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Journey to Sacrifice

A Friendships Tale
von

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Marktplatz

Der Teil einer Reise, der mit Abstand der eindrucksvollste ist, ist nicht etwa das Ende, an dem man den Lohn für seine Bemühungen bekommt, oder der Moment, an dem das Ziel zum Greifen nah scheint und zum weitermachen anspornt. Der eindrucksvollste Teil einer Reise, ist der Aufbruch.

Ein Augenblick, an dem die Realität den Wünschen des Reisenden und dessen absoluter Euphorie Platz, vor Gefahren und Schwierigkeiten, macht und ihm bis zur ersten Unliebsamkeit vorgaukelt, es sei die beste Entscheidung seines Lebens gewesen.

Viele Eltern waren gekommen um diesen Moment mit ihren Kindern zu erleben und die kühle Luft des Morgens war getränkt mit Abenteuerlust. Aufgeregtes Gemurmel erfüllte den ummauerten Platz und John Kovacs, Sun Hollows Bürgermeister, hatte Mühe sich gegen die elektrisierte Stimmung der Menge Gehör zu verschaffen. Er räusperte sich und klopfte nervös gegen das winzige Mikrophon, welches man zur Unterstützung seiner Rede vor ihm angebracht hatte.

„Liebe Bürgerinnen und Bürger der Stadt Sun Hollow, ich begrüße Sie zu diesem denkwürdigen Tag!“

Man hatte Lautsprecher neben seinem, eigens für den Tag errichteten Podium, aufgestellt und seine Stimme klang rau und leicht blechern. Er wirkte müde und nur sein schauspielerisches Talent bewahrte ihn davor sich vor seinen Wählern zu blamieren. Der Morgen war für viele der Bewohner ein denkwürdiger Tag und sein Desinteresse gegenüber der Sache musste deshalb unbedingt privat bleiben.

Kovacs war bereits seit 5 Jahren im Amt und spielte seine Rolle ausgezeichnet. Seine Stimme klang frisch und motiviert, sein Aussehen und seine Haltung waren, trotz Augenringen, makellos. Er ließ seine Worte über den kleinen Marktplatz hallen und versuchte ihnen emotional Nachdruck zu verleihen, jedenfalls so gut, wie es die verbrauchte Technik zuließ.

Sun Hollows technische Accessoires wurden aus öffentlichen Geldern finanziert und waren dementsprechend alt. Zusätzlich war alles sporadisch und im letzten Moment angebracht worden, genau dann, als man sich gezwungen sah, anhand der Masse von Besuchern kurzfristig, akustisch umzudenken. Dicke Kabel hingen unbeholfen vom Podium hinab auf den asphaltierten Boden und die Lautsprecher knackten nervtötend, sobald er zum Sprechen ansetze.

„Wie jedes Jahr hat sich hier der aufgeweckte Nachwuchs unserer Stadt versammelt um ein Abenteuer zu bestreiten, das viele ihrer Eltern bereits hinter sich haben.“

Die meisten Zuschauer waren halbwegs verstummt und schauten zu ihm auf, während er weiterhin allgemeine Phrasen des Events herunterleierte. Seine Rede hatte sich während der letzten Jahre kaum verändert. Er passte sie immer nur um einige Sätze an, damit den Zuschauern nicht auffiel, wie wenig Interesse er dem ganzen Spektakel beimaß. Einigen älteren Zuhörern war dieser Umstand bestimmt aufgefallen, doch bisher hatte sich noch niemand beschwert.

„Die REISE ist eine aufregende Chance sich in der Welt zu beweisen, Wissen zu erlernen und den Wert des Lebens zu verstehen.“

Bei Erwähnung der REISE wurde euphorisches Getuschel laut und einige der jungen Anwesenden verlegten ihr Gewicht aufgeregt von einem Bein auf das andere.

Kovacs erzählte von Abenteuern, Verantwortung und dem Umstand, während der Reise durch die Welt selbst erzogen zu werden. All das waren Dinge, die viele der Erwachsenen als Bestätigung auffassten, Ihre Sprösslinge wirklich ziehen zu lassen und das war Kovacs mehr als recht.

Solange viele Jugendliche auf der REISE waren, konnten sie keinen Tumult in der Stadt verursachen. Viele Teilnehmer der REISE bedeuteten für ihn eine ruhige Stadt mit zufriedenen Bürgern, die ihn für die Ruhe verantwortlich machten, und dankbar wiederwählen würden. Er selbst hatte mit Kindern nie viel anfangen können und war deshalb durchaus froh, dass sein Dorf die Mehrheit seiner Jugend fortschickte.

Während er redete war die Sonne aufgegangen und wog den Marktplatz in sanften Gelbtönen. Man konnte die heraufziehende Wärme des Tages bereits deutlich spüren und viele der Erwachsenen umarmten ihre Kinder ein letztes mal.

Der Sonnenaufgang war das Zeichen aufzubrechen und zwischen einigen Tränen und aufgeregtem Lachen leerte sich der Platz.

Kovacs wünschte allen Neulingen viel Glück und war insgeheim froh, die Prozedur hinter sich zu haben. Er stieg von seinem Podest und nahm bereits einige Trauer der zurückgebliebenen Eltern war, welche sich fragten ob es richtig war ihr Kind auf die REISE gehen zu lassen.

Auf dem Weg zurück, hielt er bei vielen dieser Eltern an und sprach ihnen gut zu, lächelte und schüttelte Hände wo immer es ging. Es war eine gute Entscheidung sein Kind gehen zu lassen, gut für die Stadt und gut für seine Karriere. Diese Tatsache weckte in ihm ehrliche gute Laune, die ihn noch glaubwürdiger erschienen ließ. Er suchte gezielt nach unglücklich dreinschauenden Pärchen, denen er Beistand bieten konnte und ignorierte dabei die große Anzahl an Kindern, um die es an diesem entscheidenden Morgen eigentlich ging.

Nämlich solchen, die tatsächlich dem größten Abenteuer ihres Lebens gegenüberstanden.

Marktplatz

Der Bürgermeister von Sun Hollow ging schnurstracks an ihr vorbei und schüttelte die Hände der Erwachsenen neben ihr. Er redete ihnen gut zu und seine strahlenden Zähne blitzen zwischen seinen charmant gekräuselten Lippen hervor, gerade so als sei er einem Hollywood Film entsprungen.

Dystopia schaute finster.

Seine Rede war furchtbar gekünstelt gewesen, die gewählten Sätze fast identisch mit denen der letzten Jahre. Trotzdem schienen fast alle Eltern zufrieden zu sein und ließen sich von seiner Show einwickeln, während er gerade diejenigen ignorierte, um die es an diesem Tag eigentlich ging.

Sie schnaufte verächtlich.

Erwachsene waren so berechenbar. Es reichte ein gutes Auftreten und viele schalteten ihre Vernunft ab, verließen sich nur noch auf ein vages Bauchgefühl. Eben genau auf das, was sie ihren Kindern abgewöhnen wollten, um bei ihnen Vernunft zu erzwingen.

Sie schaute dem Bürgermeister nach und drehte sich dann in Richtung des Stadttores, welches voll gestopft war mit aufgeregten, sich voneinander verabschiedenden Menschen.

Es war früher Morgen und Dystopia Dragonfly wartete, mit vielen anderen Jugendlichen, auf eine Lücke in der Menge, um endlich loszulegen. Sie war 16 Jahre alt und damit alt genug an der REISE teilzunehmen, einem Lebensabschnitt, der sie maßgeblich verändern sollte.

Für jedes Kind in der PokémonWelt kam eines Tages die Zeit der Entscheidung, in der es sein Zeugnis der Unterstufe in Händen hielt und nachgrübeln musste, ob es sich für die REISE anmelden sollte oder nicht. Kriterien waren dabei unter anderem Notendurchschnitt und Gesundheit, letzte Instanz war die Zustimmung der Eltern.

Der heutige Tag war der Anfang der REISE und Dystopia hatte sich bereits Zuhause von ihren Eltern verabschiedet. Natürlich waren beide viel zu beschäftigt gewesen, um ihre Tochter in Richtung des Stadttores zu begleiten. Sie waren Wissenschaftler auf dem Gebiet der elementaren Forschung und ständig dabei ihre Zeit mit etwas anderem als ihrer Tochter zu verbringen. Eigentlich hätte Dystopia deshalb gekränkt sein können, doch sie-

„Hey!“

Die Menge neben ihr teilte sich und eine schillernde Persönlichkeit kam mit wogenden Schritten auf sie zu. Lange, roséfarbene Haare fielen über maßgeschneiderte Kleider und Dystopia verdrehte die Augen.

„Wartet auf mich!“

Viele der Jugendlichen waren bereits auf dem Weg in den Wald. Jeder bemühte sich vorher um mindestens einen Partner, mit welchem man den langen Pfad durch die Berge nehmen konnte. Gesellschaft, war Regel Nummer zwei auf der Liste psychologischer Kniffe, mit denen sich die REISE besser überstehen ließ. Viele der Kandidaten waren noch Kinder, und damit vermehrt sozialen Problemen, wie etwa Heimweh und Einsamkeit, ausgeliefert.

Auch die Fremde schien bemüht Anschluss zu finden und Dystopia war nicht überrascht, als sie schnurstracks an ihr vorbei lief.

Dystopia war nicht gerade die Art von Begleiter, welche auf Reisen zu besonders guter Stimmung beitrug. Sie war launisch und ein exzentrischer Pessimist, dazu noch zu diszipliniert, als das andere Jugendliche ihres Alters hätten mithalten können.

Diese Eigenschaft hatte schon öfter zu Spannungen geführt und sie vermied es deshalb, Projekte mit Gleichaltrigen anzufangen. In ihren Augen waren Jugendliche nichts weiter als freie Radikale, welche sich ungeordnet jedem in dem Weg warfen, der einen Plan verfolgte. Diese Einstellung hatte ihr den Ruf eines spaßunfähigen Quälgeistes verpasst, der ihr immer noch anhaftete.

Als sie das Stadttor passierte, schlug ihr frische Morgenluft entgegen. Sie war rein und ungetrübt von den Düften der Stadt und umschmeichelte ihren Körper wie eine klirrende Decke. Die Briese wehte auch den Geruch des Waldes heran und Dystopia schaute ein letztes mal zurück in Richtung des Marktes.

Einige Eltern standen immer noch unbeholfen auf dem asphaltierten Platz und schauten ihren Sprösslingen nach, bevor sie sich schließlich leidselig abwandten.

Dystopia schloss die Augen, nun gab es kein Zurück mehr!

Sie atmete ein letztes mal tief ein, bevor sie ihren Rucksack enger schnürte und den anderen Jugendlichen in Richtung des Stechwaldes folgte.

Sonnenaufgang

Megil war entzückt!

Eben noch hatte sie sich feierlich von ihren Eltern verabschiedet und übertriebene Tränen der Trauer provoziert, jetzt war sie drauf und dran loszulegen.

Alle um sie herum waren von der herzzerreißenden Art des Abschieds gerade zu gerührt gewesen und Megil hatte sich zufrieden aufgemacht, andere Reisende anzusprechen. Alle Aufmerksamkeit lastete auf ihr und sie war bisher zusätzlich die einzig Teilnehmende der REISE, die bereits ein Pokémon bei sich trug.

Ihre Augen strahlten vor Zufriedenheit, genau so hatte sie sich alles vorgestellt.

Jeder würde sie um ihr Pokémon beneiden und sich um einen Platz an ihrer Seite reissen. Natürlich würde sie sorgfältig aussuchen mit wem sie sich abgab, und war bereits demonstrativ an einigen Kandidaten vorbei gelaufen.

Megil war der einzige Sprössling der Familie Mallen, welche sich hauptsächlich durch enormen Reichtum, und Abstand zu normal verdienenden Familien auszeichnete. Ihr Vater war erfolgreicher Anwalt und ihre Mutter stolze Hausfrau und Pokémon Händlerin. Natürlich waren ihre Eltern fair und verletzten Gesetze in keiner Weise, auch waren die Geschäfte ihrer Mutter Pokémon-freundlicher als der Handel einiger Züchter. Trotzdem trat man der Familie jederzeit mit gewisser Abneigung entgegen. Megil, als reiches Einzelkind, galt dabei allgemein hin als verwöhnte Diva.

In der Schule, keimten ihr gegenüber Vorurteile in rauen Mengen, wobei sie nie das Bedürfnis gehabt hatte, irgend etwas zu provozieren. Sie galt als hochnäsig und geizig, gleichzeitig als talentiert und fleissig.

Sie ignorierte diesen Rufmord gekonnt und sah die REISE als erste echte Chance, allen Spöttern zu zeigen, wer sie wirklich war. Immerhin kannte man ihre Familie jenseits einer bestimmten Grenze nicht mehr und Megil hoffte darauf, sich vorurteilsfrei bewegen zu können. Vielleicht würde sie sogar Freunde finden die ihren Vorstellungen entsprachen. Oder einen süßen Partner, den sie ihren Eltern bei ihrer Rückkehr als Verlobten vorstellen konnte.

Der Gedanke gefiel ihr und sie zog den Riemen ihrer roséfarbenen Schultertasche enger.

Es war unbedingt nötig, bereits in den ersten Tagen eine passende Begleitung zu finden, jedenfalls stand es so in einem Regelbuch, das sie zuhause durchgeblättert hatte. Sie hatte vor diesem Ziel zu folgen und stolzierte, hoch erhobenen Hauptes, über den unbefestigten Weg zwischen Sun Hollow und dem Stechwald.

Sie schenkte jedem ein herzliches Lächeln und sah sich weiter kritisch um. Ihr gepflegtes Haar wehte dabei eindrucksvoll durch die, ins Morgenrot getauchte, Luft und ihr teurer Rock glitzerte farbenfroh. Sie entschied sich ihr Pokémon hervor zu holen und gab ihrem ersten Pokéball dabei einen rituellen Kuss. Viele Reisende blätterten aufgeregt in verschiedensten Ratgebern und sahen das winzige Etwas nicht, das sich nach dem Kuss sofort um ihren Hals schlang.

Die Ebene war erfüllt von aufgeregt murmelnden Jugendlichen und Megil erkannte zwischen Ratgebern, Zeitschriften und elektronischen Hilfen auch einige Landkarten.

Sie runzelte die Stirn.

An Wegweiser hatte sie nicht gedacht. Sie zuckte mit den Schultern und strich sanft durch das Fell ihres goldbraunen Zigzachs. So wichtig würde es schon nicht sein, immerhin besaß sie einen ausgesprochen guten Orientierungssinn.

Viel wichtiger war es endlich weitere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und sie ging einen Schritt schneller um den Großteil der Reisenden einzuholen.

Bevor sie den Stechwald betrat, fiel ihr ein junges Mädchen auf, welches direkt vor den ersten Bäumen des Waldes stehen geblieben war und sich anscheinend nicht weiter hinein traute.

Der Stechwald wirkte, so früh am Morgen, wie ein gewöhnlicher Wald und Megil war sich sicher, dass er erst abends bedrohlich und unwegsam sein würde. Bis dahin, würde ihn jeder aber bereits wieder verlassen haben. Der Hauptweg verlief geradewegs durch den Wald hindurch, bis auf die andere Seite der Senke. Er mündete in einer Gras bewachsenen Ebene, welche direkt nach Jade Valley führte, einem Dorf, das kurz vor einem steinernen Pass gebaut worden war. Dieser Pass war der einzige Ausweg aus dem Tal der Sonne und Megil hatte jeden ihrer Schritte klar vor Augen.

Selbst wenn sie sich verlaufen sollte, hatte sie nur ihrem Vordermann zu folgen um pünktlich im Valley anzukommen. Man konnte sich auf der ersten Etappe nicht verlaufen und Megil schüttelte den Kopf.

Typisch Anfänger, dachte sie selbstzufrieden, und entdeckte kurz darauf eine Gruppe männlicher Jugendlicher. Wer brauchte schon Karten und einen Kompass, wenn man gute Gesellschaft hatte, die das Navigieren für einen übernahmen?

Vor Anbruch der Dunkelheit würde sie mit einer Gruppe netter, gleichaltriger zusammensitzen, Geschichten am Lagerfeuer austauschen und sich auf Jade Valley freuen. Sie würde ihr Pokémon herumzeigen und viele neidische Blicke ernten. Zu guter Letzt, würde sie ihre Eltern anrufen und strahlend vom Valley und dessen Boutiquen berichten.

Ja, Megil hatte ein Ziel und war Feuer und Flamme es zu verwirklichen. Auch ohne Karte und Helferguide würde sie glänzen und machte sich auf, den jungen Männern zu folgen.

Entscheidung

Der Wald wirkte wie eine undurchdringliche Wand aus Leben.

Nur hier und da fielen Sonnenstrahlen durch das dichte Blätterdach und färbten das spröde Unterholz gelblich. Ein Duft nach frischem Tau und Gräsern erfüllte die Luft, gerade so als sei jegliche Zivilisation weit entfernt. Die Stämme der massigen Bäume waren in frischen Nebel getaucht und verschwammen zu undeutlichen Konturen, je weiter man versuchte durch das enger werdende Dickicht hindurch zu schauen.

Noi war nervös.

Der Wald war ruhig, friedlich, abgesehen von zahlreichen Jugendlichen, welche auf diese Stille einstürzten wie Wassermassen auf trockenen Sandboden. Ihre Schritte hallten in ihrem Kopf wieder und breiteten sich schallwellenartig aus, brachten sie dazu ruhig stehen zu bleiben und sich zu konzentrieren. Mit Mühe schaffte sie es allen Lärm auszublenden und nur noch den Wald zu hören, nur den Wald und dessen trügerische Stille.

Diese Stille war ihr nie aufgefallen, nicht in 16 Jahren in denen sie nun schon nahe am Wald lebte. Seine Grenze lag nur wenige hundert Meter von ihrem Zuhause entfernt und es war kein Tag vergangen, an dem sie nicht den süßen Geruch der Bäume eingeatmet hatte und glücklich darüber gewesen war.

Sie war spontan auf die Idee gekommen, an der Reise teilzunehmen und war überstürzt aufgebrochen. Ihre Eltern hatten sofort zugestimmt und ließen sie ohne Bedenken gehen, genau genommen, hatten sie über das Für und wieder erst gar nicht nachgedacht.

Noi seufzte.

Sie spürte einen Stich in ihrer Brust und erinnerte sich schmerzlich daran wie oft sie, von ihren Eltern ignoriert, in Gedanken über den Wald versunken war. Über den Wald, den sie schon immer hatte betreten wollen und es nicht durfte, da er als allgemein gefährlicher Ort galt.

Nun war die Chance gekommen und sie hatte irgendwie Angst vor ihm.

Vor Minuten noch war sie mit vielen Jugendlichen zum Stechwald aufgebrochen. Er war vor ihnen immer Größer geworden, solange bis man nichts weiter sah außer Bäumen, rankenbedeckten Sträuchern und Flechtwerk. Je näher sie gekommen waren, desto langsamer war Noi geworden und war letztendlich stehen geblieben. Man hatte sie gemustert und konnte ihre Gefühle anscheinend nicht verstehen, wusste nicht warum man den Start in ein neues Abenteuer unnötig verzögern sollte.

Doch Noi hatte ihre Gründe.

Die feuchte Luft der Pflanzen kam ihr schleimig und unecht vor, gerade so als sei die verführerische Note, welche an die Stadt herangeweht war, nur Tarnung für etwas anderes gewesen. Für einen trügerischen Schein, der reine, ungefährliche Natur versprach. Sobald man jedoch näher kam, offenbare sich der Wald als etwas ganz anderes, als etwas, dass Noi nicht erwartet hatte.

Sie dachte an ihre Kindheit und an die vielen Stunden die sie, von ihren Eltern mit Desinteresse gestraft, am Gatter ihres Gartens gespielt, und dem Wald sehnsüchtige Blicke zugeworfen hatte.

Sie hatte ihn gern beobachtet, sich jederzeit gefragt, wie groß er sein könnte. Welche Geheimnisse er bereithielt und wie es wohl in seinem Herzen aussehen mochte. Sie hatte ihre Eltern dabei nie nach einem Ausflug oder Ähnlichem gefragt, das hätte einfach nichts gebracht.

Nun hatte sie eine ihrer Antworten, denn der Wald stand ihr offen und nichts hielt sie auf. Warum nur, fühlte sie sich dann, nach all der Zeit voller Neugier, unterschwellig von ihm bedroht?

Früher hatte sie gern daran gedacht wie es sich wohl anfühlte, ein wildes Pokémon zu sein und in ihm zu leben. Auf seine Bäume zu klettern, beschützt von Blättern und den Dornen des harten Unterholzes, jagend und einfach frei.

Sie hatte sogar Wesen aus dem Wald gefunden, verletzte oder wandernde Pokémon, die sie in ihrer Einsamkeit gepflegt hatte. Sie erinnerte sich an die vielen Insekten und Käfer, bei dessen Anblick andere schreiend die Flucht ergriffen hätten. Sie erinnerte sich genau an ihre Patienten. An die Wesen mit Stacheln und Klauen, mit Gift und der seltsamen Art sich über Aas herzumachen. Sie erinnerte sich auch an ihre Vielzahl und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

Der Wald war voll von ihnen.

Hinter jedem Stein, jedem Strauch saßen sie versteckt, in dunklen Höhlen, nassen Unterschlupfen. Ihre Kokons waren in Rinden und unter der Erde verborgen, bei jedem Schritt konnte man eines dieser Ungeheuer aufwecken. Und sie waren gefährlich, behandelte man sie aus Versehen falsch, das hatte sie früh gelernt

Sie schluckte.

Keiner der anderen Jugendlichen konnte davon wissen, auch wenn der Stechwald seinen Namen nicht umsonst bekommen hatte.

Irgendwie mussten die Insektenpokémon auch der Grund für die ungewöhnliche Stille sein. Noi Woods wusste nicht genau warum, aber sie war sich sicher das etwas mit dem Wald nicht stimmte.

Bevor sie ihren Gedanken weiter folgen konnte, wurde sie angerempelt und schaute einer gehetzt wirkenden Person hinterher, die ohne Entschuldigung weiterlief und schnell im Wald verschwunden war. Sie stockte verärgert.

Warum nur hatten es alle immer so eilig?

Sie selbst war eher ruhigen Gemüts und zu vorsichtig, um es dazu kommen zu lassen irgendwo zu spät zu sein. Sie zog ihre Kleidung zurecht und schaute hinter sich. Sie blinzelte und fragte sich, wie lange sie wohl sinniert hatte, als ihr zusätzlich etwas anderes klar wurde.

Sie erkannte, dass sie die beinahe Einzige war, die den Wald noch nicht betreten hatte. Hinter ihr waren nur noch vereinzelt Reisende zu sehen und Noi war sichtlich erschrocken. Sie war schon immer ein Mensch mit gewisser Voraussicht gewesen und wusste, das sie Probleme bekommen würde, wenn sie sich zu viel Zeit ließ. Alle Betten billigerer Hotels in Jade Valley würden schnell belegt sein und ihr Taschengeld für diesen Monat nicht reichen, wenn sie nicht bald aufbrach.

Wieder bemerkte sie die unheimliche Stille des Waldes und war sichtbar unentschlossen. Sie zog nervös an ihrer violetten Bauchtasche und holte tief Luft.

Der Wald schien bei ihrem Zwiespalt lässig zu lächeln, gerade so als würde er Noi einladen, doch einfach ihr Bestes zu versuchen. Sie wusste genau das sie keine Zeit und damit auch keine andere Wahl hatte als dieser Einladung zu folgen und entschied sich zu gehen.

Sie richtete ihre Haarspange und betrat zum ersten mal den Wald ihrer Sehnsüchte, die erste Etappe ihres Abenteuers. Hunderte Augen folgten ihren ersten Schritten und der Tumult der Stadt machte unheilvoller Stille Platz.

Sie redete sich Mut ein, es waren immerhin nur ein paar Stunden bis sie das Valley erreichen würde. Nur ein paar Meilen geradeaus, außerdem schliefen die meisten Waldbewohner tagsüber und sie würde sicherlich kein einziges Pokémon treffen.

Jedenfalls, hoffte sie das.

Hindernis

Vanja rannte über die unbefestigte Erde. Ihre Sportschuhe flogen förmlich über den staubigen Grund und trugen sie mit jedem Schritt weiter in Richtung der Ebene. Sie hatte verschlafen und war ungeordnet aufgebrochen, voller Panik, sie würde den Anschluss verlieren. Ihre roten Haare durchschnitten die Luft und ihre Hände waren zu Fäusten geballt.

Das durfte auf keinen Fall passieren! Sie wollte nicht in einem dieser billigen Hotels übernachten, welche als einzige Alternative übrig blieb, wenn jeder andere eingecheckt hatte. Außerdem war der Markt im Valley nur morgens geöffnet, ihre Chance ein bestimmtes Gut zu kaufen, würde also in ein paar Stunden ablaufen, wenn sie sich nicht beeilte!

Sie rannte weiter, umrundete schlendernde Reisende und stolperte beinahe über einer der knolligen Wurzeln. Sie bedeckten den Waldboden wie verdickte Bohnenranken und waren auch für Gehende eine Gleichgewichtsfalle.

Vanja LaLumbre war noch gar nicht richtig wach und atmete schwer. Sie lief gern, war überaus sportlich und trotzdem machte ihr die Angst zurückzubleiben zu schaffen. Sie hatte ihren Rucksack in Ruhe packen wollen, hatte den Morgen der Reise grob geplant und sich sogar gegen ihre Eltern durchgesetzt, die sie in letzter Minute noch von der REISE abringen wollten.

Nun lief sie, ohne Frühstück und beinahe schon außer Atem durch den Wald, ihren tiefen Schlaf und die Erzeugerfraktion verfluchend, welche sie nicht geweckt hatte. Angeblich hatte Vanja ihren Wecker überhört und ihre Eltern hatten das als Absicht gedeutet, doch noch Zuhause bleiben zu wollen.

So ein bescheuerter Gedanke!

Jeder der Vanja kannte, wusste das sie seit Jahren auf den Tag ihrer REISE gewartet hatte. Man wusste das sie überzeugt davon war, groß rauszukommen und ihre Reden über Erfolg waren in der Nachbarschaft bekannt. Sie war vernarrt in Feuer Pokémon und liebte Gefahr, trieb Sport um ihr Äußeres anzupassen und hatte zeitlebens Spott für ihrem Traum geerntet. Ihren Traum, sich endlich vor ihren Eltern und deren Welt beweisen zu dürfen. Sie wollte Pokémon Trainer werden, Arenaleiter, letztendlich ein Trainer der Pokémon Liga.

Doch der Start in diese Karriere schien steiniger als gedacht und Vanja biss die Zähne zusammen. Sie konnte Steine nicht leiden, insbesondere Stein Pokémon.

Wenigstens hatte sie es geschafft ihre Eltern zu ignorieren und war tatsächlich auf die REISE gegangen. Sie war endlich auf sich gestellt, ihr eigener Herr und sie spürte einen stolzen Ruck der Freiheit, welcher sie erneut anspornte. Sie sprang über eine besonders dicke Wurzel hinweg und dachte kurz an einen Zusammenprall nahe der Waldgrenze, als sie eine Menschentraube entdeckte, die sich auf der Mitte der Straße tummelte.

"Verdammt!"

Die Ansammlung war größer als von weitem erkennbar und Vanja musste anhalten. Es war kein Platz um den Jugendlichen auszuweichen und sie rollte genervt mit den Augen. Stetiges Gemurmel erfüllte den Weg und Vanja stellte sich auf die Zehenspitzen um etwas erkennen zu können.

"Was ist denn los? Warum steht ihr hier rum?"

Sie schob sich zwischen den vermeidlich Wartenden hindurch und ignorierte die verwirrten Blicke der Anwesenden. Sie hatte es eilig und zeigte dies auch deutlich.

"Darf ich bitte durch? Danke."

Die Menge machte ihr widerwillig Platz und Vanja bereitete sich darauf vor weiterzulaufen. An der Spitze der Traube angekommen, streckte sie sich und suchte nach der Straße.

Doch es gab keine.

Vanja suchte das Gestrüpp nach einer Lücke ab und drehte sich unschlüssig im Kreis, sie stand in einer Sackgasse.

Was war hier los?

"Vergiss es."

Ein blonder Junge stellte sich neben sie und schaute an ihr vorbei auf den dichten Wald.

"Was soll ich vergessen?"

"Da durch zu kommen. Der Baum liegt da sicher schon seit einer Woche."

Er drehte seine Mütze herum kaute gedankenverloren auf einem Kaugummi.

Ein bunt gekleidetes Mädchen mischte sich ein. Sie klang sichtlich verärgert und hatte die Arme verschränkt.

"Heisst das, die haben die Route nicht mal kontrolliert bevor wir hier rein sind?"

Einige schauten bestürzt.

Ein kleiner Junge mit Brille schob sich durch die Menge auf das Mädchen zu und legte eine Hand an sein Kinn.

"Der Baum ist riesig und alt. Vermutlich hat ihn der Sturm letzte Woche einfach entwurzelt und er ist auf die Strasse gekippt."

Vanja drehte sich um und bemerkte den dicken Stamm, welcher zwischen einigen Schlingpflanzen hindurchschimmerte wie ledernes Pergament.

"Und was sollen wir jetzt tun?"

Das bunt gekleidete Mädchen musterte die Barriere argwöhnisch.

"Was denkst du denn was wir tun sollten?"

Die Stimme klang sichtlich genervt und ein rundlicher Junge trat aus der Menge.

"Die Regeln der REISE sind eindeutig. Wir sind auf uns allein gestellt. Wenn keiner hier ein Pokémon hat das diese Barriere zerschneiden kann müssen wir einen anderen Weg finden."

Raunen wurde laut.

"Einen anderen Weg?"

Viele schauten besorgt. Ein Mädchen mit einer auffälligen Haarspange wurde kreidebleich.

"Aber der Wald hat keine festgelegten Wege. Die Karten zeigen ihn nur als großen Fleck mit Gefahrenwarnung!"

Die Menge war nun sichtlich nervös.

"Wie jämmerlich...."

Ein Mädchen mit Lederjacke löste sich aus der Menge und drehte sich in Richtung des Waldes.

"Warum habt ihr alle so 'ne scheiss Angst? Habt ihr gedacht das alles wäre ein Kinderspiel? Ein Schulausflug?"

Ein Junge antwortete ärgerlich.

"Hast du etwa keine Angst?"

Das Mädchen zuckte mit den Schultern.

"Jedenfalls verliere ich keine Zeit damit, mich über die Situation aufzuregen, das bringt nämlich nichts."

Getöse wurde laut und einige wenige verzogen ihr Gesicht zu einer ärgerlichen Fratze. Vanja seufzte genervt. Natürlich hatte das Mädchen recht, aber Angst brachte viele dazu einfach nicht zuzuhören.

"Vielleicht kann ich helfen!"

Die Meute teilte sich und ein anderes Mädchen betrat die Szene. Die Augen der Ansammlung folgten ihr und einige deuteten auf ihren Hals. Ein Zigzachs lag auf ihrem Schultern und hob neugierig den Kopf, als es vor der Barriere auf den Boden gesetzt wurde.

"Mein Zigzacks ist stark. Vielleicht kann es den Baum zerteilen."

Das Mädchen mit der Lederjacke lachte amüsiert und trat ohne zögern ins Dickicht. Einige schauten ihr unsicher hinterher, doch die Mehrheit schien an die Möglichkeit zu glauben, bald auf dem Hauptweg weiterzukommen. Vanja selbst konnte den Stamm des Baumes nur grob einschätzen, war sich aber sicher das die Fremde nichts würde ausrichten können.

Sie seufzte frustriert. Damit wäre ihr Plan zerstört. Sie würde sich damit abfinden müssen, dass der Markt bereits geschlossen war.

Das gut gekleidete Mädchen brachte sich in Position.

Ihr Zigzachs fixierte den Baumstamm und die Menge hielt den Atem an. Vanja hoffte darauf, dass sie wenigstens etwas gegen die Barriere ausrichten konnten und schaute gebannt zu.

Jeder beobachtete die Szene und niemand bemerkte die Veränderung des Waldes. Niemand bemerkte die Schatten, welche sich klammheimlich um die Gruppe herum versammelt hatten, und bereits wussten, das die Barriere nicht zu überwinden war.

Sie warteten still und hofften, das viele der Menschen so dumm sein würden, auf das Mädchen und ihr Pokémon zu vertrauen, während sie ihre Kreise enger zogen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Yurippe
2012-02-11T15:57:17+00:00 11.02.2012 16:57
Wow, ich muss sagen, das ist mal was anderes, und bis jetzt finde ich deine Serie interessant!
Von:  SilverReader
2010-03-14T08:50:19+00:00 14.03.2010 09:50
Bis jetzt ziemlich gut und spannend.
*Daumen hoch*
Dein Schreibstiel ist schön und du umschreibst Dinge sehr gekonnt.
Auch drückst du die Personen nicht in den Vordergrund, sondern lässt eher der Geschichte freien Lauf, was mir auch gut gefällt.

Also... weiterschreibööön XD
Von:  Kura_Sama
2009-12-15T17:57:34+00:00 15.12.2009 18:57
Schreib bitte schnell weiter!
>___<


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