er erzählt, er würde bei JP übernachten. Sie wussten nicht, was er plante.

Er brachte es einfach nicht fertig ihnen davon erzählen. Beide, seine Mutter und sein Vater, waren Menschen, die Ehrlichkeit über alles stellten. Was würden sie wohl zu der Niederträchtigkeit ihres Sohnes sagen?

Takuya ballte die Hand zur Faust und zerknitterte den Briefumschlag. Leise fluchte er und strich ihn glatt, dann richtete er seinen Blick wieder auf das Haus. Sein Gewissen ließ ihm keine Ruhe, so sehr er auch versuchte es zu verdrängen.

Auf einmal tat sich etwas in der Einfahrt der großen Villa. Zwei Leute traten nach draußen und stiegen ins Auto. Die Lichter im Erdgeschoss waren aus. Takuya nickte, um sich selber Mut zu machen. Eine bessere Gelegenheit würde er nicht bekommen. Kojis Eltern fuhren weg. Wahrscheinlich war niemand mehr im Haus.

Möglichst unauffällig schlenderte er, als das Auto schon einige Zeit weggebraust war, auf das riesige Zauntor zu. Das Glück war ihm hold: In der Eile hatten die Eltern vergessen, es abzuschließen. Andererseits konnte er wohl keinen auffälligeren Weg wählen, als direkt auf die große Haustür zu zumarschieren. Er dachte einen Moment nach und traf eine Entscheidung. Wahrscheinlich war sowieso niemand mehr im Haus und es würde möglicherweise sehr lange dauern, bis er einen anderen Weg gefunden hatte. Unsicher stapfte er los, lief – es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor – zur Haustür und legte vorsichtig den Brief auf die Stufen. In dem Brief stand eine große geforderte Geldsumme. Abzuliefern in zwei Tagen, wenn Sie Ihren Sohn lebend wiedersehen möchten.

Zum Glück war auf dem Weg der Schnee weggeräumt worden, denn sonst wäre Takuya bestimmt nicht ganz ohne Spuren zu hinterlassen, aus dem Anwesen herausgekommen.

Niemand hat mich gesehen, dachte er und bog wieder auf die vertraute Straße nach Hause ein.
 

Am Fenster der Villa stand ein Junge mit schwarzen Haaren. Er war Koji wie aus dem Gesicht geschnitten. Seine dunklen Augen blickten wachsam und nachdenklich auf ihren Vorgarten, aber vor allem auf die Stelle, wo der Junge mit den braunen Haaren eben verschwunden war. Vielleicht hatte es am Aufblitzen seiner Augen gelegen oder an der Körperhaltung, denn obwohl das Gesicht des Jungen verhüllt gewesen war und somit nicht zu sehen, glaubte Koichi, ihn erkannt zu haben.

Nachdenklich runzelte er die Stirn. Hatte der Junge etwas mit dem Verschwinden von Koji zu tun? Aber welche Gründe konnte er dafür haben?

Er schüttelte den Kopf und zog sich vom Fenster zurück. Er musste nachdenken. Aber zuerst musste er sich um den kleinen Umschlag kümmern, der da auf der Vortreppe lag.
 

Takuya schlenderte erleichtert zurück nach Hause. Das Schwerste war erledigt. Den Erpresserbrief auf die Stufen der Treppe zu legen war etwas Endgültiges gewesen. Jetzt konnte er nicht mehr zurück, es gab keine Möglichkeit mehr zu kneifen. Bis dahin hätte er Koji freilassen und die ganze Sache vergessen können. Es war wie eine Ermahnung an ihn selber und erst jetzt, als er sich selber gezwungen hatte, den Brief abzugeben, merkte er, wie sehr er selber an sich gezweifelt hatte.

Nun, sei’s drum, dachte er und bog in seine Straße ein.

Alle Lichter in der Wohnung waren an, er konnte Stimmen hören.

„Mama? Papa?“, rief er und stieß die Wohnungstür auf.

„Oh, Takuya, du bist wieder da“, sagte seine Mutter. „Zieh die Stiefel aus, oder du machst hier noch alles dreckig.“

„Ja, Mama“, sagte er.

„Ich dachte schon du kommst gar nicht mehr nach Hause“, lachte sie.

„Oh, ja genau“, murmelte Takuya und versuchte seinem Gesicht einen möglichst gelassenen Ausdruck zu verleihen. „Ich übernachte heute Abend nochmal bei JP. Morgen wahrscheinlich auch noch mal. Wir … äh … machen ein Schulprojekt zusammen.“

„Aha“, antwortete sie skeptisch.

„Was denn für ein Projekt?“, schaltete sich sein Vater ein, als Takuya ins Zimmer trat.

„Eins … über … Windmühlen“, stammelte Takuya. „Also Energiegewinnung und so … wir bauen ein Modell … wahrscheinlich.“

„Na, viel scheint ihr ja noch nicht herausgefunden zu haben“, witzelte sein Vater. „Was habt ihr denn gestern Abend die ganze Zeit gemacht?“

„Du kennst doch sechzehnjährige Jungs“, sagte seine Mutter.

So sehr Takuya diesen Spruch hasste, gerade hatte er ihm aus der Klemme geholfen.

„Oh, noch was, Takuya“, fügte seine Mutter hinzu. „JP hat vorhin angerufen. Er wollte etwas wegen eurem Projekt besprechen. Eben fällt’s mir wieder ein.“

„Danke, Mama“, rief Takuya und stürzte zum Telefon. Er war kreidebleich, sein Herz schlug bis zum Hals. War etwas schief gelaufen? Hecktisch wählte er JPs Nummer.

„Hallo?“, meldete sich eine ziemlich schwache Stimme am anderen Ende.

„JP?“, fragte Takuya.

„Ja.“

„Ich bin’s. Was ist?“

„Ich bin krank. Hab 39 Grad Fieber und Schwindel. Tut mir Leid, ich kann nicht kommen.“

„Scheiße!“

„Ich weiß. Du kannst deinen Eltern aber trotzdem sagen, dass du bei mir übernachtest.“

„Echt? Geht das? Wär echt cool.“

„Ja, mach nur. Tut mir Leid, dass du deine Zeit … da … allein absitzen musst.“

„Kein Problem.“

„Morgen bin ich wieder auf dem Damm. Versprochen.“

„Kein Problem, echt nicht.“

„Bis dann.“

„Bis dann.“

Takuya legte auf und brauchte erstmal einen Moment, um sich zu sammeln. Eine Nacht in der Fabrik, selbst zusammen mit JP war schon gruselig. Aber ganz allein mit Koji … Ihm war zum Heulen zu Mute, aber er musste sich zusammenreißen. Vor seinen Eltern konnte er ja schlecht einen Anfall kriegen.

„Ist was nicht in Ordnung, Schatz?“

„Nein, alles okay, Mama. JP meinte ich soll … früher kommen. Und ich brauche mein Buch nicht mitzunehmen, weil er seines … grade wiedergefunden hat. Dann brauche ich nicht so schwer zu tragen.“

Seine Familie schaute nicht gerade überzeugt.

„Ich geh dann mal“, erklärte Takuya und stapfte wieder auf die Tür zu. „Tschüss!“

„Aber … wir wollten doch Abendessen“, widersprach seine Mutter.

„Mach ich bei JP.“

Fluchtartig verließ er die Wohnung und stolperte auf die dunkle Straße. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er noch zwei Stunden hatte, bis er Tommy und Zoe ablösen musste. Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Er wollte dort nicht hin.
 

Eineinhalb Stunden später schlich er sich in den Fabrikhof hinein. Er fror und er hatte keine Lust mehr draußen herumzulaufen, wo er eineinhalb Stunden herumgebracht hatte. In seinen Füßen hatte er kein Gefühl mehr, ebenso in seinen Händen. Aus der Kälte draußen kommend, schien der leicht beheizte Fabrikraum wie ein einladendes Stübchen mit Kamin, an dem man sich wärmen konnte.

Zoe und Tommy zuckten zusammen, als er in den hellen Raum trat. Sie hatten das Fenster mit einem alten Sack ausgehängt, damit kein Licht nach draußen drang und durch diese Vorrichtung war der Raum warm und behaglich geworden. Mit dem sanften Kerzenschein wirkte er fast gemütlich. Man musste nur vergessen, was sie in diesem Zimmer machten.

Zum Gruß hob Takuya eine Hand und lächelte schief. Als er sah, dass Zoe zum Sprechen ansetzen wollte, hob er einen Finger an die Lippen und bedeutete ihr, mit ihm vor die Tür zu gehen. Sie gingen ein Stück den finsteren Gang entlang, bis Takuya sicher war, dass sie außer Hörweite waren.

„JP ist krank, ich halte alleine Wache, ihr könnt gehen“, sagte er.

„Aber, Takuya, alleine ist das gefährlich. Ich bleibe bei dir“, erwiderte Zoe, heftiger, als er gedacht hatte.

„Kommt nicht in Frage. Das ist eigentlich meine Sache, ich hab euch da nur mit rein gezogen. Ich mach das alleine.“

„Aber das ist kein Problem, wenn ich hier bleibe! Ich rufe einfach meine Mutter an und –“

„Nein!“, knurrte Takuya. „Ihr beide geht und fertig. Und jetzt raus mit euch.“

Zoe sagte nichts mehr. Sie folgte Takuya den Gang hinunter, zurück in das helle Zimmer. Takuya winkte Tommy hinaus und überließ es Zoe, ihm alles zu erklären. Danach ging er ins Zimmer, setzte sich auf die Matratze und begann von neuem, Koji zu beobachten. Eine Weile schwiegen sie beide. Fast wäre Takuya eingenickt, schließlich hatte er in der letzten Nacht kaum geschlafen und hungrig war er auch. Die Kälte wich langsam aus seinen Gliedern und die plötzliche Wärme machte ihn schläfrig. Mehrmals musste er gähnen.

„Du bist heute allein“, sagte Koji auf einmal. „Wo ist denn dein Freund geblieben. Hat er gekniffen?“

Takuya schwieg. Das war bestimmt eine Falle, um ihn zum Reden zu bringen. Er hatte längst mit so etwas gerechnet, aber jetzt, wo er hier so allein saß, war es schwer, der Versuchung nicht nachzugeben und mit Koji zu reden.

„Ihr habt euch das schlau ausgedacht“, sagte Koji. „Aber der Plan hat einige Schwächen.“

Bloß nicht antworten, ermahnte sich Takuya und biss die Zähne zusammen.

„Es war nicht gerade schwer herauszufinden, dass du hinter dem ganzen steckst, Takuya.“

Takuya fiel die Kinnlade herunter. Scheiße!, dachte er. Scheiße, scheiße, scheiße!

„Du denkst bestimmt, ich bluffe nur“, fuhr Koji fort, das Schweigen von Takuya völlig falsch interpretierend. „Aber ich bin mir sicher. Ich habe dich nämlich gesehen, bevor du mich niedergeschlagen hast. Du solltest schneller werden.“

Geschockt starrte Takuya wortlos auf einen Fleck an der Wand. Was sollte er jetzt machen? Wenn er Koji gehen ließ würde der ihn garantiert verpfeifen. Und sie würden Beweise finden. Gott, er war ja kein Auftragskrimineller. Er konnte ein Verbrechen nicht perfekt planen. Was für Möglichkeiten blieben? Er wollte gar nicht daran denken.

Ein Kloß entstand in seiner Kehle, der ihm die Luft zu nehmen schien. Verzweiflung schloss sich um seine Brust. Er hätte wissen, müssen, dass es nicht klappen würde.

„Noch ein kleiner Tipp“, sagte Koji und hatte plötzlich ein dünnes Lächeln auf den Lippen. „Wenn man jemanden entführt hat, sollte man gelegentlich mal seine Fesseln kontrollieren.“

Damit ruckte er einmal kräftig an den Seilen um seine Handgelenke und bekam seine Hände frei. Wie ein Blitz war Takuya auf den Beinen und hechtete auf Koji zu, der sich inzwischen die Augenbinde vom Gesicht gerissen hatte und einen Satz zur Tür hin machte.

Takuya warf sich dazwischen und brachte ihn zu Fall. Beide rollten über den Boden und er stieß sich den rechten Arm so hart an einem herausstehenden Metallteil in der Wand, dass er unterdrückt aufschrie. Trotzdem hatte er sich als erster wieder aufgerappelt, trotz Müdigkeit und wollte Koji festhalten.

Keiner von ihnen war in guter Verfassung, Takuya war übermüdet und Koji hatte länger nichts Richtiges mehr gegessen und saß seit 24 Stunden gefesselt mit verkrampften Gliedern auf einem Stuhl. Angestrengt schnappte Takuya nach Luft. Wie sollte er Koji alleine hier im Raum halten?

Koji war ebenfalls aufgestanden und lehnte sich an die Wand. Auch er keuchte ein bisschen und Takuya konnte einen kleinen Kratzer auf seiner rechten Wange erkennen, aus dem ein dünner Blutfaden lief.

Sie fixierten sich, schätzten einander ab.

Aus Takuyas Blick sprach Angst und Nervosität, aber vor allem Entschlossenheit. Koji Augen waren unergründlich. Als sie so dastanden fiel Takuya auf einmal auf, wie gut Koji aussah und unvermittelt kam ihm in den Sinn, dass er bestimmt ein Mädchenschwarm an seiner Schule war. Der Gedanke, gerade in dieser Situation, verwirrte ihn und ließ ihn unaufmerksam werden.

Diesen Moment nutzte Koji und machte einen schnellen Schritt auf seinen Gegner zu. Instinktiv wich Takuya zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Er hatte vergessen wie klein der Raum war. Doch statt durch die Tür zu fliehen stand Koji plötzlich vor ihm und schien ihn, obgleich er ihn nicht berührte, mit bloßer Willenskraft und der Intensität seines Blickes an der Wand festzunageln.

Takuya spürte seinen rechten Arm nicht mehr, vielleicht war er verstaucht, und konnte nichts anderes tun, als zu Koji, der fast einen Kopf größer war als er, hinaufzustarren.

„Der Jäger wird leicht mal zum Gejagten“, flüsterte Koji. „Das solltest du dir merken.“

Und mit diesen Worten beugte er sich zu Takuya hinunter und küsste ihn.

Augenblicklich versteifte Takuya sich und wich zurück, wobei er sich noch stärker gegen die Wand drückte. Er erwiderte den Kuss nicht, tat aber auch nichts um ihn zu beenden. Als Koji schließlich ein Stück zurück trat, starrten sich die beiden Jungs schweigend an. Fassungslos.

„Warum?“, stieß Takuya schließlich hervor und wurde plötzlich rot, ohne dass er es hätte verhindern können.

„Weißt du“, antwortete Koji ruhig. Er hatte sich schon wieder voll unter Kontrolle. „Es gibt nicht auf alle Fragen eine Antwort.“

„Du bist krank“, sagte Takuya leise. „Ich kidnappe dich und du … küsst mich!“

„So sind die Menschen halt unterschiedlich.“ Er wandte sich um und wollte gehen.

„Halt!“, rief Takuya verzweifelt. „Warte! Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen.“

„Ach, kann ich das nicht?“

„Nein. Du kannst mich hier nicht einfach stehen lassen!“

„Was willst du?“, fragte Koji und musterte ihn eindringlich. Obwohl seine Stimme genervt klang, drehte er sich um und blieb stehen.

„Bist du schwul?“, fragte Takuya und wurde schon wieder rot.

„Du bist echt putzig wenn du so rot wirst.“

„Das war nicht meine Frage!“ Angespannt knirschte er mit den Zähnen.

„Ich weiß. Und wenn ich’s bin? Willst du einen Mob auf mich hetzen oder was?“

„Nein“, sagte Takuya leise und senkte den Kopf, hatte die Feindlichkeit in Kojis Stimme wohl bemerkt. „Es tut mir Leid, du kannst gehen.“ Er setzte sich auf die Matratze und schaute auf seine Füße.

„Warum hast du das eigentlich gemacht?“

„Was?“

„Der ganze Quatsch mit der Entführung. Du musst doch einen Grund gehabt haben.“

Missmutig zuckte Takuya die Achseln und beachtete Koji nicht mehr. Der stand eine Weile in der Tür, musterte mit unruhigem Blick den Raum und bewegte sich ansonsten nicht. Endlich machte er einen Schritt auf die Tür zu, überlegte es sich im letzten Moment jedoch anders, machte auf dem Absatz kehrt und setzte sich neben Takuya auf die Matratze.

„Hey, du bist zwar ein Idiot, aber ganz ohne Grund machst nicht mal du sowas.“

„Man muss auch nicht alles wissen“, gab Takuya trotzig zurück. „Was ist jetzt, gehst du, oder willst du hier Wurzeln schlagen?“

„Kannst du vergessen“, verkündete Koji und dabei blieb es.

Sie saßen nebeneinander und es kam Takuya vor, als vergingen ein paar Stunden (in Wirklichkeit waren es 25 Minuten). Langsam begann er richtig wütend zu werden. Nicht nur, dass Koji seinen Plan ruiniert hatte und er das Geld für seinen Bruder nicht zusammenbekommen würde, er saß jetzt auch noch hier herum und kostete seinen Triumph aus. … und nervte.

„Was ist eigentlich los mit dir?“, rief er. „Du sitzt hier rum und machst nichts. Hast du nichts Besseres zu tun, als mich zu ärgern?“

Koji schwieg eine Weile, dann begann er stockend und ein wenig unsicher: „Ich fand dich immer faszinierend.“

Irritiert schaute Takuya auf und begegnete Kojis Blick, der ernst und fast ein wenig traurig, beinahe melancholisch war. „Mich?!“

Amüsiert runzelte Koji dir Stirn und sein Gesicht zeigte den Anflug eines Lächelns. „Ja, dich. Ich habe nie verstanden, warum du mich so offensichtlich nicht leiden konntest. Weißt du, eigentlich habe ich mir immer gewünscht, dass wir Freunde werden. Ich habe dich immer beneidet, weil du so gute Freunde hast … und ich verstehe mich eigentlich nur mit Koichi wirklich gut. Und der ist mein Bruder.“

„Aber du bist reich, deine Eltern haben viel Geld, du musst dich nie sorgen, ob genug Geld da ist“, sagte Takuya und schaute ihn fassungslos an. „Ich habe dich immer für einen reichen Schnösel gehalten, warum hast du mich nicht einfach gefragt, ob ich …“, er brach ab.

„Keine Ahnung. Du warst immer mit anderen zusammen. Ich habe mich nie getraut, auch nur ein Wort mit dir zu sprechen.“

„Aber warum gerade ich?“

„Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick?“

Jetzt hatte er Takuya völlig aus dem Konzept gebracht. In Takuyas Kopf rasten Gedanken umher, schienen sich zu vermischen und übereinander zu treiben, ohne dass er einen Gedanken wirklich zu fassen bekam.

Konnte es sein, dass …?

Auf einmal keimte in seinem Inneren – wenn auch widerwillig – so etwas wie Sympathie für den seltsamen reichen Kerl auf, der es geschafft hatte, seinen eigenen Entführer zum Gefangenen zu machen. Der trotz seines Reichtums einsam war. Und hinter der Sympathie etwas Tieferes, vielleicht sogar etwas Tieferes als Freundschaft.

„Und?“, fragte er, seine Stimme hatte ihren harten Klang verloren. „Was hast du jetzt vor?“

Koji zuckte die Schultern, stand auf. Er drehte sich halb zu Takuya um und lächelte schief. „Gehen, nehme ich an.“

Zögerlich machte er ein paar Schritte auf die Tür zu. Als er ihn gehen sah, versank Takuya wieder in einer Flut von wilden Gedankenfetzen.

Was jetzt?

Unfähig irgendetwas zu tun, saß er auf der Matratze und sah zu, wie Koji hinaus in den dunklen Flur trat, hörte wie seine Schritte langsam verhallten.

Dann sprang er plötzlich auf und rannte ihm hinterher. Es war wie in einem Film, bei dem das Bild vor dem Ton kommt. Sein Verstand schien erst mit einiger Verspätung zu begreifen, was sein Körper tat. Er lief durch die dunklen Gänge und sah schließlich Koji am Ende eines Korridors. Als der ihn kommen hörte, drehte er sich um und hob überrascht die Augenbrauen. Kurz vor ihm kam Takuya schlitternd zum Stehen. Er keuchte. Die beiden schauten sich in die Augen.

„Warte einen Moment“, sagte Takuya überflüssigerweise (schließlich war Koji ja schon stehen geblieben). „Du kannst noch nicht gehen.“

„Warum?“, fragte Koji leise.

Weil ich es gerade erst verstanden habe, hätte Takuya gesagt. Weil ich glaube, dass ich mich in dich verliebt habe, ganz egal was für Konsequenzen das für uns beide hätte. Weil du anders als die anderen bist, ich habe dass bisher nur noch nicht erkannt. Und weil ich mich noch nie ernsthaft jemanden verliebt habe und ich dich nicht verlieren will, wo ich dich doch gerade erst gefunden habe.

All das hätte er sagen können, aber er tat es nicht, denn die Worte fanden ihren Weg nicht aus seinem Mund heraus. Stattdessen legte er Koji die Hände auf die Schultern und küsste ihn.

Er spürte wie Koji seine Arme um seine Hüfte legte, ihn zu sich heranzog und den Kuss leidenschaftlich erwiderte.

Als sie sich voneinander lösten schauten sie sich einen Moment an.

„Was hat dich zu diesem Stimmungsumschwung bewogen?“, fragte Koji.

„Dein unübertroffener Charme“, sagte Takuya leichthin und küsste ihn noch einmal.

In diesem Moment war ihm alles egal. Die Sorgen, die ihn belasteten, seit er von der Krankheit seines Bruders erfahren hatte, waren wie weggeweht, oder zumindest nicht spürbar. Der Rest der Welt war ihm egal.

Er merkte wie Kojis Hände unter sein T-Shirt glitten und seinen Rücken hinauf wanderten. Unwillkürlich schloss er die Augen und vergaß das unwirtliche Gebäude, die Kälte und den Grund warum sie beide überhaupt hier waren.
 

Koji knöpfte langsam sein Hemd zu und warf einen Blick auf Takuya, der noch auf der Matratze saß und mit sein T-Shirt in den Händen drehte. Unwillkürlich huschte ein Lächeln über sein Gesicht.

„Du hast übrigens immer noch nicht meine Frage beantwortet“, sagte er.

„Welche Frage?“

„Warum du das alles hier inszeniert hast.“

„Ach das.“ Takuya schaute betreten auf seine Schuhe. Mit einem Schlag kehrte er wieder in die Wirklichkeit zurück und seine Sorgen waren wieder da, wie Katzen die um die Milchkanne herumstreichen. Gern wäre er mit seinen Gedanken bei Koji geblieben. Er stand auf und zog sein T-Shirt an. Langsam wurde ihm kalt und er begann zu zittern. Koji nahm ihn in den Arm und hob sein Kinn ein wenig an, sodass er ihm in die Augen sah.

„Komm schon. Sag’s mir, ich finde ich habe ein Recht darauf.“

„Ich wollte … Geld erpressen. Mein kleiner Bruder ist sehr krank und er braucht eine Operation. Aber die kostet sehr viel Geld. Wir können uns das nicht leisten. Aber wenn er die OP nicht bekommt muss er irgendwann demnächst sterben.“

Er wandte den Kopf zur Seite und schaute auf die Matratze, wo immer noch sein Pullover und seine Jacke lagen. Aus den Augenwinkeln schielte er zu Koji hoch. Der machte ein nachdenkliches Gesicht.

„Wie viel?“, fragte er schließlich.

Takuya nannte leise die Summe, ohne den Blick auf Kojis Gesicht zu richten. Nachdem dieser einen Moment überlegt hatte, sagte er: „Ich kann das bezahlen.“

„Was?“, rief Takuya.

„Ich kann das bezahlen“, wiederholte Koji. „Es klingt vielleicht bescheuert, aber so viel Geld ist das für uns gar nicht.“

„Ich kann so eine große Summe nicht annehmen“, protestierte Takuya und wünschte sich sehnlichst, dass er es doch könnte.

„Du müsstest mir natürlich auch etwas bieten.“ Als Koji Takuyas enttäuschtes Gesicht sah, musste er lachen. „Ich denke da daran, dass wir uns mindestens einmal täglich sehen. Mindestens.“

Takuya konnte nicht verhindern, dass ihm Tränen in die Augen stiegen.

„Wäre das ein Angebot, auf das du eingehen kannst?“, fragte Koji.
 

„Takuya! Takuya!“, rief Shinya und rannte auf seinen großen Bruder zu. „Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt?“

Takuya lächelte und wuschelte dem Kleinen durch die Haare. Er konnte ihm natürlich nicht sagen, dass er die ganze Zeit bei Koji gewesen war, schließlich glaubte Shinya ja, dass er bei JP übernachtet hatte.

„Du bist ja wieder richtig gut auf den Beinen“, lachte er und zwinkerte ihm zu.

„Ja, heute geht’s mir besser.“ Doch auf einmal legte sich ein betrübter Schatten über das junge Gesicht. „Takuya … glaubst du, ich kann wieder ganz gesund werden?“

Vor ein paar Stunden hätte Takuya das selber nicht geglaubt. Wie die Geschehnisse sich doch manchmal ändern, dachte er und sah, wie die Mittagssonne, die im Winter so tief stand, sich über die hohen Dächer der Stadt erhob und Licht in die Gassen warf. Schon wurden die Tage wieder länger.

„Klar, Kleiner, du wirst wieder ganz gesund und wir werden jeden Tag Fußball spielen und im Winter eine Schneeballschlacht machen.“

Er nahm die Hand seines kleinen Bruders und sie liefen nebeneinander nach Hause. „Wir fangen nochmal ganz neu an.“
 

Als die Sonne unterging und den Sommerhimmel rot färbte, stand Koji an eine Mauer gelehnt da und betrachtete den Sonnenuntergang. Sein weißes T-Shirt wehte im warmen Wind, der über sein Gesicht strich.

Takuya bog um die Ecke und fuhr sich etwas verlegen durch die Haare. „Bin ich zu spät?“

„Nur eine halbe Stunde“, antwortete Koji gelassen und küsste ihn auf die Wange. „Wie geht’s deinem Bruder?“

„Er hat sich wieder gut von der Operation erholt, und er will die ganze Zeit mit mir Fußball spielen. Er bringt die Ärzte zur Weißglut.“

„Und ich bin mir sicher, dass du fleißig deinen Teil dazu beiträgst“, meinte Koji und dann sagte er, als sei es das Nebensächlichste der Welt. „Hab ich dir schon gesagt, dass ich dich liebe?“

„Ein – oder zweimal“, murmelte Takuya und küsste ihn.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-11-19T20:47:00+00:00 19.11.2010 21:47
ach je xxxD
ist das zucker xD
wirklcih eine gelungene FF ^^ hat ne schöne stimmung...die sache mit dem kuss kam zwar sehr...SEHR überraschend xD aba dafür isses ja ein oneshot....passiert halt viel auf einmal xD
nein wirklcih ich fand die ff einfach herrlich, sie is so zuckrig **
danke fürs hochladen von einer so schönen FF ^^
schön find ich im übrigen hierbei auch, dass sich die FF, obwohl sie natürlich eine takouji ist, nicht ausschließolich die beiden in den vordergrund stellt, sondern takuyas familie und seinen bruder und takuyas freunde auch mit in die handlung einbezieht ^^ man ist ja oft anderes gewohnt von diesen ganzen slash FFs...
also....wirklcih eine tolle FF ^^ danke schön
_pinkuuu_
Von:  Clint-the-Archer
2010-01-18T18:17:16+00:00 18.01.2010 19:17
Wie süß!
Die beste Kouji x Takuya-Story die ich jemals gelesen habe!
LG Penelo-chan
Von:  VivianLee
2010-01-17T18:51:03+00:00 17.01.2010 19:51
das ist ja mal mega putzig *_*
ich liebe dieses pair und dazu noch so ne geile story besser gehts nicht oder?^^
lg vivi-klein


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