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Septembermond

SethxOC
von

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Für Immer

Für Immer
 

»Ihr Pulsschlag ist zu hoch, aber das ist nicht gefährlich. Nur das hohe Fieber bereitet mir Sorge.«

Wieso kam mir diese Stimme so vertraut vor? Mir war so warm. Wo war ich? Ich konnte meine Augen nicht öffnen. Ich spürte einen festen Druck an meiner rechten Hand.

»Ach, Madison, was machst du nur für Sachen...?« Mom!

»Ihre Tochter hat sich nur zu sehr aufgeregt. Ich bin mir sicher, dass es ihr besser geht, wenn das Fieber gesunken ist. Sie braucht jetzt viel Ruhe.«

»Vielen Dank, Doktor Cullen. Ich finde es wirklich großartig von ihnen, dass sie sofort gekommen sind.«

»Ich bin Arzt. Da ist es meine Pflicht Menschen jederzeit zu helfen.«

Wieso war Carisle hier? Wieso sprach er mit meiner Mutter über Fieber und die Pflichten eines Arztes? Und wo war Seth? Seth...ich konnte sein Gesicht noch genau vor mir sehen. Und seine Augen, die mich so seltsam angesehen hatten.

»Seth...« War das meine Stimme? Sie klang so verändert.

»Maddy! Maddy, bist du wach?«, ich spürte wie etwas meine Schulter berührte.

»Mom«, diesmal war ich mir sicher, dass ich diejenige gewesen war, die gesprochen hatte. Grelles Licht drang durch meine Augenlider. Sie fühlten sich schwer an und doch schaffte ich es irgendwie sie zu öffnen. Zu aller erst sah ich alles nur verschwommen. Wie durch eine Brille. Doch nahmen die Schatten Formen an. Ich erkannte das besorgte Gesicht meiner geliebten Mutter und nicht weit davon daneben auch das nicht weniger besorgte von Dr. Cullen. Als er meinen neugierigen Blick bemerkte, lächelte er sanft.

»Was ist geschehen?«, fragte ich mit rauer Stimme.
 

Man antwortete mir nicht sofort. Beide Erwachsene tauschten nur vielsagende Blicke aus. Ich verstand wie immer kein Wort von diesen stummen Kommunikation.

»Mom?«

Sie zuckte zusammen, als sie meine klare Stimme hörte. Ich ignorierte den Pochen Schmerz in meinem Kopf und die Hitzewelle, die mich überrollte ich wollte nur Antworten.

»Mrs. Shay, dürfte ich wohl einen Augenblick mit Maddy alleine reden?«, fragte Carisle freundlich und setzte ein so charmantes Lächeln auf, dass ihm sogar meine Mom nicht widerstehen konnte.

»A-aber natürlich«, murmelte sie, strich mir ein letztes Mal übers Haar und verließ dann den Raum.

Gespannt verfolgten meine Augen wie Carisle sich mit einer feenhaften Bewegung auf mein Bettende fallen ließ und elegant die Hände faltete. In meinem dunklen, einfachen Zimmer wirkte er mit seiner blendenden Schönheit fast schon grotesk. Mein Zimmer war auf einmal noch kleiner und schäbiger als ich es in Erinnerung hatte.
 

»Wie es scheint hast du dich ein letzter Zeit ein wenig überanstrengt«, Carisles klare Stimme riss mich aus meinen Gedanken.

»Ich weiß«, murmelte ich ohne ihn anzusehen und richtete mich ein wenig auf, sodass ich meinen Oberkörper gegen die Rückenlehne stützten konnte.

»Es soll kein Vorwurf sein, Maddy. Immerhin hast du mir bei unserer letzten Begegnung geschworen, dass dir das Tanzen mehr bedeutet als alles andere auf der Welt.«

»Schon, aber-«

»Wieso aber? Du nanntest es deinen Herzenswunsch«, Carisle legte nachdenklich die Stirn in Falten, »oder hat sich deine Meinung geändert?«

Ich wagte es nicht ihn anzusehen. Es kam mir so vor als könnte er mir direkt in die Seele schauen. Konnte er etwa auch Gedanken lesen oder war Edward hier irgendwo? Ich ließ meinen Blick kurz durchs Zimmer huschen, konnte aber niemand anderen entdecken.

»Manchmal ändern sich Träume.« Hatte da wirklich gerade ich gesprochen?

Carisle lachte leise, als er mein verdattertes Gesicht sah und legte mir seine Hand auf den Kopf. Eine sehr väterliche und menschliche Geste.

»Und manchmal passieren Dinge, die man in seinem Leben nicht eingeplant hat. Und dann stehe man schneller an der Kreuzung, an der man sich für den richtigen Weg entscheiden muss, als man dachte. Habe ich Recht?«, ergänzte er. Ich konnte nur mit dem Kopf nicken.

Er seufzte:

»Es ist nicht einfach diese Entscheidung zu treffen, Maddy. Du musst auf dein Herz hören und nicht darauf, was deine Eltern oder Freunde von dir verlangen.« Wieder nur ein Nicken meinerseits.

»Und was diese Prägung angeht...«, wieder seufzte er und schüttelte bedauernd den Kopf, »ich würde dir gerne sagen, dass du das alles vergessen sollst, aber leider ist das unmöglich. Du wirst dein ganzes Leben damit zu kämpfen haben, denn ist ein Werwolf erstmal geprägt...«

Meine Hände verkrampften sich. Ich wagte es nicht ihn anzusehen, als ich meine nächste Frage stellte:

»Sind Sie sich sicher, dass man sich nicht wieder „entprägen“ kann?«

»Entprägen?«, jetzt war er es, der überrascht war.
 

»Na ja...«

Im Prinzip war es für mich zu schmerzlich um an Seth und Gloria zu denken, aber ich wollte endlich wissen, ob es einen Grund für die beiden gab sich zu umarmen.

»Ich habe gesehen, wie Seth...wie er....wie er ein Mädchen aus meiner Klasse umarmt hat.«

Mir war meine Eifersucht unheimlich peinlich, deshalb glühten meine Wangen geradezu. Doch Carisle schien meine Bedenken wirklich ernst zu nehmen, denn er runzelte nachdenklich die Stirn. Als er mir immer noch nicht geantwortet hatte, sprach ich weiter, allerdings ohne ihn dabei anzusehen:

»Ich weiß, dass es albern ist wegen so einer Kleinigkeit eifersüchtig zu sein, aber es war...es war als hätte er mir höchstpersönlich einen Dolch ins Herz gerammt«, flüsterte ich. Es war das erste Mal, dass ich jemand beschrieb wie ich mich an diesem Tag gefühlt hatte.

»Das ist keineswegs albern, Maddy«, meinte Carisle und schmunzelte, »das ist Liebe. Hast du mit Seth je darüber geredet?«

»Nein«, gab ich kleinlaut zu, doch dann siegte mein kindlicher Trotz, »aber worüber soll ich denn auch reden? Er hat sich von mir entprägt, mag jetzt eine andere und wird sich später auf sie prägen. Währenddessen vergisst er mich und ich kann ohne schlechtes Gewissen Tänzerin werden.«

»Und du glaubst das ist alles so einfach?«, lachte Carisle. Ich antwortete nicht. Ich war mir doch auch im Klaren, dass es nur eine Wunschvorstellung war.

»Aber jetzt mal ernsthaft«, sagte der Vampir, »selbst wenn es so kommen würde wie du es dir wünscht, was ist dann mit dir? Mit deinen Gefühlen? Könntest du Seth einfach vergessen?«

»Sicher nicht« , gab ich zu und blickte ihn verzweifelt an, »Sie wissen es doch auch, oder? Das ich ihn liebe. Das ich nicht mehr ohne ihn leben kann? Und das mir das erst vor kurzem klar geworden ist?«

»Es ist nicht wichtig, ob ich es weiß. Hast du es ihn jemals gesagt?«

Es war eine rein rhetorische Frage, deshalb erwiderte ich darauf auch nichts.
 

»Übrigens«, Dr. Cullen räusperte sich, »er war derjenige, der mich gerufen hat. Ich glaube er wüsste gerne wie es dir geht. Deine Mutter wird sicher nicht groß mit ihm reden.«

Mein Blick muss in diesem Moment wohl unbeschreiblich gewesen sein:

»Er ist noch hier?«

»Natürlich. So schnell lässt sich ein Clearwater nicht abspeisen. Wenn sie sich Sorgen machen, dann sind sie hartnäckiger als sowieso schon«, lachte er.

»Ja«, gab ich ihm Recht und für einen kurzen Moment huschte ein Grinsen über mein Gesicht. Es fühlte sich an, als müsste ich das Lachen erst wieder lernen.

»Ähm, würden Sie ihn denn gleich fragen, ob er nochmal hoch kommt?«, fragte ich schüchtern.

»Aber natürlich, Maddy«, er zwinkerte mir zu und erhob sich mit der gleichen Anmut, die er auch beim Hinsetzten gezeigt hatte.

»Ich soll dich übrigens von meiner Frau und den anderen Grüßen. Wenn es dir wieder besser geht, dann musst du uns mal wieder besuchen kommen. Renesmee würde das sicher auch sehr freuen. Sie hat nicht viel Kontakt zu Menschen.«

»Bestimmt«, versprach ich ihm. Er lächelte mir noch einmal zu und verließ dann mein Zimmer.

Mir entwich ein lautes Seufzen in die Halbdunkelheit.

Ich war müde. Verdammt müde, aber trotzdem versuchte ich mit allen Mitteln meine Augen offen zu halten. Das war gar nicht so einfach.
 

Wie in einem Traum bekam ich mit wie sich wieder die Zimmertür öffnete.

»Maddy?«, fragte er leise. Sofort war ich wieder da und sah ihn mit großen Augen an. Mein Lächeln war zwar nur schwach, aber es war da. Seth' Miene konnte ich nicht wirklich zuordnen. Einerseits hatte ich Angst vor dem, worüber wir sprechen würden. Es war noch alles so fremd und neu. Und für einen Moment konnte ich in seinen Augen meine eigenen Gefühle wie in einem Spiegeln sehen.

Angst vor dem, was war. Angst vor dem, was ist. Angst vor dem, was sein wird.

»Maddy?«, wiederholte er und es klang schon etwas deutlicher und ernster. Leise seufzend musste ich einsehen, dass dieses Gespräch wohl unumgänglich war.

»Ja?«, ich klang müde und irgendwie auch abwesend. Für einen Moment zögerte Seth und dachte darüber nach so ein ernstes Gespräch auf einen Tag zu verschieben, an dem ich ausgeruhter war. Doch dann schüttelte er leicht den Kopf und setzte sich ans Bettende. Als er zu sprechen begann, schaute er mich nicht an:

»Ich habe gehört, dass du mich letzten Donnerstag mit dieser Gloria Weepish gesehen hast...«

Als sähe ich die Szene noch ein weiteres Mal fuhr mir ein stechender Schmerz durch die Brust. Ich hatte Mühe meine Tränen zurückzuhalten. Ich wollte nicht, dass Seth sich schuldig fühlte, weil ich mehr für ihn fühlte als ich für meinen besten Freund empfinden sollte.

»Oh...«

Oh? Mir wurde das Herz herausgerissen und ich war so wütend gewesen wie noch nie in meinem Leben und das einzige, was ich herausbrachte war ein 'Oh'? Manchmal glaubte ich wirklich etwas anders zu sein als andere Mädchen in meinem Alter. Andere Mädchen hätten wahrscheinlich sofort gemerkt, dass sie verliebt waren...

»Ich habe auch gehört, dass du...«, er sprach nicht weiter, aber ich wusste, worauf er anspielte.

Und irgendwie war ich ihm auch dankbar, dass er mir diese Blamage ersparen wollte. Eifersucht war immer unschön.

Es herrschte wieder ein angespanntes Schweigen zwischen uns. Ich schob ein wenig die Bettdecke vor mein Gesicht und fühlte mich plötzlich wie ein kleines, hilfloses Kind. Ich spürte wie Seth unruhig hin und her rutschte. So als wollte er unbedingt noch etwas sagen, aber traute sich nicht.
 

»Warum bist du hier?«, fragte ich schließlich im Schutze meiner Bettdecke. Er antwortete nicht sofort, doch er hatte aufgehört sich zu bewegen. Das einzige, was ich spüren konnte war diese unmenschliche Hitze, die von ihm ausging. Unbewusst wärmte sie mein Inneres auf und taute auch mein gefrorenes Herz auf.

»Es hat mehrere Gründe«, meinte er schließlich leise, »ich weiß nur nicht, ob ich alle nennen könnte.«

»Dann fange doch mit dem einfachsten an«, schlug ich vor und war froh, dass die Decke mein unsicheres und kränkliches Gesicht verbarg. Er lachte leise. Es war nicht dieses typische Seth – Lachen und doch bewirkte es in meinem Inneren einen Wirbelsturm der Gefühle.

»Der einfachste ist in diesem Falle wahrscheinlich der wichtigste«, sagte er schließlich, »ich weiß, dass ich dir selbst vorgeschlagen habe uns zu distanzieren, aber trotzdem kann ich nicht ohne dich. Es tut mir Leid, ich wollte nicht alles wieder durcheinander bringen.«

Was sollte ich darauf antworten? Ich kann nicht ohne dich. Natürlich erfreuten mich diese Worte wie jedes andere Mädchen auch. Doch bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, sprach er auch schon weiter:

»Wir haben uns so lange nicht gesehen und dann auch noch diese Sache mit Weepish, das war ein reines Missverständnis...ich will dich nicht gehen lassen ohne das vorher geklärt zu haben. Und ich kann dich erst recht nicht gehen lassen ohne dir vorher Auf Wiedersehen zu sagen...«

»Ein...ein Missverständnis?«, wiederholte ich erstaunt, den Rest des Satzes völlig ignorieren, und schielte über den Rand meiner Decke.

Seth wandte gerade in diesem Augenblick seinen Kopf in meine Richtung und es traf mich wie ein Hammerschlag. Sein Blick war der eines getretenes Hundes, der jetzt um Verzeihung winselte. Es zerriss mir das Herz ihn so leiden zu sehen. Er fuhr sich ein Paar Mal durchs Haar und griff dann nach meiner Hand. Weil diese Bewegung so blitzartig und unvorbereitet kam, zuckte ich erst zurück. Doch die Wärme seiner großen Hand beruhigte mich und letztendlich ließ ich seine Berührung zu. Er drückte meine Hand nur ganz leicht, so als hätte er Angst sie zu brechen, wenn er stärker zugriff.
 

»Ja, es war nur ein Missverständnis. Ich weiß, dass es dich verletzt hat und das macht mich fertig. Und ich kann auch verstehen, wenn du mir nicht glaubst, aber bitte...ich bitte dich, Maddy...lass mich einfach nur zu Ende reden und danach kannst du mir alles an den Kopf zu werfen. Egal, ob ich es verdient habe oder nicht: ich werde es akzeptieren.«

Ich schluckte. Weil ich nicht wusste, was für eine umständliche Erklärung jetzt folgen würde, sagte ich erstmal nichts dazu, sondern blickte ihn nur erwartungsvoll an. Er schien nicht richtig zu wissen, wo er beginnen sollte, deshalb schloss er die Augen und ließ es einfach darauf ankommen.

»An dem Tag, das wollte ich eigentlich dich sehen. Ich meine, ich hatte dich so lange nicht mehr gesehen, weil du viel zu tun hattest. Ich musste mich wirklich überwinden dich zu besuche...und versteh das jetzt nicht falsch...ich meine...es lag nicht an dir. Ich hatte einfach Angst, dass ich dein Leben mal wieder durcheinander bringe, wenn ich unangemeldet aufkreuze.«

Ich wollte etwas sagen, aber ich konnte nicht. Meine Zunge war wie festgefroren.

»Doch ich konnte einfach nicht anders. Deshalb wollte ich dich in der Mittagspause suchen. Doch bevor ich das Schulgebäudebetreten konnte, wurde ich von diesem Mädchen angesprochen. Eigentlich wollte ich sie ignorieren, aber sie hat mich geradezu angefleht ihr wenigstens zuzuhören.. Es hat nicht so ausgesehen als ob sie mich in Ruhe gelassen hätte, deswegen habe ich letztendlich eingewilligt.«

Ich schloss die Augen. Einerseits wollte ich nicht hören wie es zu diese innigen Umarmung gekommen war, aber andererseits sagte etwas in mir, dass Seth nicht log. Dass er mich nie anlügen würde, deswegen hörte ich ihm weiter zu.

»Sie hat mir dann erzählt wie leid es ihr täte, dass sie mir die Sache mit diesem Daniel erzählt hatte und das sie dich auch sonst hat ziemlich schlecht dargestellt hatte. Sie meinte, dass du ihr die Nase gebrochen hast, hat ihr die Augen geöffnet. Ich habe noch nie so eine entschlossene Miene wie bei ihr gesehen. Sie hat dich einen Idioten genannt, weil du immer noch nicht zu merken scheinst, was um dich herum passiert.«
 

Er lachte leise, als hätte er einen Witz gemacht und ich verzog mein Gesicht. Das war typisch für Gloria so abfällig über mich zu sprechen. Seth' Lächeln erstarb als er meinen ernsten Gesichtsausdruck sah. Es gab mir einen kleinen Stich, aber ich hatte doch allen Grund missgestimmt zu sein. Immerhin hatte er mir immer noch nicht erklärt, wie er und Gloria von „Maddy ist ein Idiot“ auf „Wir halten uns so fest, damit uns niemand mehr trennen kann“ gekommen sind. Seth räusperte sich und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

»Tut mir leid, aber ich kann ihr nur zustimmen. Du hast wirklich lange gebraucht bist du gemerkt hast, dass ich dich wirklich mag und nicht dein Feind bin...«

Autsch! Das tat weh! Noch ein Vorwurf, der mich tief traf. Aber er hatte ja Recht...

»Jedenfalls meinte Weepish sie fände es nicht gut, dass du ständig versuchen würdest jeder Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Und das du endlich einsehen solltest, dass du mich magst...«

Er stoppte und sah mich von der Seite an. Ich wich seinem Blick aus, aber konnte trotzdem nicht verhindern, dass ich rot anlief. Einerseits vor Scham, andererseits vor Wut. Wer gab Gloria eigentlich das Recht mit Seth über meine Gefühle zu sprechen?

Sie schien ja wirklich mehr zu wissen, was ich fühlte als ich selbst....

»Sie hat mir versprochen mit dir zu reden und dir klar zu machen, dass wir beide...«, jetzt war auch er verlegen und wich meinem Blick aus. Ich wusste genau, was er mir sagen wollte.

Doch warum mischte sich dieses Biest da eigentlich ein? War das irgendein hinterhältiger Plan? Wollte sie mich in Verlegenheit bringen?

Seth schien zu ahnen, was ich gerade dachte:

»Ich glaube wirklich nicht, dass sie uns schaden will. Sie hat wirklich so gewirkt, als wollte sie uns nur helfen.«

Ich rümpfte die Nase:

»War ja klar, dass du sie verteidigst. Ich weiß ja jetzt, was du von ihr hältst!«

Seth sah mich wieder so an als hätte ich ihm direkt ein Messerstich ins Herz verpasst. So wie damals, als ich ihn wie einen Eindringling behandelt hatte. Ich wusste, dass ich mich kindisch benahm und bekam auch gleich ein schlechtes Gewissen, aber ich konnte nicht anders, weil ich vor Eifersucht geradezu kochte.

»Tut mir Leid«, murmelte ich, »erzähl weiter.«
 

»Es tut mir auch Leid, wenn ich einen falschen Eindruck erweckt habe. Es war nicht meine Absicht dieses Mädchen zu verteidigen, aber ich möchte nicht, dass du sie für etwas verurteilst für das sie nichts kann«, man hörte, dass er lange über seine Wortwahl nachgedacht hatte, »sie hat mir jedenfalls versprochen, dass sie mir helfen will. Und was dann passiert ist, klingt wirklich mehr als ausgedacht...“

»Ausgedacht?«, misstrauisch zog ich eine Augenbraue hoch.

»Wenn nicht schon absurd! Es war ein dummer Zufall, würde ich sagen. Sie ist mit ihren viel zu hohen Absatzschuhen umgeknickt. Ich meine: Warum tragen Mädchen so etwas, wenn sie sowieso nicht darauf laufen können?«

»Sie ist umgeknickt? Gloria?«, jetzt verstand ich gar nichts mehr.

»Wenn ich's dir doch sage. Ich habe sie aus Reflex aufgefangen. Ich hätte sie ja schlecht auf den Boden fallen lassen können. Auch wenn sie manchmal wie eine Zicke wirkt, ist sie auch nur ein Mädchen. Und ausgerechnet in diesem Moment bist du um die Ecke gekommen. Wenn ich dich gesehen hätte, dann hätte ich dir die Situation sofort erklärt, aber bis vor kurzem wusste ich nicht mal, dass du das gesehen hast. Ich kann mir vorstellen wie das gewirkt haben muss...«, er knirschte mit den Zähnen.

Ich sagte gar nichts mehr. Ich starrte ihn einfach nur an. Entgeistert. Fassungslos. Perplex.

Wollte er mir allen ernstes erzählen, dass das ganze nur ein blödes Missverständnis war?

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mich anlog. Aber das ganze klang einfach wie in einem schlechten asiatischen Drama, so welche, die sich Melanie immer mit englischem Untertitel anschaute und ansonsten kein Wort von dem Gesprochenen verstand.
 

»Leider habe ich nur meine Worte als Beweis und die Hoffnung, dass du mir glaubst«, murmelte er in die Stille hinein. Ich schaute ihn einfach nur an und dachte an alles, was ich erlebt hatte, seit ich ihn kannte. Bisher war er immer ehrlich zu mir gewesen. Ich sah ein, dass eine Verbindung zwischen uns bestand, die über Liebe hinausging. Eventuell hab eich deshalb nicht gleich begriffen, was es für mich bedeutete. Es war zu viel auf einmal gewesen.

Doch ich konnte ihm einfach nicht so glauben und so tun als sei nichts gewesen. Ich wog meine Möglichkeiten akkurat ab. Wenn ich ihm sagte, dass ich ihm nicht glauben würde, dann würde er womöglich für immer aus meinem Leben verschwinden. Das wollte ich auf keinen Fall riskieren.

Und nachdem die Sache mit Daniel passiert war, war ich ihm sowieso noch etwas schuldig.

»Lass uns ein Kompromiss schließen«, sagte ich schließlich.

»Ein Kompromiss?«, hakte er nach. Ich nickte und legte meine Stirn in Falten als ich angestrengt nachdachte:

»Ich würde dir gerne glauben, aber ich kann es nicht einfach blind. Nachdem ich mich in Daniel so geirrt habe, will ich nicht noch einmal so naiv sein. Emma hat mir gesagt, dass ich nicht immer allen Leuten so vertrauen sollte. Deswegen kann ich dir nur unter einer Bedingung und unter Vorbehalt vergeben...«

»Egal was ich es ist: Ich werde es akzeptieren«, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Mit dieser Reaktion hatte ich aber schon gerechnet. Ich nickte und holte tief Luft:

»Es ist nichts großes, was ich verlange. Das einzige, was ich brauche ist Zeit.«

»Zeit?«, er schien nicht richtig zu wissen, wovon ich, deshalb erklärte ich es ihm:

»Ich mag dich, Seth. Ich mag dich wirklich sehr gerne. Aber ich will nichts überstürzen. Wir können uns gerne mal ab und zu treffen, aber ich möchte nicht, dass es zu schnell geht. Ich weiß, dass es egoistisch klingt, aber ich kann nicht von heute auf morgen mit dir zusammen sein...ich meine, ich bin doch erst fünfzehn...«

Ich wagte es nicht ihn anzusehen. Es klang wirklich alles wie in einem TV Drama oder einem kitschigen Roman. Vielleicht kamen wir da einfach nicht drum herum. Ich spürte etwas warmes an meiner kalten Hand und als ich aufblickte, sah ich direkt in Seth' grinsendes Gesicht. Er drückte meine Hand noch etwas fester, aber war dabei so vorsichtig, als wäre sie aus Glas.

»Weiß du Maddy: Das Problem beim Prägen ist, dass man für diejenige, die man liebt, alles sein würde, solange man an ihrer Seite bleiben darf. Wenn du mich zu deinem persönlichen Lakaien machen, würde ich genau so glücklich sein als wenn wir verheiratet wären.«

»Ver-ver-verheiratet?«, rief ich panisch auf und merkte wieder wie mir schwindelig wurde, aber diesmal aus einem anderen Grund. Seth begann schallend zu lachen:

»Keine Angst, ich habe doch nur einen Vergleich gesucht. Ich will nur, dass du verstehst, dass ich dir so viel Zeit geben kann wie du möchtest. Hauptsache du bist bei mir.«

Ich schluckte und sah in seine Augen, die so treu wie die eines Dackels waren. Und damit wusste ich, dass ich das richtige tat. Mich mit ihm zu versöhnen war das beste, was mir passieren konnte.

»Danke«, murmelte ich und umarmte ihn schwach. Wie beim letzten Mal durchflutete seine Wärme meinen ganzen Körper. Mein Herz begann wild zu hämmern und ich musste unweigerlich Lächeln.

Hier war mein zu Hause. Er war mein zu Hause. Ich gehörte zu ihm. Für immer.
 

Als ich ihn wieder los ließ waren wir beide ziemlich rot im Gesicht. Aber da fiel mir wieder siedend heiß etwas ein:

»Verdammt, was ist denn mit meinem Casting? Ich werde es verpassen...und wir...«

»Wozu hat man denn Freunde!«

Überrascht blickten Seth und ich zur Tür. Dort standen Emma, Gloria, Shirley, Melanie und sogar Daniel.

»Wa-was macht ihr denn hier? Wie lange....?«, stammelte ich überrascht und wurde noch röter im Gesicht. Seth wandte seinen Blick Richtung Decke als hätte er gerade eine Straftat begann.

»Och, ist es euch peinlich?«, kicherte Shirley, »wir wollten eure romantische Szene nicht unterbrechen, aber wir haben euch etwas mitzuteilen.«

»Keine Angst, wir sind gerade noch rechtzeitig gekommen, um eure innige Umarmung zu sehen«, Emma zwinkerte mir schelmisch zu und ich versteckte mein rotes Gesicht in meinem Kissen.

»Wenn ihr dann fertig seid, dann würde ich gerne mal etwas sagen«, mischte sich nun auch Gloria ein.

Sie schien sich unwohl zu fühlen, denn sie wich meinem Blick aus und verlagerte ihr Gesicht von einen Fuß auf den anderen. Ich war immer noch wütend auf sie, aber aus irgendeinem Grund konnte ich ihr das nicht zeigen.

»Maddy, es tut mir wirklich leid«, jetzt hob sie ihren Blick und schaute mich mit ihren blauen Augen schuldbewusst an. Ich konnte alles darin lesen, zum ersten Mal seit ich sie kannte: Scham, Schmerz, Schuld, Unbehagen und zu meiner Überraschung auch Freundschaft. Sie schritt durch den Raum und setzte sich Seth gegenüber an meine Seite.

»Es tut mir Leid für alles, was ich dir je angetan habe. Es war falsch von mir Seth die Sache mit Daniel zu erzählen. Ich bin so eine Zicke gewesen und ich denke nicht, dass die gebrochene Nase Strafe genug war. Aber eines musst du mir glauben: Danach habe ich mir geschworen dir nie wieder wehzutun...«

Sie verzog ihr Gesicht zu einem grimmigen Lächeln:

»Aber irgendwie ist alles schief gegangen. Ich wollte dir helfen und habe dadurch noch mehr Schaden verursacht. Es tut mir Leid, aber ich kann es nicht mehr rückgängig machen. Ich weiß, dass du mir nicht verzeihen wirst, aber ich wollte diese Sache irgendwie wieder gut machen...«

»Genau, deshalb hat sie uns alle zusammen gerufen und wir haben alle unsere Ersparnisse zusammen getragen, damit wir die hier kaufen können«, Emma hielt mir einen Umschlag vor die Nase.

»Was ist das?«, wollte ich wissen ohne ihn zu nehmen.

»Last Minute Tickets«, erklärte Melanie, »erst hatten wir nur ein Flugticket für Seth gekauft und wollten ihn damit überraschen, damit er dir hinterher fliegt, aber dann hat deine Mutter vor einer Stunde Emma angerufen und erzählt, was passiert ist. Wir wussten, dass du deinen Flug verpasst hast und deshalb sind wir noch schnell los und haben das erste Tickets gegen die hier eingetauscht. Der Flug geht heute Nachmittag und wenn ihr euch beeilt, dann könntet ihr es noch locker zum Casting schaffen.«
 

Ich starrte erst den Umschlag und dann meine Freunde und schließlich Seth an. War das ihr ernst oder träumte ich nur?

»Wenn du willst kann ich dich kneifen, denn das ist kein Traum«, lachte der Junge, den ich über alles liebte.

»Aber, aber...«, stammelte ich.

»Kein aber. Wir haben schon alles mit deiner Mom abgesprochen. Sie fährt euch gleich zum Flughafen«. Erklärte Shirley und lachte sich schief über mein geschocktes Gesicht. Durch einen Schleier von Tränen sah ich Daniel, der sich beschämt am Hinterkopf kratzte:

»Du solltest dich wirklich ein wenig beeilen sonst verpasst du den Flieger wieder.«

Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und nickte lächelnd:

»Danke Leute, das werde ich euch nie vergessen.«

»Wie es aussieht, wird der Tag doch anders enden als Gedacht«, lachte Seth und hielt mir seine Hand hin, »dann lass uns mal los. Ich muss doch noch meiner Mom erklären, dass ich beim Abendessen nicht anwesend bin.«
 


 

Nächstes Kapitel: Epilog



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jennalynn
2011-08-04T14:39:56+00:00 04.08.2011 16:39
MMMHH ich hätte mir nun irgendwie mehr vorgestellt.
Naja mal sehen ob der Epilog mehr verrät, wie es nun mit den beiden weiter geht.


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