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All the Wrong Reasons

... are they the Right Decisions?
von

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Realitätsverlust

Ein Moment in dem alles stumm schien und es zu einer bitteren Erfahrung wurde.

Es war ein Fehler. Eine Fehleinschätzung, welche er begangen hatte. Die Schuld lastete auf seinen Schultern. Die ihn in die Knie zwang.

Manche Dinge geschahen einfach. Man konnte nichts dagegen unternehmen. Nur zusehen, um in diesem Moment zu realisieren was wirklich gerade passierte. Viel zu schnell, ohne es verhindern zu können. Obwohl einem diese winzigen Sekunden wie Stunden vorkamen. Bild für Bild, begleitet vom entsetzlichen Geräusch eines Schreis. Dieser jedoch nicht schrill klang. Ein panischer Ausruf einer dunklen Stimme. Dennoch verzerrt genug um nicht sagen zu können was dieser Ruf zu sagen vermochte.

Dem Fahrer traf keine Schuld, so konnte er die Person schlecht auf der finsteren Straße im strömenden Regen erkennen. So reagierte er spät, betätigte die Hupe und bremste seinen Wagen. Machte es ihm das Wetter nur zusätzlich schwer genug halt zu finden. Eine rutschige Fahrbahn und die Person viel zu dicht an seinem Auto.

War es nun soweit? Fand ihre Geschichte hier ihr endgültiges Ende? Würden sich all die Fragen niemals mehr klären?

L war kein Narr. Konnte er wenig in diesem einem Augenblick ausrichten, zeigte dies ihm wie machtlos er war. Ein Mensch wie jeder Anderer. Nichts würde ihm nun noch helfen. Seine Worte waren zweifelsfrei daran Schuld. Hatte er Shaelyn tief gekränkt. Tiefer als es denn seine Absicht gewesen war. Verstand sie mehr in seinen Worten als beabsichtigt. Sein Plan war also fehlgeschlagen. Hatte er doch kaum verstanden, was sie wirklich fühlte. Ein Gebiet was er nicht erfassen konnte. War sein Verstand geschult und außergewöhnlich scharfsinnig, so hatte er kaum einen Funken Sinn für das Empfinden. Zwischenmenschliche, vor allem ehrliche und reine Gefühle waren fremd. Shaelyns Zuneigung war viel mehr als er jemals erfahren hatte. Watari war eine völlig andere Ebene.

Ls Worte waren stets ein Rätsel, selbst für ihn war es zuweilen schwer, die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden. Das plagte ihn. Sein Manko. Er war ein Lügner, wusste er dennoch in diesem winzigen Moment, was die vollkommene Wahrheit war. Nein, selbst in diesem Augenblick belog er sich. Schon längst kannte er die Wahrheit. Versuchte es in einem anderen Licht zu betrachten, es zu drehen und zu wenden, bis es passte. Einen Ausweg, den es nicht gab. Bildete es nun dieses eine Mal eine Einheit, was er dachte und fühlte. Spiegelte ebenso sein Gesicht das wider.

L war durchaus in der Lage zu fühlen. Er fühlte wie jeder andere Mensch. Nur war es bei ihm ein trauriges Schauspiel. Er war ein Genie. Aus diesem Grunde auch nicht dazu in der Lage ein normales Leben zu führen. Ein ewiges Laster, das nur er trug. Dennoch verbarg sich unter dieser Maske der Perfektion ein Mensch, der gleichermaßen einen schlechten Tag erlebte, wie es die normale Gesellschaft auch tat. War es nur viel komplizierter. Sprach er nie über sein Empfinden und es wäre auch anmaßend gewesen sich dem hinzugeben. Ls Platz in der Welt war ein ganz besonderer. Erforderte dies Opfer, welche er bisher auf sich nahm. Auch ohne den Gedanken je an etwas anderes interessiert zu sein als an seine Arbeit. Ja, L war gerade dabei etwas Wichtiges kennenzulernen. Jeder durchlebte es mindestens ein Mal in seinem Leben. Es gehörte unweigerlich dazu. Doch … schien es ein schmerzlicher Verlust zu werden.

Es war ein Fehler gewesen. Es trat das ein, was er zu verhindern versuchte. L war ein Dummkopf. Aber nur in diesem einen unbekannten Territorium. War er auf dieser Ebene wie ein Grünschnabel, der seine Anfänge tat. Wie ein Kind das langsam das Sprechen erlernte. Wie ein verschrecktes Tier, welches allmählich Vertrauen fasste – In etwas vollkommen Unbekanntes.
 

Reifen quietschten laut auf dem Asphalt. War das Gesicht des Fahrers bleich und voller Schrecken, umfasste jener das Lenkrad mit einem eisernen Griff. Hatte ihn die Vollbremsung stark nach vorn geschleudert, vom Gurt allerdings gut im Sitz festgehalten. Sein Herz raste und beruhigte sich ebenso wenig wie das vom Detektiven, welcher im ersten Schreckmoment auf den Knien verweilte. Gelähmt, nicht fähig in der ersten Sekunde die Beine in Bewegung zu setzen. Dann, als das Auto endlich seinen Halt fand, hastete er aus seiner Position heraus. Sein starrer Blick, in weitem Schock geöffnet, hockte er sich zu Shaelyn im grellen Licht der Autoscheinwerfer. Ihre Augen geschlossen, der Mund ein wenig geöffnet. Sie war nicht bei Bewusstsein.

„Großer Gott!“ Der Fahrer war aus seinem Auto gestiegen und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, wurde dieser augenblicklich vom Regen erfasst und durchnässt. „Soll ich einen Krankenwagen rufen?!“ L blickte nicht auf, sondern hob Shaelyn vorsichtig am Oberkörper hoch. „Nein. Das wird nicht nötig sein. Bitte fahren Sie weiter.“
 

Shaelyn hörte ein Rauschen. Es klang wie Regen, der an eine Fensterscheibe gepeitscht wurde. Gleich schon versuchte sie sich aufzusetzen. Etwas Weiches fühlte sie unter sich, ebenso auf sich. Eine flauschige Decke umwickelte sie und lag sie wohl in ihrem Bett. Verwirrt versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen, fasste sie sich an ihren schmerzenden Kopf, zuckte sie jedoch direkt zurück. Ihre Hand tat weh! Schnell bemerkte sie, dass sie leichte Verbände um ihre Handflächen trug. Wo hatte sie diese her...? Wieso lag sie im Bett? Unruhig hob und senkte sich ihre Brust.

Es traf sie wie ein harter Schlag. Rue seine Worte...

„Ah, du bist aufgewacht. Wie geht es dir?“ Die nur all zu bekannte Stimme drang in ihr Ohr und auch ein Knarren, das von einem Stuhl verursacht wurde. Shaelyn erstarrte nur. War es vielleicht nur ein böser Traum gewesen... ? Weshalb sollte sie sonst im Bett liegen? Aber ihre Hände?

„W-was ist passiert?“ „Du bist ohnmächtig geworden.“ Seine Stimme klang wie sonst auch. Nüchtern, nicht sonderlich an irgendetwas interessiert. War wirklich nichts vorgefallen, oder ließ ihn das alles so kalt? Sie war sich absolut nicht sicher. Automatisch begann ihr Körper zu zittern, zog sie die warme Decke näher zu sich. Eine Kälte befiel sie, obwohl ihr gleichzeitig hitzig war.

„... Wo?“ „Draußen, an der Straße.“ Er betonte den letzten Rest etwas und war ihr auch so, dass er ihr näher gekommen war. So als spürte sie fast seine Aura neben sich. Es fuhr ihr ein Schauer über den Rücken. Auch wusste sie jetzt nicht weiter. Sollte sie fragen was passiert war?

„Du bist ausgerutscht und hast dir den Hinterkopf angeschlagen.“, führte er ein wenig aus, da ihm selbstverständlich nicht entging, wie verwirrt sie war. Schon öffnete sie ihren Mund, zog die Decke weiter zu sich und wandte ihren Kopf in seine Richtung: „Hab... hab ich was zu dir gesagt...?“

„Nein.“

Eine mehr als dicke fette Lüge. Was sie jedoch in ihrem jetzigen Zustand, ganz wie es danach aussah, nicht beurteilen konnte. L nutzte die Gelegenheit, dass sie ihr Bewusstsein verloren hatte. Es war eine zu große Belastung für sie gewesen, weshalb sie in eine Besinnungslosigkeit fiel. Seine Augen weiteten sich leicht, als sie sich zurück fallen ließ und tief seufzte. Ihr Gesichtsausdruck zeigte Erleichterung. Eine große Last war ihr vom Herzen gefallen. Ein kurzes Lächeln schlich sich in sein Gesicht. Shaelyn schluckte seine Worte und schien damit glücklich. Es war unklug von ihm gewesen ihr jene Dinge gesagt zu haben. Verstand sie daraus, dass sie ihm rein gar nichts bedeuten würde. Entsprach dies aber keinesfalls der Realität. Ganz im Gegenteil.

„Dann hab ich glaub ich … was fantasiert.“ „Tja, sieht ganz so aus.“ „Aber... ich möchte dich etwas fragen, Rue. Bitte beantworte mir diese eine Frage.“ Sofort horchte der Detektiv auf. Er konnte sich bereits denken was sie fragen wollte. Immerhin war sie noch immer verwirrt und es beunruhigte sie. „Magst du mich?“ Exakt wie Angenommen, stellte sie genau diese Frage. Dieses Mal beantwortete er sie auch. Schien sie nur nervös zu werden, da er wohl für ihren Geschmack zu lange zögerte.

„Ja, das tue ich wohl...“, gab er letztendlich zögernd und äußerst nachdenklich zu. „Wirklich?!“ „Nein.“, war seine sarkastische Antwort auf ihre, für ihn, dumme und unnütze Nachfrage. Shaelyn lachte auf, drehte sich auf die Seite und lächelte schließlich sanft. Ein paar stille Momente vergingen, ehe sie das Wort ergriff: „Darf ich dir noch eine Frage stellen?“ „Sicher. Worum geht’s?“ „Schlaf bitte heute Nacht bei mir. Würdest du das für mich tun?“, fragte sie unsicher und nuschelte beinah mehr in die Decke. War es schlimm ihn danach gefragt zu haben? Aber wenn er sie doch mochte, dann würde er es sicher nicht ablehnen. Shaelyn wollte einfach das Gefühl haben, dass sie sicher war. Rue seine Worte zu glauben und gleichzeitig Trost zu finden. Dennoch war es ihr peinlich danach gefragt zu haben, dabei war doch gar nichts Schlimmes daran. Zumindest für ihre Auffassung. L dagegen sah dies ganz anders. Für sie war er wie ein Bruder. Für ihn war sie … etwas völlig anderes. Trotz dessen, oder gerade deshalb, fiel es ihm tatsächlich schwer ihrer Bitte nicht nachzukommen. Sei es aus so etwas wie einem schlechten Gewissen, was er bisher kaum besaß, oder selbst dem Wunsch es zu tun. Und er tat für gewöhnlich was er wollte. Ihre Beeinflussung war nicht von der Hand zu weisen.

„Rue? Bist du noch..d-“ Das Bett senkte sich etwas am Fußende, was sie verstummen ließ. Er kam wirklich ins Bett. Der Zweifel war noch immer da. Es war ihr nicht wie fantasieren vorgekommen. Das alles war viel zu real gewesen. Sie hatte Angst. Jetzt jedoch schien es ihr immer mehr wie ein Traum vorzukommen. Rue musste Recht haben. Dass sie sich den Kopf angeschlagen hatte, hatte ihr wohl wirklich zugesetzt. Einbildung. Reine Einbildung. Oder vielleicht wollte ihr Kopf ihr nur klar machen, wovor sie die größte Angst hatte. Eben ein böser Traum, vom Unterbewusstsein hervorgerufen. Sie wollte Rue auf keinen Fall verlieren. Nach all den Ereignissen stand er ihr näher als sogar ihr Großvater. Ein unschätzbarer Mensch in ihrem Leben. Mitglied ihrer winzigen Familie. Ja, ganz wie ein Bruder.

„Du musst aber mit unter die Decke kommen, sonst zählt es nicht. Und... und du musst dich zu mir legen.“ Deutlich spürte sie, wie er halt machte. Förmlich in seiner Bewegung regungslos verharrte. Und als sie über die Worte nachdachte und was sie eigentlich trug, setzte sie sich urplötzlich auf. Müsste sie nicht eigentlich nass sein? „Oh mein Gott! Halt mal!“ Direkt griff sie an ihren Oberkörper, fuhr über ihren Busen tiefer an ihrem Körper hinab. „Ich hab ja was ganz anderes an! Und überhaupt... ich hab nur ein Shirt und ein Slip an!“ „Ich glaube, ich habe was im Wohnzimmer vergessen. Ich bin gleich wieder da.“, kam es als ein schneller Einwurf. „Stopp!“, folgte es unverzüglich und sie wusste bereits wo er sich befand, da die Senkung neben ihr deutlich fühlbar war. Sofort packte sie ihn an den Arm, verkrallte ihre Fingernägel in sein Shirt. Ihr Gesicht war stark in Falten gezogen. „Du … hast mich umgezogen... und vor allem ausgezogen?“ Langsam, viel zu langsam und wütend sprach sie diese Worte. Und eine Antwort war angemessen. „Ja. Das war leider nötig, da du völlig durchnässt warst.“ „Du verdammtes Schwein! Du Perversling! Du Spanner! Du... hast alles gesehen!?“ Die Hitze stieg ihr in die Wangen, färbten diese stark ein. „Nicht ganz, aber du solltest dich beruhigen. Deinem Kopf würde es gut tun.“, nüchtern wie eh und je, brachte er die Worte über seine spröden Lippen, was er besser nicht hätte tun dürfen. „Wie kannst du nur!“ Sie hatte ihre zweite Hand hinzugenommen und schlug vor Wut auf seinen Oberkörper ein, nachdem sie ihn regelrecht überfiel, sodass er auf seinem Gesäß auf dem Bett saß. Allerdings fasste er ihre Handgelenke. Zwang sie somit zum Innehalten. Ihr Schmerz an den Handflächen schien wohl vergessen zu sein. „Wenn ich, wie du gesagt hast, wie für ein Bruder für dich bin, weswegen regst du dich dann auf? Hinzu kommt, dass du mir eben selbst angeboten hast mit dir in einem Bett zu schlafen, unter einer Decke, oder sehe ich das etwa falsch?“ L wies sie ernst zurecht, woraufhin sie plötzlich ins Schwanken kam. Er hatte Recht. Aber es war etwas komplett anderes. Das alles hieße nicht, er könne sie einfach ausziehen!

„Ja... aber... das ist mir peinlich... Keiner hat mich so gesehen.“ Sie ließ ihre Arme locker, weshalb er ihre Handgelenke mit Bedacht los ließ. Ihr Rotschimmer im Gesicht nahm nicht ab. Sie schien förmlich zu glühen. In diesem Moment jagten ihr tausend Gedanken durch den Kopf. „Kein Grund zur Sorge. Es gibt nichts, was mir nicht bekannt wäre.“ „... Rue, das ist nicht das was ich hören wollte und was zur Hölle soll das bedeuten?“ „Die Anatomie des weiblichen Körpers ist kein Geheimnis. Jedes Biologiebuch gibt Aufschluss darüber.“, führte er in einem lehrreichen Ton aus. „Trottel.“ Gleich darauf legte sie sich mit dem Rücken zu ihm, ganz offensichtlich etwas beleidigt. Dabei beschäftigte sie nur ein Gedanke: Warum war er so verdammt unsensibel?

Es tat sich für einen Moment nichts. Weder regte sich Shaelyn noch L. Bis sie spürte, wie die Decke angehoben wurde und ein kühler Luftzug darunter zog. „Ein Schamgefühl ist nur natürlich, Shaelyn. Weder habe ich etwas mit dir angestellt, noch hatte ich es vor.“ „Aber... ach vergiss' es.“ Natürlich wusste sie, dass er nichts angestellt hatte. Es würde ihm nicht ähnlich sehen, auch wenn er gut als Perverser durchging. Dennoch kannte er nun ihren Körper nackt. Direkt rollte sie sich etwas zusammen. Jetzt könnte sie vor Scham im Erdboden versinken. Wo er sie überall berührt hatte? Es wurde ihr immer unangenehmer.

Es war kalt als er sich neben sie niederließ. Nur schwach berührte er ihren Rücken, lag er auch halb außerhalb der Decke. „Du bist ja kälter als der Tod...“, murrte Shaelyn und drehte sich im selben Moment allmählich zu ihm. Das Thema musste schnell gewechselt werden. „Ist dir nicht kalt? Und entspann dich mal wieder...“ Es war nichts daran zu ändern, dass er sie gesehen hatte. Und hatte sie längst die Schläge eingestellt. „Oder ist das Leichenstarre?“ Shaelyn griff an seinen Oberarm und drückte diesen ein wenig, sodass sie ihn immer wieder anstupste. „Sag doch mal was...“, flüsterte sie schläfrig. Das war alles viel zu anstrengend gewesen. Es war eine richtige Erschöpfung, fühlte sie auch leichten Kopfschmerz.

Urplötzlich wandte Rue sich zu ihr, sodass sie hellwach war und ihr Herz einen gewaltigen Satz tat. Rue hatte sie furchtbar erschrocken. „Was... soll das?.... !“ Die Decke raschelte und seine Präsenz war ihr kurz darauf schon sehr nahe. Der Schwarzhaarige kletterte über sie, ohne auch nur einen Ton von sich zu geben. Schob er ein Bein zwischen ihre, stützte er sich dabei neben ihrem Kopf ab. Und die Frage, was er da tat wurde nur immer nachdrücklicher. Wieso legte er sich über sie? Langsam war ihr das absolut nicht mehr geheuer. Was sollte das? Und wieso war sie so aufgeregt? Und warum konnte sie seinen Atem auf dem Gesicht fühlen?! „Warum spannst du dich so an? Ich bin doch nur … dein Bruder.“ Seine Stimme ging ihr durch Mark und Bein. Eine Gänsehaut breitete sich überall aus. Selbst das hatte Ryu, ihr leiblicher Bruder, nie getan und es wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Schon schob Rue sein zweites Bein zwischen die ihren, sodass sie ihn nun komplett auf sich fühlen konnte. Es raubte ihr den Atem. Die Sprache hatte sie verlassen. Ihr Herz überschlug sich. Das war zu nahe, viel zu nahe. Plötzlich fasste er nach ihren Händen, fixierte sie so unter sich. Shaelyn war nicht mehr fähig sich zu wehren, noch zu schreien. Rue hatte ihr die Sprache geraubt, ebenso wie ihre Freiheit. „Ist dir klar, wonach du gefragt hast? Ich bin nicht dein Bruder. Ich bin ein Mann, der dich vielleicht nicht als Schwester sieht.“ Spielte er nur wieder mit ihr? Jedenfalls hatte er ihr deutlich gemacht, wie leichtfertig sie handelte und redete. Nur noch ein wenig. Sein Gesicht war wenige Zentimeter von dem ihren entfernt. Warmer Atem traf ihre Lippen, roch sie ihn deutlich. Und es war... süß. Ein süßer Duft. Gott verdammt! Er würde sie doch nicht...! Alles in ihrem Kopf war wie leergefegt. Ihr Atem funktionierte einfach nicht mehr und das Blut rauschte nur so durch ihren erhitzten Körper, welcher von Rue weiter ins Bett gedrückt wurde.

„NEIN! Lass das Rue!“, schrie Shaelyn auf und stieß das schwere auf ihr von sich. Kerzengerade saß sie im Bett, dabei holte sie hastige Atemzüge. Selbst aus Reflex hatte sie die Augen weit aufgerissen. „Was?“, folgte es leicht erschrocken von der Seite. Panisch nahm sie Abstand, bemerkte sie dabei, dass die Decke fehlte, die sie normal hindern sollte. „Du Schwein!“ Eilig und außer sich, türmte sie die wieder gefundene Decke vor sich auf, als würde sie eine Mauer ziehen. „... darf ich fragen warum diesmal?“ Deutlich war seine Verwunderung zu hören, da er wohl nicht mit ihrer Aktion gerechnet hatte. „Du kannst dich nicht einfach auf mich legen! Und so sprechen! Und mich vor allem nicht küssen! Und... und …“ Schützend zog sie die Beine an und hielt sich den Oberkörper, welcher heftig bebte. Eine Pause setzte ein. In welcher Shaelyn sich etwas beruhigte und es sie dann wie ein Schlag traf. Wenn Rue wirklich so auf ihr gelegen und sie ihn weggestoßen hätte, dann wäre er doch nicht seitlich gewesen? Und seine Stimme klang erschrocken. Obwohl sie darauf nichts geben konnte. Schließlich schauspielerte er wunderbar. Aber Schritt für Schritt festigte sich ein schlimmer Gedanke.

„... Hab ich geträumt? Wieder?“ „Zumindest wäre das die einzige Erklärung.“ Sein ernüchternder Ton ließ sie aufatmen. Diese Stimme, welche ihr zuvor solche Gänsehaut bereitet hatte, war weit von dem entfernt. Also hatte sie gleich zwei Fantasien an einem Abend, so dicht beieinander? War eine davon nicht doch wahr? Hatte sie Fieber? Direkt fasste sie sich an die Stirn, welche nahezu glühte. Es war als fiel ihr ein Stein vom Herzen. Ein Glück, es war nur das Fieber gewesen. Wobei, wo war das Gute bei dieser Feststellung? Das erklärte jedoch einiges. Das Herzrasen, das Schwitzen, die unregelmäßige Atmung und vor allem die Hitze. Shaelyn spürte wie sich das Bett seicht senkte und auch hörte sie das Rascheln vom Bettzeug. Rue kroch zu ihr, hob seine Hand und legte sie an ihre Stirn, wo er zugleich seine zweite Hand nahm und in ihren Nacken legte. „Leg dich wieder hin, du hast Fieber.“, verließ es nachdenklich den Mund von Rue. Wahrscheinlich rätselte er woher sie sich das zugezogen hatte. Der Vorfall im Regen war daran Schuld. Diente es wie eine Art Auslöser, da sie zuvor so geschwächt war.

Shaelyn tat brav wie geheißen und legte sich nieder, ohne dabei jedoch viel zu sagen. Der Verstand spielte ihr an diesem Abend böse Dinge vor. Wie sollte sie sich nur in Zukunft ihm gegenüber verhalten? Peinlicher berührt konnte sie sich nicht mehr fühlen. Während sie sich weiter in die Decken rollte, war L bereits vom Bett aufgestanden und stand am Türrahmen, dabei starrte er sie mit seinen Telleraugen an. Ihre Worte waren … interessant.
 

Die Nacht zog vorüber, in welcher L an Shaelyns Seite wachte um ihr Fieber zu kontrollieren. Auch der nächste Tag begann fiebrig und der Detektiv besorgte Medikamente, die schnell für Abhilfe sorgten. Somit verbrachte sie die nächsten Tage im Bett und kurierte sich aus, bis schließlich Watari heimkehrte. Das Einzige was blieb war, dass sie in seiner Gegenwart verschüchtert wirkte und immer etwas Abstand nahm. Und dies deutlich auffiel, das nicht nur L, sondern auch Watari. Der sich nur wieder einmal fragen konnte, was denn alles vorgefallen war. Langsam beschlich ihn jedoch die Vermutung, dass sich etwas Besonderes entwickelt hatte und kam dahinter was den Detektiven so quälte. Zumindest für die aufmerksamen Augen des alten Herren schien es immer offensichtlicher. Jeder andere würde es niemals bemerken, jedoch kannte er den Detektiven nun längst über zehn Jahre.

Der Verdacht von Watari erhärtete sich weiter und wurde zur Gewissheit. Es war nun eine weitere Zeit vergangen. Bereits trug die Natur ihre Blüten und erstrahlte in sämtlichen Farben. Der Frühling war eingekehrt und zeigte sich wohlgesonnen. Die Temperaturen stiegen an und bereits war schon an dem einen oder anderen Tag eine wohlige Wärme zu spüren. Tiere erfreuten sich und nutzten diese Jahreszeit für ihre Familienplanung, weshalb es ein heller Aufruhr war. Auch, und besonders, dieser Frühling war bisher der intensivste, den Shaelyn erlebt hatte. Nahm sie die Gerüche stärker auf und lauschte den Gesängen der Vögel, die sich hin und wieder auf dem Fenstersims eine Pause gönnten. Es war mitten im April und noch immer hatte sich nichts daran geändert, dass sie nicht sehen konnte, auch einen weiterer Anruf blieb aus. Dennoch war sie zuversichtlich. Die Hoffnung bestand wieder sehen zu können und wenn sie dies wieder konnte, so würde sie alles nie mehr so verständlich sehen. Vielleicht sollte sie sich eine Kamera kaufen und alles festhalten, ein Tagebuch aus Bildern und Eindrücken. Eingefangen für eine lange Zeit und es würde sie immer an ihre Zeit im Dunkeln erinnern, schließlich mit einem Lächeln auf den Lippen alles für eine wertvolle Erfahrung halten. Auch die Erinnerungen an ihre Gefangenschaft würde sie ewig verfolgen, war dies keine wertvolle Erfahrung, jedoch hatte sie alles überstanden und das, obwohl sie mit ihrem Leben bereits abgeschlossen hatte. War ihre Rettung der kauzige Rue Ryuzaki gewesen. Der sich nicht verändert hatte. Er sprach und handelte wie immer.

Ein sachtes Lächeln umspielte Shaelyns Mundwinkel. Saß sie erneut im Schlafzimmer auf einem Stuhl, nahe dem Fenster und hörte sich das Piepsen eines Vogels an. Öfter zog sie sich zurück, war alleine mit ihren Gedanken und Wünschen. Das was sie gerne noch erleben würde und was sie sich für die Zukunft vornahm. Man konnte sagen, dass sie mit dem Frühling etwas gereift war. Shaelyn lernte es kennen für sich zu sein, ohne das Gefühl Dinge tun zu müssen. Man lernte die Ruhe zu schätzen, was nichts daran änderte, dass sie noch immer ein impulsives Gemüt hatte.

Ein Klopfen an der Tür holte sie ins Diesseits zurück, sodass sie sich automatisch zur Quelle drehte. „Ja?“ Die Türangel klackte und es war nur einer der einen Grund hatte sich ihr zuzuwenden. „Es ist alles geregelt Shaelyn, du kannst in dein altes Zimmer zurück.“ „Vielen Dank für die Mühe, Großvater.“ Shaelyn hatte ihre eigene Wohnung nicht mehr genutzt, weshalb Watari diese kündigte und alles wieder beim Alten herrichtete. Es hatte nur Vorteile, da sie eben trotz allem noch Hilfe brauchte. Was sich hoffentlich in baldiger Zukunft ändern würde. „Möchtest du vielleicht in den Park?“, fragte dann der alte Mann freundlich und seine Enkelin sah überrascht aus. Der Park musste zu dieser Zeit wirklich schön sein, außerdem noch wunderbar duften. Nicht zu vergessen, dass sie dort auch den Tieren lauschen konnte. Allerdings war die Frage groß ob sie bereit dazu war, denn zweifelsfrei befanden sich viele Leute im Park. Aber wenn ihr Großvater sie wohl begleiten würde, dann sollte ein Versuch nicht verkehrt sein. „Gern. Ich muss nur andere Sachen anziehen.“ „Nimm dir soviel Zeit wie du brauchst.“ Schon schloss Watari die Türe wieder und Shaelyn stand auf, streckte sich einmal ausgiebig. Die frische Luft würde sicher gut tun.

„Ryuzaki?“, fragte der alte Mann an, nachdem dieser das Wohnzimmer betreten hatte. Der Angesprochene regte sich auf dem Sessel nicht, sondern kauerte weiter in seiner Haltung darauf. „Was gibt’s?“ „Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.“ Ruhe kehrte ein, ehe der Schwarzhaarige seinen Kopf zu Watari drehte und ihn dabei seltsam verrenkte, da seine Position fast in entgegen gesetzter Richtung blickte. „So? Um welchen handelt es sich? Ich bin ganz Ohr...“ Es war als dämmerte es bereits im Kopf des Detektiven. Nur was dachte sich der alte Herr dabei? Steckte ein besonderer Plan dahinter? „Shaelyn würde gerne den Park besuchen.“ L würde schon verstehen was Watari damit ausdrückte und damit hatte er nicht unrecht. „Ich soll sie also begleiten, verstehe. Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Watari?“, begann L seelenruhig und wandte seinen Kopf nun wieder nach vorn als wäre nichts gewesen. Dann fuhr er ungerührt fort ohne abzuwarten was Watari sagen würde: „Was verleitet Sie dazu sich bei Dingen einzumischen, die Sie offensichtlich nichts angehen? Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber wie ich bemerkt habe ist Ihnen etwas aufgefallen. Ich mache Ihnen nichts vor, das wissen Sie. Allerdings wissen Sie genauso wie ich, dass eine derartige Verbindung nicht tragbar wäre. Sehen wir mal davon ab, dass sie ebenso darin interessiert sein müsste. Also was denken Sie sich dabei?“ Nun stand der Detektiv auf, wandte sich ganz Watari zu. Sein Blick war äußerst ernst, wie es seine vorherigen Worten auch waren. Watari musste klar sein, was dies alles bedeutete. Vor allem musste klar sein, dass sich L niemals auf so etwas einließ. Alles blieb wie es war, egal was es für ihn zu bedeuten hatte. „Entschuldigen Sie, Ryuzaki. Meine Absicht war es nicht Ihnen zu schaden. Es ist -“ L hob seine Hand etwas an und auch seinen Zeigefinger, sodass Watari inne hielt. „Was ist hier denn los? Streitet ihr euch?“ Shaelyn war hinzugetreten und deutlich verwirrt. „Schon gut, Shaelyn, nur eine Diskussion. Ich werde -“ „Er wird hierbleiben, stattdessen komme ich mit.“, mischte sich der Schwarzhaarige direkt ein und steckte seine Hände in die Hosentaschen. „... oh? Na, ähm... okay.“ Shaelyn lächelte schwach und suchte den Weg weiter fort, da sie gleich ihre Schuhe anziehen wollte. Und als sie wieder weit genug weg schien, öffnete L erneut seinen Mund: „In Zukunft erwarte ich von Ihnen, dass Sie es einstellen werden und... ich werde darüber kein Wort mehr verlieren.“ Mit diesen Worten verließ der Detektiv das Wohnzimmer. Seine Worte mochten hart sein, aber handelte er genauso. Für ihn war es von Beginn an klar gewesen. Diese Art von Beziehung war für L unmöglich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-01-27T16:42:30+00:00 27.01.2011 17:42
Ich find die Geschichte gut. (;
Liegt zum Teil wahrscheinlich daran, das L sowieso der Beste ist.^^
Aber du schreibst gut!
Lg.


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