Die Entdeckung
Kennt ihr das auch?
Ihr wollt morgens einfach noch nicht aufstehen, weil das Bett so schön warm und gemütlich ist? Weil ihr die Nacht zum Tag gemacht habt und durchgefeiert habt?
Oder weil ihr einfach Langschläfer seid?
So eine Zeit gab es bei mir auch mal…
Jetzt leider nicht mehr. Im Gegenteil, ich habe Angst davor ein zu schlafen.
Denn immer wenn ich dann erwache bin ich an einem Ort wo ich nicht eingeschlafen bin.
Vor drei Nächten bin ich in einer stinkenden Seitengasse wach geworden, neben Müllkontainern und war blutüberströmt, ich hätte schwören können, dass ich in meinem Bett eingeschlafen war. Oder etwa doch nicht?
Traute Einsamkeit
//Yes!//, dachte ich und machte den letzten Karton auf.
Ich war endlich fertig geworden, endlich waren all meine Sachen in der neuen Wohnung verstaut. Verträumt blickte ich mich in meinem neuen zu Hause um.
Die ersten eigenen Vierwände sind immer aufregend und wecken eine unvorstellbare Abenteuer und Entdeckerlust.
Lächelnd sah ich zu meinen Bücherregalen. Typisch Ikea, ich hatte drei Tage gebraucht, bis sie endlich an der Wand geblieben waren. Mit diesem Möbelhersteller hatte ich bisher irgendwie nie Glück. Doch nun war alles fertig und meine heisgeliebten Bücher standen feinsäuberlich in einer Reihe.
Es war anstrengend gewesen nach der Schule hier hin zu gehen und zu streichen, aufzubauen und dann nebenbei noch zu lernen. Außerdem hatte es fast eine Ewigkeit gedauert bis ich meine Eltern von den Vorteilen der eigenen Wohnung überzeugt hatte.
//Das sorgt dafür das die Kinder unabhängiger und verantwortungsbewusster sind.//
Hatte sie nicht ganz überzeug, sie kannten mich immerhin schon achtzehn Jahre.
//Ihr habt endlich mal eure Ruhe und könnte „machen“ was ihr wollt!//
Da waren die Zauberworte!
Ich wollte gar nicht wissen, was die Beiden jetzt zu Hause taten und ich bin dankbar darüber, dass ich es mir nicht vorstellen kann. Auf jeden Fall musste ich versprechen, mich jeden zweiten Tag zu melden. Warum müssen Eltern immer so kompliziert sein?
Beherzt setzte ich mich an meine Hausaufgaben.
Deutsch, eine Gedichtsinterpretation. Alleine das Wort zu schreiben löst in mir Brechreiz aus. Aber ich sehe es positiv, wenn ich schnell fertig bin kann ich mich an die Dinge setzten die mir Spaß machen.
Knapp eine Stunde später, unendlichen Verbesserungen und Telefonaten mit meinen Mitschülern war ich mit dem Ergebnis zu frieden. Und dieses warf ich dann einfach achtlos in eine Ecke und rief meinen besten Freund an.
Ich kenne ihn seit zwei Jahren und wir haben ´ne Menge Scheiße mitgemacht. Seitdem er mir mal den Arsch gerettet hat bin ich der festen Überzeugung, dass er mein Seelenverwandter ist. Klingt komisch, ist aber so!
Als seine Mutter den Hörer abnahm wurde mir wie schon so oft klar, dass sie mich nicht mochte.
„Hallo Frau Kosa, ist Malin da?“
„Wer ist denn da überhaupt?“, blaffte sie mir entgegen.
„Lynn.“, gab ich zerknirscht als Antwort.
„Ach, die!“
Ein leichtes Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen bei dem abfälligen Tonfall.
Dann war Malin aber auch schon an der Strippe.
„Was´n?“
„Hi, ich bin´s. Willste vorbei kommen? Alleine abhängen ist uncool. Und bring Bier mit!“
Damit war alles gesagt, ich hörte ihn leise lachen. „Bin so gut wie da!“
Wir legten auf.
Ich lies mich in den Sitzsack fallen und merkte erst jetzt wie erschöpft ich eigentlich war. Wie schwer meine Lider auf einmal waren. Der Raum verschwamm vor meinen Augen.
Das letzte was ich hörte war eine mir unbekannte Stimme, sie sang ein leises Lied:
"Wenn Gott will wirst du wieder geweckt..."
Erstes Erkennen
Etwas war anders...
Ungewohnt und fremd.
Vorsichtig rührte es sich, bewegte einen Finger und zuckte zurück vor dem Schmerz, der urplötzlich durch den einst so vertrauten Körper zuckte.
Ein klopfen dran an die Ohren, leise, aber dennoch laut genug um erneut zurückgestoßen zu werden...in das schwarze namenlose Nichts...
Schlaftrunken öffnete ich die Augen.
"Mist!", fluchte ich und rappelte mich mühsam auf, als ich das Klopfen an der Haustür realisierte.
Schnell stolperte ich zur Tür und riss sie auf.
"Malin, es tut mir riesig Leid, ich bin eingepennt!", sprudelte es aus mir heraus, nachdem ich seine große Gestalt erkannte. Meine Augen tränten noch etwas, da sie sich nicht so schnell an die Helligkeit gewöhnt hatten.
"Hey Fluse! Langsam! Du brauchst dich nicht zu überschlagen meinetwegen."
Er grinste auf mich herab und ich schloß ihn freundschaftlich in die Arme, sog den vertrauten Geruch ein, seinen Geruch.
Malin war eigentlich ein beliebter Typ, nicht nur in der Schule, sondern auch in seinem Bekanntenkreis. Seine halblangen kastanienbraunen Haare und diese schönen grünen Augen hatten schon so manches Mädchen dahinschmelzen lassen.
Ich lies ihn los und schnappte mir die Kiste Bier, die er in den Hausflur gestellt hatte. Mühsam und umständlich quetschte ich mich an ihm vorbei.
"So! Jetzt komm erstmal rein, schmeiß dich hin und genieße den Flaire der neuen Heimat von mir."
Das musste man ihm nicht zweimal sagen und er folgte mir mit seinem hinreißensten Lächeln. Jede normale junge Frau wäre dabei in Ohnmacht gefallen, es hat nur Vorteile anders zu sein!
Jedes Zimmer meiner Wohnung wurde genauestens unter die Lupe genommen, bis wir uns lachend auf die Couch fallen ließen und die ersten Flaschen öffneten. "Auf die Unabhängigkeit!", prosteten wir uns zu.
Nachdem wir mehrere Stunden gequatscht, das erste Mal den Herd genutzt und fleißig Final Fantasy gezockt hatten verabschiedete Malin sich.
Seufzend kehrte ich der gerade geschlossenen Tür den Rücken und fragte mich zum zehntausendsten Mal, weshalb so ein Junge keine Freundin hatte. Ich schlenderte in die Küche und schalltete den Wasserkocher an.
Während er vor sich hin brodelte nahm ich das Telefon und rief kurz bei meiner Mutter an, nur um ihr zu sagen, dass es mir gut ging, dass wir das selbe Wetter hatten (Ich wohne nur einen Ortsteil von ihr entfernt und nicht am anderen Ende der Welt!)) und ihr geschildert hatte was heute passiert war.
Es gelang mir sie schnell ab zu wimmeln und legte gerade in dem Moment auf, als der Wasserkocher fertig war.
Das heiße Wasser füllte ich in eine Wärmflasche, manchmal brauchte ich sowas. Schnell noch vergewissern ob die Haustür richtig zu war und die Kette davorlag und schnell in den Schlafanzug geschlüpft.
Perfekt!
Bereit für meine erste Nacht in den eigenen vier Wänden.
Glücklich lies ich mich in die Kissen sinken und war innerhalb von ein paar Minuten schon im Land der Träume.