Weg und Ziel: Berlin
Ray hörte weit entfernt eine Stimme, die seinen Namen rief. Er schob sie gedanklich beiseite, um nicht aufwachen zu müssen.
Er drehte dieser Stimme den Rücken zu und versuchte wieder in seinen Tiefschlaf zurück zu finden. Plötzlich landete etwas mit großer Wucht auf ihm. Ray stieß einen kleinen Schrei aus und öffnete ruckartig seine Augen. Das Erste was er wahrnahm, war ein verstrubbelter grau-blauer Haarschopf und große, blitzende, rot- braune Augen. Ray stöhnte und schloss die seinigen schnell wieder.
Sein Gegenüber war anscheinend alles andere, als erfreut. „Ray, wach auf. Komm schon Ray. Wir fahren gleich in den Urlaub.“ Und als würde das nicht reichen, fing Kai an auf und ab zu hüpfen. Die springende Last auf seiner Brust konnte Ray bei bestem Willen nicht mehr ignorieren. Er öffnete schwerfällig wieder seine Augen und starrte böse, in die freudig blitzenden Kais.
Dieser strahlte, sprang aber von Rays Bett. „Los Ray, du hast fast verschlafen.“ Brüllte er und lief aus dem Zimmer. Der junge Chinese setzte sich mit einem Ruck auf und sah auf seinen Wecker. Es war erst halb Drei. Der schwarzhaarige Blader sprang blitzschnell auf und rannte auf den Flur. Er wollte seine Teamkameraden vor diesem fitten Frühaufstehermonster schützen. Es war nur leider schon zu spät.
Kenny kam schon auf den Flur getorkelt, als das Geschrei in dem Zimmer von Max und Tyson begann. Ray schüttelte nur den Kopf und ging hinunter in die Küche. Er stellte die Kaffeemaschine an und versuchte krampfhaft seine Augen vollständig zu öffnen. Als er Gepolter auf der Treppe hörte, drehte er sich gar nicht erst um. Nur einer konnte so früh, mit so viel Elan laufen. Das konnte der Leader schon immer. Früh aufstehen und dann auch noch frisch aussehen und voller Tatendrang sein.
„Ray, wann gibt es Frühstück?“ fragte das kleine Chaos auf zwei Beinen und starrte zu ihm auf. Der Chinese schaute nur verschlafen auf ihn hinunter und überlegte, ob die Anstrengung einer Antwort es eigentlich wert wäre. „Ich werde jetzt erst einmal duschen gehen.“ Murmelte er und drehte sich wieder zur Tür. Dort drehte er sich aber noch einmal um und winkte Kai zu sich her. Er schnappte sich den Auslöser allen Übels und setzte ihn erst im Wohnzimmer ab. „Hier, du schaust in der Zeit ein bisschen fern.“ Kai setzte sich auf die Couch und machte den Anschein, als würde er wirklich lieb bleiben.
Ray wollte nicht, dass Kai allein in der Küche bleib. Es bestand eine große Wahrscheinlichkeit, dass der Kleine entweder für das Frühstück nichts mehr übrig ließ oder dass er sich verletzte.
Er kam bei dem Badezimmer an und musste sich erst einmal mit Tyson streiten, dass er als Erster duschen konnte. Mit dem Argument, dass er ja immerhin das Frühstück machte, gewann er. Er schickte Tyson hinunter, damit er aufpasste, dass Kai keine Dummheiten machte.
Nach dem Duschen und dem Frühstück, schienen sie alle ein wenig fitter zu sein. Die Bladebreakers bekamen ihre Rache schon am Flughafen, denn da wurde Kai müde. Sie mussten aber noch mindestens eine Stunde warten, dass sie einsteigen konnten, was für den kleinen Jungen eine Menge Bewegung bedeutete.
Er quengelte noch nicht einmal, als sie an einem Laden mit Süßkram vorbei kamen. Es war aber nicht nur die Rachsucht der anderen Jungs, dass sie ihn nicht schlafen ließen. Sie hatten einen langen Flug vor sich und sie wollten, dass er im Flugzeug viel schlief, da sie nicht wussten, wie Kai als Kind auf das Fliegen reagiert hatte.
Aber ihre Angst war unbegründet. Kai schlief die Hälfte der Zeit und die andere schaute er entzückt aus dem Fenster. Wie leicht man kleine Kinder doch zufrieden stellen konnte. Gerade, als sie dachten, dass Kai anfangen würde, wegen der Langeweile zu quengeln, landeten sie auch schon.
Ray nahm Kai schnell auf den Arm, sobald sie den Flieger verlassen hatten. Er machte nämlich Anstalten sich wieder aus dem Staub machen zu wollen. Das konnten die Bladebreakers aber nicht zulassen, denn sie waren zum ersten Mal in Berlin und wollten nicht, dass sie ihn hier verlieren würden.
Das wäre der absolute Hohn, dass sie hier, wo sie Schutz suchten, den Grund dafür aus den Augen verlieren würden.
Nach einer halben Stunde Fahrt, in einem Taxi waren sie in ihrem neuen Zuhause angekommen. Es war eine kleine Wohnung, in einer Neubausiedlung. Nicht mitten in der Stadt, wie Mr. Dickenson gesagt hatte, sondern etwa 20 Minuten vom Zentrum entfernt. Das machte aber keinem der Jungen etwas aus, da sie es nicht gewohnt waren, irgendwo zu wohnen, ohne Ruhe haben zu können.
Die Wohnung war fast genauso groß, wie ihr kleines Haus in Japan. Die Zimmeraufteilung blieb fast die Gleiche, außer, das Kenny jetzt bei Max und Tyson schlief. Eigentlich hatten sie vorgehabt sich erst einmal gründlich umzusehen, waren aber vollkommen fertig, als sie endlich alles eingeräumt hatten.
Sie schafften es Kai zum einschlafen zu bringen und legten sich selber noch einmal ins Bett. Morgen war ja auch noch ein Tag.