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Proof of Property

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Proof of Property

Title: Proof of Property

Characters: England, Canada, America

Rating: PG-12 um auf Nummersicher zu gehen?

Warnings: Verletzende Worte, leichte Gewalt gegenüber einem Kind. :/ Oh, und leicht geschichtlich angehaucht.

Summary: England ist verletzend, ein Kind wird verletzt und ein anderes Kind spielt den Helden. Alles spielt im Jahr 1763.

A/N: Das, was in Kursiv ist, wird auf Französisch gesprochen. Außerdem gibt es am Ende des Oneshots noch einige Randnotizen.
 


 

März, 1763
 

Schwungvoll hielt der kleine Junge den viel zu großen Besen in seinen Händen, bemühte sich angestrengt den Holzboden der kleinen Hütte zu fegen ohne über die eigenen Beine zu stolpern und summte leise vor sich hin. Bald würde er nicht mehr alleine sein oder sich mit dem Kindermädchen beschäftigen müssen!

Er freute sich schon so unglaublich sehr darauf, seinen großen Bruder nach all der langen Zeit wieder zu sehen! Aber noch war es eindeutig zu kühl draußen, da würden die Schiffe sicherlich nicht sein im Winter wüstes, kaltes Land erreichen…

Doch bald, bald würde es wieder warm genug sein!

Vorfreudig kicherte das Kind, während es gewissenhaft seine Arbeit tätigte. Nachdem der Boden gefegt war, wollte es gerade den Besen zur Seite stellen, als von Draußen ein deutliches Klopfen zu vernehmen war.

Wer kann das sein? Weißt du, wer vorbei kommen wollte, Kuma…jirou?“, wandte sich der kleine Blondschopf fragend an den kleinen Polarbären neben sich gewandt, der aber nur fragend den Kopf schief legte und ein leises ‚Wer?’ murmelte. „Canada! Wie oft muss ich dir das noch sagen?

Gerade wollte der Junge seinem besten Freund die Meinung sagen, als das Klopfen erneut erklang; durchdringender. Ungeduldiger. Absolut nicht wie das Klopfen des Kindermädchens. Oder seines geliebten großen Bruders.

W-wer ist da?

Es erfolgte keine Antwort. Wie denn auch; die Stimme des Kindes war viel zu leise um bis zur Haustür durchzudringen. Innerlich wünschte es sich, dass es mehr wäre wie sein Zwilling. Dieser war stets laut und… hörbar; nicht so wie er. Unscheinbar und leise.

Komm mit, Kumajirou…“, ergriff der Blondschopf die ausgestreckte Pfote des Bären und ging mit ihm achtsam durch den Flur des Hauses, der Besenstil ruhte weiterhin in seiner anderen Hand und er musste aufpassen, um nicht über ihn zu stolpern.

Zu seinem Glück war das Haus nicht sonderlich groß; gerade einmal eine kleine Küchennische und die Wohnstube befanden sich im Erdgeschoss, während sich im Oberen Teil zwei Schlafzimmer – eines gehörte seinem großen Bruder! – und eine Art kleine Bibliothek befanden. Dennoch war es groß genug, dass es einige Momente dauerte, bis der Junge vor der Haustür stehen blieb und sich lang machte um an den Knauf zu kommen.

Wer ist da?“, wollte er jedoch vorher wieder wissen; doch auch dieses Mal erhielt er keine Antwort. „Wer ist da?!

„Mach die Tür auf, Junge. Ich weiß, dass du da bist.“

Diese Stimme!

Diese Stimme! Das durfte nicht wahr sein! Was hatte diese Person hier zu suchen?!

Und was wollte sie von ihm? Sein großer Bruder war doch gar nicht da!

Ein ungutes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit, während er mit wackeligen Schritten von der Holztür wich und leise wimmerte.

G-geh weg! Du bist hier nicht Willkommen, Rosbif!

Er mochte es eigentlich nicht, solche Worte zu benutzen, aber er wollte nicht, dass sein älterer Bruder böse mit ihm sein würde. Und das würde er bestimmt, immerhin hatte er ihm immer wieder gesagt, dass jene Person nicht ins Haus gelassen werden sollte!

„Wie hast du mich gerade genannt?! Jetzt reicht es. Meine Geduld ist am Ende, Junge.“, ein zweites Mal war die gedämpfte Stimme – eindeutig männlich, doch noch recht hell – zu vernehmen, ehe ruckartig am Türknauf gerüttelt wurde. „Öffne sofort die Tür! Oder ich öffne sie!“

Was wollte das Rosbif von ihm?

Er verstand kein Wort von dem, was gesagt wurde! Es war immerhin kein Französisch!

Ohne es zu bemerken, löste sich sein Griff um die Pfote seines Haustiers und festigte sich dafür um den Stab des Besens, den er fest an sich drückte, hilflos zusehend wie die Tür abrupt aufgestoßen wurde.

Das hatte also das Kindermädchen damit gemeint, dass man heutzutage auf ein sicheres Schloss achten sollte…

Mit missgestimmter Miene stand der junge Mann – nein, er war nicht älter als sein großer Bruder und der war noch nicht mal ausgewachsen – im Türrahmen, dichte Augenringe ließen die grünen Augen bedrohlich funkeln, während der rote Adelsmantel von der Reise deutlich mitgenommen wirkte.

Innerlich konnte sich das Kind ein schadenfrohes Kichern nicht verkneifen, gleichgültig wie eingeschüchtert es wirkte.

„Du hattest es nicht anders gewollt, Canada. Beschwere dich nicht, wenn die Tür jetzt kaputt ist.“, schnalzte England mit der Zunge und marschierte mit strammen Schritten auf den Jungen zu, der sogleich zurück wich und den Besenstil weiter festhielt. „France hat dir wirklich keinerlei Manieren beigebracht, huh?“

France?

Was hatte das Rosbif gerade über seinem großen Bruder gesagt?

G-geh weg! Du sollst nicht hier sein!“, schüttelte Canada den Kopf, unschlüssig was er auf die Worte hätte erwidern sollen und seufzte innerlich erleichtert, als sich Kumajirou zwischen ihn und ihrem… Gast setzte. Doch zu seiner Bestürzung wirkte der ältere Blonde eher amüsant, anstatt verängstigt – denn was sollte ein Bärenjunges ihm schon antun können?

„…Das war ja so klar. Nicht einmal Englisch hatte dieser Frosch dir beibringen können!“, schnaufte England entrüstet und musterte den Knaben genauestens. Seine Haare – fast der gleiche Schnitt wie der des Franzosen, widerlich – waren ungefähr Kinnlang und wellten sich leicht, was dem runden Kindergesicht eine zusätzlich femininere Note verlieh, obgleich es die unnatürlich violettfarbenen Augen hübsch unterstrich. Dennoch war es unmöglich! Es war ein Junge, kein verfluchtes Mädchen! Wenigstens bei der Kleidung war das Geschlecht halbwegs zu erkennen; eine simple Hose und ein Hemd, zusammen mit einer passenden Schleife, sogar überraschend ordentlich…

Ohne weitere Worte ging die britische Nation weiter auf den Burschen zu, der hastig einige Schritte nach Hinten machte und schwach das Zittern begann, allmählich überfordert mit der Situation.

Warum bist du hier? Und wo ist Francis? Warum ist er nicht hier…?

Canada wollte nicht weinerlich klingen, doch die Anwesenheit seines Bruders größten Konkurrenten machte ihm Angst, zumal es das unangenehme Gefühl in seiner Magengegend absolut nicht verbesserte… Es war eher das Gegenteil.

„Sprich eine Sprache, die ich verstehe, Junge. Aber das wird schon noch, wir beide haben ab heute genügend Zeit um dir Englisch beizubringen.“

Natürlich hatte England verstanden, was die Kolonie von sich gegeben hatte. Aber er sah nicht ein, auf deren Fragen zu antworten, geschweige denn auf das Niveau jener Sprache zu sinken, oh nein!

Doch eine Sache machte ihn stutzig. Warum hatte der Junge nicht von France gesprochen, sondern von ‚Francis’?

Nicht einmal zwischen America und ihm herrschte diese Namensebene, obgleich er dem Jungspund den Namen ‚Alfred’ gegeben hatte, für den Fall, dass Menschen ihn mal ansprechen würden.

„...Dein Menschenname war Matthew, korrekt?“

Mathieu. Ich heiße Mathieu Bonnefoy!

Oh…

Das würde schwieriger werden als er gedacht hatte. Aber er hatte auch America bändigen können, also wäre es doch gelacht, wenn nicht ihn auch!

„Nun gut, du bist seit dem 10. Februar in meinem Besitz. Du bist jetzt meine Kolonie, also erwarte ich von dir, dass du… Hey, was machst du da?!“

Noch während er gesprochen hatte, war der Junge mit Tränen in den Augenwinkeln auf ihn zu gerannt und trat ihm nun mit voller Wucht gegen das Schienbein, bevor er sich wieder mit raschen Schritten von ihm entfernte und sich in eine Ecke der Wohnstube begab; den Besen keine Sekunde lang aus seinem Griff entlassend.

„…Kleine Ratte.“

Schmerzerfüllt zischte England in die Richtung des Kindes, es sich gerade so noch verkneifend einen vulgären Fluch auszustoßen. „Bitte, ziehen wir andere Seiten auf…“
 

Seufzend schüttelte er den Kopf, ehe er ins Innere des Mantels griff und eine kleine Rolle Pergament herausholte, die er geschickt öffnete und ausrollte. Er tippte mit dem Zeigefinger dagegen, bis er die Aufmerksamkeit Canadas hatte.

„Das hier ist die Urkunde – der Vertrag – dass du von jetzt an in meinem Besitz bist. France will dich nicht mehr.“, versuchte er in langsamen Worten zu erklären, auch wenn er wusste, dass der Junge kein einziges Wort Englisch verstand, und doch bemerkte er, wie die violetten Augen fieberhaft an der Erklärung hingen und deutliches Entsetzen ins blasse Gesicht schlich. Oh, er würde France jetzt zeigen, wie leicht es war, jemanden zu brechen – selbst wenn er dessen verfluchte Sprache sprechen musste. „France sagte, dass dein Land kalt und tot ist – hier würde es keine Zukunft für ihn geben, weißt du?

Wie erstarrt blickte Canada auf das Papier und rührte sich nicht.

Das waren Lügen.

Das waren mit Sicherheit Lügen.

Sein großer Bruder würde so etwas nie, niemals über ihn sagen! Richtig? Richtig?

Langsam rollten die ersten Tränen über seine von der Aufregung langsam geröteten Wangen; es dauerte nicht lange bis ein leises Schluchzen seiner Kehle entrann und er hektisch blinzeln musste um die Tinte auf dem Pergament lesen zu können.

Nein… Du lügst! Das ist nicht wahr! F-francis…

Canada konnte und wollte nicht glauben, was der Jugendliche ihm weiß machen wollte. France würde ihn nicht einfach so alleine lassen, oder? Oder war doch etwas an Englands Worten dran? War France aus diesen Gründen nicht hier…? Nicht bei ihm…?

„Es ist wie es ist, Junge. Finde dich damit ab, dass du von nun an Englisch lernen wirst.“, versuchte sich England an einem Lächeln; es wirkte in den Augen der Kolonie fast schon spöttisch. Ihm fehlte das warme Schmunzeln seines großen Bruders…

Nein!

Er würde sich nicht von England täuschen lassen! Nur weil der Ältere ihm seinen Zwillingsbruder vorgestellt hatte, hieß das noch lange nicht, dass er die Wahrheit sagte – gleichgültig was sein Bauchgefühl ihm Weismachen wollte!

Geh endlich weg! Du bist hier absolut nicht willkommen, verschwinde!“, umfasste Canada den Besenstil fester, schluckte seine Angst einen Moment lang herunter und ging mit überraschender – er wollte weinen, er wollte schreien, er wollte zu France… - Ruhe auf England zu, der skeptisch eine Augenbraue hochzog. „Verschwinde endlich!

„Ich werde den Teufel tun, kleine Ratte. Und nun pack endlich den Besen beiseite!“, abfällig schnaufte der Ältere und griff nach dem Stil. Doch genau in dem Moment drehte der kleine Junge den Stab mit erstaunlicher Gewandtheit herum und schlug ihm direkt auf den Handrücken. „D-das…!“

Leise zischend – aus Wut, nicht weil es wehgetan hatte, auf gar keinen Fall! – zog England die Hand zurück und drückte sie sich einige Augenblicke lang fest an den Körper, während er beobachtete wie sich deutliche Ablehnung ob der Situation in den dunklen Augen des Kindes bildete. Es regte ihn auf!

Keiner wagte es ihn – das verfluchte britische Weltreich – ungestraft zu verletzen, schon gar nicht irgendein Bengel, der noch dazu in Frances Obhut war!

Verschwinde endlich! Oder i-ich mache das nochmal!“, schluckte Canada ein weiteres Mal die aufkommenden Tränen herunter und klammerte sich kampfbereit an den Besen. „I-ich habe keine Angst vor dir!

Plötzlich lachte der Brite spöttisch auf, ein höhnisches Lächeln lag auf seinen Lippen, während er die wenigen Schritte zwischen sie brachte und abrupt den Besenstil ergriff. Dieses Mal achtete er jedoch darauf, dass dem Jungen keine Chance blieb seine Bewegung gegen ihn zu nutzen!

Dann werde ich dafür Sorgen, dass sich das ändert. Kinder haben zu gehorchen, vor allem solche wie… du.“, zischte die Weltmacht unter zusammengepressten Zähnen hervor, entriss den zarten Händen des Jungen die ‚Waffe’ und holte zeitgleich mit der freien Hand aus, ihm eine schallende Ohrfeige mit dem Handrücken verpassend. Es kümmerte ihn nicht, dass der Blondschopf das Gleichgewicht verlor und bitterlich das Weinen anfing. „Haben wir uns jetzt verstanden, Canada? Oder willst du es wirklich auf die… harte Tour lernen?

„Rosbif! D-das… Bastard, widerlicher englischer Bastard!“, schimpfte der Junge bitter, als er sich etwas mit den Armen hochstemmte und anschließend die geschlagene Wange rieb. Es tat weh und brannte. Mit Sicherheit würde es noch die nächsten Tage zu sehen sein… Doch, es war nicht einmal der Schmerz der Wange, der ihm immer mehr Tränen in die Augen trieb, sondern die Endgültigkeit, nicht länger von der wichtigsten Person in seinem bisherigen Leben… gebraucht zu werden. Es schmerzte viel, viel mehr…

„Verstanden, dem Wunsch werde ich gerne nachkommen.“

Endgültig mit seiner Geduld – welche Geduld? America hielt ihm oft genug vor, dass er keine besaß… - am Ende schritt der ältere Blondschopf auf den Jungen zu, der ihn entweder nicht bemerkte oder nicht bemerken wollte; ihm war das sowieso egal. Die grünen Augen blickten mit einer Mischung aus Spott und Mitleid zu dem zitternden Etwas, das unglücklich am Boden saß und schluchzte.

…Es half alles nichts, der Junge musste lernen, wer jetzt das Sagen hatte. Und so holte er ein zweites Mal mit der Hand aus.
 

Einige Momente verstrichen, in denen nur mehr das Wimmern des weinenden Jungen am Boden zu vernehmen war. England stand bewegungslos vor ihm, die Hand noch immer in der Luft, während sein Blick fassungslos zum abrupten Neuankömmling wanderte, der sich flehend an seinen Arm geklammert hatte.

„England, es reicht! Siehst du nicht, dass Mattie bereits am Ende ist?!“

„A-america…“

Irritiert machte die Nation einen Schritt zurück, als er merkte, dass seine geliebte Kolonie ebenfalls am Weinen war. Natürlich, es war mit Sicherheit deswegen, weil der Jüngere sein Zwilling war, nur deswegen. Weshalb auch sonst?

…Aber warum hatte er ‚Mattie’ und nicht ‚Canada’ gesagt? Er hatte ihm doch beigebracht, wie man mit anderen Personen umzugehen hatte!

Ungewollt tat er, was America von ihm wollte. Langsam senkte er die noch immer erhobene Hand und sah hinunter zur momentan herrenlosen Kolonie, die zusammengekauert über einem Stück Pergament kniete und nur noch mehr Tränen vergoss.

K-komm zurück… Lass mich nicht alleine… Bitte… I-ich will nicht bei ihm bleiben..., Francis…

Immer und immer wieder war das leise Wispern vermischt mit lauterem Schluchzen zu vernehmen, was England einen Moment lang den Hals zu schnürte.

America hatte Recht.

Der Junge war wirklich am Ende. Also hatte er es geschafft? Hatte er ihn tatsächlich gebrochen, so wie er es sich… vorgenommen hatte?

„Lass Mattie endlich in Ruhe! Nur weil du France hasst, musst du es nicht an ihm auslassen, England!“, schluchzte der ältere Zwilling und entließ seinen Ziehbruder aus dem eisernen Klammergriff, ehe er ihm einen letzten – gar enttäuschten – Blick zu warf und sich zum Jüngsten hinunter kniete; ihm sanft über den Rücken strich. „Mattie, ich bin’s!“

Geh weg, Rosbif! F-fass mich nicht an!

Hilflos schlug Canada die Hand von sich und starrte weiterhin auf das Pergament zwischen seinen Händen. England hatte es nicht bemerkt, nicht bemerkt, dass die Urkunde hinunter gefallen war und ihm dadurch die Chance geboten hatte, sich den französischen Teil genauer anzusehen.

Aber das, was dort geschrieben stand, gefiel ihm ganz und gar nicht.

Er war Englands Eigentum. Sein geliebter großer Bruder würde sich nicht mehr um ihn kümmern, weil er einer… anderen Kolonie den Vorzug gegeben hatte!

Canada hatte das Gefühl, als würde sein Herz zerbrechen wollen. Es tat so unheimlich weh, so… verraten zu werden, wo er die ganzen Jahre – was sind schon Jahre für Wesen, die nicht mal annähernd Menschlich waren? – hoffnungsvoll auf den nächsten Besuch gewartet hatte. Er wollte sich nur noch zusammenrollen und alleine sein…

„Mattie! Ich bin’s, Mattie! Sieh mich an, bitte!“

…Diese Stimme gehörte nicht zu England. Sie war viel zu weich, viel zu sanft… viel zu vertraut.

Und dennoch war es nicht die Stimme, die er sich wünschte hören zu können.

Alfred…?

Zögerlich hob er den Kopf, musste einige Male blinzeln bis die Tränen weit genug aus seinen Augenwinkeln verschwunden waren, dass er wieder halbwegs klare Sicht hatte und direkt in das erleichtert lächelnde Gesicht seines Zwillingsbruders blicken konnte.

Es war ironisch.

Obgleich sie Zwillinge waren, wirkte Alfred mehrere Jahre älter. Nicht nur war er größer, auch seine Gesichtszüge waren wesentlich markanter und schärfer als die seinigen. Aber dennoch beruhigte es ihn immer wieder, wenn er in die himmelblaufarbenen Augen sehen konnte. Nur dieses Mal waren sie nicht so wundervoll strahlend – ganz entfernt nach Freiheit sehnend – sondern von Sorge getrübt.

Warum bist du hier?

„Wegen dir natürlich! …Ich habe mir Sorgen gemacht.“

V-verzeih mir, Al…

Schweigend beobachtete England die Szene mit wachsender Verwirrung.

Wie war das möglich?

Die Jungen sprachen nicht dieselbe Sprache und dennoch waren sie in der Lage einander zu verstehen?

Warum nur? Wieso war das möglich?

Aber gut, konnte er genauso gut versuchen einen Vorteil aus dieser Möglichkeit zu schlagen.

„America, verstehst du, was er sagt?“, ging er vorsichtshalber auf Nummer sicher und machte einige Schritte auf die zwei Jungen zu, jedoch nur um abrupt inne zu halten, als er sah wie der Jüngere von ihnen mit blanken Entsetzen im Blick näher zu seinem Bruder rutschte und sich bei ihm augenscheinlich verstecken wollte. „…“

Warum fühlte er sich auf einmal so… schlecht?

Er hatte doch nur seine Pflicht ausgeübt und dem Jungen zeigen wollen, wer von ihnen das Sagen hatte – mehr nicht!

Doch dieser verschreckte Blick…

„I-ist doch gut, Mattie! Du… du kannst aufhören zu weinen, ich beschütze dich!“, sichtlich überfordert ließ sich America auf dem Boden nieder, als sein Bruder ohne Vorwarnung die Arme um ihn schlang und sich von Neuem wimmernd gegen ihn drückte. „England tut dir nichts mehr, dafür sorge ich schon!“

Der Blondschopf bemühte sich darum, ein breites Lächeln auf den Lippen zu haben, ehe er jedoch den Cowboy-Hut von seinem Rücken nahm und diesen beiseite legte, lediglich aus den Augenwinkeln heraus beobachtete er England genau, der sichtlich schluckte.

„…Mattie hat Angst vor dir.“

„Das… habe ich mitbekommen. Warum hast du dich eingemischt, America?“

Genervt ob der mahnenden Stimmlage verdrehte der Angesprochene die Augen und konzentrierte sich darauf, in beruhigenden Kreisen über den Rücken seines kleinen Bruders zu rubbeln, der sich nur schwer vom Weinen abbringen konnte.

„Hätte ich es nicht getan, hättest du ihn ein zweites Mal geschlagen! Denk doch mal nach, England!“

Seufzend deutete er Canada ihn loszulassen, dass er Aufstehen wollte, doch dieser schüttelte nur den Kopf und drückte sich noch mehr gegen seine Brust, wodurch er gezwungen war den Kopf in Richtung des Briten zu heben.

„…Glaubst du, ich hätte glücklicher darüber reagiert? Versetz dich doch mal in seine Lage.“

Es kam nicht oft vor, dass er derartige… Weisheiten von sich gab, aber im Augenblick war es einfach notwendig. Wie sonst sollte England kapieren, was er falsch gemacht hatte?!

Wie sonst, wenn nicht auf diese Weise?

Er war immerhin dessen liebste Kolonie, oder etwa nicht…?
 

Aber natürlich…

America hatte Recht. Wie hatte er so… ignorant ob der Gefühle des Jungen sein können? Er war doch sonst nicht so zu seinen übrigen Kolonien! Aber der Fakt, dass Canada nun einmal France – diesem verfluchten Froschschenkel – gehört hatte, hatte es ihn vollkommen vergessen lassen. Viel zu stark war der Drang gewesen, dem Franzosen Leid zu zufügen…

„Es… Du hast natürlich Recht, Ame- …Alfred.“

Er wollte nicht hinter France zurückstehen, schon gar nicht was seine Gefühle für seine Lieblingskolonie anging, trotzdem klang der eigentlich vertraute Name so unglaublich fremd, dass es sogar dafür sorgte, dass sich Canada regte und eingeschüchtert den Kopf hob um zu sehen, wer den Namen seines Bruders ausgesprochen hatte.

„Natürlich habe ich Recht! Ich bin ja auch großartig und Matties Held!“, grinste America erfreut ob Englands Geste, der langsam auf die Knie sackte um mit den Kindern auf Augenhöhe sein zu können. Aber es verwunderte keinen, dass Canada sich wieder mehr an seinen Zwilling klammerte. „…Beruhig dich, Mattie. Ich hab doch gesagt, dass dir jetzt nichts mehr passiert!“

Langsam, nicht wirklich überzeugt, nickte der Junge und sah fragend zu ihm hoch.

Muss ich… wirklich bei euch bleiben…?

„Es sieht ganz so aus. Aber… a-auch wenn’s kein richtiger Trost für dich ist… W-wir können jetzt viel mehr Zeit miteinander verbringen und nicht mehr nur heimlich!“

Canada lehnte sich schweigend an ihn.

Es freute ihn durchaus, dass er seinen Zwilling an seiner Seite haben und Zeit mit ihm verbringen können würde, aber… er wollte nichts mit England zutun haben.

„A-alfred, tust du mir einen Gefallen?“, unterbrach der Älteste die einseitige Unterhaltung der Brüder und blickte regelrecht beschämt zu Boden, musterte dort die Maserung der verwendeten Holzbretter. „Kannst du ihm… sagen, dass es mir Leid tut? Ich hätte so nicht reagieren dürfen…“

Ohne etwas zu sagen und gleichzeitig sichtlich überrascht, starrte America seine Vaterfigur an. Es gab selten Momente, in denen sich England entschuldigte, doch wenn – dann auch meistens begründet, weswegen er keine Worte brauchte. Ein kurzes Lächeln genügte, ehe er seinen Bruder anstupste und ihm im leisen Flüsterton erklärte, was der Älteste gerade von sich gegeben hatte.

Es dauerte einige Augenblicke, ehe Canada vorsichtig zu England schielte und ihm einen unschlüssigen Blick zu warf; aber gleich wieder mit America flüsterte, der sich schließlich seufzend räusperte.

„…Er sagt, dass er die Entschuldigung akzeptiert. A-aber…“

Es war deutlich zu erkennen, dass America – ausgerechnet America! – zögerte weiterzusprechen, was in den Augen der britischen Nation eigentlich schon Zeichen genug war. Und dennoch streckte der Jugendliche langsam eine Hand aus und legte sie auf den weichen Schopf des Jüngsten, der abrupt zusammenzuckte und sich spürbar verkrampfte.

„…Sprich aus, was ich bereits weiß, Alfred.“

„Er sagte, dass das… nichts daran ändert, dass er dich hasst, …Arthur.“

Bedrückt, dass er diese Nachricht überbringen musste, senkte America den Blick und sah direkt in die violetten Augen seines Bruders, der ihn hilfesuchend anstarrte, sich sichtlich unwohl fühlend unter der Liebkosung seines Haares. Und dennoch schüttelte er den Kopf, während er die Arme etwas fester um den schmächtigeren Körper schlang.

„Du wirst dich daran gewöhnen, Mattie. Dein Held wird aber auf dich aufpassen, versprochen…“, flüsterte er ihm leise zu und lächelte schwach, als er ein undeutliches Nicken vernahm.

…Ich weiß, Bruder. Und ich hoffe…, dass du Recht hast…

Langsam schloss Canada die Augen und obgleich er wusste, dass es unfair seiner anderen Hälfte gegenüber war, wünschte er sich nur, dass France ihn zurückholen würde.
 

Aber natürlich, dieser Wunsch musste ihm verwehrt bleiben.
 


 

Randnotizen:

1) Am 10. Februar 1763 wurde in Paris das Abkommen unterzeichnet, das den siebenjährigen Krieg in Übersee (zwischen Frankreich und Großbritannien) beendete. Damals verlor Frankreich unter anderem Kanada an Großbritannien.

2) Canadas und Americas Alter: Kanada entwickelte sich damals als französische Kolonie langsamer als die dreizehn Kolonien unter britischer Führung, da die Länder unterschiedliche Wertestellungen an den Tage gelegt hatten. Darum ist Canada von der körperlichen Erscheinung her gerade mal zwischen 8 und 10 Jahren, während America zwischen 12 – 14 Jahren liegt.

3) Americas Respektlosigkeit: Es war mir wichtig, dass man merkt, dass es nur knappe 12 Jahre bis zur Revolution sind. Außerdem wäre es nicht America, wenn er nicht vorlaut wäre, orz.

4) Die Namensbasis: Canada nannte sowohl America, als auch France beim Namen (wie auch umgekehrt), weil es ein tieferes Vertrauen zeigt. Es ist ein unbewusster Versuch menschlicher zu wirken (bei allen drei). England nannte America erst am Schluss beim Namen, weil er vorher zu sehr darauf fixiert war ‚das britische Weltreich’ dazustellen, aber nicht Arthur Kirkland.

5) Warum sagt America nicht ‚Matthew’, sondern ‚Mattie’? Weil Canada von sich selbst als ‚Mathieu’ sprach, aber America unfähig war den Namen korrekt auszusprechen; darum die Kurzform.

6) America und Canada sind in der Lage sich trotz der unterschiedlichen Sprache zu verstehen, weil sie eigentlich „eins“ sind, darum auch die Bezeichnung Zwillinge. Sie sind noch keine richtigen Nationen, sondern ‚nur’ Kolonien, wodurch das Band, das sie miteinander verbindet, wesentlich stärker ist als es bei anderen Geschwisternationen ist (wie z.B. Veneziano und Romano oder Germany und Prussia).



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Knoblauchgurke
2010-11-03T19:00:57+00:00 03.11.2010 20:00
Eine wunder, wunderschöne Fanfic :)
Ich finde es toll, dass Matthew sich zur Wehr setzt und nicht einfach hinnehmen möchte, dass Francis ihn verlassen hat und wie Alfred ihn verteidigt fand ich unglaublich rührend. Ich finde, dass du alle drei gut getroffen hast^^
Von:  CuthbertAllgood
2009-12-29T22:39:39+00:00 29.12.2009 23:39
So schön. Und traurig, natürlich.
Wunderschön geschrieben. <3
Von:  Mitsune
2009-12-21T20:56:13+00:00 21.12.2009 21:56
Lol, der Tofu-Trupp -1.
Das poppte mir bei der Beschreibung in den Kopf |D
Du weißt ja, ich finde es sehr süß.
Und jay, ein Hinweis was französisch ist und was nicht :D
Von:  Otakuplant
2009-12-21T19:08:57+00:00 21.12.2009 20:08
Schööööönn~ Ich bin zu Tränen gerührt ;_;
Von:  DanDancchi
2009-11-17T12:21:13+00:00 17.11.2009 13:21
Ich hab dir bereits alles gesagt, was gesagt werden musste!
Beim Lesen musste ich mir Zeit nehmen, damit ich ja jedes Detail vernehmen konnte - außerdem war ich wirklich zu Tränen gerührt bei Matthews "Geständnis"!
Dein Schreibstil gefällt mir sehr, sehr gut, ich freu mich, dass du es hochgeladen hast! Merci beacoup!

Des bisous,
Dani-Francis♥


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