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Was ist aus mir geworden?

von

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„Gute Nacht, Jaromir, schlaf schön.“ Seine Mutter schloss die Zimmertür hinter sich und ließ ihren Sohn allein.

„Würde ich gerne“, murmelte er leise vor sich hin und betrachtete mit Sorge die Uhr über seinem Schreibtisch. Bald war es elf, dann musste er ins Bett, sonst bekam er wieder Ärger.

Allerdings dauerte es dann nicht lange, bis er gegen seinen Willen einschlief und das war eigentlich das, was er unbedingt vermeiden wollte. Schlafen bedeutete für ihn nämlich alles andere als Erholung.

Kurz vor der gefürchteten Uhrzeit schlich Jaromir ins Badezimmer, putzte sich die Zähne, wusch sich das Gesicht und hoffte, dadurch vielleicht länger wach bleiben zu können, immerhin weckte es doch ein wenig wieder auf, wenn das Wasser kalt genug war.

Er konnte sich nur wünschen, dass es heute eine ganze normale Nacht sein würde, ohne unangenehme Zwischenfälle, die ihn wieder fast in den Wahnsinn trieben. Das kam zum Glück auch manchmal vor, nur leider viel zu selten für Jaromirs Geschmack.

Mit deutlichem Widerwillen zog er seine Kleidung aus, ließ sie achtlos vor sich auf dem Boden fallen und schlüpfte so unter seine Bettdecke. Noch einen Schlafanzug, der nicht mehr als solcher erkennbar war, wollte er nicht, da trug er lieber gar nichts. Dann gab es auch weniger Hinweise auf das, was sich möglicherweise bald ereignete.

Am liebsten hätte Jaromir das Licht angelassen, um den Augenblick besonders lange hinauszuzögern, aber den schwachen Lichtschein sah man immer durch die kleinen Ritzen an der Tür und das hätte seiner Mutter gezeigt, dass er wieder einmal länger als erlaubt aufblieb.

So musste er sich damit begnügen, durch intensives Denken seinen Geist vom Wunsch, sich für längere Zeit auszuruhen, abzulenken. Schafe zählen, selbstgestellte Matheaufgaben lösen, über den Sinn des Lebens nachdenken, Hauptsache, er schlief nicht ein. Dabei war er inzwischen wirklich müde und brauchte seinen Schlaf, um morgen in der Schule wieder so zu tun, als wäre alles mit ihm in Ordnung, aber er zwang sich, dagegen anzukämpfen.

Er würde es schaffen, einmal hatte es schon funktioniert, ein zweites Mal wäre kein Problem, solange er nur fest an sich...

Schneller als er es wirklich realisierte, sank er in den gefährlichen Dämmerzustand und spürte, dass er heute Nacht Pech haben würde. Es war wieder soweit.

Jaromir versuchte panisch, wach zu werden, sich zu wehren, vielleicht zu schreien, aber nichts passierte, er hatte nun keine Kontrolle über sich selbst mehr. Wie immer musste er tatenlos zusehen und miterleben, wie er sich langsam zu verändern begann. Sein gesamter Körper bekam eine ungesund aussehende, bläuliche Färbung; die Proportionen stimmten nicht mehr, alles an ihm wirkte nun viel zu dünn und in die Länge gezogen; seine Fingernägel formten sich zu spitzen Krallen, die allein vom Druck auf die Decke tiefe Löcher dort hinterließen. Aber das schlimmste fand er seine Augen, deren Farbe sich umgekehrt hatte, sodass die Pupille weiß schillerte, während seine ehemals blauen Augen in einem hellen gelb leuchteten.

Die ganze Zeit über zuckten schmerzhafte Wellen durch seinen Körper und machten alles noch unerträglicher, als es sowieso schon für Jaromir war.

Normalerweise hätte er den gesamten Vorgang wegen des fehlenden Lichts in seinem Zimmer gar nicht sehen können, allerdings konnte das Etwas, was nun er selbst war, hervorragend im Dunkeln sehen, weshalb das für ihn kein Problem darstellte. Obwohl er liebend gerne darauf verzichtet hätte, aber die Augen schließen konnte er nicht, das konnte nur das Monster, in das er sich verwandelt hatte und das allein über seinen Körper entschied.

Sobald es sich seiner Meinung nach genug von der Prozedur erholt hatte, stand es ruckartig vom Bett auf, tigerte einige Minuten ziellose durch den Raum und überlegte mit seinem kaum vorhandenen Verstand, was es als nächstes machen sollte. Jaromir betete, dass es nicht auf die Idee kam, seine Wanderung im Haus fortzusetzen und dabei seinen Eltern über den Weg lief. Nicht wegen des Schrecks, den sie bekamen, sondern weil es mit großer Freude alles, was annähernd lebendig war, in Fetzen riss und manchmal sogar auffraß.

Einmal hatte er mitansehen müssen, wie das Etwas eine der Nachbarskatzen gefangen, getötet und verspeist hatte. Überall hatten blutige Fellbüschel und ausgerissene Krallen herumgelegen, jeden Tropfen Blut und jeden Fetzen rohen Fleischs hatte er geschmeckt und noch Wochen danach Alpträume davon gehabt; in die Schule hatte er drei Tage nicht gehen können, weil er sich ständig übergeben musste und mit seinem Nerven völlig am Ende gewesen war. Seitdem wusste er, wozu dieses Monster in der Lage war und das machte ihm schreckliche Angst, besonders um seine Familie und auch um andere Menschen.

Das Etwas beschloss, nicht mehr länger in diesem beengten Zimmer zu bleiben: Es riss das Fenster auf und sprang in den Garten darunter; dass dieser fast vier Meter unter ihm lag, störte es nicht, es war ziemlich robust, auch wenn es nicht danach aussah. Sprünge aus dieser Höhe fing es immer geschickt ab.

Jaromir konnte nur hoffen, dass es heute Nacht keinen Hunger auf sich bewegende Dinge hatte, sondern schnurstracks dorthin lief, wo es sich meistens aufhielt: Zu Mika, einem Jungen in seinem Alter, der mit genau demselben Problem wie er zu kämpfen hatte. Dort bestand wenigstens die Möglichkeit, nicht die ganze Nacht als ein tödlicher blauer Schatten durch die Siedlung zu streifen und streunende Tiere umzubringen.

In der Nähe schlug die Turmuhr der katholischen Kirche ein Uhr; wenn es sich beeilte, hatte Jaromir gute Chancen, noch genügend Schlaf abzubekommen. Falls es tatsächlich seinen Trieben folgte und Mikas Haus aufsuchte, ansonsten musste Jaromir bis kurz vor Sonnenaufgang in dieser Gestalt umherirren und um seinen psychischen Zustand bangen, der schon seit einiger Zeit nicht mehr der idealste war. Aber an wem ging es spurlos vorbei, wenn er kaum schlief, Angst um alles und jeden hatte und nicht über sich selbst bestimmen konnte, vor allem um das sinnlose Morden dieses Monsters zu verhindern?

Irgendwo hörte Jaromir Menschen miteinander reden und sofort fürchtete er, dass sie das nächste Opfer werden könnten, aber zum Glück wich das Etwas nicht von seiner Route, die es wohl schon gewählt hatte, ab; es schlich durch dunkle Vorgärten, durch dichte Hecken, aus denen er ab und zu ein verirrtes Insekt pflückten und dieses mit seinen scharfen Zähne zerbiss, und auch öfters über die kleineren Straßen. Die größeren mied es, die Autos waren ihm nicht geheuer, da sie in der Lage waren, es zu überfahren. Wenigstens etwas auf der Welt, das dem Monster Einhalt gebieten könnte.

Zwar ekelte es Jaromir immer noch, von Zeit zu Zeit einen toten Käfer herunterschlucken zu müssen, aber das war völlig harmlos im Gegensatz zu einem Tier, das er sogar persönlich gekannt hatte.

Nach einer halben Ewigkeit erreichte es wirklich Mikas Haus und in Gedanken seufzte Jaromir erleichtert auf. Sobald sie sich erst einmal hier befanden, bestand keine Gefahr mehr für andere, nicht mehr lange und er wäre wieder ein fast normaler Junge. Wenn Mika mitmachte.

Mit einem gewagten Sprung landete das Monster auf einem schmalen Fensterbrett und starrte in den Raum, der dahinter lag. Natürlich hätte es das Glas einschlagen können, aber es spürte, wer sich dahinter aufhielt und dass derjenige ihm freiwillig öffnen würde. Da brauchte es seine Kräfte nicht unnötig zu verschwenden.

Nur wenige Sekunden später stand jemand auf der anderen Seite des Fensters und betrachtete eingehend den gerade angekommenen Besucher, bevor es bereitwillig aufmachte und einen Schritt zurücktrat.

Diese Einladung nahm das Etwas nur allzu gerne an; es stieg vom Fensterbrett auf den Schreibtisch, wobei es einige Dinge herunterwarf, und biss das andere zur Begrüßung erst einmal fest in die Schulter. Eigentlich wäre das nicht so schlimm gewesen, wenn Jaromir nicht genau wüsste, dass Mika in normaler Menschenform noch tagelang mit einer schmerzenden Bissspur unterwegs sein würde. Auch wenn er im Moment anders aussah, es war immer noch er.

Zum Glück nahm Mika es ihm nie übel, da er wusste, dass Jaromir im Gegensatz zu ihm nicht in der Lage war, in manchen Situationen das Etwas nach seinem Willen zu lenken. Sonst hätte er das oft genug angewandt, um Mika nicht unnötig weh zu tun.

Nun fing der Teil an, den Jaromir gleichzeitig abstoßend und faszinierend fand. Es klang abwegig und völlig aus der Luft gegriffen, aber Mika und er mussten in ihrer momentanen Form miteinander schlafen, um schnellstmöglich wieder menschlich zu werden.

Angenehm war es nicht, besonders wenn man den passiven Part übernehmen musste, aber es funktionierte tatsächlich und lieber tat Jaromir etwas, was er normal nie wagen würde, als die ganze Nacht als Monster die Gegend unsicher zu machen.

Seit einem halben Jahr kam er – oder eher das Etwas – immer zu Mika, nachdem er ihm eines Nachts zufällig über den Weg gelaufen war, auf einer leeren Wiese im hintersten Winkel des Parks. Vorher hatte er vermutet, der einzige mit solch einem unschönen Schicksal zu sein, doch er hatte in Mika jemanden gefunden, der erstens viel mehr über sie wusste und ihm zweitens 'helfen' konnte.

Das erste Mal zwischen ihnen war eher ein Zwang gewesen, da sie nicht miteinander kommunizieren konnte und Mika ihm somit nicht hatte sagen können, was er mit ihm tat, aber im Nachhinein war Jaromir doch irgendwie froh gewesen, einen Weg gefunden zu haben, sich zurückzuverwandeln. Auch wenn ihm der Weg immer noch oft genug Kopfzerbrechen einbrachte.

In ihrer normalen Form hatten sie abgesprochen, sich immer abzuwechseln, was zumindest Jaromirs Monster nicht einsehen konnte, weil es dafür nicht den nötigen Verstand besaß. Also musste sich Mika entweder ihm unterwerfen oder er brachte ihn mit ziemlicher Gewalt dazu, sich ihm unterzuordnen. Diese Art hasste Jaromir am meisten, da es furchtbar weh tat, aber ansonsten musste Mika immer leiden, da seine andere Form nicht daran gewöhnt war, sich zurückzuhalten. So oder so endete jedes Treffen von ihnen ziemlich blutig.

Heute musste wieder Mika daran glauben, weshalb er sich schon ergeben auf das Bett platziert hatte und auf das Unvermeidliche wartete. Die hellblau leuchtenden Augen funkelten Jaromir trotzdem herausfordernd an, um zu zeigen, dass er keine Angst hatte, obwohl er sich fast in Lebensgefahr begab. Sanft lief hier nichts ab, es ging einzig und allein darum, die Kräfte der Monster aufzubrauchen, sodass sie sich zurückzogen und die zwei Jungs allein zurückließen. Meistens mit tiefen Kratzern, halb ohnmächtig und zu keinem logischen Gedanken mehr fähig.

Kaum hatte sich Jaromirs Monster neben seinem Gastgeber eingefunden, begann es mit einer kleinen Machtdemonstration, bei dem es immer heftiger in Mikas Oberarme biss und ihm seine Krallen in den Rücken schlug, bevor es überhaupt auf die Idee kam, mit seinem eigentlichen Vorhaben anzufangen. Entsetzt beobachtete Jaromir die Spuren, die später Mikas Oberkörper entstellen würden. Zwar sah man bei den Monster nur wenig, aber dessen Haut war viel widerstandsfähiger als die von Mika; sobald die Veränderung sich umkehrte, würde sein Rücken aussehen, als hätte Jaromir ihn mit einer Glasscherbe verunstaltet. Hoffentlich würde der Blutverlust nicht allzu groß sein, er wusste nämlich bis heute nicht, wo sich in diesem Haus das Verbandszeug befand.

Mit aller Gewalt packte es das Wesen, das Mikas Körper übernommen hatte, an den knochigen Hüften, um es an einer möglichen Flucht zu hindern, und stieß mit unglaublicher Kraft in den unter ihm liegenden. Zwar war es von der Natur vorgesehen, dass sich männliche und weibliche Artgenossen paarten, damit auch ihre Art nicht ausstarb, aber als Ersatz reichte das hier allemal.

Mit einem schlechten Gewissen, weil er nichts gegen die Grobheit des Etwas unternehmen konnte, betrachtete Jaromir Mikas Rücken, der heftig unter ihm zitterte. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass es furchtbar weh tat, wenn man ohne Vorbereitung genommen wurde, in diesem Punkt konnte sogar Mika sein neues Ich zu nichts zwingen. Sobald es erst einmal Lust hatte, ließ es nicht mehr mit sich reden, bis es in ihm gekommen war.

Innerlich seufzend versuchte Jaromir die Erregung des Monsters auszublenden, er wollte es nicht spüren und dadurch diesen Sex genießen, während Mika unter ihm so gequält wurde. Das hatte er nicht verdient.

Es zog sich immer länger hin, das Etwas schien gar nicht genug bekommen zu können und das musste Mika ausbaden, denn erst wenn es seinen Höhepunkt erreichte – und er am besten auch –, bildeten sich die verzerrten Gliedmaßen zurück, die Färbungen wurden normal und sie konnten wieder vollkommen über sich bestimmen. Vorausgesetzt, sie waren danach noch bei Bewusstsein. Schon öfters war Jaromir direkt danach in Ohnmacht gefallen, vor allem wenn er unter Mika gelegen hatte, und war erst Stunden später eng an Mika gedrängt aufgewacht war.

Für viele Menschen war Sex etwas Tolles, für Jaromir und Mika war es die schmerzhafte Alternative zu einer ganzen Nacht in einer grotesken Gestalt.

Irgendwann nahm Jaromir wahr, dass es nicht mehr lange dauern würde, was ihn etwas beruhigte. Es musste schon nach zwei sein, viel länger hielt Mika vielleicht nicht mehr durch und brach zusammen, das wäre nicht der Sinn ihres Treffens gewesen.

Immer stärker wurden die Stöße des Monsters, das sich inzwischen überhaupt nicht mehr zurückhielt und schamlos an Mikas Glied herumrieb, um ihn noch für den letzten Weg bereit zu machen. Seine Krallen hatten fast jeden Zentimeter von Mikas Haut zerkratzt oder sie durch Bisse verletzt, ein deutliches Zeichen, wie sehr ihm die ganze Angelegenheit gefiel.

Mit einem heftigen Zucken kam das Etwas zum Höhepunkt, was bei Mika zum Glück nach einer halben Minute ebenfalls der Fall war. Von der Wirkung überschwemmt trennten sie sich eilig, da sie merkten, dass sie nicht mehr lange in dieser Form sein würden.

Und tatsächlich beobachtete Jaromir, wie seine Haut endlich den krankhaften Ton verlor, seine Arme nicht mehr so übertrieben langgezogen aussahen und an Mikas Rücken tiefe Verletzungen aufrissen, die vorher nicht so sichtbar gewesen waren.

Das Grauen hatte ein Ende und gleichzeitig begann das nächste, denn nun hörte er Mikas schwaches Wimmern wegen seinen unzähligen Wunden, die das Bettzeug unter ihm rot färben, und ihm selbst liefen die ersten Tränen über die Wangen.

Leise schluchzend strich er über Mikas entstellten Rücken und wünschte sich einfach, ihm nie begegnet zu sein, dann müsste er auch nicht seinetwegen solche schrecklichen Dinge ausstehen.

Jaromir knipste die Nachttischlampe an, um auch ohne mutierte Augen den Überblick zu behalten, und starrte schockiert auf seine blutverschmierte Hand, die eben noch auf Mikas Wirbelsäule geruht hatte.

Hastig sprang er auf, versuchte trotz seiner begrenzten Sicht durch die Tränen etwas zu finden, womit er Mika versorgen konnte, und nahm schließlich aus Mangel an Taschentücher oder ähnlichen ein T-Shirt, das über dem Schreibtischstuhl gehangen hatte. Vielleicht wäre Mika nachher wütend auf ihn, weil er es benutzt hatte, aber er machte sich gerade solche Sorgen, dass alles andere in den Hintergrund rückte.

Vorsichtig tupfte er die blutenden Verletzungen ab, untersuchte auch Mikas Arme, an denen er auch nicht Halt gemacht hatte, und stellte beschämt fest, dass Mikas Po ebenfalls ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden war. Allerdings traute sich Jaromir nicht, ihn dort zu berühren, er wollte ihm nicht noch zusätzlich weh tun.

„Jaro?“, brachte Mika zwischen seinen kaum hörbaren Schmerzenslauten hervor. „Bist du das?“ Er schien kaum etwas wahrzunehmen.

„Ja, es tut mir so Leid.“ Zitternd wischte er sich die störenden Tränen aus dem Gesicht, Mika sollte nicht sehen, dass er schon wieder geweint hatte. Das tat er fast jedes Mal, er fand immer einen Grund dazu. Entweder weil er sich schuldig fühlte, weil ihm alles weh tat oder weil er einfach Angst hatte, ob es für immer so weitergehen würde.

„Muss es nicht, ich weiß ja, was passieren würde und habe dich trotzdem rein gelassen.“ Mikas Stimme versagte ihm mittendrin fast und er stöhnte gequält auf, als er versuchte, sich auf den Rücken zu rollen.

„Bleib liegen, sonst ruinierst du das ganze Bett.“ Obwohl es sowieso schon mehr rot als weiß war. „Kann ich irgendetwas für dich tun?“

„Komm her.“ Mika machte ihm deutlich, sich neben ihn zu setzen, was Jaromir auch tat. Die Nähe des anderen Jungens beruhigte ihn meistens etwas, aber heute funktionierte es nicht, stattdessen schluchzte er nur leise vor sich hin, weil ihm das alles einfach zu viel wurde.

„Wein doch nicht schon wieder.“ Vorsichtig zog sich Mika an ihm in die Höhe, sodass ihre Gesichter fast auf derselben Höhe waren, und strich mit den Fingerspitzen einige nasse Spuren von Jaromirs Wange. Dafür verlief nun ein schwacher roter Strich über dessen Gesicht, was er zum Glück nicht sah. „Du tust nur das, was du für richtig hältst und du kannst nichts dafür, dass das Ding dir keine Möglichkeit lässt, selbst zu handeln. Meins merkt, dass ich Ahnung habe.“ Er kniff kurz die Augen zusammen und lehnte seinen Kopf an Jaromirs Schulter. „Du bist am wenigsten Schuld an allem. Eigentlich bin ich es, immerhin habe ich dir das bei unserem ersten Treffen angetan und das ist die Strafe dafür.“

„Red nicht so einen Blödsinn. Du hast es gutgemeint.“ Das konnte er aber auch nur im Nachhinein sagen, im Augenblick der Tat hatte er solche Panik gehabt, dass er fast gestorben wäre. Wäre das Ergebnis nicht so positiv für ihn gewesen, hätte er Mika natürlich nie verzeihen können, was er ihm angetan hatte.

„Keine Diskussionen, bitte.“ Mika war immer noch erschreckend blass und wohl nicht in der Lage, mit ihm über ethische Fragen zu debattieren. „Bleib einfach nur hier, mehr will ich von dir nicht.“ Zögernd richtete er sich ein Stück auf und drückte Jaromir einen Kuss auf die Stirn. Seine aufgebissene Lippe hinterließ einen roten Abdruck auf der hellen Haut.

Etwas überrumpelt zuckte Jaromir zurück, weil Mika ihn bis jetzt nur zweimal geküsste hatte und sich sonst mit normalem Körperkontakt begnügte. Aber er wollte ihm damit zeigen, dass er ihm nicht böse war, was er öfters bei Jaromir tun musste. Dieser fühlte sich nämlich wegen jedem Benehmen des aggressiven Monsters schuldig.

„Wie komme ich dann später nach Hause? Fahren mich deine Eltern?“

„Müssen sie, immerhin sollen deine Eltern nicht merken, dass du heute Nacht bei mir und nicht zuhause warst.“ Seufzend schlang Mika seine Arme um Jaromir und zog ihn mit sich auf das Bett. So lagen sie nun dort: Nackt, erschöpft und verletzt in einem großen blutbefleckten Bett.

Genauso hatten Mikas Eltern sie bei ihrem ersten Treffen hier entdeckt. Bei dieser Begegnung wäre Jaromir fast das Herz stehen geblieben und auch Mika war völlig entsetzt gewesen, aber seine Eltern schienen nicht allzu verwirrt zu sein, denn wie sie sich nach einem intensiven Gespräch herausstellte, hatte Mika diese Anomalie von seinen Eltern geerbt und sie hatten vermutet, dass ihr Sohn jemanden gefunden hatte, durch dessen Hilfe er vorzeitig normal wurde. Dass derjenige männlich war, fanden sie zwar sehr gewöhnungsbedürftig, aber sie hatten sich nie negativ darüber geäußert.

Aber da sie nicht wussten, ob es sich bei Jaromir auch um Vererbung oder einfach um einen Gendefekt handelte, wollten sie nicht, dass seine Eltern Verdacht schöpften und erklärten sich bereit, ihn immer kurz vor dem eigentlichen Aufstehen nach Hause zu fahren. Anders wäre Jaromir manchmal gar nicht nach Hause gekommen.

„Tut es noch sehr weh?“, fragte Jaromir nach einiger Zeit, in der Mika und er sich nur angeschwiegen hatten.

„Leider, das wird auch noch länger anhalten. Ich glaub, ich geh heute besser nicht in die Schule, ich könnte nicht einmal richtig sitzen.“

„Es tut mir...“

„Ja, ich weiß es, aber das macht es nicht besser, außerdem bist du der letzte, der etwas dafür kann, sieh es doch endlich ein, Jaro.“ Mika vergrub sein Gesicht an Jaromirs Brust und kitzelte ihn dabei mit seinen Haaren am Kinn.

„Das sagst du jedes Mal.“ Besonders behaglich fand er es nicht, in Mikas Blut zu liegen, aber da dieser ihn so fest an sich drückte, als wollte er ihn nie wieder loslassen, blieb ihm nichts anderes übrig. Gerne hätte er sich auch Kleidung angezogen, einfach weil er es gewohnt war, aber Mika wäre wohl nicht so begeistert davon. Er mochte es, wenn sie so nebeneinander lagen, hatte er einmal zugegeben.

Langsam erfasste die Müdigkeit die beiden und dieses Mal brauchten sie nicht dagegen anzukämpfen, die Monster in ihnen mussten erst wieder zu Kräften kommen, bevor sie wieder zuschlugen. Erledigt von den Ereignissen der letzten Stunden schloss Jaromir die Augen, kuschelte sich noch ein wenig näher an Mika und schlief schon bald an.

Sie hatten es verdient, wenigstens die nächsten drei Stunden ruhig schlafen zu dürfen.



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