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Shadowwalkers

Licht und Schatten
von

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Carpe noctum

War tagsüber das Treiben im Krankenhaus mit einem Bienenstock zu vergleichen, so glich es nun in den ersten Stunden nach Mitternacht genau dem Gegenteil. Vereinzelt ging hier und dort eine Schwester oder ein Arzt den Gang entlang. Doch es schien fast schon zu ruhig zu sein.

Noch am Abend hatte man Ashley in ein anderes Zimmer verlegt. Auch wenn Duncan weiterhin darauf bestand, dass sie ruhig gestellt werden musste, waren die Ärzte der Meinung, dass sich ihr Zustand insgesamt soweit gebessert hatte, als dass sie definitiv nicht mehr auf der Intensivstation bleiben musste. Emma war noch eine Weile bei ihr geblieben, in der Hoffnung, zumindest kurz einen Moment zu erhaschen, in dem Ashley wieder wach wurde, doch was auch immer man ihr gegeben hatte, schien ziemlich stark zu sein.

Duncan hatte es geradezu begrüßt, dass Emma nicht über Nacht im Krankenhaus bei ihr blieb. Er hatte es für eine gute Idee empfunden, dass sie sich etwas Ablenkung verschaffen wollte und dann am kommenden Tag wieder zu kommen, wenn es Ashley wohl etwas besser ginge.

Sie wusste ziemlich genau, dass sie Ashley aber dann nicht mehr dort antreffen würde und Duncan ihr aber das Gegenteil versuchte weiß zu machen. Aber sie spielte mit. In der Hoffnung, dass Lily einen Weg finden würde, zu verhindern, dass man Ashley ins Verließ, dem schlimmsten Gefängnis der Welt sperren würde.

Ashley lag alleine in ihrem Zimmer. Duncan hatte es für überflüssig angesehen, in ihrer unmittelbaren Nähe Wachen zu postieren. Aber er hatte immer noch Leute im Krankenhaus. Und die lagen auf der Lauer.

Doch keiner von ihnen bemerkte eine junge Schwester, die gemächlich eine Trage vor sich her schob und die Gänge hinunter zu schlendern schien. Niemand, nicht einmal ihre Kolleginnen schenkten ihr besonders große Beachtung. So schob sie immer weiter durch das Krankenhaus. Schließlich stand sie vor der Tür zu Ashleys Krankenzimmer.

Ein junger Arzt war gerade hinein gegangen. Die Schwester beobachtete ihn, wie er gerade einen Infusionstropf untersuchte. Aber der Arzt schien sie bemerkt zu haben und drehte sich zu ihr um. Er klappte ein Krankenblatt zu und kam näher zu ihr. „Ah, Schwester, könnten sie mir bitte einen Gefallen tun. Die Patientin braucht eine Auffrischung ihrer Schmerzmittel. Könnten sie so freundlich sein, und dafür sorgen, dass sie sie erhält?“

Die Schwester schenkte ihm ein freundliches Lächeln. „Natürlich kann ich.“ Er grinste zurück und reichte ihr das Krankenblatt. „Bitte sehr. Dann kann ich mich noch ein paar Minuten aufs Ohr hauen.“ Er ging an ihr vorbei hinaus. Einige Augenblicke stand die Schwester nur da und blickte ihm nach. Als sie sich vergewissert hatte, dass er nicht zurückkam, zog sie die Trage in das Zimmer hinein und schloss die Tür.

Sie warf einen kurzen Blick in das Krankenblatt und schnaubte verächtlich. Sie riss die Zettel von dort heraus und stopfte sie in ihre Hosentasche, den Ordner legte sie zur Seite. Dann trat sie an Ashley heran, die friedlich schlafend im Bett lag. Man hatte den großen Verband inzwischen entfernt und gegen ein paar größere Pflaster ersetzt. Es sah etwas skurill aus, zumal man, wohl um die Wunde besser behandeln zu können, ihr einen Teil der Haare weg rasiert hatte.

Die Schwester strich ihr noch ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und flüsterte dann „Da hast du aber echt was angestellt, Ashley.“ Anschließend steckte sie ein paar der Geräte ab, deren Elektroden immer noch zur Überwachung an Ashley angeschlossen waren. Sie entfernte die Infusion, ließ aber die Nadel stecken. Dann hob sie Ashley aus dem Bett und legte sie auf die Trage.

Bevor sie allerdings nach draußen ging, zog sie Ashley vorsichtig eine OP Haube über, um die Wunde zu verdecken. Dann begann sie vorsichtig einen Teil ihres Gesichtes mit Verband zu umwickeln. Und legte eine Decke um sie. Als das erledigt war, stellte die Schwester sicher, dass auf dem Gang niemand war und schob dann die Trage wieder nach draußen.

Innerlich wünschte sie sich, dass ihr niemand entgegenkam, doch dieser Wunsch wurde nicht erfüllt. Zwei Schwestern und ein anderer Arzt kreuzten ihren Weg, doch keiner schien ihr Beachtung zu schenken. Sie transportierte eine Patientin und durch den Verband um Ashleys Gesicht konnte man nur sehr schwer erkennen, um wen es sich dabei handelte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte sie schließlich den Lift, der innerhalb von Sekunden mit dem bekannten Geräusch aufging und sie einließ. Als die Türen sich wieder schlossen, atmete sie tief durch. Eine wohlbekannte Stimme riss sie aus ihrer Trance. „Kannst du mir verraten, warum das so lange gedauert hat?“ Lily stand auf der anderen Seite neben dem Bett und starrte sie düster an.

„Ich wollte sicher gehen, dass keiner etwas merkt. Und du hast mir ja gesagt, dass ich meine Kräfte nicht benutzen soll, also konnte ich mich auf die nicht verlassen.“ Lily bemerkte den beleidigten Unterton und hob beschwichtigend die Hände. „Ist ja schon gut. Ich hab’s kapiert. Das hast du gut gemacht, Trinity.“ Lily widmete sich Ashley und nahm ihre Hand in ihre.

Trinity sah sie ernst an. „Noch sind wir hier nicht raus. Es kann immer noch schief gehen.“ Lily sah sie nicht an, lächelte aber „Das wird es nicht.“ Argwöhnisch sah Trinity ihre Mutter an. „Und wieso bist du dir da so sicher?“ Lily antwortete nicht. Sie beugte sich nach unten und gab Ashley einen Kuss auf die Wange.

Dann richtete sie sich wieder auf und sah hinüber zu Trinity. „Hab Vertrauen. Es wird schon alles gut gehen.“ Trinity schnaubte verächtlich „Dein Wort in Gottes Ohr. Wie auch immer, wir müssen uns beeilen. Sie braucht eine neue Infusion. Und ich hab kein gutes Gefühl dabei, wenn ich mir vorstelle, dass sie wach wird, bevor wir hier raus sind.“

Wie bestellt ging in diesen Sekunden die Türe auf. Und Trinity schob die Trage hinaus. Sekunden später folgte ihr Lily. Sie teilte dieses Gefühl der Unsicherheit und wollte hier so schnell wie möglich weg. Und bevor sie nicht sicher war, dass alles so abgelaufen war, wie sie es geplant hatten, würde sie auch nicht durchatmen können.

Sie folgte Trinity in unauffälligem Abstand. Ihr Blick wanderte immer wieder zu Ashley. Es zerriss ihr das Herz zusehen zu müssen, wie zerbrechlich sie doch war. Und in ihr keimte ein Gefühl der Schuld gepaart mit einer bitteren Erkenntnis: Ich hätte das hier schon viel früher tun sollen!



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