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Respekt

Belphegor & Reader
von

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Wenn er wütend ist

Er ist wütend. Es ist nicht gut, wenn er wütend ist. Nie.

Das Schwierigste an der Sache ist, dass man ihm erst sehr spät ansieht, dass er wütend ist. Zu spät für gewöhnlich.

Du bist mittlerweile geübt darin, aber nicht geübt genug. Du hast ihn wieder auf dich zukommen lassen, du hast ihn wieder grinsen lassen, bevor dir aufgefallen ist, dass dieses Grinsen nicht das richtige ist. Es ist das falsche. Das entrückte, das nichts mehr mit der kindlichen Freude an ein bisschen Ärger zu tun hat.

Schlimmer wird es nur, wenn er blutet. Du wirst alles tun, um das zu verhindern.

Zwischen zwei blonden Strähnen siehst du flüchtige Umrisse eines Auges, das aber im nächsten Sekundenbruchteil wieder von seiner Mähne verdeckt wird. »Der Kerl regt mich auf«, flüstert er heiser.

Du schluckst schwer und nickst. Meistens will er, dass du antwortest. »I-Ich weiß«, bringst du mühsam hervor. »Vielleicht solltest du dich einfach ablenken…«

»Das tu ich.«

Eure Nasenspitzen sind jetzt nur noch Millimeter voneinander entfernt. Sein Atem riecht nach Pfefferminze. Scharf. Und beißend.

Dann dreht er den Kopf etwas, sodass er mit dem Gesicht durch deine Haare streicht, bis seine rauen Lippen dein Ohr streifen. Er hat die Hände rechts und links von deinem Kopf abgestützt und du presst dich gegen die Wand, als hofftest du, dass du einfach durch sie hindurch gleiten und so der Situation entkommen könntest.

Du hasst es.

»Du hasst mich«, flüstert er. »Stimmt’s?«

Erneut musst du schlucken. Meistens will er, dass du antwortest. Aber das ist eindeutig eine Fangfrage. Was sollst du sagen? In Sekundenschnelle spielen sich jede Menge Szenarien in deinem Kopf ab, alle enden mit deinem Untergang. Du atmest flach und stoßartig und sagst nichts.

»Du hasst mich«, wiederholt er. »Sag es. Sag: Ich hasse den Prinzen.«

Stumm starrst du über seine Schulter hinweg die gegenüberliegende Wand an, deine Hände drücken sich verschwitzt gegen die helle Tapete. Du kannst es nicht sagen. Es ist Suizid. Er will, dass du dich vor seinen Augen umbringst.

»Alle hassen den Prinzen.« Sein Haar kitzelt deinen Hals und von seinem Atem geht eine unglaubliche Wärme aus, aber alles, was an dieser Haltung hätte romantisch sein können, wird durch den rauen Ton seiner Stimme zerstört – und dadurch, dass die Trockenheit seiner Lippen an deinem Ohr sich so anfühlt, als würde er dich bereits jetzt aufschlitzen. »Aber weißt du was? Es ist ihm egal … solang sie nur weiter tun, was er will… Solang sie nur weiter seine Untertanen bleiben und brav vor ihm knien… Sollen sie ihn nur hassen. Aber weißt du, was sie nicht tun sollen? Weißt du…?«

»Ja«, hauchst du. Endlich eine Frage, auf die du problemlos antworten kannst. Du hast nichts von dem getan, was er meint.

»Was sollen sie nicht tun, hm? Was sollen sie nicht mit dem Prinzen machen?«

Du zuckst mit den Mundwinkeln. »Das … was Squalo gemacht hat?«

Darauf lacht er, sein eigenes, leises Lachen, und für einen Moment klingt er wie der Belphegor, den du aus dem Alltag kennst. Für einen Moment klingt er, als könnte er sich mit dem Gedanken anfreunden, seine Wut nicht an dir auszulassen.

Aber das kann er nicht.

»Ja, genau das, was Squalo gemacht hat… Genau das, was er immer tut. Man sollte Respekt vor einem Prinzen haben, oder nicht?«

»Sollte man«, bestätigst du heiser. Deine Kehle fühlt sich an, als stünde sie in Flammen.

Seine Stimme ist jetzt kaum noch hörbar, ein bloßes Ausatmen bei bewegten Lippen. »Du hast Respekt vor dem Prinzen…«

Du selbst würdest es wahrscheinlich nicht Respekt nennen. Es ist kein Respekt. Es ist Angst.

Du weißt, was es bedeutet, wenn seine Stimme verschwindet. Du weißt, was es bedeutet, wenn er erst kichert und dann so leise spricht, dass es fast nicht mehr hörbar ist.

Schlimmer wird es nur, wenn er blutet. Du versuchst, dir das immer wieder zu sagen. Es könnte schlimmer sein. Es könnte schlimmer sein. Er hätte sich mit Squalo prügeln und dabei verletzt werden können. Er könnte bluten. Es könnte schlimmer sein.

Aber das ändert nichts daran, dass es jetzt bereits schlimm ist. Du zitterst jetzt wie Espenlaub und als du die Augen zukneifst, findet eine Träne ihren Weg über deine Wange. »Bitte nicht«, hauchst du.

In einer plötzlichen Bewegung stößt er sich von der Wand ab und macht ein paar Schritte rückwärts, bis er am anderen Ende des Raumes lehnt. Du kannst dir natürlich nicht sicher sein, aber du glaubst zu wissen, dass er dich ansieht. Und er grinst. Sein Brustkorb hebt und senkt sich etwas zu schnell und er grinst. Er versenkt die rechte Hand langsam in der Tasche an seinem Gürtel, in der heute seine Wurfmesser stecken, und er grinst. Er fixiert dich und er grinst. Er holt aus. Er wirft. Und er grinst.

Du willst dich ducken, doch die Angst scheint dich zu lähmen. Stattdessen geben deine Knie nach und du sackst zu Boden, was dich davor rettet, die Schulter durchbohrt zu bekommen. Das Messer steckt jetzt stattdessen in der Wand, wo es noch immer vibriert und dabei leise ein surrendes Geräusch von sich gibt.

Mitglied der Varia bist du schon seit einer Weile, aber du hast dich immer in den unteren Rängen herumgetrieben. Machenschaften innerhalb der Mafia sind bei euch Familientradition, aber zu tief wagst du dich nicht hinein. Das liegt zum größten Teil daran, dass du dich nicht für fähig genug hältst. Du bist gut, ja. Gut genug, um in der unteren Hälfte der Varia herumzulungern und die Drecksarbeit zu machen, selbst dafür muss man immerhin besser sein als der Durchschnitt manch anderer Mafiafamilien. Aber du bist nicht gut genug für die obere Hälfte. Varia-Qualität ist etwas, was du nie erreichen wirst und eigentlich auch nie erreichen wolltest.

Dann hast du ihn getroffen. Gehört hattest du natürlich schon von ihm. Gehört hattest du von allen. Und du dachtest, sicher ist er nur im Kampf so ein hilfloser Psychopath. Sicher kann man im Alltag ganz normale und zivilisierte Gespräche mit ihm führen.

Kann man nicht.

Du hast es versucht. Und als dir aufgefallen ist, dass dein Versuch scheitert, warst du schon zu tief in die Gespräche mit ihm verstrickt. Er hat dich um den Finger gewickelt wie einen seiner Nylonfäden. Er hat dich komplett in seinen Bann gezogen. Als er dich zum ersten Mal verletzte, dachtest du, so ist er eben. Als er dich zum zweiten Mal verletzte, dachtest du, das sollte so eigentlich nicht sein. Als er dich zum dritten Mal verletzte, dachtest du, es darf nicht sein – aber du kannst nicht mehr fliehen.

Er wird dich nicht mehr gehen lassen. Du warst ein williges Opfer, du bist ihm fast wortwörtlich in die Arme gelaufen. Du hast zu viel Angst, um ihm nicht zuzuhören. Du hast zu viel Angst, um sich über seine Krone lustig zu machen oder zu bemerken, dass sein Prinzentum äußerst anfechtbar ist. Du hast zu viel Angst, um dich gegen ihn zu wehren oder ihm zu widersprechen. Mit dir kann er das machen, was mit den anderen Kerlen aus der oberen Varia-Hälfte nicht klappt. Wenn Squalo ihn anbrüllt, grinst er und stichelt zurück, aber viel lieber würde er ihm an die Kehle springen und ihn ausweiden. Doch das darf er nicht, und er würde es zwar nie aussprechen, aber wahrscheinlich weiß er, dass er das auch nicht könnte.

Also nimmt er dich.

»Komm her«, sagt er.

Du versuchst, dich aufzurichten, doch deine Beine zittern noch immer stärker als alles andere und du schaffst es nicht einmal, einen Fuß auf den Boden zu setzen. Belphegors Grinsen verbreitert sich. »Du musst nicht aufstehen. Bleib ruhig unten. Aber komm her.«

Du verbeißt dich in deine Unterlippe, sodass es sich fast so anfühlt, als würdest du sie gleich verschlucken. Die Demütigung treibt dir das Blut in den Kopf, du spürst dein Herz bis hoch in deine Kehle schlagen. Dir ist zum Speien übel. Langsam bringst du deine Oberschenkel dazu, sich zu bewegen. Auf Knien rutschst du vorwärts, bis du höchstens noch einen halben Meter von ihm entfernt bist.

Etwas Kaltes kratzt flüchtig über deine Kopfhaut und du siehst, wie drei oder vier deiner Haare zu Boden rieseln. Du hältst den Kopf gesenkt. Jetzt noch von so weit unten zu ihm aufzublicken, das wäre einfach zu viel. Du kannst ihm nicht aus diesem Winkel ins Gesicht starren wie irgendein kriechender Hund. Er macht dir Angst – viel Angst, aber ein bisschen Würde hast du dir behalten.

»Ich bin fast gar nicht mehr wütend«, murmelt er. Jemand in deinem Kopf möchte sich darüber freuen. Doch der Rest weiß, dass ihr noch immer bloß am Anfang steht. Wenn er einmal in Fahrt gekommen ist, ist es egal, ob er den Grund noch weiß, weshalb er aufgebracht war, ob er überhaupt noch aufgebracht ist. Wenn er einmal angefangen hat, ist all die Faulheit verpufft. Dann ist er nur noch Prince the Ripper.

Eine seiner eiskalten Hände greift unter dein Kinn und hebt deinen Kopf an. Du kneifst die Augen zu, denn du willst sein Grinsen nicht sehen.

»Soll er brüllen, so viel er will, oder?« Die Spitze eines Messers bohrt sich in deine Wange. »Ist im Endeffekt nicht mein Problem, wenn er irgendwann keine Stimme mehr hat. Kommt uns nur allen zugute.« Der Schnitt wird lang. Fast bis zu deinem Kinn. Nur ein paar deiner Gesichtsmuskeln zucken ein wenig. »Und soll er eben missachten, was und wer ich bin…« Du spürst das Blut deinen Hals hinablaufen, in dünnen Rinnsalen, und ein paar von ihnen müssen auch über seine Hand laufen. Das Wissen, wie sehr er das genießen muss, ist so pervers-erschreckend, dass dir dein spärliches Abendessen die Speiseröhre hinaufklettert. »Irgendwann werden sie es alle einsehen.« Diesmal hinterlässt das Messer nur einen oberflächlichen, hellen Kratzer, als es fast sanft über dein geschlossenes Augenlid streift. »Ich bin ihr Prinz. Zum Glück hast du es schon eingesehen.«

Der Druck um deinen Hals und unter deinem Kinn verstärkt sich, deine Knie verlassen den Boden. Mit nur einer Hand hebt er dich hoch, bis du wenige Zentimeter über dem Teppich baumelst und still würgst. Deine Arme zucken nur untätig neben deinem Körper. Eine Messerspitze bahnt sich ihren Weg in deinen Brustkorb. Du glaubst, dass du bald sterben wirst.

»Zum Glück hast du Respekt vor deinem Prinzen.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Shizana
2011-06-14T21:23:29+00:00 14.06.2011 23:23
Auch hier habe ich keine konstruktive Kritik einzuwerfen. Leider kenne ich "Reborn!" nicht, daher kann ich den gewählten Charakter nicht beurteilen. Und anhand des mangelnden Vorwissens kann ich auch die gesamte Szene mit keinerlei Hintergrundwissen verbinden, was sicherlich einiges zum allgemeinen Verständnis beigetragen hätte.

Aber der Reader-Insert ist sehr gut gelungen. Auch, wenn man mit "Reborn!" nichts anfangen kann, kann man sich als Leser gut in die "imaginäre Person" hineinversetzen.
Daher: Wirklich gut gemacht!


Kommentar wurde nachträglich von mir abgegeben, das FF hatte ich bereits schon etwas früher gelesen.
Von: abgemeldet
2009-12-09T22:29:53+00:00 09.12.2009 23:29
Geraeusch schreibt jetzt auch in Du-Form und über KHR! OoO" *Schock*
Jetzt kann ich in Frieden sterben xD
abgemeldet finde ich auch toll, aber deine Geschichte hat ihren ganz eigenen Reiz. War ja klar, dass du Belphegor nimmst, mit seinen Messern, wenn man sich mal all deine anderen psychopatischen Geschichten ansieht...

Ich kann mich im Prinzip nur meinen Vorkommentatoren anschließen - die Spannung raubt einem einfach den Atem, ich habe manchmal richtig die Luft angehalten und mich erst wieder getraut einzuatmen, wenn auch in der Handlung ein wenig Atem war, also wenn die Situation sich wieder ein ganz klein wenig gelockert hat.
Man konnte sich richtig vorstellen, wie das Messer sich in die Haut bohrt und das warme Blut einem übers Kinn und Bel über die Finger läuft. Es war unglaublich atmosphärisch und wenn man erst einmal zu lesen anfängt, kann man nicht mehr aufhören OwO
Das offene Ende fügt sich wunderbar in die Geschichte ein. Zwar klingt es, als würde man diesmal wirklich sterben, aber andererseits hätte der Prinz dann niemanden mehr, an dem er sich austoben könnte.
(Und Squalo kam vor, yay! x3 Obgleich er nur erwähnt wurde.)

Ich liebe ja alle deine Geschichten, aber das muss ich einfach, wenn sie alle so toll sind. Ich hoffe, da kommt noch mehr von dieser pervers-psychopatischen Art ;D
Von: abgemeldet
2009-12-09T08:41:46+00:00 09.12.2009 09:41
Wer hätte gedacht, dass der dürre Belphegor so viel Kraft hat?
Oder 'ich' bin ein Fliegengewicht, kann natürlich auch sein. XD

Also wie ich schon sagte, Rechtschreibung, Ausdruck und so... Alles klasse. Das Ganze lässt sich wunderbar flüssig lesen. (Obwohl - um dich nicht ausschließlich anzupreisen - ich für meinen Teil hätte mir etwas mehr Absätze gewünscht. Aber das ist wohl auch Geschmackssache.)

Ich hab's gleich zweimal gelesen. :D
Und jedes Mal war vor allem diese Spannung, die du aufbaust, einfach genial.
Es ist wirklich so, als würde man mit angehaltenem Atem jede seine Bewegeungen verfolgen und dabei befürchten, dass eine davon das eigene Ende herbeiführen könnte.
Oh und ich habe mich irgendwie jedes einzelne Mal gefreut, wenn wörtliche Rede kam.
Durch die ganze Atmosphäre wirkt automatisch jedes Wort wichtiger... Schon cool.

Joa. Ich bin nicht gut in konstruktiver Kritik, glaub ich. Egal. Ich hab mir Mühe gegeben, das muss reichen. XD

Es würde mich echt freuen, wenn du noch irgendwann so 'nen OS schreibst! :D
Von:  AmuSuzune
2009-12-08T23:55:12+00:00 09.12.2009 00:55
*Wagt dank der schauer nicht zu sprechen+
...
...
Wow, du hast Bel echt gut getroffen, war echt sprachlos....
Ich dachte shcon ich wäre die jenige die das ding in den körpr gebort bekomt *schauder*
Bohaaa, ich hoffe dir fällt noch so eine tolle geschichte ein^^

LG Suzu
Von:  dumm
2009-12-08T19:45:18+00:00 08.12.2009 20:45
Jaa, es ist online!

Ich mag die Geschichte. Sie ist genial. Psychopathisch und hach - du kennst meinen Kommentar ja schon.
Ich finde, dass du Bel wirklich sehr gut getroffen hast. Ich denke, dass würde er sicher machen. Ebenso die Du-Perspektive ist genial beschrieben, man kann sich gut in sie hineinversetzen. Zudem mag ich dein Schreibstil.
So, genug geschleimt, ich wiederhol mich eh nur!

Mach mehr davon! Man kann nicht genug von solchen Storys haben! °_°

Ja, ja, immer ist Squalo schuld. xD


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