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When the snow brings love

Shou x Hiroto
von

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When the snow brings love

When the snow brings love
 


 

Es schneite.

Wie in Zeitlupe fielen die kleinen und großen Flocken herab. Weiß und rein schimmerten sie im schwachen Licht der Straßenlaternen und sorgten trotzdem für ihr ganz eigenes Licht- überall dort, wo der Schnee lag, war es heller als an den anderen Stellen. Entgegen dem regen Treiben auf den Straßen Tokyos wirkten sie, als wenn sie alle Zeit der Welt hatten. Nichts brachte sie aus der Ruhe. So auch nicht den jungen Mann, der gerade gedankenversunken eben diese Schönheiten betrachtete.

Shou betrachtete sie begeistert. Diese kleinen Kunstwerke faszinierten ihn. Und so streckte er seine Hand aus und sah anschließend die kleinen Kristalle an, die darauf landeten. Jede sah anders aus und war auf ihre Art und Weise einzigartig. So wie all die Menschen, die an ihm vorbeigingen. Doch sie hatten keine Zeit, ihre Gedanken für so etwas zu verschwenden.

In Tokyo herrschte immer reges Treiben, vor allem jetzt, in der Vorweihnachtszeit. Da warben wieder alle möglichen Kaufhäuser mit den neusten Produkten, die man seinen Liebsten schenken und kaufen sollte. ‚Verschenken Sie dies und jenes, dann wird er Ihnen dankbar sein.‘, so ungefähr der nächstbeste Werbespruch, der ihm entgegen leuchtete. Weihnachten war ein wunderschönes, wenn auch sehr kostspieliges Fest. Doch was nützte es einem, wenn man ganz allein war? Wenn man niemanden besaß, mit dem man das Fest der Liebe (und der teuren Geschenke) feiern konnte?

Shou seufzte.

Wahrscheinlich würde er dieses Jahr wieder arbeiten gehen, so wie jedes Jahr. Dann hatte er ein paar Stunden lang wenigstens etwas zu tun und musste nicht den ganzen Tag zuhause sitzen und sich selbst bemitleiden, weil er niemanden hatte. Gerade jetzt kam er auch von Arbeit. Sie war mit der U-Bahn, aber auch mit dem Fahrrad gut zu erreichen, doch heute war er mal gelaufen; er hatte ja Zeit.

Der Braunhaarige arbeitete als Angestellter in einem kleinen CD-Laden in Tokyo und verdiente nicht unbedingt viel, aber für ihn reichte es zum leben. Seine Wohnung war recht komfortabel, aber viel zu groß für einen allein. Ansonsten gab Shou sich mit den einfachsten Dingen zufrieden und war ein sehr freundlicher und lieber Mensch- manchmal ein wenig zu freundlich und lieb. Seine letzte Freundin hatte ihn ausgenommen wie einen Goldesel in seiner blinden Liebe und ihn anschließend fallen lassen. Dass war letztes Jahr, knapp vor Weihnachten gewesen. Seitdem hatte er niemanden mehr gehabt. Er hatte ein wenig das Vertrauen in andere verloren und nun Angst, aufgrund seiner Gutmütigkeit wieder so zu enden. Einsam und mit gebrochenen Herzen. Da war er lieber nur einsam.

Langsam löste der Braunhaarige sich von seinen Erinnerungen und sah sich um. Sollte er schon nach Hause? Aber da würde auch nur der Aufwasch von heute Morgen warten. Kurz überlegte er, dann fand er lächelnd einen Entschluss. Nein, er würde jetzt in den Park gehen.
 

~*~
 

Als die ersten Bäume am Eingang sich vor seinen Augen erstreckten, strahlte er ein wenig. Shou liebte es, die verschneiten Bäume und den kleinen, zugefrorenen See zu beobachten. Es wirkte dann alles wie in einem Märchenpark, vor allem jetzt, im Dunkeln. Er ging gern hier her, zu jeder Jahreszeit. Im Frühling, wenn die Blumen erwachten, im Sommer, wenn die Bäume kühlen Schatten spendeten, im Herbst, wenn die Blätter feuerrot leuchteten, und eben jetzt, im Winter. Dabei war der Winter seine liebste Jahreszeit. Da sah der Park für ihn immer noch am schönsten aus.

Das letzte Jahr war er seit nach der Trennung oft hier gewesen. Dann hatte er auf einer Bank gesessen und vor sich her geträumt. Oder er hatte einen kleinen Block herausgezogen und begonnen, Texte oder Gedichte zu schreiben, oder zu malen. Einfach nur für sich selbst, ohne weitere Bedeutung.

Auch heute steuerte Shou wieder auf seine Lieblingsbank zu, wischte den Schnee herunter, zog den Mantel enger zu und nahm Platz. Zufrieden schloss er für einen Moment die Augen. Kein einziges Geräusch war zu hören. Der Park war so groß und ein Stück von der Innenstadt abgelegen, dass keine störenden Geräusche hier her drangen. Und bei dem Wetter und der Uhrzeit war auch niemand anders außer ihm hier.

Langsam öffnete der Braunhaarige die Augen wieder und ließ seinen Blick schweifen. Erst zu den Märchenbäumen, dann über die Wiese bis zum See. Bis jetzt war nur eine feine Eisschicht darauf zu sehen. Doch bald würde diese sicher dicker sein. Ob auch dieses Jahr wieder einige Kinder versuchen würden, darauf Schlittschuh zu laufen? Schmunzelnd sah er sich weiter um, ehe etwas sein Interesse weckte. Sein Blick blieb auf einer Stelle hängen. Das…passte eindeutig nicht so ganz in seine Winterwunder-Zauber-Landschafts-Träumerei. Hatte da wer seinen Müll hingeworfen? Shou verzog das Gesicht. Die Menschen sollten sich schämen, immer zerstörten sie alles Schöne…

Doch je länger er diesen Fleck dort musterte, umso skeptischer wurde er. Nur langsam merkte er, dass da mehr lag, als er erst gesehen hatte. Zumindest zeichnete sich da gerade immer mehr für sein Auge unter der dünnen Schneeschicht ab…
 

Der junge Japaner schrak auf. War das…? Schnell eilte er hinunter zum See und fand gleich die Bestätigung. „Scheiße!“, die letzten Meter rannte und stolperte er vorwärts, dann fiel er auf die Knie. „Hallo? Geht es Ihnen gut?!“, schrie er schon fast den leblosen Menschen vor sich an. Nichts. Shou biss sich auf die Unterlippe. Vor ihm lag auf dem Bauch ein junger Mann, wahrscheinlich jünger wie er und hatte noch immer die Augen geschlossen. Vorsichtig drehte Shou ihn auf den Rücken

und begann die dünne Schneeschicht beiseite zu schieben. Sie war noch nicht dick, bei dem momentanen Schneefall lag er vielleicht erst seit einigen Minuten hier. Gut, seine Vorderseite besaß keine äußeren Verletzungen oder gar Blut. Panisch begann der Braunhaarige nun nach einem Puls zu suchen. Wenn er jetzt eine Leiche gefunden hatte…Oh Gott, was dann?! Würde die Polizei ihm denn glauben, wenn er sagte ‚Ich saß im Park rum und hielt ihn erst für Müll‘…?

„Sei bitte nicht tot!“, murmelte er immer wieder vor sich her und fand schließlich auch zu seiner Erleichterung einen Puls- wenn auch sehr schwach. Ein erleichtertes Seufzen verließ seine Lippen. Gut, keine Leiche. Aber wenn er sich nicht beeilte, dann vielleicht doch…!

„Wach doch bitte auf! Junger Mann!“, panisch begann Shou ihn zu rütteln, da er selbst gerade nicht weiter wusste. Sein Handy hatte keinen Saft mehr und ehe er wieder in einer Gegend war, wo Menschen lang liefen, war der Fremde hier vielleicht längst erfroren.

Jetzt sah Shou zwar auch, dass die Brust des Mannes sich hob und senkte, doch wer wusste, was mit ihm war? Er fing an, einer der eiskalten Hände zwischen seinen zu reiben, doch sie wurden nicht wärmer.

„Was jetzt…?“

Aufgelöst beobachtete er den kleineren Blondhaarigen vor sich, dann fasste er einen Entschluss. Vorsichtig zog er den anderen hoch, ehe er ihn auf die Arme nahm. Zu seiner Verwunderung war der Fremde ziemlich leicht. Trotzdem würde er vorsichtig sein; immerhin wusste er nicht, ob der Kleinere nicht vielleicht doch innere Verletzungen hatte. Einen Schritt vor den anderen setzend lief Shou los.

Er ging diesmal in die andere Richtung des Parks. Okay, der Weg war länger, aber in dieser Richtung würde er Hilfe finden.

„Bitte halte durch…Ich bringe dich…in ein Krankenhaus, Kleiner…“, schnaufte er leise vor sich her. Plötzlich kam wider seines Erwartens Regung in den Körper auf seinen Armen. Erst war es nur ein leises Keuchen und bellendes Husten, dann fingen die Lider des Blonden an zu flackern. Bei dem Wort ‚Krankenhaus‘ erwachte der halb erfrorene Körper fast gänzlich wieder zu vollem Leben. Erschrocken riss der junge Mann die Augen auf und ehe Shou sich versah, klammerte dieser sich an ihn. „Nein! Bitte…nicht…ins Krankenhaus…!“, brachte er voller Panik hervor. In den dunklen Augen stand pure Angst.

Shou hingegen war total verwirrt. Erstens war es ihm unbegreiflich, wie jemand von einem fast Halbtoten wieder zu so einer schnell reagierenden Person werden konnte. Und Zweitens wusste er nicht, was er tun sollte. „Aber ein Krankenhaus ist das beste…! Es geht dir nicht gut…!“, brachte er schließlich wenig überzeugend hervor.

Nun wurden die Rehaugen herzerweichend; „Bitte…bitte nicht…nicht dort hin…“, wimmerte der Kleine und klammerte sich noch fester an, ehe er leise aufstöhnte und die Augen zittrig wieder schloss. Shou starrte ihn immer noch an.

Was verdammt sollte er tun?! Der Junge wollte ja scheinbar nicht dahin und schien wirklich Angst zu haben… Doch wo sollte er sonst mit ihm hin? Doch nicht etwa… Der Braunhaarige seufzte. „Na gut…“, murmelte er und ging nun doch in die andere Richtung. Für heute würde er ihn wohl zu sich mitnehmen. Doch morgen würde er ihn ins Krankenhaus bringen, morgen, wenn es hell war. „Ich bring dich zu mir, vorerst…“, murmelte er, „Und wehe, du stirbst mir weg…“
 

~*~
 

Schwerfällig hievte Shou den Blonden in seine Wohnung- es war eine reine Tortur gewesen, die Tür aufzuschließen. Nun schlug er eben diese mit dem Fuß zu, bevor er auch schon den kleineren in sein Schlafzimmer trug. Kurz sah er sich ratlos um, dann aber begann er ihn, aus den nassen Klamotten zu schälen.

Gott, war der Junge schmal und zierlich! Shou hatte Angst, ihn zu zerbrechen. Und blass…er war scheinbar ziemlich ausgekühlt… Verdammt, ein Krankenhaus wäre wirklich besser gewesen, aber da wäre der Blonde ihm vielleicht noch vom Arm gesprungen (auch wenn er diese Theorie stark bezweifelte- obwohl, bei seiner plötzlichen Reaktion vorhin…). Langsam tappte er zum Schrank und suchte darin herum. Die Sachen würden dem Blonden wohl alle zu groß sein, aber was sollte es. Halbnackt konnte er ihn wohl kaum liegen lassen. Also begann der Braunhaarige, ihn langsam wieder anzuziehen.

Dabei sah er immer wieder auf, ob die Rehaugen sich vielleicht doch noch einmal öffneten. Doch der Junge blieb liegen, er atmete ruhig; wahrscheinlich schlief er.

Shou musterte ihn. Okay, er sah ziemlich jung und mitgenommen von der Kälte aus, aber eigentlich war er recht hübsch….

Moment! Was dachte er sich da gerade? „Shou, du verlierst völlig den Verstand…“, schallte er sich selbst. Erstens, war das ja wohl sicher ein Minderjähriger, und zweitens, war es ein Mann. Und eigentlich stand er nicht unbedingt auf Männer.
 

Schwerfällig hatte Shou den anderen schließlich angezogen. Nun zog er noch die Gardinen zu und drehte die Heizung für seine Frostleiche auf. Sicher war sicher. Dann machte er ihm eine Wärmflasche fertig und legte diese auf seinen Bauch.

Noch einmal betrachtete er das schlafende Gesicht. Ging es dem Jungen am Ende vielleicht schon wieder gut? Schauspielerte er, um ihn des Nachts abzustechen und auszurauben? Shou schüttelte den Kopf. Allmählich wurde er paranoid. Was war mit ihm nur geschehen? Er erkannte sich selbst gar nicht mehr wieder…

Nein, der Junge tat sicher nicht so. Zumindest hatte er keine Waffe bei sich gehabt, als er ihn umgezogen hatte. Seufzend schloss der junge Japaner dann zumindest die Schlafzimmertür ab und legte den Schlüssel in sein Schubfach, bevor er das Licht löschte und sich neben den anderen legte.

Es war seltsam, neben einem Wildfremden zu liegen, aber gut. Shou war müde von der Arbeit und dem schweren Heimweg, so fand er auch schnell den herbeigesehnten Schlaf.
 

~*~
 

Am nächsten Morgen wachte Shou zeitig auf. Noch leicht verschlafen blickte er zu seinem Wecker. Samstags, 8.00 Uhr. Und er musste nicht arbeiten, juhu…

Sein nächster Blick wanderte vorsichtig neben sich. Der Junge lag noch da. Lebte er noch? Behutsam richtete Shou sich auf und beugte sich über ihn. Ja, er atmete noch. Erleichtert seufzte der Braunhaarige, bevor er die Hand bei ihm auf die Stirn legte. Sie war ziemlich warm, wahrscheinlich hatte er Fieber… aber immerhin war er nicht mehr so eisig kalt.

Langsam, um ihn nicht zu wecken, schälte Shou sich aus der Decke und tappte erstmal ins Bad zur Toilette. Nachdem dies erledigt war, begann er Frühstück für sie zu machen. Immerhin konnte er den anderen nicht halb verhungert ins Krankenhaus bringen…er würde schon genug Ärger bekommen, weil er ihn nicht sofort gebracht hatte. Dass das allerdings allein, ohne Auto und spät Abends schlecht möglich gewesen war, dass verstanden die Ärzte und Schwestern dann sicher nicht…

Sein Blick fiel aus dem Fenster. Oh, es schneite wieder… verträumt legte Shou dass Toast, welches er angefangen hatte zu bestreichen, beiseite und tappte zum Fenster. Ganz langsam legte er seine Fingerspitzen gegen die kalten Scheiben und sah hinab auf die Straßen. Das war der Vorteil an einem 8. Stock: super Aussicht. Und einen Fahrstuhl, der ihm gestern sehr nützlich gewesen war…
 

„Ha…hallo..?“, kam es leise und zögerlich von irgendwo hinter ihm. Fragend drehte Shou sich um und blickte in das unsichere Gesicht des Blonden, der sich haltsuchend an den Türrahmen vom Schlafzimmer klammerte. „Oh, du bist wach.“, lächelte er ihn an und ging einen Schritt auf ihn zu. „Wie geht es dir..?“

Der Blonde betrachtete ihn immer noch unsicher. „Geht…so.“, brachte er schließlich leise hervor und sah zu Boden, ehe er nach einer knappen Minute wieder aufschaute. „Wo…wo bin ich?“

Der Größere blinzelte, lächelte ihn aber gleich sanft an. „Du bist bei mir zu Hause. Du hast da gestern im Park gelegen, bewusstlos. Erinnerst du dich? Da habe ich dich mitgenommen, weil du nicht ins Krankenhaus wolltest. Und naja, das war’s auch schon. Ich bin übrigens Shou.“

Nun kam Leben in den Blonden.

„Krankenhaus? Ah ja, stimmt…“, murmelte er, „Vielen….vielen Dank, Shou….“ Ein schüchternes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Dem Braunhaarigen klappte bei diesem hübschen Anblick der Kinnladen runter, ehe er sich schnell zur Besinnung rief.

„Ich….habe uns Frühstück gemacht. Lass uns erst einmal was essen, damit du zu Kräften kommst…“ Der andere nickte und folgte Shou zum Küchentisch. In Ruhe setzten sie sich und Shou gab seinem ‚Findelkind‘, als das er den anderen Gedanklich gerade bezeichnete, Tee. Dankbar nahm der Blonde diesen an, ehe sie schweigend zu Essen begonnen.
 

„Ich…heiße übrigens Hiroto…“,

kam es leise nach einer Weile von dem Blonden. Shou sah fragend auf, ehe er lächelte. „Ah, okay. Hiroto…“, sprach er den Namen aus. „Wie…bist du eigentlich gestern dorthin gelangt..?“, stellte er schließlich die Frage, die ihm so lange schon auf der Zunge brannte.

Einen Moment schwieg Hiroto, ehe er unsicher aufsah.

„Ich bin abgehauen…und da…kam ich irgendwie in den Park…“ Shou blinzelte. „Hast du Stress zuhause?“, riet er einfach mal. Der Blonde betrachtete ihn, ehe er den Blick abwendete und sich auf die Unterlippe biss. „Ich…ich habe kein Zuhause mehr.“

Der Gößere bekam große Augen. Beinah hätte er den anderen aus einem Reflex heraus in die Arme gezogen, doch er ließ es lieber. „Was? Wieso…?“

Hiroto seufzte.

„Ich…ich war mit meinen Eltern unterwegs in den Winterurlaub…Aber wir hatten einen Unfall…und den habe nur ich überlebt.“, er schluckte, „Und…da war ich jetzt im Krankenhaus, obwohl ich nichts weiter hatte…ich habe nur gehört, wie die vom Jugendamt sich unterhalten haben…die wollten mich in ein Kinderheim stecken, obwohl…ich in drei Jahren volljährig bin. Da bin ich abgehauen..“ Shou hatte einen Kloß im Hals.
 

Eine Weile saßen sie einfach nur da und schwiegen, jeder für sich.

Dann begann Shou langsam zurückzurechnen, um sich abzulenken. „Also bist du…18?“, fragte er behutsam, um den anderen nicht ganz zu nahe zu treten. Hiroto nickte.

„Hai…und…und du Shou?“

„Ich? Ach, ich bin alt…“, lachte dieser und rührte in seinem Kaffe herum.

„Sag mal, bitte….“, bettelte der Kleinere.

„Na gut. 24. Ich sag doch, alt, oder?“

Hiroto bekam große Augen, nickte dann aber verlegen lächelnd.

Shou schmunzelte, wurde aber bald wieder ernster. „Sag mal…wo willst du da jetzt hin, wenn du nicht zurück willst? Also logisch, mit 18 würde ich auch nicht unbedingt in ein Kinderheim…“, murmelte er vor sich her und bemerkte dabei Hirotos Blick nicht. Erst, als dieser ihm nicht antwortete, sah Shou ihn an- und blickte in die zwei Rehbraunen Augen, die ihn gerade so treu und liebherzig wie ein kleiner Welpe ansahen. „Was…?“, fragte Shou deshalb unsicher, da er das Ganze nicht zu deuten wusste. „Shou…? Darf…darf ich…darf ich hier bleiben? Fürs Erste..?“

Irritiert begann der Braunhaarige ihn regelrecht anzustarren. Da fragte ihn doch gerade im Ernst ein wildfremder, unbekannter Junge, ob er hier einziehen dürfe…!

„Ehm…also Hiro…ich denke nicht, dass das so gut wäre… Tut mir leid, aber wir kennen uns doch kaum…“, stammelte er schließlich zusammen. Es tat ihm irgendwie leid, aber was sollte er tun?
 

„Okay…Ich verstehe schon…danke für alles und…t-tut mir leid…“, hastig erhob sich der Blonde und eilte Richtung Tür. Shou riss die Augen auf, ehe er ihm hinterher hechtete.

„Hiroto! Verdammt, warte doch mal! Wenn du so raus gehst, erkältest du dich!“, behutsam zog er ihn in seine Arme. Der Blonde wehrte sich, ehe er leise schniefte. „Lass…lass mich los…! Ich…ich sollte lieber gehen…Ist das Beste, wenn ich verschwinde…“ Mittlerweile schluchzte er ungehemmt und gab seinen Widerstand immer mehr auf. Shou hielt ihn sanft im Arm, ehe er ihn ins Wohnzimmer trug und sich mit ihm auf die Couch setzte.

„Hiro…Hiroto…“, begann er sanft und strich über die weiche Wange des Jüngeren, „Bitte beruhig dich doch…es ist alles okay…“ - „Nichts ist okay! Ich wurde von heute auf morgen Waise und obdachlos! Und da sagst du, es wäre alles okay…“

Shou seufzte leise. Gut, er musste sich was anderes einfallen lassen. Er kannte den Jungen nicht genau, aber irgendwie mochte er ihn. Er hatte so etwas hilfebedürftiges, was sofort Shous Beschützerinstinkte weckte…auch wenn er immer noch sehr misstrauisch war. Aber das hatte ja andere Gründe…

„Das…das tut mir auch furchtbar leid, Hiroto. Wirklich. Gegen das erste kann ich nichts machen, aber…“, er seufzte, „Wenn du willst…kannst du doch erst einmal mit bei mir wohnen.“
 

Überrascht sah der Kleinere auf. „Ist…ist das dein Ernst?“, fragte er unsicher, „Aber warum? Du…du kennst mich gar nicht…“

„Ich weiß….aber naja, sagen wir es so…ich kann einfach nicht anders, okay? Ich bin zu gutmütig manchmal, auch wenn das eigentlich mein größtes Problem ist.“, seufzte er vor sich her.

Hiroto nickte nur unsicher. „Okay…aber ich werde dir helfen!“, erklärte er lächelnd, „Ich kann dir deine Wäsche machen und deine Wohnung sauber halten und Essen kochen kann ich auch ganz gut~ Und…und dann suche ich mir wohl erstmal einen Job…damit ich dir nicht auf der Tasche liege…“, verlegen wanderte sein Blick nach unten.

„Einen Job?“, fragte nun allerdings der andere verwirrt, „Bist du überhaupt mit deiner Schule fertig?“

Nun wurde Hiroto erst recht verlegen und auch ein wenig rot. „Naja….ich…ich wollte da nicht wieder hingehen…“, gab er schließlich zu. Der Braunhaarige musste verunglückt lächeln. Irgendwo war Hirotos Art ja schon süß. „Du weißt aber schon, dass du ohne ordentlichen Abschluss nicht sehr weit kommen wirst, oder?“

Fragend blinzelte der Blonde, ehe er den Kopf hängen ließ. „Aber…“ – „Nichts aber Hiroto! Mach erst einmal deine Schule, okay? Das ist besser, glaub mir. Ich hatte früher auch nie so Lust darauf, aber ich hab es durchgehalten.“ Kurz schwieg Shou, dann begann er über seine eigenen Worte zu lachen. „Oh man, ich höre mich an wie eine fürsorgliche Mutter.“ Nun musste auch Hiro ein wenig schmunzeln.
 

~*~
 

Einige Minuten saßen sie einfach nur da, bevor sie sich zu unterhalten begannen. Shou erzählte über sein einfaches Leben, dass er führte; über seinen normalen Schulabschluss, seine normalen Eltern und seine einfache Arbeit. Erzählte, dass er nicht viel besaß –abgesehen von seiner kleinen Luxuswohnung-, aber mit den einfachsten Dingen auch zufrieden war. Er sprach weiter und weiter und schüttete schließlich indirekt sogar sein Herz bei dem Jüngeren aus. Das er lieber allein bisher gelebt hatte, seit er einmal so schlimm verletzt worden war, vertraute er dem Jüngeren schließlich auch an. Irgendwo tat es gut, mal mit jemanden darüber reden zu können.

Hiroto nickte und hörte aufmerksam zu. In seinen Augen war Shou ein wirklich lieber Mensch und er fasste ein wenig Vertrauen, begann so auch von sich zu erzählen. Von seinen Hobbys, seinen Eltern, seinem Zuhause. Dabei erfuhr Shou, dass Hiroto gar nicht hier gelebt hatte; er war halt nur in das Krankenhaus hier verlegt worden…
 

Dem Braunhaarigen war der „Fremde“ jetzt viel angenehmer. Okay, vielleicht täuschte er sich ja auch in dem Aussehen, aber Hiroto wirkte so lieb und unschuldig… Er war halt irgendwo noch ein Kind, andererseits aber auch schon sehr reif, wie er feststellte.

Schmunzelnd blickte der Braunhaarig schließlich zur Uhr und erschrak- sie hatten um die 2 Stunden fast nur geredet! Hiroto bemerkte seinen Blick und staunte ebenfalls nicht schlecht. „Wow…“, machte er nur anerkennend.

„Ehm…was wollen wir heute machen? Ich hab frei…“, begann Shou dann mal- sonst würden sie zum Mittagessen noch immer hier sitzen. Hiroto neigte nachdenklich den Kopf. Dann begann er zu schmunzeln. „Hmm…wie wäre es, wenn du mir mal deine Stadt zeigst? Außer dem Krankenhaus…habe ich bisher nicht so viel davon gesehen…“, nuschelte er. Der Ältere wollte schon fröhlich nicken, als ihm etwas einfiel. „Moment! Wie geht es dir überhaupt?!“

„Mir?“, der Blonde zeigte sich mit dem Finger auf die Brust und blinzelte verwirrt, „G-gut, danke der Nachfrage…“ Nun stand der Größere auf, fasste ihm an die Stirn. „Ich glaub, wir messen zuerst Fieber. Sicher ist sicher.“, mit diesen Worten tappte er auch schon Richtung Arztschränkchen, um das Fieberthermometer zu suchen. Hiroto seufzte nur leise, ließ ihn dann allerdings machen. Nicht, dass Shou ihn am Ende wirklich noch zurück ins Krankenhaus brachte… Also klemmte er sich das Ding lieber mal unter den Arm und wartete geduldig, wurde auch Recht bald von einem Piepsen belohnt. Vorsichtig nahm der Ältere es ihm auch gleich ab. „Und?“

„Hm…ein wenig erhöht…aber ich hätte ehrlich gesagt mehr erwartet…“, murmelte er beinah enttäuscht. Diesen Unterton hörte Hiroto jedoch und zog einen Schmollmund. „Soll ich etwa krank sein, Shou?“

Angesprochener blinzelte verwirrt, ehe er schnell abwehrte. „Was?! Nein, natürlich nicht! Mich wundert es nur, so kalt wie du gestern warst…aber ich bin froh, dass es dir gut geht.“, erklärte er sich schnell.

Hiroto sah ihn einfach nur an, ehe er lächelte. „Na gut, geht gerade noch so in Ordnung~“, grinste er, „Aber nur, wenn wir jetzt raus gehen in die Stadt!“

Shou musste lachen. „Du freust dich darauf, oder?“ – „Natürlich! Ich wollte sie mir unbedingt anschauen…doch dann habe ich mich im Park verirrt…“

Der braunhaarige Wohnungsbesitzer schmunzelte, ehe er aufstand. „Na komm…wir suchen mal noch passende Handschuhe, Schal, Mütze und Jacke für dich heraus, außerdem…ne, das was du hast ist zu kalt, ich gebe dir dickere Sachen und dann können wir los.“
 

~*~
 

Eine halbe Stunde später waren schließlich beide dick verpackt in Winterklamotten und setzten den Fuß vor die Haustüre. Staunend betrachtete Hiroto den Schnee. „Wie schön! Gestern habe ich da gar nicht so drauf geachtet, ich hatte zu tun, wegzurennen.“, lachte er und ging in die Knie, nahm sich ein wenig des weißen Pulvers in die Hände. Dann formte er dieses und schmiss es Shou entgegen. Dieser blinzelte, ehe er lachen musste. „Hey! Nicht frech werden hier!“

Hiroto kicherte nur vergnügt, ehe er ein wenig vor lief. Neugierig betrachtete er die kleinen Kristalle, die auf seinem Jackenärmel landeten. Den Älteren brachte dies zum Schmunzeln. Ja, Hiro war wirklich noch ein Kind…aber irgendwie wirkte dieses Verspielte gerade süß.

Moment! Hatte er ihn gerade für süß gehalten? Der Braunhaarige schüttelte den Kopf. ‚Reiß dich zusammen Shou! Du bist alt!‘, ermahnte er sich selbst und nickte zufrieden über seine Theorie, ehe er dem Blonden schnell hinterher eilte. Denn dieser war schon eifrig weitergelaufen, während er hier in Gedanken versank.
 

Bald kamen sie bei den ersten Geschäften an und Hiroto strahlte beinah genauso sehr, wie die Weihnachtsbeleuchtung. Während er von einem Schaufenster zum nächsten eilte und diese aufmerksam musterte, brauchte Shou nur auf die Preisschilder zu sehen, sodass ihm schlecht wurde. So viel verdiente er manchmal nicht in 1 Monat! Wie gut, dass der Blonde sich allerdings nie so lange an den Schaufenstern oder in den Läden aufhielt. Shou fragte sich, ob der Kleine überhaupt Geld hatte. Wohl eher nicht, oder? Nein, woher auch. Wenn sie auf den Weg in den Urlaub gewesen waren, dann den Unfall gehabt hatten und er ins Krankenhaus gekommen war… Nein, dass hatte sicher auch niemand anderes für Hiroto gemacht… Der Blonde wollte ja arbeiten gehen, was er ihm hatte hoffentlich ausreden können…

Eine ganze Weile sahen sie sich die Läden an, bevor sie sich ein kleines Restaurant suchten um dort ein wenig zu Mittag zu essen. Beide hatten sie sich Ramen bestellt, auch wenn Hiroto mehr als verlegen gewesen war, weil der Braunhaarige zahlen wollte. Aber letztendlich stimmte er zu. Geld hatte er sowieso momentan keins, leider.

„Vielen Dank Shou…“, hauchte er und sah den anderen sanft an. Dieser schlürfte gerade seine Ramen, ehe er den Kopf hob und eine Augenbraue heraufzog. „Du brauchst dich nicht bedanken, ich zahl dir das gern, hab ich doch gesagt.“ – „Nein, das meine ich nicht! Also nicht nur. Ich meine insgesamt der Tag bisher…ich hätte nie gedacht, einmal so jemanden freundliches zu finden wie dich… jeder andere hätte mich rausgeschmissen; beziehungsweise gar nicht erst mitgenommen. Ich danke dir, du bist wirklich lieb Shou.“

Angesprochener war mit jedem Wort immer röter geworden. „Ach…was…“, nuschelte er verlegen und aß schnell weiter, schluckte dann erstmal. „Ich…ich mag dich ja auch irgendwie…also ich meine, jeder andere hätte mich längst ausgeraubt oder so.“ Der Blonde bekam große Augen. „Waas?! Das würde ich nie machen! Ich bin dir doch dankbar. Ich müsste dich mit Geschenken überhäufen, wenn ich das Geld dazu hätte…“, seufzend senkte er den Blick.

Der Ältere merkte, wie sein Begleiter wieder trauriger wurde, also wechselte er schnell das Thema. „Iss lieber weiter Hiroto, deine Ramen werden sonst noch kalt und das wäre eine Verschwendung, so gut wie die hier schmecken.“

Schmunzelnd sah er zu wie seine Worte wirkten und so aß auch er selbst in Ruhe weiter.
 

Nachdem sie gestärkt waren und bezahlt hatten, gingen die beiden schließlich wieder hinaus in die Kälte und sahen sich weiter die Läden an. Shou seufzte leise, da er sich ziemlich übernommen hatte beim Essen, aber er sagte nichts. So niedlich wie der Jüngere hier gerade von einem Laden zum nächsten wuselte, würde er ihn wohl kaum stoppen mit einem Satz wie: ‚Ich bin müde, lass uns heim.‘

Plötzlich blieb Hiroto abrupt stehen, sodass der Braunhaarige fast in ihn hineingestolpert wäre. Gerade so konnte er sich noch bremsen und neigte den Kopf, um zu sehen, was die Neugier des anderen geweckt hatte.

Vor ihnen lag ein Schmuckladen, schön mit Weihnachtsschmuck dekoriert und trotzdem sah er nichts besonders auffälliges im Vergleich zu den bisherigen Schmuckläden. Allerdings schien der Blonde etwas entdeckt zu haben, also ging er einen Schritt näher auf das Fenster zu. „Gefällt dir was?“, fragte er freundlich und versuchte ein Blick in sein Gesicht zu erhaschen, welches in Gedanken durch die Scheibe starrte.

„Mein….meine Mama hatte so eine ähnliche Kette…das war ihre Lieblingskette…“, murmelte er schließlich leise. Shou bereute sofort seine Frage und biss sich auf die Unterlippe. „Tut mir leid.“, hauchte er leise, senkte den Blick, doch Hiro schüttelte den Kopf. „Schon gut…ich…ich hätte sie nur gern gehabt, aber sie ist beim Unfall kaputt gegangen.“

Nun sah der Ältere eine Chance, den kleineren aufzuheitern. „Soll ich dir die hier kaufen?“, schlug er lächeln vor und fing sich einen überraschten Blick von dem Kleineren ein. „Was? Warum? Die ist doch teuer!“ Shou schmunzelte. „Ja, aber sie gefällt dir doch. Die andere kann ich dir ja leider nicht besorgen, wenn sie kaputt ist. Aber ich kann dir diese hier schenken…sie es einfach als Freundschaftsgeschenk von mir.“

Nun hatte er es geschafft, sein neuer Mitbewohner senkte beschämt den Blick. „A-aber Shou…d-das musst du wirklich nicht…die ist doch so teuer…“, stammelte der Rotgewordene vor sich daher. Der Braunhaarige begann breit zu grinsen, ehe er schon in den Laden ging.

Einige Minuten später kam er strahlend wieder hinaus. „Das war ein Einzelstück Hiroto!“, meinte er fröhlich, „Es gibt zwar viele, die dieser hier ähnlich sehen, allerdings ist die einzigartig. Ich hoffe, sie gefällt dir. Darf ich sie dir umlegen?“

Mit riesigen Augen starrte Hiroto ihn an. „Was?! A-aber die…teuer und du….mich kaum…kennst…du…“, stammelte er völlig verwirrt vor sich her, ehe er tief durchatmete. Dann nickte er zaghaft. „Okay...“

Der Ältere hatte nur darauf gewartet und holte sofort lächelnd die Kette aus der Schachtel und legte sie ihm um. Noch einmal wurde alles genauestens überprüft, dann strahlte er. „Perfekt!“

Der Blonde sah vorsichtig hinab zu der Kette und lächelte leicht, wenn auch immer noch reichlich verlegen. „Danke…vielen vielen Dank… Shou…“

„Ach was, es ist schön, dich so glücklich zu sehen. Und jetzt komm, wir machen uns langsam lieber auf den Heimweg, meine Zehen frieren langsam ab.“ Der Kleinere lachte mit seiner hellen Engelsstimme, nickte aber. „Einverstanden!“
 

Knapp 3 Stunden später saßen die beiden Zuhause im Sessel; beide mit jeweils einer Teetasse in der Hand und dicker, kuschliger Decke um die Beine. Sie waren doch noch einmal in den Park gegangen; dort, wo sie sich kennengelernt hatten. Dort hatte Hiroto sich die Umgebung angeschaut und versucht sich zu erinnern, wie er dorthin gelangt war. Doch es wollte ihm einfach nicht einfallen, sodass die beiden dann nur noch einen Schneemann gebaut und nach Hause gegangen waren.

Shou beobachtete den Jüngeren. Hiroto war wirklich anders. Anders als die anderen Menschen, die ihn umgaben. Der Jüngere besaß die Geduld ihm zuzuhören und das erste Mal fühlte Shou sich nach langer Zeit verstanden. Er hatte bemerkt, dass sie viele gleiche Ansichten besaßen und sich auch wortlos verstanden. Irgendwie…ja, irgendwie war es schön, den anderen bei sich zu haben. Er war ihm so sympathisch…

Nachdem sich beide etwas aufgewärmt hatten mit dem Tee, machten sie zusammen Abendbrot, bevor Shou dem anderen ein warmes Bad einließ. Dabei schüttete er Erkältungsbad hinein- sicher war sicher und Hiros Schniefnase war ihm ja nicht entgangen. Den Jüngeren ließ er erst einmal also in Ruhe baden. Er selbst wuselte durch die Wohnung, räumte hier und da noch auf oder etwas weg, legte sich Sachen für zum Schlafen und seine Arbeit am nächsten Tag heraus.

Als Hiroto fertig war, ging auch er ins Bad, duschte sich nur, da er zu müde war und schlurfte wieder hinaus. Kurz sah er sich suchend nach Hiroto um, den er schließlich am Fenster entdeckte. Langsam trat er auf ihn zu. „Diese Stadt ist so schön…viel größere als meine…und jetzt die ganzen Lichter im Dunkeln…einfach toll“, hauchte der Blonde leise aber begeistert. Shou schmunzelte und trat schließlich ganz hinter ihn. Er schluckte. Am liebsten hätte er den Jüngeren jetzt in den Arm genommen, aber warum nur? Fühlte er sich gerade als großer Bruder? Als guter Freund? Oder…? Nein, schnell schüttelte er diese Gedanken beiseite. Er durfte die Situation nicht ausnutzen.

„Ich weiß, deshalb lebe ich hier…“, hauchte Shou schließlich. „Morgen muss ich arbeiten gehen…was wirst du in der Zeit machen?“, stellte er nun eine andere Frage, die ihn interessierte. Hiroto drehte sich um und grinste ihn an. „Ich habe mir vorhin dein Bad angeschaut…da liegt noch so viel Schmutzwäsche, die werde ich wohl waschen…und wenn du willst, wische ich auch gern Staub und erledige hier und da noch was. Zum Beispiel deine Fenster putzen, dass im Bad ist nämlich ganz schön dreckig.“

Ertappt ließ Shou den Kopf hängen. „Bin ich so dreckig?“, nuschelte er übertrieben traurig, bevor er mit Welpenblick aufsah. Hiroto musste lachen. „Ach was! Ich will mich doch nur gut einbringen und etwas für dich machen. Ich schulde dir so viel, Shou… Außerdem bist du doch sicher froh, wenn du das nach der Arbeit nicht auch noch machen musst, oder?“ Der Braunhaarige musste schmunzeln. Okay gut, das waren einige Argumente…

„Geht in Ordnung Hiro. Aber zuerst einmal sollten wir schlafen gehen, ich bin total müde und du scheinbar auch.“ Angesprochener gähnte genau in diesem Moment und nickte schließlich verlegen. „Ja, und wie…außerdem tun mir die Füße weh…“

Der Wohnungsbesitzer nickte nur und schlurfte schon Richtung Bett. Das war alles, was er noch wollte: Hinein in die weichen, kuschligen, warmen Federn. Zuerst ließ er Hiroto einsteigen, dann schaltete er das Licht aus und legte sich dazu. Als Shou auch endlich die Decke über sich gezogen hatte, seufzte er wohlig. Nichts ging über ein gemütliches Bett nach so einem anstrengenden Tag. „Shou?“, drang es zögerlich an sein Ohr. „Ja?“ – „Gute Nacht und schlaf schön. Und vielen Dank für alles….“

„Nichts…zu danken…“, nuschelte der Braunhaarige zwischen zwei Gähnern und kuschelte sich in die Decke. Bildete er es sich ein, oder rutschte Hiroto näher an ihn heran? Vielleicht bildete er es sich wirklich nur ein. Nicht mehr lange, dann war er schon eingeschlafen.
 

~*~
 

Den darauffolgenden Morgen wachte Shou mit dem Wecker auf. Müde drehte er sich herum und schlug das Teil aus. Heute hatte er gar keine Lust auf arbeiten, weil er eigentlich frei gehabt hätte, aber sein Chef hatte die Arbeitstage mal wieder drei Tage vor der Angst geändert. Sein Blick viel auf Hiroto, der noch schlief. Dabei hätte er heute wirklich gern frei. Der Tag gestern mit dem kleinen Blonden war so schön gewesen, so erholend und frei…heute würde ihn also sein ständig maulender Chef wiederhaben. Schade, dass der CD-Laden wirklich nur aus ihm, seinem Chef und zwei anderen Mitarbeitern bestand. Da konnte man nie wirklich oft frei haben…

Naja, es nützte nichts, er musste aufstehen. Und so schob der Braunhaarige sich genervt stöhnend aus der Bettdecke und tappte zuerst einmal ins Bad. Er brauchte dringend eine Dusche zum Wach werden.

Nachdem das erledigt war, zog er sich ordentlich an, machte sich zurecht und ging in die Küche ihnen Frühstück vorbereiten. Er war sich unsicher, ob er Hiroto nicht lieber schlafen lassen sollte; immerhin konnte der diesen sicher gebrauchen. Doch diese Gedanken erledigten sich, als er ein leises, fast schüchternes „Guten Morgen“ wahrnahm. Sofort drehte der Ältere sich um, ehe er sanft lächelte. „Guten Morgen Hiroto. Hast du gut geschlafen?“

„Ja, sehr gut…dein Bett ist bequem.“, schmunzelte Angesprochener, ehe er sich verschlafen auf einen Stuhl sinken ließ. „Ich hoffe, ich habe nicht zu sehr geklammert…?“, fragte der Jüngere schließlich noch vorsichtig. Shou blinzelte irritiert, „Geklammert?“, dann aber hellte seine Miene sich auf. „Ach das! Ach nein…du hast dich angekuschelt, aber klammern war das nicht.“

Scheinbar war das trotzdem nicht das, was Hiroto hatte hören wollen, denn er lief rosa an. „Entschuldige…ich…das ist eine dumme Angewohnheit…“, nuschelte er vor sich her, sodass sein Gegenüber schnell die Hände beschwichtigend hob. „Ach was, brauchst dich doch nicht entschuldigen! Eigentlich war es…ganz niedlich.“, gab er ungern zu und schluckte. Mit großen Augen hob Hiroto den Kopf. „I-in echt…?“, stammelte er, wodurch Shou kurz tief durchatmete, ehe er noch einmal nickte. „Ja, macht mir wirklich nichts aus, du bist doch lieb. So und jetzt essen wir erst einmal, okay?“, gekonnt wechselte er mit einem Lächeln das Thema, da ihm die Situation peinlich war. Dass der Blonde ihn fast schon enttäuscht ansah, merkte er gar nicht. „Gut, lass uns Essen, und dann…dann darf ich dich mit zu deiner Arbeit bringen…?“

Nun war es an dem anderen, überrascht zu schauen. „Was? Aber findest du dich denn dann wieder hierher?“ Hiroto nickte. „Natürlich! Wenn du mir den Weg zeigst.“
 

~*~
 

Ehe Shou sich versah, war er auch schon mit Hiroto zusammen auf dem Weg zur Arbeit.

Unruhig sah er zu dem Jüngeren. „Und du bist dir sicher, dass du allein zurückfindest?“

Der Blonde zog eine Schnute. „Shou…ich bin doch nicht mehr 5, ich bin 18, stell dir vor. Ich finde mich schon zurecht, ich geh den Weg genau so zurück. Oder ist es dir lieber, wenn ich dir eine SMS schreibe?“ Der Ältere starrte ihn an, als hätte er soeben ein UFO gesehen. „Du hast…ein Handy? Warum hast du mir das denn nicht eher gesagt?!“

Kichernd tänzelte sein Begleiter einen Meter vor und streckte ihm die Zunge heraus. „Du hast ja nicht danach gefragt~“, flötete er nur. „Das ist aber auch alles, was ich habe. Außer höchstens noch…“, er begann in seiner Jackentasche zu kramen und holte eine Münze heraus, lachte dabei leise. „Wow, 10 Yen!*“

Shou schüttelte ebenfalls lachend den Kopf, ehe er auf die Uhr sah und erschrak. „Oh Mist; wir müssen uns beeilen!“ Schnell packte er Hirotos Hand und rannte mit ihm los. Dass diese Aktion bei dem Kleineren heftiges Herzklopfen auslöste, wusste Shou nicht.
 

Letztendlich waren sie so schnell gerast, dass sie doch noch mehr als pünktlich waren. Der Blonde sah sich interessiert um und blieb mit Shou schließlich einige Meter vor dem Laden stehen. „Hier arbeitest du also?“, strahlte er ihn auch gleich an. Shou nickte nur knapp, er hatte es trotzdem eilig. „Ja, hier in dem kleinen CD-Laden…nicht sonderlich gut bezahlt, aber was will man machen…Schreibst du mir, wenn du zuhause bist?“, seine Augen richteten sich eindringlich auf den Jüngeren.

„Hai, mach ich, versprochen. Aber jetzt geh endlich, der Glatzkopf da beobachtet dich schon grimmig durch die Scheibe.“, kicherte er. Shou drehte sich um und starrte den anderen an, fluchte. „Shit! Also ist er doch schon da… Naja egal. Bis später.“, unsicher, was er machen sollte, stand er da; ehe der Blonde schon reagierte und ihn umarmte. Der Größere blinzelte verwirrt, schloss dann aber lächelnd die Arme um ihn und genoss den Moment. Schwerfällig löste er sich wieder und drückte Hiro den Schlüssel in die Hände. „Ich verlass mich auf dich, ja?“

Ein Nicken, begleitet mit einem ehrlichen Lächeln kam von Hiroto, ehe er auch schon loslief, Shou noch einmal winkte und anschließend um die Ecke bog.

Lange starrte der Braunhaarige ihm nach, dann löste er sich mit den Augen von dem Fleck, wo Hiroto verschwunden war. Seufzend drehte er sich um und trat seinen Dienst für heute an.
 

~*~
 

Zuhause angekommen legte Hiroto seinen Mantel beiseite und sah sich um. Zuhause… Bei dem Wort wurde ihm ganz warm ums Herz. Er wollte unbedingt hier bleiben. Shou war so ein wunderbarer Mensch, er mochte den anderen sehr, schon jetzt. Er fühlte sich verpflichtet, dem Älteren wo es nur ging eine Hilfe zu sein. Immerhin hatte Shou ihm das Leben gerettet, war für ihn da, hatte ihn versorgt, ließ ihn hier wohnen, gab ihm Essen, Trinken, und Kleidung. Aber vor allem strahlte er so eine Wärme aus.

Hiroto liebte das Weihnachtsfest. Er hatte es jedes Jahr mit seiner Familie verbracht. Dies würde das Erste von vielen ohne sie werden…aber hoffentlich sein erstes Weihnachtsfest mit Shou. Der Ältere schien Weihnachten und den Winter auch zu lieben… Vielleicht würden sie ja öfters zusammen Weihnachten feiern können? Seufzend schüttelte er den Kopf.

„Fantasier nicht herum Hiroto. Du bist nur ein Mitbewohner für ihn, mehr nicht.“, redete er sich schnell ein. Er sollte sich keine falschen Hoffnungen machen. War das überhaupt normal, jemanden so schnell in sein Herz zu schließen? Wohl eher nicht, er war sicher noch zu verwirrt von dem Unfall…

Langsam ging der Blonde Richtung Bad und fing an, sich um die Schmutzwäsche zu kümmern.
 

~*~
 

Shou seufzte. Sein Chef hatte ja eine tolle Laune. Er hatte ihn sofort gefragt, warum er so getrödelt hatte und wer der kleine Blonde da war. „Mein Halbbruder.“, hatte Shou schließlich gelogen, um sich nicht so viel anhören zu müssen. „Er ist krank, deshalb kümmere ich mich zurzeit um ihn, weil seine Eltern verreist sind.“ Sein Chef hatte nur misstrauisch geschaut, dann aber genickt und gemeint, er solle das nächste Mal trotzdem eher kommen. Sinnlos, dabei war er heute fast noch zu zeitig gewesen, aber nicht zu spät…

Wütend über den alten Fettkloß räumte Shou die neuen CDs ein. Musste der Kerl eigentlich immer alles wissen wollen? Oh man, er musste sich ablenken, irgendwie…

Seine Gedanken gingen zu Hiroto und automatisch musste er schmunzeln. Eben hatte er eine SMS bekommen gehabt, in der stand, dass der Kleinere gerade die Wäsche sortierte. Seine Art zu schreiben war genauso süß wie er selbst. Als Shou seine Gedanken bemerkte, errötete er. Warum nur fühlte er sich von dem anderen so angezogen? Bisher hatte er nur Partnerinnen gehabt. Okay, einen Mann mal, aber nur um’s mal auszuprobieren. Der Kerl war nicht der Renner gewesen, was wohl auch der Grund gewesen war, warum er dem eigenen Geschlecht abgeschworen hatte.

Aber bei Hiroto war das etwas anderes. Der andere war sanft und lieb, manchmal sogar ein wenig schüchtern, aber fröhlich und frei. Wenn man seine Lebensgeschichte dazu kannte, konnte man ihn nur bewundern.

Aber warum nur kehrten seine Gedanken immer wieder zu dem Kleineren? Warum bekam er solches Herzklopfen in manchen Situationen und warum…Gott nein, er hatte sich doch nicht verliebt, oder? Verdammt, der Kleine war doch noch ein halbes Kind, zumindest laut der Gesellschaft, die die japanische Volljährigkeit erst ab 21 abgab. Toll, in anderen Ländern wäre Hiroto längst erwachsen und müsste auch sicher nicht in irgendein Kinderheim.

„Hey! Träum nicht, die CDs räumen sich nicht von allein ein!“, wurden seine Gedanken mit einem lauten Brüllen unterbrochen. Erschrocken zuckte Shou zusammen, ehe er nickte. „Jaja, ist ja gut, ich mach schon weiter..“, nuschelte er lustlos und begab sich wieder an die Arbeit.
 

~*~
 

Gegen 18.00 Uhr war der Braunhaarige dann endlich auch erlassen von all dem Gequäle durch seinen Chef, denn er hatte endlich Feierabend. Glücklich machte er sich auf den Weg nach Hause und war auch eine knappe Stunde später da. Erwartungsvoll schloss er mit dem Zweitschlüssel die Tür auf und staunte nicht schlecht, als ihm ein angenehmer Bratengeruch entgegenschlug.

Blinzelnd zog er Mantel und Stiefel aus, stellte alles beiseite und tappte langsam zur Quelle dieses Duftes; der Küche. Dort sah er auch gleich einen blonden Haarschopf. Erleichterung machte sich in ihm breit. Der Kleinere war da, und entgegen seiner dummen Angst war er doch kein Einbrecher oder Räuber. Er machte sich echt zu viele Sorgen…

Hiroto werkelte vor sich dahin und drehte sich eher zufällig um und erblickte ihn. Erst schaute er sehr überrascht, ehe er zu strahlen begann und auf den Braunhaarigen zustürmte. „Du bist wieder da, wie toll!“, lachte er fröhlich und drückte Shou an sich, ehe er zu ihm auflugte. „Ich habe uns gebratene Ente auf Reis gemacht, ich hoffe du magst sowas…?“, unsicher musterte er den eben Heimgekehrten.

Dieser blinzelte fragend, bekam dann aber große Augen. „Wirklich? Oh ja, dass esse ich voll gern, mir brennt nur immer irgendwie was an, das ist wie verhext…“, grinste er verlegen, ging dann aber zum Herd. „Wow…das sieht ja fantastisch aus….“

„Ich hoffe mal, dass es auch so schmeckt.“, kicherte der Hiroto, wurde aber gleich wieder ernst.

„Ich habe deine Wäsche gemacht und diese anschließend eingeräumt. Ich hoffe, da ist alles richtig sortiert, schau einfach mal nach, ich war mir nicht ganz sicher… Dann habe ich die Badfenster, das kleine hier“, er deutete auf das Küchenfenster, „…sowie das vom Wohnzimmer und Schlafzimmer geputzt, außerdem habe ich dein Regal und noch einiges anderes Staubgewischt. Ach und gesaugt ist auch. Wenn also was von all dem schrecklich ausschaut, dann war das ich.“ Sein glockenhelles Lachen ertönte und brachte Shou zum Schmunzeln. „Ach was, das glaube ich eher nicht…“, meinte er gelassen und begann ihnen schon mal jedem ein Glas Saft, den er noch da hatte, einzugießen. Hiroto zauberte ihr wunderbares Essen noch fix auf die Teller und anschließend auf den Tisch, bevor sie auch schon Platz nahmen.

„Ich hoffe, es schmeckt dir…“, verlegen sah der Blonde ihn an. Shou nickte. „Aber bestimmt.“, lächelte er und nahm auch schon den ersten Bissen. Hiroto musterte ihn aufmerksam und neugierig, biss sich gespannt auf die Unterlippe. Shou schluckte. „Wo…wo hast du so gut kochen gelernt…?“, wollte er völlig verblüfft wissen. Fragend neigte sein Gegenüber den Kopf, ehe er sanft lächelte. „Von meiner Mama. Ich habe sie gefragt, ob sie es mir zeigt. Und da hat sie es mir beigebracht, mit viel Geduld und Liebe.“, erklärte Hiro leise, aß nebenbei weiter. Der Braunhaarige nickte. „Sie war sicher ein so lieber Mensch wie du.“. Daraufhin schüttelte der Jüngere den Kopf. „Viel, viel lieber. Wie ein Engel. Mein Papa war auch so…er war oft arbeiten, aber er war ein guter Mensch und hat immer versucht, Zeit für uns zu finden.“

In Erinnerungen schwelgend sah er auf seinen Teller. Shou hatte schon Angst, dass er jetzt wieder melancholisch oder traurig wurde, doch da sah Hiroto plötzlich auf, fragte ihn, wie sein Tag war. Erst war der Größere ziemlich überrascht über den schnellen Wechsel, dann aber begann er zu erzählen.
 

Als sie beide satt waren, räumten sie ab und sahen sich anschließend unsicher an. „Ehm…wenn du willst, kannst du duschen oder baden…und dann können wir ja noch etwas fern sehen oder schlafen gehen, egal. Wie du magst halt…“, schlug Shou vor.

„Also baden war ich gestern erst, eine Dusche reicht mir völlig. Aber Fernsehen zusammen klingt schön…außer du steckst mich doch schon ins Bett, so komisch wie du mich vorhin angeschaut hast, weil ich einmal genießt habe.“, stichelte Hiroto grinsend. „Na warte!“, lachte der Ältere, „Wenn du weiter so frech bist, dann steck ich dich wirklich ins Bett!“

Daraufhin huschte der Blonde übertrieben ängstlich quietschend ins Bad.

Shou lachte nur, ehe er den Kopf schüttelte. Was hatte er nur gemacht! Kaum hatte er den anderen gefunden und mitgenommen, war er viel fröhlicher geworden. Eigentlich war er ein optimistischer und fröhlicher Mensch, aber irgendwie hatte bisher etwas gefehlt...auch in der Wohnung hier. Sie wirkte gleich viel lebendiger, schöner.

Verträumt lächelnd schüttete er ihnen ein wenig Knabberzeug in eine Schüssel und stellte diese schon einmal vorsorglich auf den Wohnzimmertisch, legte noch zwei kuschlige Decken dazu.

Dann kam der Blonde auch schon recht schnell wieder. „Du kannst duschen, Shou.“, hauchte er sanft und stellte sich neben ihn, sah leicht zu ihm auf. Der Größere nickte leicht, „Mach es dir bequem und such dir einen Sender, der dir gefällt.“, mit diesen Worten verschwand er auch schon ins Bad.

Hiroto sah ihm nach, dann nahm er Platz und kuschelte sich in die Decke. Vorsichtig sah er noch einmal Richtung Badtür, ob Shou auch wirklich nicht mehr in der Nähe war, dann roch er vorsichtig an der Decke. Sie roch so gut…so nach Shou. Langsam tastete seine Hand zur Fernbedienung des Fernsehrs, schaltete diesen ein. Doch wirklich beachten tat der 18-jährige die Flimmerkiste nicht, er blickte zu dem großen Fenster hinaus in den Sternenhimmel, beobachtete die vielen Schneeflocken und träumte. Von Früher, von seiner Familie, vom Krankenhaus, von Shou, wie er ihn fand bis zum jetzigen Zeitpunkt. So viele Dinge, die in so kurzer Zeit geschehen waren… Er mochte Shou.

Nein, er hatte sich………hatte er sich verliebt…? Hiroto biss sich auf die Unterlippe. Das konnte er dem anderen doch nicht sagen. Er hatte schon überrascht geschaut, als er ihn zwei Mal umarmt hatte. Dabei kannten sie sich gerade einmal gut 2 ½ Tage. Konnte man sich da überhaupt verlieben?

Erschrocken quietschte der Blonde auf, als ihn etwas an der Schulter berührte. „Ganz ruhig Hiro…! Ich bin’s doch nur. Du…du sahst aus, als wärst du ganz weit weg…“, nuschelte Shou völlig verwirrt und selbst erschrocken.

„Oh….ach so…“, meinte nun auch der Sitzende, als er die Situation erfasste. Leise musste Shou lachen, ehe er sich zu Hiro setzte. „Schon eine Sendung ausgesucht?“ – „Ehm nein…irgendwie nicht…“, murmelte Angesprochener verlegen. Shou nickte nur, nahm die Fernbedienung und schaltete herum. Schließlich blieb er auf einem Sender, der gerade die Weihnachtsgeschichte brachte- beide mussten grinsen. „Ich kenne die zwar schon in und auswendig, aber ich finde die schön…“, erzählte der Ältere und erntete ein zustimmendes Nicken. Lächelnd legte er die Fernbedienung wieder weg, kuschelte sich in seine Decke und lehnte sich zurück.
 

Am Anfang noch konzentrierte Shou sich auf den Film. Dann aber schielte er immer wieder zu dem anderen. Als Hiroto ihn einmal genau im selben Moment ansah, blickten sie beide schnell verlegen wieder zum Fernseher. //Verdammt Shou, reiß dich zusammen, er muss ja sonst was denken!// Instinktiv nahm er die Schüssel mit den Chips auf den Schoß, nur um etwas zu haben, wo er sich festhalten konnte. Sein Blick war starr nach vorn gerichtet, auch wenn er den Film gar nicht mitbekam. In Gedanken griff er nach den Chips- und berührte etwas Warmes.

Als er verwundert hinschaute, sah er, dass es Hirotos Hand war. Vorsichtig sah er auf und blickte in das verlegene Gesicht des anderen. „Oh! Tut mir leid!“, meinte Shou hastig und zog die Hand weg. Hiroto betrachtete ihn, war immer noch rot. „Also…das…das hat mir nichts ausgemacht…“, hauchte er ganz leise, senkte den Blick schnell wieder. „Oh, na dann ist ja gut…“, murmelte Shou, der Fettnäppchentreter ohne es zu wissen. Der Blonde hatte sich gerade sehr überwunden, das zu sagen, und dann reagierte er so uninteressiert.

Die Welt war so unfair! Hiroto biss sich auf die Unterlippe. //Er…nein, er mag mich nicht…nicht soo wie ich es gern hätte. Er mag sicher hübsche Mädchen oder so…// Langsam zog der Jüngere die Knie an sich und schlang unter der Decke die Arme darum. Er hätte jetzt in Tränen ausbrechen können. //Nein, nicht heulen Hiro..!//, ermahnte er sich noch selbst.

Völlig durcheinander starrte Shou den Bildschirm an. Toll…hatte er gerade einen guten Moment zerstört? Oder nur eine Chance verpasst? Irgendwie… Sein Blick wanderte zu dem Kleinen, als er erschrak. „Hiroto? Oh Kami-sama! Warum weinst du?!“, schnell drehte er sich ganz zu ihm und strich ihm eine Träne weg. Der Blonde sah ihn nur verwirrt an, hatte er nicht einmal bemerkt, dass er wirklich begonnen hatte zu weinen.

Sanft strich Shou ihm weiter über die Wange, schaute den Jüngeren lange an. Er haderte mit sich- dann aber beugte er sich vor und leckte vorsichtig eine der Tränen hinfort. Hiroto, der nur leise geschnieft hatte, machte jetzt große Augen, ehe sich ein leichtes Rosa auf seine Wangen legte. Der Braunhaarige bekam davon nicht viel mit, erst, als er aufsah. Sein Blick traf den des 18-Jährigen und es lag etwas in der Luft, was er nicht beschreiben konnte. Lange sahen sie sich nur an, dann überwand Shou den letzten Abstand und seine Angst. Vorsichtig, beinah andächtig legte er seine Lippen auf Hirotos. Ganz langsam und forschend begann er sie zu bewegen und hoffte, dass Hiroto ihn nicht wegstieß.

Der Blonde saß wie erstarrt da. Gerade eben hatte er noch gedacht, Shou würde ihn rausschmeißen, wenn er sowas tun würde, und nun tat dieser es selbst…! Kurz blinzelte Hiroto, dann schloss er die Augen und erwiderte den Kuss- sanft, schüchtern, unsicher. Der Braunhaarige seufzte erleichtert, als er keinerlei Abweisung fand. Hieß das, Hiroto empfand etwas für ihn? Oder war er sich so seltsam unsicher wie er sich selbst? Nein, er sollte seine Gedanken nicht daran verschwenden, er sollte den Moment genießen. Er war dem Kleinen gerade so nahe, dass dieser sein schnell schlagendes Herz sicher hörte und spürte. Kami-sama waren diese Lippen weich…ob er Hiro aus der Reserve locken konnte? Er wirkte noch so…ängstlich.

Doch das änderte sich bald. Kurz darauf legte der Blonde eine Hand in Shous Nacken, kraulte zärtlich durch die Haare und zog ihn näher an sich heran. Er wollte den Moment ausnutzen- wer wusste schon, ob er jemals so wiederkam?

Irrwitzig spürte der Blonde eine Zunge an seinen Lippen. Kurz stockte er, dann zog sich ein Grinsen über seine Lippen. Der andere wollte spielen? Gut, er…er wollte dies erwidern. Auch wenn er immer noch ziemlich verlegen war. Vorsichtig öffnete Hiroto seine Lippen, gab dem Älteren den gewünschten Einlass und ließ ihn erst einmal seine Mundhöhle plündern. Shou strich über seine Zähne, dann spürte er dessen Zunge vorsichtig gegen seine stupsen. Der Braunhaarige tastete sich nur vorsichtig heran, er wollte wissen, was für Hiroto angenehm war und wie weit er gehen konnte.

Ganz langsam stupste der Jüngere zurück. Wie gut, dass er die Augen geschlossen hatte; die Scham wollte immer noch nicht ganz weichen.

Immer wieder umspielten sich nun ihre Zungen, am Anfang langsam und tastend, dann etwas schneller, immer verlangender werdend. Nach einer Weile schaltete sich allerdings Shous Gehirn ein und er merkte, was er tat. Wenn er sich nicht bremsen würde, dann würde er den Kleinen gleich…

Vorsichtig löste Shou den Kuss. „Wir…ich glaube wir…wir sollten lieber ins Bett…also schlafen gehen mein ich.“, korrigierte er sich schnell, damit der Blonde nichts falsch verstand. Dieser atmete wie er selbst schneller und war noch immer leicht gerötet- aber immer noch wunderschön wie ein Engel, zumindest in Shous Augen.

Hiroto jedoch blinzelte kurz verwirrt, bekam heftiges Herzklopfen, nur um kurz darauf sowas zu hören. „Oh…okay…“, murmelte er leise und nickte leicht deprimiert. Was hatte er sich erhofft? Vielleicht hatte Shou seinen ‚Fehltritt‘ ja gerade bemerkt und wollte ihm nun keine falsche Hoffnung machen… Langsam strich er sich die Decke von den Schultern und tappte Richtung Schlafzimmer davon.

Shou jedoch wusste von Hirotos Gedanken nicht. Er war verwirrt, und wusste gerade nicht weiter- er hatte den Kuss doch nur gelöst, damit er nicht noch über den Kleinen herfiel. Langsam fasste er sich an die Lippen. In seinem ganzen Körper kribbelte es und eine Wärme durchströmte ihn. Hatte er sich doch wieder verliebt? Innerhalb von 2-3 Tagen? In Gedanken versunken stand er auf und räumte die Schüssel weg, legte die Decken zusammen und schaltete den Fernseher aus. Dann ging auch er ins Schlafzimmer.

Es war bereits dunkel und Hiroto lag am äußersten Rand seiner Seite, tief zusammengekuschelt in seine Decke mit dem Rücken zu ihm. Noch abweisender hätte es im Moment nicht aussehen können. Doch daran war er ja sicher Schuld… Seufzend krabbelte Shou auf seine Seite, deckte sich zu. Eine Weile lag er nur so da, dann drehte er sich in Hirotos Richtung. Er wollte ihn ansprechen, aber wusste nicht, was er sagen sollte. Vielleicht schlief er ja auch schon…

Schließlich zog er ihn einfach nur sanft in seine Arme. „Schlaf schön, kleiner Engel.“, hauchte der Ältere, dann schloss er die Augen.
 

~*~
 

Auch am nächsten Morgen erwachte Shou mit dem fiesen Klingeln des Weckers. Seufzend sah er auf und wollte seinen Arm heben- allerdings viel ihm da etwas auf. Seine Arme waren beide um den Jüngeren geschlungen, während sich dieser an ihn gekuschelt hatte. Vorsichtig hob er einen Arm um den Wecker auszudrücken; dabei ließ er Hiroto nicht aus den Augen. Er sah wirklich aus wie ein Engel. Das blonde Haar hing ihm leicht ins Gesicht, die schönen Augen waren geschlossen und der hübsche Mund leicht geöffnet. Wie ein schlafender, friedlicher Engel.

Still und vorsichtig befreite Shou sich aus ihrer Umarmung, ohne den anderen zu wecken. Auf leisen Sohlen ging er aus dem Schlafzimmer, um sein morgendliches Ritual zu beginnen: Toilette-Duschen-Anziehen-Zähneputzen-Haare kämmen-Frühstücken. Doch als er gerade aus dem Bad kam, stand Hiroto schon in der Küche. Verblüfft ging er zu ihm.

„Guten Morgen, warum schon wach?“, wollte er verwundert wissen. Hiroto lächelte ihn an. „Das Bett war so leer und meine Wärmequelle verschwunden, da bin ich munter geworden~“, antwortete er froh und stellte ihnen ihr Frühstück auf den Tisch. Der Braunhaarige musterte ihn. Würde Hiro ihn noch einmal ansprechen wegen gestern Abend? Tat er nur so freundlich um die Situation zu überspielen oder hatte das gestern Abend für ihn keine Bedeutung gehabt? Shou seufzte leise; er wusste wie immer nichts, leider. Langsam setzte er sich zu ihm. Und dann, während sie aßen, unterhielten sie sich über Shous Arbeit. Ganz normal, wie letzten Morgen. Einerseits war Shou froh, dass keine Fragen kamen; er selbst traute sich auch nicht. Andererseits spürte er aber auch, dass da etwas Ungeklärtes in der Luft lag. Oder ging es nur ihm so? Egal, jetzt hieß es fürs erste Frühstücken.
 

Erneut brachte Hiroto ihn zur Arbeit. Der Blonde hatte fest darauf bestanden. Als Shou ihn fragte, was er denn heute allein machen würde, hatte Hiroto gefragt, ob er einkaufen gehen dürfe. Immerhin war der Supermarkt noch auf derselben Straße wo sie wohnten und der Kühlschrank war allmählich leer… Shou hatte zugestimmt, was den Jüngeren wiederum freute. Er hatte gemeint, er würde wieder etwas Schönes für sie kochen, wenn Shou von der Arbeit kam.

Schließlich standen sie vor dem kleinen CD-Laden und sahen sich an. „Dann….dann werd ich jetzt wohl mal einkaufen gehen…und nachher schau ich mir eine Sendung im Fernsehen an, die klang ganz interessant..“, meinte Hiroto verlegen und scharrte unruhig mit den Füßen im Schnee herum. „Gut, mach das…Pass bitte auf die auf, ja?“ – „Hai, mach ich. Ich schreib dir wieder eine SMS.“

Shou nickte und so lächelten sie sich eine Weile lang an. Dann aber überwand Hiroto sich, ging einen Schritt auf den Älteren zu und küsste ihn kurz. Doch so schnell, wie der Kuss begonnen hatte, endete er auch wieder; Hiroto rief mit geröteten Wangen „Also…bis später~“, und eilte um die nächste Ecke davon.

Shou starrte ihm einfach nur nach. Er war gerade ein wenig überrascht, verwirrt- aber er freute sich auch irgendwie. War…war das gerade eben so zu verstehen, wie er es annahm? Hiroto hatte ihn geküsst. Mochte der Jüngere ihn doch? Langsam legte er die Finger an seine Lippen und ging in Gedanken versunken in den Laden.

„Was war das denn eben?! Ich dachte das ist dein Bruder und nicht dein Geliebter?“, ging ihn auch gleich sein neugieriger Chef an. Shou schnaubte in Gedanken. Der alte Fettsack hatte seine Augen und Ohren wirklich überall!

„Das ist er ja auch, mein Bruder. Er verabschiedet sich nur immer so.“, murmelte Shou lustlos vor sich her und tappte in den Hinterraum um sich seine Arbeitskleidung anzulegen. „Immer? Gestern aber komischerweise nicht.“, rief ihm sein Chef aber nach und ging ihm hinterher. Geht’s noch? Wollte der Typ ihm noch beim Umziehen zuschauen oder was sollte das werden?!

„Gestern war er ja auch noch erkältet. So, genug ausgefragt, darf ich mich jetzt umziehen?!“, er wartete die Antwort gar nicht ab sondern zog den Vorhang wütend hinter sich zu.
 

~*~
 

Den ganzen Tag über hatte er sich öfters mit seinem Chef angelegt. Komisch…früher hatte er immer nur gelächelt und dem Mann in allem Recht gegeben, damit dieser ihn nicht rauswarf. Heute wäre er sogar fast glücklich gewesen, rauszufliegen, so seltsam das auch klang. Nie zuvor hatte er sich mit dem Kerl angelegt. Aber irgendwo war es auch gut, denn Frust der ganzen Jahre auszulassen.

Seufzend steckte Shou den Schlüssel ins Schloss und öffnete nach einer Umdrehung die Tür. Sofort strömte ihm der Geruch von leckerem Essen entgegen und ließ ihn lächeln. Da war er, sein erholsamer Abend. Mittlerweile hatte er sich schon regelrecht daran gewöhnt. Verrückt, wenn man bedachte, wie kurz sie sich erst kannten. Aber egal, das hier und jetzt zählte, nicht, ob andere es für gut hielten oder nicht. Erwartungsvoll ging er hinein- und musste lachen, als er Hiroto erblickte. Der Blonde hatte Essen auf dem Herd, hockte allerdings erwartungsvoll vor dem Backofen. Er hatte sich eine Schürze umgebunden und seine Haare waren ebenfalls mit Kopftuch bedeckt. An seiner Wange klebte…war das etwa Teig?

„Hiro? Ich bin wieder da.“, machte Shou sich dann mal schmunzelnd bemerkbar. Der Jüngere sah überrascht auf, und sprang gleich auf ihn zu. „Wie schön!“, gerade wollte er Shou an sich drücken, doch dann ließ er es lieber mit einem Blick auf seine Sachen. Der eben Heimgekehrte musste lachen. „Was machst du denn hier schönes?“, fragte er neugierig mit einem Nicken zu den Mehlresten an der Schürze. Hiroto folgte seinem Blick, lächelte schief. „Naja, mir war langweilig…und an deinem Dienstplan hab ich gesehen, dass du morgen frei hast. Deshalb back ich uns gerade einen Kuchen für morgen Nachmittag.“, erklärte er. Nun bekam Shou große Augen. „Wirklich? Oh schön…bei dir werde ich wirklich gesund ernährt~“, grinste er. Sofort nickte der Blonde. „Aber natürlich! Was anderes kann ich leider nicht für dich machen…“, gegen Ende wurde er immer leiser und senkte den Blick. Shou wollte schon etwas sagen, doch da meinte Hiroto: „Ah, unser Essen! Wenn du willst, kannst du den Tisch decken Shou, das habe ich völlig vergessen!“, schnell wendete er sich wieder ihrem Abendessen auf dem Herd zu. Shou nickte nur, nahm sich Teller und Besteck und tappte nebenan zum kleinen Tisch. Schweigend stellte er alles ab und sah sich um. Sollte er…? Sein Blick fiel zu Hiroto. Seine Küche war noch einmal getrennt vom Wohnzimmer, aber von einer breiten Küchentheke in Form eines länglichen Fensters aus konnte man gut hierher blicken, Essen durchreichen und das ganze zur Bar umfunktionieren. Ein Luxus, den Shou sich geleistet hatte. Aber jetzt gerade war es eher ungünstig, wenn Hiroto ihn sah. Oder aber…nein, der Kleinere war gerade zu sehr mit seinem Essen beschäftigt. Er würde ihn nicht mitbekommen. Ein Lächeln legte sich auf Shous Lippen. Fix ging er zu dem Schrank und holte die Weinflasche heraus. Ok, er wusste nicht, ob Hiroto das überhaupt trank, wenn nicht, dann goss er ihm eben roten Traubensaft ein. Das sah dann auch bloß so aus… Aber jetzt probierte er es erst einmal so. Leise holte er noch zwei Weingläser und stellte eine große Kerze auf den Tisch, zündete diese an. Dann machte er das Licht aus und ging zu Hiroto.

„Sag mal, ist es eben dunkler gewor-…?“, begann dieser, doch Shou stellte sich schnell mit dem Rücken zur Theke vor ihn, damit Hiroto nicht schon den Tisch sah. „Was? Ach was~ Ist das Essen schon so weit?“ – „Ja, warte…“, lächelnd begann der Blonde ihnen alles auf die Teller zu geben. Dann wollte er schon rübergehen, doch Shou nahm ihm die beiden Teller elegant ab und ging vor. Blinzelnd sah der Kleinere ihm nach, ehe er ihm vorsichtig hinterher tapste. Als er den Tisch erblickte, verschlug es ihm für einen Moment die Sprache. Shou lächelte ihn an. „Ich weiß, sieht nicht besonders toll aus, da fehlt hier und da was und ein Strauß Rosen wäre vielleicht cool…“, grinste er leicht mit einem verträumten Blick auf den Tisch, „Aber das war alles, was ich noch hatte. Ich hoffe du trinkst Wein? Wenn nicht, hab ich auch Traubensaft oder sowas da…“

„Ich….also…es ist wunderschön so…danke Shou.“, hauchte Hiroto, ehe er ihn verlegen ansah. „Und…was verschafft mir die Ehre...?“, fügte er leiser hinzu.

Nun wurde der Ältere nervös, schluckte leicht. „Naja, ein bisschen Gemütlichkeit…so kurz vor Weihnachten~“, lachte er verlegen. Hiroto ließ mehr als überdeutlich den Kopf hängen. „Ach so…ich dacht schon was anderes…“, murmelte er vor sich her und nahm seufzend Platz. Der Braunhaarige schwieg, setzte sich zu ihm und sie begannen beide zu essen. Währenddessen sprach keiner ein Wort.
 

Als sie fertig waren, sah Shou vorsichtig zu dem anderen. „Und…wenn es anders gedacht war?“, antwortete er auf Hirotos Gemurmel vor dem Essen.

„Wie meinst du-…kommt drauf an, wie es gedacht war…“, murmelte Hiroto unsicher und sah auf. „Hiroto?“, begann Shou leise und stand auf. Angesprochener war jetzt völlig verunsichert und erhob sich ebenfalls, um sich nicht noch kleiner vorzukommen. „Hör zu…“, sanft ging der Ältere auf ihn zu und ergriff seine Hände. „Ich weiß, wir kennen uns nicht wirklich lange…aber ich…ich mag dich wirklich sehr. Ich hätte nicht gedacht, dass das nach meiner letzten Beziehung nochmal so klappt…also ich will dir keine Angst machen, aber…“, nervös biss Shou sich auf die Unterlippe, ehe er den Blick hob. „Du bist ein so wundervoller Mensch, Hiroto…Ich…ich habe mich in dich verliebt.“
 

Die Augen des Blonden weiteten sich, ehe er Shou einfach nur anstarrte. Hatte er da gerade richtig gehört…? Er konnte gar nichts sagen im Moment, er war noch völlig überrascht aber auch glücklich, doch das schien Shou falsch aufzufassen. „Es t-tut mir leid, wenn ich dich damit überfordere…und das ich kein Mädchen bin weil du vielleicht gar nicht auf Männer stehst und dass ich so alt bin und-“

„Nein!“, stoppte Hiroto ihn schnell mit einem kurzen Kuss. „Shou, du musst dich nicht entschuldigen, wirklich…Ich…weißt du, ich habe mich in dich verliebt, als ich dich das erste Mal sah. Als du mich gerettet hast…Alles war grau und düster, nur dein Gesicht hat mich angestrahlt. Du schienst mir wie ein Schutzengel in dem Moment. Und dann hast du mich so liebevoll aufgenommen. Ich finde dich wirklich toll, du bist so sympathisch und lieb…aber du hast immer so seltsam reagiert und da du von deiner Freundin erzählt hast, dachte ich, du würdest mich sowieso nie toll finden…aber jetzt das…du machst mich so glücklich Shou…und du bist mir keinesfalls zu alt.“, gestand er mit einem Schmunzeln am Ende. Nun musste auch der Ältere lächeln. Ihm viel echt ein Stein von Herzen…

„Also…heißt das, du bleibst bei mir…?“, fragte er vorsichtig. Der Kleinere strahlte ihn an. „Natürlich, solange du mich noch haben willst~“, schmunzelnd schmiegte er sich an Shou. „Ab sofort will ich dich immer haben…“, flüsterte er und zog Hirotos Kinn sanft zu sich, küsste ihn zärtlich. Der Blonde lächelte in den Kuss. Nun würde das Leben ihn vielleicht einmal glücklich werden lassen?
 

~*~
 

Und so vergingen die Tage. Mittlerweile waren die beiden fast zwei Wochen zusammen und Weihnachten rückte immer näher. Heute holte Hiroto Shou ab. Er hatte lange überlegt, ob er das machen sollte wegen Shous Chef, aber dann hatte er sich doch dafür entschieden. Der Blonde hoffte einfach, dass Shou sich darüber freuen würde.

So viel hatten sie mittlerweile erlebt. Auf dem Weihnachtsmarkt waren sie gewesen, quer durch die Stadt und hinaus aufs Land, hatten Shous Großmutter besucht. Die Dame war wirklich reizend gewesen. So liebevoll und süß und völlig damit einverstanden, dass Shou einen Mann liebte. ‚Warum denn nicht? Die letzte war sowieso nix für dich Junge.‘, hatte sie gemeint und anschließend für sie Weihnachtskekse gebacken. Ja, das war einer der Schönsten Tage in Hirotos Leben gewesen. Aber eigentlich war jeder Tag einer der Schönsten, seit er den Braunhaarigen hatte.

Erwartungsvoll ging Hiro Richtung CD-Laden. Der Abend sollte wundervoll werden. Er hatte ihnen wieder etwas Leckeres gezaubert, das er nur nochmal dann fix warm machen müsste. Dann war der Tisch romantisch dekoriert… Oh ja, Hiroto hatte sich sehr viel Mühe gegeben. Er erhoffte sich insgeheim, dass sie sich heute näher kommen würden. Sie kannten sich nun schon eine ganze Weile.

Okay, zwei Wochen waren keine ganze Weile, aber manch andere Menschen brachten es schon nach fünf Minuten fertig, zusammen im Bett zu landen…

Doch darum ging er Hiroto gar nicht. Er wollte einfach nur, dass sie sich wirklich näher kamen. Dass er Shou betrachten und berühren konnte und dieser mit ihm dasselbe tat. Dass sie sich küssten und…naja…miteinander schliefen.

Hiroto lief rot an bei dem Gedanken. Würde Shou das überhaupt wollen? Hatte der Ältere jemals schon mit einem Mann…? Sollte er ihm dann vorher gestehen, dass er da wirklich überhaupt keine Erfahrung hatte? Weder mit Frauen noch mit Männern? Vielleicht würde Shou ihm ja alles beibringen können…wenn er es denn wollte. Vielleicht wollte er auch gar nicht mit ihm schlafen…

Schluckend sah Hiroto auf und bemerkte, dass er fast direkt vor dem Laden stand. Schnell ging er außer Sichtfeld um die nächste Ecke und wartete. Schließlich kam Shou auch endlich heraus. Der Braunhaarige klappte gerade seine Tasche zu und schulterte sie noch einmal ordentlich, ehe er direkt in Hirotos Richtung lief. Ein Stück noch ließ er ihn näher kommen, dann trat der Blonde aus dem Schatten. „Shou!“, lächelte er ihn glücklich an. Der Ältere blieb verwundert stehen und blinzelte, ehe er sein Lächeln erwiderte und die Arme ausbreitete, in die sich der Kleinere gleich warf. „Was machst du denn hier?“, fragte Shou schmunzelnd, küsste seinen Schatz liebevoll. Hiroto erwiderte diesen und sah ihn zärtlich an. „Ich wollte dich abholen, ich hab dich vermisst…“, nuschelte er, wodurch der andere ihn gleich enger an sich drückte. „Na dann lass uns schnell nach Hause, hier ist es kalt...Nicht, dass du dich wieder erkältest.“ Hiroto nickte nur und verdrehte die Augen. Das warf ihm der Ältere bis heute noch vor und wahrscheinlich würde er es wohl auch noch lange…
 

~*~
 

Vorsichtig schielte Hiroto zu Shou. Sie hatten gerade gemeinsam gegessen und der andere hatte ihn gelobt, wie sehr es ihm wieder geschmeckt hatte. Der Blonde hatte sich gefreut. Er konnte so wenig für Shou tun, deshalb freute er sich, wenn er dem anderen denn mal einen Gefallen tat.

Aber nun handelte er auch ein wenig eigennützig. Sie saßen zusammen auf dem Sofa und schauten wieder die Weihnachtsgeschichte, wenn auch eine andere Version als das letzte Mal. Aber sie hatten von dem letzten Film ja nicht wirklich viel mitbekommen gehabt. Und wenn Hiroto ehrlich zu sich selbst war, bekam er davon gerade auch nicht so viel mit. Er beobachtete lieber still den Älteren und überlegte, wie er seinen Plan erfüllen konnte.

Kurz blickte er vor zum Fernseher, dann wieder zu Shou. Der Braunhaarige erwiderte seinen Blick sanft, lächelte ihn an. Hiroto lächelte nur zurück und trat sich gedanklich gerade. Warum war er nur immer so feige? Okay, er konnte jetzt offener mit dem anderen über seine Gefühle reden, aber wenn Shou ihn zum Beispiel in der Öffentlichkeit küsste, dann wurde er wieder verlegen und rot vor Scham. Und hier…hier war es genauso… Er konnte doch nicht sagen ‚Schlaf mit mir‘ oder?

Shou riss ihn sanft aus seinen Gedanken, indem er seine Hand in Hirotos Nacken wandern ließ und den Kleineren sanft kraulte. Überrascht sah er auf- und blickte in diese wundervollen Augen, die ihn jeden Tag aufs Neue in ihren Bann zogen. Vorsichtig beugte Shou sich herab und legte seine Lippen auf Hirotos. Dieser lächelte sanft, schloss die Augen und erwiderte den Kuss. Seine Hände wanderten zu Shous Brust, wo er sie ruhen ließ. Der Ältere währenddessen zog ihn richtig in seine Arme. Und nun fasste Hiro ein wenig Mut.

Schüchtern schob er seine Zunge vorwärts und strich damit sanft über Shous Lippen. Dieser wirkte erst verwundert, ehe er die Lippen für ihn öffnete- und kurz darauf in einen kleinen Kampf verwickelt wurde. Zuerst noch vorsichtig und schüchtern, dann immer leidenschaftlicher und verlangender. Schließlich drängte Shou ihn leicht zurück in die Kissen, krabbelte über ihn. Ein Keuchen verließ ihre Münder fast synchron, ehe ihre Lippen wieder zueinander fanden. Hiroto war süchtig nach ihren Küssen. Lange hielten sie den Kuss aufrecht, doch dann konnte Hiro nicht mehr, denn ihm wurde allmählich warm…oder vielmehr heiß. Seine Beine schlangen sich um Shous Hüften und drückten ihn an sich. Die Röte schoss in seine Wangen. Ob der andere spürte, dass er…?

Schwer atmend löste Shou den Kuss und sah verwundert zu ihm auf. „Hiroto…“, keuchte er und strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht. „Seit wann so fordernd?“, schmunzelte er.

Der Blonde biss sich auf die Unterlippe. „Shou ich…ich möchte dir nahe sein…so richtig nahe..“, stammelte er leise und sah ihn unsicher an. Der oben liegende blinzelte, schien aber nicht zu verstehen. „Aber du bist mir doch schon nahe…“, murmelte er verwirrt. Hiroto hätte sich gegen die Stirn schlagen können. Manchmal war der andere echt süß, wenn er so einfältig war, andererseits war es im Moment gerade eher störend.

„Ich…ich mein eigentlich was anderes…“, nuschelte Hiroto und sah zur Seite, atmete tief durch und blickte ihn wieder an. „Ich möchte mit dir schlafen.“

Nun starrte der Ältere ihn fast schon perplex an, wodurch Hirotos Gesichtsfarbe sich nicht unbedingt besserte. „Aber Hiroto…du…ich…“ – „Aber was Shou? Bin ich dir zu jung..? Zu unerfahren? Bitte rede dich nicht immer heraus… ich möchte das wirklich, ich…ich möchte dich berühren und mich berühren lassen. Nur von dir allein, niemand anderen. Wir duschen ja nicht einmal zusammen…Ich komme mir immer vor, als würde ich dir nicht gefallen…Und jetzt sag nicht wieder, ich wär ein Kind und das illegal…wir sind schon die ganze Zeit illegal, weil ich bei dir wohne. Und mit 18 bin ich nicht wirklich mehr ein Kind.“

Shou betrachtete ihn lange. Er dachte ernsthaft darüber nach, ergab sich dann seufzend. „Hast du schon…mit einem Mann geschlafen?“, es war peinlich, dass sie sich bisher nie darüber unterhalten hatten, er hatte da wohl wirklich was verpasst, der andere schien sich damit wohl schon eine Weile herumzuplagen.

„Nein…nicht mal…mit Frauen…“, stammelte Hiroto unsicher, aber fügte schnell etwas hinzu, bevor Shou Ausreden fand: „Aber ich möchte das wirklich…mit dir zusammen…bitte..aber nur, wenn du auch willst, ich kann dich ja wohl schlecht zwingen.“

Unsicher wog Shou alles noch einmal ab. Aber als er in Hirotos Augen blickte, konnte er gar nicht anders, als zu nicken. „Okay. Ja…ich möchte auch…sehr gerne. Aber ich glaube, es ist schöner, wenn wir nebenan gehen…“, damit hob er den blonden Engel auch schon hoch und trug ihn ins Schlafzimmer, lehnte die Tür an, ehe er über ihn krabbelte. Lange sahen sie sich nur verliebt in die Augen, dann küsste Shou ihn zärtlich. Ob sie jemals die Weihnachtsgeschichte zu Ende sehen würden?
 

~*~
 

Als Hiroto am nächsten Morgen aufwachte, war er allein im Bett. Er schmunzelte. Shou hatte ihm gestern Abend erzählt, dass er heute eher aufstehen müsse, weil der Laden eine größere Lieferung an CDs, etc. bekam. Wahrscheinlich hatte er absichtlich so leise gemacht, sodass Hiroto nicht aufwachte.

Der Blonde streckte sich. Ah, er hatte Muskelkater… erneut stahl sich das Schmunzeln auf seine Lippen. Dann rollte er sich herum und strich über Shous leere Seite, schnupperte leicht an dem Kissen. Als er an gestern zurückdachte, wurde ihm ganz warm und die Röte kehrte in seine Wangen zurück. Sie hatten sich geliebt; ganz zärtlich und liebevoll. Irgendwie war Shou am Anfang ja der nervösere gewesen, doch nach einer Weile war er es dann gewesen. Doch Shou hatte ihm Mut gemacht und ihm gezeigt, wie sehr er ihn liebte. Es war der wundervollste Abend in Hirotos Leben gewesen. Nie hätte er sich vorgestellt, dass es solchen Spaß machte. Vor allem hatte er auch nie zuvor jemanden so nah an sich herangelassen… Aber Shou konnte er vertrauen. Das wusste er nun deutlicher als je zuvor.
 

~*~
 

Irgendwie konnte Shou sich heute gar nicht richtig zum Arbeiten aufraffen. Zumal die eh bloß aus Kisten vom LKW in den Laden tragen bestand. Nein, seine Gedanken waren wo völlig anders…bei Hiroto.

Der Kleinere hatte ihm gestern ein wunderschönes Essen gezaubert und dann…ja dann beim Fernsehen war es so über sie gekommen. Shou hatte sich lange überlegt, was er da tat. Hiroto war völlig unerfahren…wollte er da wirklich das erste Mal jemanden so alten wie ihn? Nein, Hiroto hatte ihm gesagt und gezeigt gehabt, dass er ihn liebt. Darauf hatte Shou sich dann verlassen und war nicht enttäuscht worden. Der Abend war wunderschön gewesen, er erinnerte sich gern daran zurück. Er hätte zwar lieber bis Weihnachten gewartet, aber gestern war genauso wundervoll gewesen. Eine Erinnerung ließ ihn besonders lächeln. Hiroto hatte seine Kette bisher nicht einmal abgenommen. Nicht einmal letzte Nacht.

Shou sah sich vor dem Laden um. Es lag noch immer Schnee. Ob dieser bis Weihnachten bleiben würde…? Er sollte mit Hiroto unbedingt noch einmal rodeln gehen…

„Träum nicht! Dafür bezahl ich dich nicht!“, fuhr ihn plötzlich eine Stimme an. Sofort drehte der Braunhaarige sich um, blickte seinen Chef nur böse an, machte aber weiter. Wie er den Typen doch hasste! Seit Hiroto ihn brachte und abholte, war der Typ immer schlimmer geworden… Seine Kollegen waren der Auffassung, dass der Alte Weihnachten hasste und deshalb in dieser Zeit immer so drauf war. Kôi, sein einer Kollege, erzählte fast täglich, dass er dem Mann mal noch den Hals umdrehen würde. Shou stellte sich schon innerlich vor, wie es war eines Tages auf Arbeit zu kommen und die Polizei davor zu finden…
 

Das Klingeln seines Handys riss Shou aus seinen Gedanken. Huch, wer konnte das sein…? Ein Blick auf das Display sagte ihm, dass das Hiroto war, der da anrief. Aber warum? Der Kleine hatte ihn noch nie angerufen auf Arbeit, er kannte die Zeiten doch…. Kurz sah er sich um, dann ging er einfach ran.

„Hiroto?“

„Shou, du musst…helfen…“

Der Braunhaarige blinzelte. „Bitte was? Ich versteh dich so schlecht Schatz.“

„Hier…an der Tür….Frau vo…Jugendamt….bitte!“, rauschte es ihm entgegen.

Shou hatte etwa nur die Hälfte verstanden, doch das reichte. Panisch klappte er das Handy zu. „Scheiße!“ – Das konnte doch nicht wahr sein, hatten sie ihn gefunden? Aber wie?! Oder was sollte das bedeuten?!

„Hey, jetzt telefonierst du auch noch während der Arbeit?! Das wird ja immer schöner hier!“

„Chef, ich hab ein Problem!“

„Ja, gleich wirst du eins haben, mein lieber Freund!“

„Nein, ein Echtes, ich muss dringend heim…“, Shou zog sich schon halb seine Arbeitsweste aus.

„Was? Nein, du bleibst hier! Ich verbiete es dir! Hörst du?! Ich schmeiß dich raus!!!“

Es reichte.

Der 24-Jährige drehte sich um.

„Nein! SIE hören jetzt MIR mal zu! Ich habe mich jahrelang rumkommandieren lassen, jetzt reicht es mir! Ich kündige; stecken sie sich ihren Mist sonstwo hin!!“, mit diesen Worten knallte er ihm die Weste vor die Nase, schnappte sich seine Tasche und Jacke und stürmte aus dem Laden. Er hatte wichtigeres zu tun, als dem Typen weiter hinterher zu schleimen.
 

So schnell es ging machte Shou sich auf den Weg nach Hause. Dass er dabei mehrmals fast umgefahren wurde, bekam er kaum mit; für ihn zählte nur eins: Hiroto. Er hoffte, dass der Kleine noch da war und er sich geirrt hatte, vielleicht war es ja nur die Vermieterin gewesen oder so…

Hastig nahm er den Fahrstuhl und stolperte dann schon regelrecht heraus und auf seine Haustüre zu- und dort stand wirklich eine Frau. Diese sah auch gleich auf, als er näher kam.

„Hallo Herr Kazamasa. Wohnen Sie hier?“ – „Ehm ja, wieso?“, stellte er sich dumm.

„Ich komme vom Jugendamt. Uns ist vor etwa 2-3 Wochen einer unserer zu Betreuenden aus dem Krankenhaus verschwunden. Seitdem sind wir überall auf der Suche nach ihm und fragen uns durch alle Häuser. Ihre Vermieterin meinte nur, sie wüsste davon nichts, aber sie hätte Sie einmal mit einem Mann gesehen, auf den die Beschreibung zupasst. Deshalb wollte ich das prüfen. Kennen sie Herrn Hiroto Ogata?“

Verdammt, und was jetzt?! Am besten dumm stellen….

„Wissen Sie, ich-“

„Ist schon okay. Ich bin hier.“

Entsetzt drehte Shou sich zu seiner Tür um, die aufgegangen war. Sein blonder Engel stand darin und sah unsicher zu ihm, dann zu der Frau. „Ich bitte Sie, er-“

„Ich in an allem schuld.“, unterbrach ihn Hiroto und ging auf die Frau zu. „Er hat mich gefunden und ich habe ihm gesagt, ich sei schon 21…“

Erschrocken riss der Ältere die Augen auf. Warum tat Hiroto das?!

„Glauben Sie ihm kein Wort; ich wusste, dass er noch minder-“

„Nein Shou, wusstest du nicht. Ich hab dich angelogen, ich bin erst 18. Er kann wirklich nichts dafür, tun sie ihm nichts, ich…ich komme auch mit.“

„WAS?!“, Shou war nun endgültig verwirrt. Warum deckte Hiroto ihn?! Wenn er irgendwelche angeblichen Straftaten begangen hatte mit ihrer Beziehung, dann wollte er dafür auch gerade stehen!

„Gut…ich bin froh, Sie wiedergefunden zu haben, Sie haben uns allen schreckliche Sorgen gemacht…Wir werden wohl nicht drum herum kommen, Sie noch einmal im Krankenhaus vorsorglich untersuchen zu lassen….“

Wie einem kleinen Kind hatte sie Hiroto die Hand auf den Rücken gelegt und schob ihn langsam immer weiter Richtung Fahrstuhl.
 

Shou war total gelähmt. Er wusste gar nicht, was er machen sollte. Seine Beine versagtem ihm den Dienst, wollten nicht laufen, nicht gehen, bis sie ihm schließlich wegklappten und er auf den Boden sank. Aus seinem Mund, woher zuvor auch kein Ton drang, kam jetzt ein schmerzhaftes Schluchzen. Dann wurde sein Körper schon von schrecklichen Weinkrämpfen geschüttelt.

Warum hatte er das getan? Warum hatte er ihn nicht beschützen können? Er liebte ihn doch! Und da ließ er zu, wie Hiroto, sein kleiner Engel, alles auf sich nahm und ihm weggenommen wurde? Es war so schnell gegangen….nichts hatte er tun können für ihn!

Jetzt schallten ihm wieder die Worte durch den Kopf, die Hiroto ihm gestern Abend mit leuchtenden Augen gesagt hatte: „Noch 3 Jahre Shou, dann können wir alles offiziell zusammen machen. Dann brauchst du mich nicht mehr verstecken.“

Und nun? Was war nun? Wenn er dort hin ging…er konnte ja wohl kaum die Vormundschaft für ihn beantragen! Da machte er sich ja erst Recht strafbar wenn…aber wenn er nichts tat, dann…war das wahr? Würden sie sich jetzt drei Jahre lang nicht mehr sehen? Oder gar nie wieder?

Seine Jackentasche vibrierte. Schluchzend nahm er das kleine Handy heraus und las die SMS, die ihn erreicht hatte:
 

»Es tut mir leid. Aber es war besser so. Ich liebe dich.«
 

War es das? War es das wirklich gewesen? Vor ein paar Tagen noch hatte Shou gedacht, der frühe und viele Schnee dieses Jahr hätte ihm all das gebracht, was er sich gewünscht hatte; alles, was er zum Leben brauchte. Doch dem war nicht so. Er hatte alles verloren. Er stand ohne Arbeit da und das viel schlimmere: Er hatte seinen geliebten Engel verloren.
 

~*~
 

24. Dezember; Heiligabend
 

Noch immer lag Schnee.

Sogar noch mehr als am Anfang. Vor ein paar Wochen hatte er auch schon hier gesessen.

Da hatte er, wie heute die Schneeflocken bewundert. Doch irgendwie konnte er sich heute nicht besonders darüber freuen, sonst schaute er sich die kleinen Kristalle gern an. Aber heute war ihm nicht danach.

Heute war Weihnachten.

Die Straßen waren leer, weil die Leute zu Hause bei ihren Familien waren. Zumindest hier in dem Gebiet. Weiter drüben, mehr in der Innenstadt war natürlich auch Weihnachten Betrieb. Aber ansonsten versuchte man, bei seiner Familie oder seinem Partner zu sein. Wo Shou auch hinsah…überall waren junge Paare gewesen. Es hatte ihm schrecklich weh getan, das mit anzusehen. Deshalb war er hier in seinen Park geflohen. Bei dem hohen Schnee und der Kälte war hier niemand und er hatte seine Ruhe. Hier konnte er wenigstens allein sein und weiter vor sich hin deprimieren.

Mittlerweile hatte Shou wieder Arbeit. Er arbeitete nun in einem Laden für Musikinstrumente und hatte viel Spaß an seinem Job. Doch etwas fehlte.

Sein leerer Blick schweifte hinab zu dem vereisten See. Dort hatte alles seinen Anfang genommen. Dort hatte er seine…..war es die Liebe seines Lebens? So dumm es klang, aber wahrscheinlich ja. Er hatte nie zuvor bei irgendjemand anderen so etwas gespürt. Er hatte viele wirklich tolle Freundinnen gehabt, wo es dann auch irgendwie freundschaftlich auseinander gegangen war. Aber so toll wie Hiroto…so jemanden hatte er nie zuvor kennen gelernt. Er war einmalig und Einzigartig. Sein Engel.

Stumm betrachtete er den Schnee vor dem See. Dort hatte er gelegen…Vor ein paar Wochen, an jenem Tag dachte er noch, er wäre tot…und kurz darauf hätte er ihn am liebsten nur ins Krankenhaus geschafft und wäre verschwunden… Aber das es so endete, wer hätte das gedacht?

Hiroto war aus dem Krankenhaus geflohen. Letztendlich hatte man ihn doch geschnappt… Shou fragte sich oft, was gewesen wäre, hätte er die Frau an jenem Nachmittag fortschicken können, ohne dass Hiroto heraus gekommen wäre. Hätten sie dann Ruhe gehabt? Oder wären sie so oder so irgendwann aufgeflogen?

Egal, jetzt ließ es sich nicht mehr ändern… Traurig schloss er die Augen. „Frohe Weihnachten Shou…“, flüsterte er sich selbst ironisch zu.
 

Kurz darauf spürte er zwei kalte Hände über den Augen. Er wollte schreien, doch da spürte er ein paar weicher Lippen an seinem Ohr. „Schhht….Ich bin es doch nur. Oder hast du mich etwa schon vergessen?“ Shou konnte das Schmunzeln in der Stimme fast schon heraushören und -sehen. Aber das zählte gerade nicht für ihn. Sein Mund klappte langsam auf und zu, dann biss er sich auf die Unterlippe.

„Bist…bist du es wirklich…?“

„Wer denn sonst?“, schmunzelte es noch immer.

„Wie hast du mich gefunden…?“

„Das war nicht schwer. Du warst nicht zuhause, da konnte ich mir eins und eins zusammenzählen, nachdem du auch nicht im CDladen warst.“

„Aber….aber wie bist du…du bist doch…“

„Das ist eine lange Geschichte… Kurzform: Meine Tante hat meine Vormundschaft übernommen. Und sie hat mir erlaubt, zu dir zu ziehen. Ist schon alles geklärt. Ich gehe auch bald hier in der Nähe zur Schule. Überraschung, oder?“

„Was?!“, Shous Augen weiteten sich unter den kalten Händen.

Ein glockenhelles Lachen ertönte.

„Ja! Freust du dich nicht?“

„Doch aber…ich dachte…“

„Du dachtest was? Ich hätte dich vergessen? Oh man Shou. Ich vergess dich doch nicht in den paar Wochen, die wir getrennt waren. Dafür habe ich schon zu viel mit dir geteilt. Außerdem liebe ich dich.“

Langsam löste Hiroto seine Hände und trat um den Braunhaarigen herum, setzte sich auf dessen Schoß. „Ich…ich habe kein Geschenk für dich, Hiro…“, hauchte er leise und drückte ihn sanft an sich. Er wollte ihn nie mehr loslassen. „Du Dussel, ich brauche kein Geschenk, ich habe ja selbst nicht einmal eins für dich.“, lachte der Kleinere. „Ich brauche nur dich Shou, dass reicht mir völlig.“

„Fröhliche Weihnachten, goldblondes Engelchen.“

„Fröhliche Weihnachten, mein Schutzengel von damals an.“

Sanft fanden ihre Lippen zueinander.

Wenn das kein schönes Weihnachtsfest werden sollte, wusste Shou auch nicht weiter. Er war überglücklich und konnte es noch immer nicht wirklich fassen.
 

Der Schnee hatte ihm also doch geholfen, glücklich zu werden…
 


 

~*~
 

*10 Yen = ca.0,076–0,079€(Stand: 17.12.09; Quelle: http://www.bankenverband.de/waehrungsrechner/)
 

So, ist das auch geschafft!

Ich hatte jetzt so Zeitdruck, noch vor Weihnachten fertig zu werden…naja, gerade so geschafft, auf den letzten Pfiff xD“

Die FF entstand mehr als ZwischenFF. Ich schreibe eigentlich momentan an „I safed the world today“, aber dann kam mir die spontane Idee hierzu, als der erste Schnee bei mir fiel. Ich hoffe, ich konnte so ein bisschen etwas Winterliches, Weihnachtliches herüberbringen. Tja, manchmal geht die Liebe seltsame Wege…manchmal auch halt so *lach*. Nein, ich habe die zwei süßen hier wirklich ins Herz geschlossen. Anfangs habe ich lange überlegt, ob ich ihr erstes Mal mit reinschreibe und adult draus mache, aber dann entschied ich mich dagegen. Geht ja nur die beiden was an, was da lief, da sollten wir nicht spannen ;D
 

In dem Sinne, einen schönen Winter.
 

akilea, Dezember 2009



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von:  Toffelchan
2011-05-12T16:57:57+00:00 12.05.2011 18:57
awww~ total süß <3
hat mich richtig gefreut sie zu lesen <3333
es war so eine schöne atmosphäre und total entspannt *O*
liest sich voll schön~

süß, wie unschuldig hiro war, aber dann fordernder wurde, als es ernst wurde auf dem sofa <3
traurig wars als klein hiro weggeschafft wurde ;;
aber ging ja gut aus <3333

echt schön <3

Lg
Toffel ♥~
Von:  W-B-A_Ero_Reno
2011-02-09T23:02:47+00:00 10.02.2011 00:02
total süß die ff =) eigentlich bin ich nicht ganz der hiro & shou fan, aber du hast die beiden einfach soo süß dargestellt, dass man sie nur gemeinsam lieben kann!
ich mag deinen schreibstil und die story ist wirklich gut, da hat das lesen richtig spaß gemacht =)

Von:  Len_Kagamine_
2010-10-08T12:06:18+00:00 08.10.2010 14:06
die ff ist einfach nur geil *__________*
ich libe sie und bin froh das ich siegefunden habe *smile*
und ich liebe auch die beiden wie du ihren cahrakter gemacht hast eifach nur geil *___*
und durch die ff fühle ich mich mit den beiden so verbunden als wäre ich dabei gewessen ^^
den dein schreib steil ist einfach nur hammer geil *smile*
und ich musste voll geule als sie die wege von ihnen trenten *chnif*
hatte echt voll den heul fäsch so als würde ich die beiden kennen und solche ff gibt es slten bei mir ^^ ich weine zwä of bei FF's mit aber nicht so wei bei deiner es hat sich wirklich so angefühlt als wären das freude von mir die da auseinader gerisssen werden
ich weis nicht ob du das asl über triben sieht aber ich nicht weil du bringst das gefühl so gut rüber und ich war so erleichtert als sie widr zusammen waren da musste ich aus freude weinen *smile*
und ich werde auch kucken ob du mehr ff noch hast denn ich liebe deinen schreib still so er ist einfach nur affen geil ^^
respekt für diese gile ff

Dat Nessy
Von:  Kanoe
2010-06-15T10:28:55+00:00 15.06.2010 12:28
eine sehr süße kleine geschichte
Von:  Sarcasm
2010-03-31T22:35:27+00:00 01.04.2010 00:35
og ist das kawaii >/////<
shpu und pon sind einfach niedlich zusammen <3
mal wieder toll geschrieben *-* <3
*viel lob und lollis dalass*
Von:  Panakeia
2010-03-07T23:49:12+00:00 08.03.2010 00:49
na super, jetz weiß ich gar nich wo ich anfangen soll xD
ehrlich gesagt schrecken mich so lange ffs ab.. aber hier konnt ich irgendwie nich aufhören mit lesen!
und ne lange ff hat auch n ausführliches review verdient ûu

ich mag shous charakter wirklich gern ^^
der is aber auch knuffig xD sagt hiro, er sollte zur schule gehn, weil er ohne ausbildung nichts anständiges arbeiten kann, aber selber arbeitet er mit ner ausbildung in nem schlecht bezahlten CD-Laden.. *shou hau*
gut, dass er gekündigt hat ûu wurde auch zeit! Der kann doch was besseres machen xD

wie du aus den beiden sichten schreibst is toll!
Also, dass man mitbekommt wie unsicher die beiden sind, obwohl es doch so einfach für sie wäre >__< und wie sie die aktionen des anderen immer wieder falsch interpretieren..

shous oma find ich übrigens auch klasse ûu
so ne oma sollte jeder haben xD

hm~ was gibts noch zu sagen..
besonders gefallen habn mir die szene mit dem ersten kuss xD Die war ja mal sowas von süß!! >___<
und hiros aussage von wegen „Shou ich…ich möchte dir nahe sein… so richtig nahe..“ xDD

wirklich niedliche ff ^__^
Grüßle, Keia
Von: abgemeldet
2010-02-22T09:00:00+00:00 22.02.2010 10:00
waaaaaaaah die story is sooooooooo tollig *_*
ik liebe sie <3 <3
echt ma repekt....
Mach weiter so
Von:  sasumiya
2010-01-17T18:02:16+00:00 17.01.2010 19:02
awww .. sie ist echt toll geworden *_*

die ff fesselt ein aber wirklich richtig.. aber es gab ja ein happy end :DD
Von:  Alisaera
2010-01-15T14:05:16+00:00 15.01.2010 15:05
Danke nochmal fürs Bescheid sagen wegen der FF *-*
Die is absolut toll~ Q_Q
*schon halb am Heulen war gegen Ende*
Wirklich schön~ x3
Von: abgemeldet
2010-01-05T20:53:06+00:00 05.01.2010 21:53
OMG. So schöön o_o
Sehr gut Geschrieben.
Ich finde es sehr toll.
Das schöne war ja noch wo die zusammen gekommen sind *-* *schwärm* und der ganze rest ... >D <3
und dann der schock >.< ich war echt fast den tränen nahe xD
wo Hiroto mitgenommen wurde Q.Q
Und dann kam er wieder ... omg, so viel aufeinmal xD
Ich Habe diese FF wirklich genossen =D <3
Gute arbeit <3


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