Zum Inhalt der Seite

Nullpunkt

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Eine Übertreibung ist eine Wahrheit, die ihre Ruhe verloren hat.

„Tut mir leid, Enni, er ist gerade weg gegangen. Soll ich ihm etwas ausrichten?“, entschuldigte sich Eddys Mutter. Scheiße, scheiße, so eine verdammte Scheiße. Das war nicht ihr ernst! Ich konnte ihn doch nicht um ein paar Minuten verpasst haben. Ich unterdrückte den Impuls gegen die Wand zu treten, weil das mir definitiv mehr weh getan hatte, als meine Wut unter Kontrolle zu bringen.

„Wo wollte er denn hin?“, riss ich mich zusammen. Vielleicht war er ja gerade unterwegs zu mir, weil er nichts von mir gehört hatte und unbedingt mit mir reden wollte. So war es bestimmt.

„Ich glaube zu Marcel, die wollten heute noch irgendwo hin.“

„Okay, danke. Schönen Tag noch“, verabschiedete ich mich, bevor ich ausfallend wurde. Ich war so unglaublich sauer, wütend, frustriert. Das konnte doch nicht wahr sein! Da meldete sich Eddy endlich von alleine wieder, die erste Chance seit Wochen, wieder alles gerade zu biegen und dann verbockte es mir Nico. Verdammte Kacke! Ich schlug mit der Faust gegen die Wand, meine Kontrolle war weg. Er verstand doch überhaupt nicht, was Eddy eigentlich für mich war. Nico war ein billiger Zeitvertreib im Vergleich zu ihm. Gott, er hatte mir doch mit Absicht nicht Bescheid gesagt, dieses Arschloch! Ich riss die Türe zu seinem Zimmer auf, wo er noch auf dem Boden saß und sich über eine Malerei von mir gebeugt hatte. Scheiße, war ich sauer.

„Was denkst du dir eigentlich, du gottverdammtes Arschloch!“, schrie ich ihn an und es war mir egal, dass die Nachbaren mich hören konnten. Nico schaute völlig perplex in meine Richtung, so als hätte er keine Ahnung, was er gerade angerichtet hatte. Heuchler. Flachwichser!

„Was zur Hölle ist dein Problem?!“, fragte er mich in einem Tonfall, als wäre ich ein Gestörter. Ich packte ihm am Kragen und zog ihn zu mir hoch, was bei seiner Winzigkeit eh nicht viel ausmachte. Verfickter, dummer, kleiner Zwerg!

„Du, du bist mein Scheißproblem!“, brüllte ich ihm die volle Wahrheit ins Gesicht. Wäre er nicht gewesen, hätte sich das zwischen mir und Eddy schon längst geregelt. Warum war mir das eigentlich nicht früher aufgefallen?! Hätte ich nur nie in meine Wohnung gelassen! Er schnorrte sich hier doch eh nur durch.

Nico packte meine Hand und riss sie grob von seinem Kragen, um mich schließlich ganz weg zu schubsen. Ich taumelte linkisch ein paar Schritte nach hinten, da ich nicht erwartet hatte, dass sich Nico tatsächlich wehrte.

„Ich hab keine Ahnung, was los ist, aber zieh mich bloß nicht in diese beschissene Eddy-Sache mit rein!“ Seine Hände waren zu Fäusten geballt und er sah so aggressiv aus, wie noch nie. Ich machte trotzdem einen Schritt auf ihn zu, vielleicht um ihn einzuschüchtern oder einfach um ihm zu zeigen, dass ich vor so einem Winzling definitiv keine Angst hatte. Er wich tatsächlich einen Schritt zurück, hatte aber immer noch diesen grimmigen Gesichtsausdruck.

„Du hast dich da doch zu erst eingemischt mit deiner Scheiß-Eifersucht!“ Er war es doch, der auf Eddy eifersüchtig war. Warum sollte auch Eddy sich irgendwelche Sorgen machen, dass Nico für mich wichtiger war? Nico war Dreck. „Bloß weil ich so bescheuert war und dich hier hab wohnen lassen, bildest du dir sonst was auf uns ein!“

„Ich bilde mir gar nichts auf uns ein!“, protestierte er, klang dabei aber so, als würden ihm gerade alle Felle davon schwimmen. Du warst so ein schlechter Lügner!

„Solltest du auch nicht, du warst für mich sowieos nichts anderes als ein rechter Hand Ersatz!“ Nico brauchte gar nicht denken, dass der Sex mit ihm irgendwas besonderes war ohne das ich nicht auskommen würde. So gut war der Sex mit ihm sowieso nie gewesen...

„Krepier doch!“, schrie er mir ins Gesicht, stieß mich bei Seite und stürmte aus dem Zimmer. Ich donnerte gegen die Wand und starrte ihm nach, wie er aus der Wohnung verschwand. Sollte er sich doch verpissen! Wer brauchte schon Nico?!

Ich fuhr mir durch die Haare und sank an der Wand herab. Gott, fühlte ich mich jetzt erschöpft, fast so, als hätte dieser kurzer Disput all meine Energie ausgesaugt. Es war doch nur Nico, es war doch scheißegal, wenn er sauer auf mich war. Zu dem hatte er Mist gebaut und nicht ich. Verdammt nochmal, er hatte mir die Sache mit Eddy total verbockt. Ich musste unbedingt mit Eddy sprechen! Und zwar so schnell wie möglich. Fuck, was war, wenn er jetzt dachte, ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben, weil ich nicht gleich zurück gerufen hatte?! Würde er es verstehen, wenn ich ihm sagen würde, dass es Nicos Schuld war?! Gott, er verstand nicht mal, warum ich überhaupt mit dem Typ vögelte. Okay, das verstand ich selbst nicht, aber im Moment bereute ich es. Wäre Nico nicht gewesen, hätten Eddy und ich uns schon wieder längst versöhnt. Und Nico war der ganze Stress definitiv nicht wert gewesen... Ich merkte, wie noch immer die Wut in mir brodelte und sie ließ nicht nach, solange ich in seinem Zimmer saß und seinen Kram vor mir liegen hatte, seine Bücher, seine Klamotten, die Matratze, auf der er nie schlief und sein Aschenbecher. Ich rappelte mich auf, kickte den Aschenbecher weg, so dass sich die Asche und die Zigarettenstumpel darin auf dem Boden verteilte und schlug dann die Tür laut knallend hinter mir zu. Nico war ein Vollidiot. Ich wollte jetzt Eddy sehen.

Was hatte seine Mutter gesagt? Er war bei irgendeinem Kumpel, Manuel, Marcel? Hm, wenn er mit denen wegging, gingen sie meistens ins Murphys. Da musste man nicht tanzen, sondern stellte sich cool zu einem Mädel an die Bar, deswegen gingen sie dort lieber hin, als ins Su Casa, die Mädchen dort wollten keine feschen Tänzer, sondern Typen, die einem einen Drink spendierten. Ich mochte das Murphys von der Atmosphäre, aber nicht von den Mädchen.

Egal, ich wollte da nicht wegen einem Mädchen hin, sondern wegen Eddy, der einfach dort sein musste. Dann würde ich das alles hinbiegen und alles wäre wieder in Ordnung. Alles Roger. Ich biss mir die Lippe blutig, als ich nach meinen Schlüsseln suchte, um endlich aus der Wohnung zu können. Wir hatten erst halb acht und Eddy würde mit seinen Kumpels frühstens um Neun im Murphys erscheinen, aber ich wusste weder wo Manuel oder Marcel wohnten, noch wollte ich ihn dort sprechen. Wenn ich früh genug in dem Club war, war es auch leichter Eddy abzufangen.

Ich wusste noch nicht ganz, was ich zu ihm sagen sollte. Aber „Hey, du hast heute angerufen!“, war bestimmt ein guter Einstieg. Immerhin musste Eddy ja auch einen Grund gehabt haben, warum er sich bei mir gemeldet hatte. Ich fragte mich welcher, aber wahrscheinlich wollte er sich einfach entschuldigen. Bestimmt war ihm mittlerweile klar, was für eine dumme Kuh Sophie war und es tat ihm leid, dass er sich mir gegenüber etwas unfair verhalten hatte. Naja, solange er mir keine Vorhaltungen wegen Nico machte, war mir sowieso alles Recht. Über Nico wollte ich heute keinen Ton mehr hören, ich war immer noch sauer auf ihn.

Übel gelaunt kickte ich einen Stein, der vor mir lag, weg und beobachtete wie er auf die Straße hopste und dort dann liegen blieb. Verdammt, jetzt konnte ich ihn nicht nochmal treten. Beschissener Stein, beschissener Nico.

Der Verkehr nahm etwas zu und es waren immer mehr Jugendliche auf der Straße, als ich mich der Innenstadt näherte. Klar, Samstagabend, da wollte jeder vernünftige Mensch mit Hormonüberschuss Party machen. Mir war nicht nach feiern, ich wollte endlich wieder mit Eddy reden. Ich vermisste es mit ihm vor dem Fernseher rumzulümmeln, während wir ein Sixpack Bier tranken und uns über irgendwelche häßlichen Menschen, die dort auf der Mattscheibe flimmerten, lustig machten. Ich wollte, dass er wieder vor meiner Tür stand, mit einem breiten Grinsen und mir dann von seinem Tag erzählte, weil es ihm wichtig war, dass ich an seinem Leben teil haben konnte. Ich wollte einfach, dass er wieder bei mir war.

Ich merkte erst, dass ich völlig abgeranzt aussah, als ich kurz vor dem Murphys meine Spiegelung in einem Schaufenster sah. Ich blieb vor dem Schaufenster stehen und starrte mich an. Kacke, ich hatte immer noch die Klamotten an, die ich schon beim Malen getragen hatte. Die Hose hatte in jedem Fall auch schon bessere Tage gesehen und das T-Shirt war definitiv nicht frisch gewaschen. Und ich hatte Farbe im Haar und im Gesicht. Das einzige, was tragbar aussah, war die Jacke, die ich in all meiner Weisheit angezogen hatte, da es draußen mittlerweile frischer war als noch vor ein paar Wochen. Scheiße, so konnte ich doch nicht Eddy gegenüber treten. Ich sah aus wie so ein dummer Straßenkünstler, der nichts konnte, als sein bisschen Talent am Straßenrand zu verschachern. Eddy konnte solche Leute nicht ausstehen.

Scheiße, an meinen Klamotten konnte ich jetzt auch nichts mehr ändern. Ich versuchte nur mir die Farbe vom Gesicht zu kratzen, was mehr oder weniger funktionierte. Aus den Haaren bekam ich das Zeug auf die Schnelle allerdings nicht raus. Wie war die überhaupt da rangekommen? Farbe gehörte auf den Pinsel, auf... die Handtücher, aber doch nicht auf mich. Lebende, wandelnde, verschandelte Kunst, das war ich, oder?

Ich zupfte noch an einer Haarsträhne an der Farbe hing und seufzte resigniert. Eddy musste mich auch so akzeptieren, ich steigerte mich viel zu sehr in die Sache rein. Er kannte mich, er wusste, dass ich kein Schnorrer war, kein Straßenkünstler.

Ich hörte hinter mir zwei Mädchen kichern und sah sie in der Spiegelung vorbei gehen. Sie lachten über mich, würde ich auch, wenn ich mich gerade so sehen würde. Ich hoffte nur, die wollten nicht auch ins Murphys. Sahen aber nicht so aus, das waren Mädels, die tanzen wollten. Zumindest sagte deren Outfit mit den viel zu kurzen Röcken das.

Ich wartete bis sie um die Ecke bogen und ich nicht mehr ihr Gekicher hören musste. Das Murphys lag zum Glück in der anderen Richtung. Ich schob meine Hände tief in meine Hosentaschen und vermied es auf den letzten Metern noch einmal in ein Schaufenster zu sehen. Einmal hatte gereicht.

Ich stiefelte die paar Stufen zu dem Club runter und ärgerte mich, als mich der Türsteher aufhielt. Ausweiskontrolle? Der wollte mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass er dachte, ich sei unter 18? Nicos Mutter hatte mich ja auf Ende zwanzig geschätzt, was allerdings auch nicht viel besser war. Angepisst kramte ich meinen Ausweis aus meinem Geldbeutel und zeigte ihn vor.

Der Typ hielt ihn mit zusammengekniffen Augen dicht vor sich und starrte mit einem grimmigen Blick auf das Geburtsdatum, auf das Passfoto und dann schaute er kurz mich an. Ja, ich war derselbe, wie das Kerlchen mit dem kurzen Haaren und dem hinreißenden Lächeln. Kaum zu glauben, nicht?

Er winkte mich durch und ich konnte endlich rein. Ich konnte mich gar nicht erinnern, dass sie im Murphys Ausweiskontrollen hatten. War aber schon eine Weile her, seit ich hier gewesen war.

Ich ging gleich zum langen Tresen, an dem noch nicht viel los war. Außer eine Gruppe von Jungs, die sich wohl schon besaufen wollten, bevor hier überhaupt wer Interessantes auftauchte, belästigte auch noch niemand die Barkeeperin.

Ich wartete aber geduldig, bis sie deren Bestellungen erfüllt hatte und winkte ihr dann mit einem Lächeln zu. Ihr Gesicht kam mir bekannt vor, sie arbeitete schon seit einer Weile hier. Wie hieß sie noch gleich? Angelika? Ja, irgendwie sowas. Ich hatte mal mit ihr rumgeknutscht, fiel mir ein. Aber nicht hier, sondern in irgendeinen anderem Club, in dem sie nicht arbeitete. Sie lächelte, als sie mich erkannte. Ich grinste zurück, ob das Grinsen reichte, dass sie mich auf etwas einlud? Ich hatte nicht wirklich Kohle dabei, war ja alles für die Scheiß-Farben drauf gegangen.

„Hey, Enno, du warst ja ewig nicht mehr hier!“, begrüßte sie mich und umarmte mich kurz über den Tresen hinweg, als wären wir alte Freunde. Manche Mädchen waren so. Man musste nur mal drei Worte mit ihnen gewechselt haben, schon war man mit ihnen ganz dicke. Ganz zu schweigen, wenn man ihnen mal die Zunge in den Hals gesteckt hatte. Ich lächelte aber trotzdem, eigentlich war sie ja ganz nett.

„Hatte viel zu tun“, log ich und fand, dass ich dabei cool klang. Jungs, die nicht immer Zeit hatten, fanden Mädchen klasse. Warum, hatte ich nie ganz verstanden.

„Ja, sieht man.“ Ihr Blick glitt über meine Klamotten und ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie peinlich mir mein Aufzug war. Hey, ich war kreativ, ich war Künstler, ich durfte so aussehen.

„Naja, ich hab bis eben noch gemalt. Sag mal, kannst du mir Bescheid geben, wenn du Eddy siehst?“, wechselte ich das Thema. Angelika musste ja mitbekommen, wenn er hier war. Immerhin bediente sie den Tresen. Ich hoffte nur, sie wusste überhaupt wie er aussah. Ich war mir nicht sicher, ob sie sich schon mal wirklich begegnet waren.

„Eddy?“, fragte sie nach und ich seufzte. Okay, sie hatte keinen Schimmer, wer er war. Naja, was soll´s.

„Nicht so wichtig.“ Ich winkte ab und bestellte schließlich eine Rumcola, auf die sie mich dann tatsächlich einlud, als ich ihr total überrascht mitteilte, dass ich irgendwie kein Geld bei mir hatte. Ich war mir doch so sicher gewesen, dass da noch fünf Euro drin sein müssten. Ja, ja, wer´s glaubt, war selbst Schuld. Naja, vielleicht erhoffte sie sich einfach was davon, wenn sie mir etwas spendierte. Manchmal war es schon ganz praktisch, so einfach mit Mädchen klar zu kommen. Ich hatte nie so ganz verstanden, warum andere Kerle immer so ein wahnsinniges Problem damit hatten. Sie waren unkompliziert, solange man nicht zu nett zu ihnen zu war. Nettsein war der absolute Untergang, wenn man ein Mädchen wollte. Zumindest war das meine Erfahrung. Und wenn man ein netter Kerl war geriet man an Mädchen wie Sophie und wer wollte schon so eine?! Bah, dumme Schnepfe.

Ich nahm einen großen Schluck von meinem Getränk und wartete. Eddy musste heute einfach kommen, das war er mir schuldig. Verdammt, ich hoffte nur, ich saß nicht in der falschen Bar. Aber er hatte mir erzählt, dass er mit Manuel immer ins Murphys ging. Er würde das bestimmt nicht in den letzten Wochen geändert haben, hoffte ich zumindest.

Hatte ich schon mal erwähnt, wie sehr ich es hasste zu warten? Ich tippte nervös mit dem Fuss auf dem Boden und nippte all paar Sekunden an meinem Drink. In dem Tempo war er demnächst leer. Ich wusste allerdings nicht, was ich sonst tun sollte. Angelika war zu beschäftigt, um sich weiter mit mir zu unterhalten. Außerdem wusste ich sowieso nicht, über was ich mit ihr reden sollte. Mein Leben war momentan nicht sonderlich spannend, eigentlich hauptsächlich nurdeprimierend und etwas zu seltsam, als das ich mit jemand darüber reden wollte. Das mit Nico ging niemand etwas an und ich konnte mir nicht vorstellen, dass Mädchen darauf standen mit einem Typ zu schlafen, der sich auch schon mal von einem Kerl hat flach legen lassen. Ich war definitiv nicht verklemmt, was Sex anging. Aber ich brauchte mein Initimleben vor niemand auszubreiten, schon gar nicht vor irgendwelchen Mädchen, die ich hoffentlich nicht mehr als einmal sehen musste.

Die Eiswürfel in meinem Glas klirrten und berührten meine Lippen, als ich den letzten Schluck trank. Die kühle Berührung ließ mich kurz an Nicos Küsse denken. Sie hatten aber anders geschmeckt, nie süß, sondern immer etwas nach Tabak. Ich hatte den Geschmack sowieso nie sonderlich gemocht.

Mann, wo blieb Eddy? Der Laden wurde langsam voller und ich hatte die Leute, die durch den Eingang kamen immer genau im Blick, aber nie war er dabei. Ich saß hier mittlerweile schon eine dreiviertel Stunde mit einem leeren Glas und wartete. Ein paar Gesichter kamen mir vage bekannt vor, aber niemals waren es die vertrauten Züge von Eddy. Scheiße, was war, wenn er heute wirklich nicht hier her kam? Dann machte ich mich hier gerade zum Affen, wie ich all diese Neuankömmlige mit meinem Blick taxierte. Angelika hatte mich vorhin auch schon ganz komisch angesehen. Warten war definitiv nicht cool. Ich war im Moment nicht cool. Ich war nervös, hibbelig, gestresst. Ich wollte das Eddy jetzt endlich da war. Irgendwann hielt ich es einfach nicht mehr auf dem dummen Barhocker aus und stand auf, um dann etwas ratlos im Raum zu stehen. Ich wurde von anderen Leuten angerempelt, denen ich offensichtlich im Weg stand und ich hätte am liebsten jemand einfach nur geschubst, um meinen Frust Platz zu machen. Aber so bescheuert war ich dann auch wieder nicht, außerdem würde das nur Stress bedeuten. Und ich brauchte definitiv nicht noch mehr davon.

Gerade als ich mir einen Platz an einem Tischchen suchen wollte, um nicht noch einen Ellbogen in den Magen gerammt zu bekommen, entdeckte ich endlich jemand, den ich kannte. Marcel, Manuel oder wie auch immer er hieß. Auf jeden Fall der Kumpel von Eddy, auf den ich gewartet hatte. Da war Eddy bestimmt nicht weit. Ich hielt nach ihm Ausschau, entdeckte ihn aber so spontan nicht. Also ging ich auf Manuel zu, der noch von zwei Kumpels begleitet wurde.

„Hey!“, begrüßte ich sie und bekam wenig begeisterte Blicke zu geworfen. Ich erinnerte mich noch vage, dass sie nie gerne mit mir weg gegangen sind, weil sie sich neben mir doof vorkamen. Naja, ich konnte ja nichts dafür, dass sie kein Selbstbewusstsein hatten.

„Hey...“, kam es schließlich von Manuel. Er konnte mich ja schlecht ignorieren, wenn ich direkt vor ihm stand.

„Sag mal, ich such Eddy, wisst ihr, wo er ist?“ Es war zwar irgendwie peinlich, dass gerade ich, sein bester Freund, diese Typen nach seinem Verbleib fragen musste, aber mir blieb ja im Endeffekt nichts anderes übrig, wenn ich jetzt noch mit ihm sprechen wollte. Ich bemühte mich, dabei lässig auszusehen, so als wäre mir ihre Antwort relativ egal. Ich gab mir vor irgendwelchen Bekannten sicher keine Blöße.

„Eddy? Keine Ahnung...“ Manuel zuckte mit den Schultern und ich ärgerte mich. Wie, keine Ahnung? Seine Muter hatte gesagt, dass Eddy bei ihm war.

„Wollte er heute nicht zu dir?“, hakte ich nach. Ich war doch nicht extra hier her gekommen, um dann am Ende ohne Eddy da zu stehen.

„Nee, der wollte zum Marcel, glaub ich.“ Er schaute fragend in die Runde und die anderen zwei, schauten nur desinteressiert. Danke auch, ihr Wichser.

„Oh, okay. Ihr wisst nicht zufällig, wo die hinwollten?“ Ich kam mir gerade wirklich dumm vor. Eddys Mutter hatte doch Manuel gesagt, oder? Scheiße, ich hätte besser zuhören sollen. So eine Kacke.

„Nee, keinen Schimmer.“ Ja, ja, das dachte ich mir schon. Wäre ja auch mal eine Überraschung, wenn sie hilfreich wären. Ich war gerade wirklich genervt.

„Hm, okay... Naja, ich werd dann mal“, verabschiedete ich mich, da ich keinen Bock mehr auf ihre Fressen hatte. Mann, und jetzt? Das war wirklich beschissen, ich war mir so sicher gewesen, dass Eddy hier sein würde. Keine Ahnung, was ich nun machen sollte. Wenn Manuel nicht Marcel war, wusste ich nicht, was Eddy gerne mit dem richtigen Marcel unternahm. Ich hatte sowieso kaum Überblick über Eddys Freundeskreis, einfach, weil es mich nie sonderlich interessiert hatte.

Ich verließ das Lokal und stellte draußen fest, dass ich meine Jacken drinnen liegen gelassen hatte. Mah, ich hasste es, so verpeilt zu sein. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck drehte ich mich wieder um, ignorierte den Türsteher, der mich zum Glück kein zweites Mal nach meinen Ausweis fragte, und stiefelte zurück.

Meine Jacke hing noch über den Barhocker, an dem ich die ganze Zeit gewartet hatte und gerade, als ich sie griff, traf mich Angelikas Lächeln. Ich blieb daran hängen und erwiderte es. Ihre Schicht würde noch eine halbe Stunde dauern, bis zum Ende der Happy Hour. Ihr Lächeln war einladend und eine halbe Stunde nicht solange, wenn man sowieso nichts anders mehr tun konnte.

Ich wusste nicht, wo Eddy war und ich hatte keine Lust die Clubs in der Stadt nach ihm abzuklappern, am Ende hatte er nämlich einfach einen Zockabend bei Marcel und war gar nicht außer Hauses. Ich war echt ein Idiot gewesen, dass ich ernsthaft angenommen hatte, ihn einfach abfangen zu können.

Ich wollte mich nicht wie ein Idiot fühlen, ich wollte auch nicht alleine in meine Wohnung zurück. Angelika mitzunehmen war okay. Nico war doch sowieso nicht da, also interessierte es niemand. Ich beobachtete noch, wie sie von ein paar Leuten die Bestellungen entgegen nahm, immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Sie war ganz hübsch mit ihren brünetten, halblangen Haaren, die sie hochgesteckt hatte und dem Lippenpiercing, das immer wieder aufblitzte. Ich hatte schon lange nicht mehr mit einem Mädchen geschlafen, wurde mal wieder Zeit, oder?

Sie rief mir noch zu, das ich vorne draußen auf sie warten sollte und verschwand dann hinter der Tür auf der „Zutritt nur für Personal“ drauf stand. Gut, dann war es heute Abend eben Angelika und nicht Nico. Wo war da schon der Unterschied?!

Ich stand in der Kälte und starrte in den Nachthimmel, während ich wartete. Es war zu hell in der Stadt und man konnte kaum Sterne entdecken. Mich befielen keine nostalgischen, wildromantischen Gefühle. Mir war einfach nur kalt.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  MissPaperJoker
2010-02-17T15:28:47+00:00 17.02.2010 16:28
Männer XD
boar, ohne worte
Von:  ReiRei-chan
2010-02-16T22:46:34+00:00 16.02.2010 23:46
Mann... nicht das es mich überrascht, aber MANN!
Dann soll wenigstens Nico genug Eier in der Hose haben um sich an Enno zu klammern und dem dummen Sack mal zu sagen was Sache ist! <.<

M Ä N N E R ! ! !
Von: Karma
2010-02-16T22:30:07+00:00 16.02.2010 23:30
Ach, und eh ich's vergesse: Ich liebe die Story.

Von: Karma
2010-02-16T22:29:34+00:00 16.02.2010 23:29
Enno ist so ein Honk.
-.-
Ich wette, Nico ist entweder doch zu Hause oder kommt rein und kriegt das Ganze mit. Ich weiss grad nicht, wen ich am meisten bedauern soll - Enno, Nico oder das arme Mädel, das da sicher zwischen die Fronten geraten wird.
o.O


Zurück