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Adelphoi

Bruderschaft
von

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Genri

«Ihr Lächeln, das so ist wie meines,

Ihr Äußeres dem meinen so ähnlich.

Der Mensch der mir am liebsten ist;

und doch ist die Erinnerung an Ihren Tod alles was mir bleibt. »
 


 

"Dieses ganze versiffte Pack. Drückt sich herum, säuft, raucht und tut was sonst noch alles.Kannst froh sein, das ich dich zu etwas anständigem erziehe, undankbarer Steppke."
 

Worte, die ich immer zu hören bekommen habe. Als Kind ging mir das alles noch unter die Haut. Inzwischen ist mir das egal. Klar, der Kerl ist auch gar nicht mehr da. Schlecht für mich, besser für ihn.
 

Keine Ahnung, aber das ist das einzige, woran ich mich erinnern kann. Klar, da sind noch andere Sachen, die sind aber viel schlimmer als solche einfachen Worte.
 

"Keine Sorge Genrischatz, Papa möchte doch nur das beste für dich! Er weiß schon was richtig ist", sagte sie immer. Aber damals wollte ich sie nicht vor den Kopf stoßen und sie ihrer Vorstellungen berauben. Solange sie glücklich war, war ich's auch. Die Leute haben ständig gesagt, das ich ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ausseh'.
 

Bescheuerte Redensart.

Jetzt will ich ihr Gesicht auch nicht mehr. Wer will schon das Gesicht eines Toten?
 

Keine Ahnung warum, aber damals war ich trotz des Kerls wohl sehr glücklich. Sieht auf den wenigen Fotos die ich habe zumindest so aus. Jetzt hab ich nur noch Scheiß-Erinnerungen. Ihre Beerdigung, wie diese Typen mir meine Schwester weggenommen haben und mich bei dem Dreckskerl gelassen haben, wie er mich verprügelt hat.
 

Ha, ist aber vergelten worden.

Hat sich schließlich erhängt, dieser Mistkerl. Aber sie hat das echt nicht verdient.
 

Und es ist alles seine Schuld.
 

Ich komme aus einer ziemlich reichen Familie. Wo das Geld herkommt?

Als Kind hatte ich keine Ahnung. Dachte, der Typ wär ein hohes Tier in ner Firma.
 

Klar doch.
 

War nichts weiter als ein dämlicher korrupter Politiker. Jetzt weiß ichs auch. Naja, auf jedenfall war ich glücklich. Lenja war damals erst 3. Ich war 8.

Der Typ wollte immer, das ich der Beste in allem bin. Also hab ich mich angestrengt. Hab Bücher gelesen. Viel gelernt. Mit 7 Jahren eine Klasse übersprungen.

Alle waren stolz, er unzufrieden. Ich sollte natürlich noch besser sein. Aber nachdem er mich angeschrien hat, hab ich immer einen Kakao von Mutter bekommen, das hat alles wieder wett gemacht. Etwa eine Woche vor Lenjas 4tem Geburtstag durfte ich mit Mutter das Geschenk aussuchen gehen.

Klar hab ich mich gefreut, schließlich mochte ich meine kleine Schwester sehr gerne. Am besagten Tag gingen wir in die Innenstadt Oulous.
 

Oulou ist 'ne Stadt in Finnland. Da komm ich her.
 

Im Laden angekommen bin ich losgestürmt. Keine Ahnung wohin, völlig orientierungslos losgerannt und nach einem Geschenk gesucht. Gesucht, gefunden, mit besagter Puppe zurückgerannt, Mutter nicht gefunden.

Dafür 'ne Horde Schaulustiger, die nen Kreis um etwas gebildet haben.
 

Mutter in der Mitte entdeckt.
 

Danach wurde mir schwarz vor Augen. Ich weiß nur noch, das ich wohl ziemlich laut geschrien hab. Eine Nachbarin von uns, 'ne ältere Dame, hat mich in den Arm genommen und meinte bloss immer, das ich nicht hinsehn soll. Klar, sag einem kleinen Jungen, er soll seine Mutter nicht anschauen. Problem nur, das ich die Blutlache auch entdeckt habe.
 

Und wieder weg. Alles schwarz.
 

Danach weiß ich ncihts mehr. Ihre Beerdigung ist das nächste in meiner Erinnerung. Und ein Haufen Verwandte, die meinten, sie sei selbst Schuld. Klar, seine Verwandten haben sie nie gemocht, die meinten ständig, er hätt was besres verdient. Ha, als hätt der was besseres bekommen. Ich frag mich heut noch, wieso die beiden geheiratet haben. Aber er scheint sie wohl doch geliebt zu haben, dass muss ich ihm dennoch zugestehn. Schließlich hat er mich oft genug verprügelt nach ihrem Tod, einzig und allein aus dem Grund, weil ich ausseh, wie sie. Später hat er auch fantasiert. Dachte wohl, ich sei sie.
 

Bekloppter Mann.
 

Lenja wurde schon längst in eine Pflegefamilie abgegeben. Danach hat sich in mir was verändert. Früher wollte ich einfach nur Mutter lächeln sehn. Nach ihrem Tod wollte ich wissen, warum es so kommen musste. Hab recherchiert.

Mit 9, keine schlechte Leistung. Hab rausgefunden wer der Typ wirklich war.

Von Beruf ein Arschloch. Politiker, der sich aufspielt und wichtig macht. Einer seiner Feinde wollte sich wohl wichtig machen und hat meine Mutter mitten im Laden niedergestochen. Sie starb wohl noch im Laden, ich weiß es nicht. Naja, aufjedenfall hat er den Verstand verloren. Hat seinen Job verloren, Geld verpielt, letzte Ersparnisse versoffen. Und sich dann in seiner Bibliothek erhängt. Haha, ratet, wer ihn gefunden hat.
 

Richtig. Ich.
 

Danach gings mir richtig scheiße. Waisenkind war schließlich ne neue Erfahrung. Von Pflegefamilie zu Pflegefamilie angeschoben, keiner kam mit mir klar. War wohl doch einer von der komplizierten Sorte. Keine Ahnung.
 

Danach hatte ich keine Lust mehr. Bin aus dem Waisenhaus ausgebüchst und hab mich in irgendeiner Gosse verdrückt. Vermisst hätte mich eh keiner, wer schon? Hab ja alle verloren. Da sag mal einer, gutes Aussehen macht was aus.

Hat mir auch nicht viel geholfen. Ich saß wohl sehr lange in der Gosse, es wurde dunkel und schon wieder hell. An eine Sache erinner ich mich noch ganz genau. Ein Auto fuhr vorbei und die Frau drinnen hörte einen Song.

Sehr laut, ich konnte mithören. Seltsammerweise erinner ich mich noch genau an den Refrain.
 

"I need your love." Ja, ich auch.
 

Ich weiß noch, wie ich losgelacht habe und mich plötzlich dieser seltsame Typ in 'ner seltsamen Sprache angequatscht hat.
 

Mann, hab ich da Schiss bekommen.
 

Der hat mich tatsächlich an die Hand genommen und wollte mich heim bringen. Als wir dann vor dem Waisenhaus standen hat er toll geschaut. War sichtlich schockiert. Und die Betreuerin war stocksauer.
 

Als ich dann aus der Dusche kam, saß der Samariter plötzlich auf meinem Bett und die Betreuerin strahlend auf einem Stuhl daneben. "Genri!" sagte sie, "Ich habe eine tolle Neuigkeit!" Haha, die Neuigkeit war, das der sogenannte Samariter aus Portugal kam, auf Geschäftsreise war und eine gute Tat vollbringen wollte, indem er mich adoptierte.

Gut, machte mir auch nichts aus. Weglaufen konnte ich schließlich auch in Portugal.
 

...
 

Und dann war da Antonio.
 


 

Genri Rae

Antonió

«Hätte ich mich im Alter von 10 Jahren selbst kennen lernen können, würde ich mich vermutlich nicht ausstehen können, aus dem einfachen Grund, dass ich das nachgiebigste und verzogenste Kind der ganzen Straße war. Heute bin ich zwar weniger nachgiebig, dafür aber mehr ich selbst.»
 


 

Ich komme ja aus einer ziemlich wohlhabenden Familie, die sich niemals um Arbeit herumdrückt und sich so zum Wohlstand hochgearbeitet hat.

Mein Vater ist Anwalt, mein Großvater ist Anwalt, der Großvater meines Vaters war Anwalt und das ist auch die Zukunft, die mich erwartet und das wurde mir bereits im Alter von 4 Jahren klar gemacht.
 

Unglücklicherweise trifft es sich, das Anwalt einer der Berufe ist, die mich absolut und niemals in keinster Weise gereizt haben und das wusste ich auch schon recht früh. Wenn meine Erinnerungen mich nicht täuschen, habe ich bisher nur einmal versucht, mit meinen Eltern über meine Zukunftswünsche zu reden, doch das Thema wurde untersagt und es hieß immer nur: Antonió, dein Großvater möchte, das du irgendwann dieses Erbe antrittst.
 

Gut, gut, so wurde es halt gemacht, ich habe meinen Mund gehalten, alles über mich ergehen lassen und getan, was von mir verlangt wurde.
 

Meine Nachmittage verbrachte ich damit, vom Schachunterricht zum Gitarrenunterricht zu rennen und von da aus zu meinem geliebten Triathletiker-Verein. Bis auf den Schachunterricht hatte ich mir alles selbst ausgesucht, das einzige mal, das ich selbst etwas bestimmen durfte.
 

Meine Schwester konnte ich überhaubt nicht ausstehen, habe überhaubt nie eingesehen, warum gerade ich diese dämliche Nachfolge antretten sollte und nicht sie.

Sie ist die Ältere, sollte sie das doch machen, ich hatte meine eigenen Vorstellungen von meinem Leben.

Aber durch meine Großeltern wurde mich früh klar gemacht, das meine Vorstellungen falsch waren, die wüssten schon, was gut ist und ich hätte mich danach zu richten.

Das meine Schwester aus dem einfachen Grund, das sie ein Mädchen war, diese Nachfolge nicht antretten durfte, wollte ich zu dem Zeitpunkt gar nicht einsehen, wieso sollte es ihr so einfach gemacht werden, während man mir Steine in den Weg legen wollte?
 

Wie man vielleicht merkt, waren meine Erziehungsberechtigten weniger meine Eltern sondern meine Großelten.

Meine Eltern sind eigentlich ziemlich antiautoritär, meine Großeltern strahlen dafür eine umso größere Macht aus. Hab auch ziemlich früh gemerkt, das ich besser nicht alles sagen sollte, was mir im Kopf so herumspukte, denn das war definitiv nicht die beste Entscheidung meines Lebens, meinem Großvater zu sagen, was ich von seinen Plänen für mich hielt.
 

Wenn man es recht nimmt, bekam ich als Kind ziemlich viel, mein Taschengeld war hoch, ich durfte an Samstagen meinem Sport nachgehen und nach der Schule, den Hausaufgaben, den zusätzlichen Unterrichten und dem Besuch bei meinen Großeltern machen was ich wollte.
 

Nur der Sonntag, an diesem einen Tag gab es eine Pflichtveranstaltung, die mir so ganz und gar nicht passte.
 

Unglücklicherweise sind alle in meiner Familie religiös und jeden Sonntag gabs ein riesiges d'Oliveira-Familientreffen in unserer Kirche mit anschließendem Mittagessen bei uns zuhause. Wenn sie einfach nur religiös wären, wäre ja alles in Ordnung, aber das ist ziemlich untertrieben, die lieben dieses unsinnige Gottesgequatsche und Liebe-deinen-nächsten-Gesäusel und was sonst noch. Behängen sich mit ihren Rosenkreuzen, heulen in ihr Taschentuch wenn einer was von Sündern erzählt und rutschen auf ihren Knien hin und her wenns ums beten geht.

Ich hab es richtig gehasst und nie verstanden warum ich einen Typen anhimmeln soll, den ich nicht einmal sehen kann. Aber schließlich musste ich ja ein Erbe antretten, Großvater wollte das so und ich habe brav mitgespielt, gelächelt und gebetet während ich niesen musste und mir die Tränen aufgestiegen sind.
 

Kommt blos auf keine seltsamen Gedanken!

Ich steh nicht auf diesen ganzen Scheiß, ich bin verdammt nochmal allergisch gegen Weihrauch!
 

Als ich versucht habe, es meiner Mutter klar zu machen, hat die mich natürlich sofort zum Arzt geschleppt, der diagnostizierte dann eine Allergie gegen ätherische Öle und ich hab mich riesig gefreut, nie wieder dieses bekloppte Gequatsche von wegen Erlösung un'so.
 

Haha, glatt daneben, Toni wurde weiter zur Kirche mitgeschleift und es hieß: Sei ein Mann, ertrag es einfach irgendwie!
 

Hab ich locker weggesteckt, die wolltens ja so, ich mein, wem macht es schon was aus, wenn das Kind kotzen muss und jede 30 Sekunden einen Ohnmachtsanfall hat, wenn du doch bei Gott im Sprechzimmer sitzt?

Einfach schön lächeln und versuchen, nicht in die Handtasche der alten Dame vor dir zu erbrechen.
 


 

Freunde hatte ich absolut keine.
 

Klar, da gab es diese Gören die einen auf großer Macker machen wollten und dachten ein kleiner verzogener Junge, desssen reicher Papa hinter einem stand, machte sicherlich auch großen Eindruck in der Gruppe.

Schon wieder welche, die meinten, die wüssten, was das beste für mich war, aber da ich das gewohnt war, hab ich einfach gelächelt und mitgemacht.
 

Und der Countdown der Zeitbombe ging los.
 

Mit 10 nahmen die mich zum ersten Mal mit zu einer großen Party, ich war mit großem Abstand der Jüngste und sichtlich schokiert wie wiederlich junge Erwachsene doch sein konnten.

Überall lagen Bierflaschen rum, es stank absolut bestialisch nach weiß Gott (Haha) was allem und in jeder Ecke wurde wild rumgemacht.

Kaum waren wir 5 Minuten da, kam auch schon der erste Depp angetorkelt und drückte mir 'ne Bierflasche in die Hand. 'Da hast du Kleiner, das ist gut für dich.'
 

Aaah, wie gut das alle wussten, was gut für mich ist, ich hatte mir schon Sorgen gemacht, ich müsste irgendwelche Entscheidungen selbst fällen, wär ja furchtbar gewesen.
 

Hm, also eines habe ich an diesem Abend definitiv gelernt, Alkohol ist echt nicht gut für mich.
 

Gottseidank kann ich, ohne eingebildet wirken zu wollen, sagen, das ich um längen schlauer war als diese versifften Kinder auf dieser Party und so hab ich das Bier direkt ausgeschütet.
 

An ein Geschehnis dieses Abends kann ich mich noch genau erinnern, denn diese Szene war sehr prägend für mein Leben.

Ein etwa 7 Jahre älteres Mädchen, ziemlich besoffen, bestimmt bekifft, torkelte an dem Abend auf mich zu und hatte wohl nen erheblichen Sehfehler, denn sie wollte mir direkt ihre Zunge in den Mund stecken.

Ich, 10 Jahre alt, null Erfahrung mit dem anderen Geschlecht, total schokiert, hab sie weggedrückt, gerufen 'Sorry! Ich steh nur... auf... Blauhaarige!' und mich aus dem Staub gemacht.
 

Keine Ahnung wie ich in dieser Situation auf blaue Haare kam, war wohl meine derzeitige Lieblingsfarbe.
 

Nach diesem so schockierenden Ereignis lief ich schnurstraks heim, aber unglücklicherweise war es bereits weit nach Sperrstunde und sogar meine Schwester schlief schon und das wollte was heißen. Also habe ich versucht ganz gekonnt an dem Baum vor meinem Fenster hochzuklettern, die in den Filmen machten es schließlich auch immer so.
 

Man, war das ne schlechte Idee, kaum 15 Sekunden später lag ich auf dem Boden, mit nem Ast im Arm und weitere 15 Minuten später im Krankenhaus, mit 'nem 1a gebrochenen Arm.
 

Meinen Eltern hab ich natürlich erzählt, ich hätte mitten in der Nacht ein Kätzchen miauen gehört und wollte es retten.

Entweder meine Eltern waren total bescheuert und haben mir diese wahnwitzige Geschichte abgekauft, oder sie waren so antiautoritär, das sie mich trotz Alkoholfahne meine eigenen Erfahrungen machen lassen wollten. Total bekloppt, die einen wollen alles selbst bestimmen, die andren machen den Mund nicht auf um mir zu sagen was richtig oder falsch ist.
 

Etwa zu dem Zeitpunkt, kurz nach meinem 11ten Geburtstag, habe ich auch vollständig akzeptiert, das meine Zukunft absolut nicht zur Diskussion stand und das andere darüber entschieden, also habe ich versucht, es allen recht zu machen.
 


 

Und dann kam mein Vater von einer Geschäftsreise wieder, im Gepäck ein sturer, zerbrochener, kleiner Junge.
 


 

Antonió d'Oliveira

Heulsusen

An dem Tag, an dem mein Vater von seiner Geschäftsreise aus Finnland zurück kam, war ich mal wieder nicht zuhause, habe mich aber beeilt, nicht ganz so spät heim zu kommen. Kaum hatte ich das Haus betreten, stand meine Mutter schon strahlend vor mir, was mir einen ordentlichen Schock verpasst hatte, den schließlich war ich zu spät. Sie hat mich direkt am Arm gepackt, Richtung Wohnbereich gezerrt und irgendetwas von 'großer Überraschung' gefasselt, worüber ich mich sehr freute, 'nen Hund wollte ich schließlich schon immer.
 


 

Die haben mich behandelt wie'n Hund.

Die Frau vom Samariter hat mich getätschelt und irgendwas auf englisch geplappert. Dann kam die Tochter die Treppe runter. E

rster Eindruck? Nerviges Weib. Himmel Hergott, was 'ne Nummer.

Quietschte rum, als wär ich 'n Eichhörnchen. Hst wohl für Ihre Mutter mitgewinselt, denn die ist wohin verschwunden. Hab mich gefreut.

Leider kam sie wieder. Im Schlepptau so ein Junge.

Wohl ihr Sohn. Der hat sehr enttäuscht geguckt.

Dachte wohl, er kriegt 'nen Hund.
 


 

Ich dachte ich krieg 'nen Hund.
 

Und da stand plötzlich ein kleiner Junge, der mich angeschaut hat, als würde er gleich gefressen werden, so verschreckt schaute er aus. Erst wusste ich nicht ob es nur eine optische Täuschung oder Wirklichkeit war und wollte mir die Augen reiben, dachte aber dann, dass das vielleicht ein bisschen blöd kommen würde. Meine Eltern standen nur da, Sofia auch und warteten, was ich wohl sagen würde. Sehr bescheuert, weil ich echt nicht wusste, was ich sagen sollte.

Was habe die bloß erwartet?

Das ich aufspringe 'Yuhu! Toll!' rufe und frage ob wir ihn behalten dürfen? Ich schaute meinen Vater einfach fragend an und hoffte er würde mir die Antwort liefern. Er hatte wohl verstanden, lächelte erst dem kleinen Jungen zu (der übrigens aussah wie ein Mädchen! Ich musste zweimal hinschauen um sicherzugehen!) und dann mir und erklärte mir auf englisch, das er den kleinen als Pflegesohn in unsere Familie aufgenommen hatte.

Als hätte ich nicht schon genung Probleme mit meinem eigenen Leben gehabt, da schleppt der Typ mir doch tatsächlich nen Gossenjungen an.
 


 

Erster Eindruck?

Unsymphatisch. Bescheuert. Eingebildet. Verzogen.

Das waren schon vier.
 

Stille im Raum. Super. Also ich wollte nicht so gerne als erster Reden.

Hab meine Klappe gehalten. Und den Vater angestarrt. Der hat wohl geschnallt, das es ne unbequeme Situation ist. Hat alle aufs Sofa gedrückt. Wurd auch nicht besser. Dann haben Bruder und Schwester auf portugiesisch gebrabbelt. Hörte sich so an, als würde der Sohn mich direkt so mögen wie ich ihn.

War ja echt ein guter Anfang. Da saß ich nun, kein schimmer wie die Geschwister hießen. Gottseidank, der Vater hatte wohl nach nem Gesprächsthema gesucht.Gefunden. Hat mir dann erklärt, das seine Tochter Sofia hieß und der unausstehliche Trottel daneben Antonió. Bescheuerter Name.
 


 

Mein Vater, der wohl das Gespräch anheizen wollte, stellte uns dem kleinen Knirps vor und wandte sich dann an mich und erzählte mir, das der Zwerg Genri Rae, 9 Jahre alt war und 'ne schwere Kindheit hinter sich hatte, ich kenne soetwas ja nicht und solle nett zu ihm sein.

Genri... echt komischer Name, hab später mal nachgegoogelt und rausgefunden das er die Kurzvorm von Heinrich war und habe dann versucht ihn so zu nennen, was ihm wohl gar nicht gepasst hat, denn ständig hat er Mucken gemacht und mir böse Blicke zugeworfen, überhaubt war der Krümmel echt aufmüpfig und hat mich immer echt komisch angeguckt.
 


 

Ich konnte Toni nicht ausstehen. Hab ihn immer ignoriert.

Son ein Idiot.

Dachte wohl, der wär cool oder so. Keine Ahnung.

Es war voll schwer sich in 'nem fremden Land einzuleben. Der war echt keine große Hilfe. Ständig stand er im Weg, war nervig oder frech. Die Sprache hab ich glaube ich recht schnell gelernt. In sowas war ich immer schon gut.
 


 

Später hat sich herausgestellt das der Kleine ziemlich viel Grips hat, er hat immerhin nur etwa ein halbes Jahr gebraucht um recht gutes Portugiesisch zu sprechen, was recht ärgerlich war, denn ab dem zeitpunkt konnte ich ihn nicht mehr auf portugiesisch anmachen oder beleidigen.

Also bin ich ihm aus dem Weg gegangen, hat sich aber als Problem herausgestellt, denn wir haben am Anfang ein Zimmer geteilt, den Genris Zimmer musste noch umgebaut werden, hat ja keiner mit nem neuen Familienmitglied gerechnet. Tagsüber war er ganz erträglich, er hat schließlich nie was gesagt, war immer sehr zurückhaltend, hat Bücher gelesen oder draußen allein Basketball gespielt. Ich hab mir nie die Mühe gemacht, mitzuspielen, wenn es ihm zu langweilig geworden wäre, hätte er schon nach Gesellschaft gefragt, hab ich gedacht. Aber nachts mit ihm in einem Zimmer zu schlafen war echt die Hölle.

Am Anfang hat er viel gestöhnt und gewimmert und ständig 'Äiti' gerufen, ich hab nur selten ein Auge zugekriegt, aber zu meinen Eltern wollte ich auch nicht gehen. Ich weiß nicht wieso, wusste auch nichts von seiner Vergangenheit aber irgendwie fand ich, es war seine Sache und wollte nicht, das sich jemand einmischt, nicht einmal in seine Träume. Als ich ihn am nächsten Morgen fragte, was Äiti denn auf seiner Sprache heißt, hat er mich nur komisch angeschaut und Mama gesagt, aber von seiner Vergangenheit wollte ich zu dem Zeitpunkt nichts wissen, meine war schließlich schwer genug.
 


 

Der Anfang in Portugal war schrecklich. Hatte ständig Alpträume.

Bei denen Mutter vorkam. Und Blut. War furchtbar. Bin nachts öfters mal wach geworden. Hab dann immer aus dem Fenster gestarrt oder einen Punkt fixiert, bis ich wieder müde wurde. Aber die Tage waren recht angenehm.

Die haben mordsviele Bücher. Und nen Basketballkorb. Was Toni gemacht hat? Keine Ahnung. Hab mich nie für ihn interessiert. Nur einmal bin ich ihm hinterhergelaufen. Glaub nicht das er mich gesehen hat.

Hab rausgefunden das er Triathlet ist. Eigentlich ganz cool.

Und Ausdauer hat er. Bin dann wieder zurück nachhause geschlichen.

Und hab versucht, etwas sozialer zu ihm zu stehn. Hat nicht geklappt. Am nächsten Tag haben wir uns geprügelt. Und er hat geheult. Keine Ahnung wie das kam. Wir standen an der Treppe, da hat er mich ausversehn geschubst.

Hab nichts gesagt, aber ihm hat wohl mein Blick nicht gefallen.

Meinte, ich solle keine Mimose sein. Ich hab ihm gesagt er soll seinen Mund halten. Das hat ihm auch nicht gefallen. Erst haben wir uns nur verbal angegriffen. Plötzlich hat er angefangen, über meine Alpträume zu reden.

Meinte, ich solle mich nicht so anstellen. Hat sich beschwert, das er wegen mir nicht schlafen kann. Und gemeint, seine Vergangenheit sei auch kein Zuckerschlecken gewesen. Da hab ich zu viel bekommen.
 


 

Genri kann echt kräftig zuschlagen. Das ist mir am folgenden Tage klar geworden, denn wir sind irgendwie in Streit geraten, er hat zu viel gesagt, ich hab zu viel gesagt und da haben wir uns geprügelt.

Erst haben wir nur gerangelt, dann sind wir die Treppe runtergeflogen und haben auf dem Boden weitergemacht.
 

Genri hat leider gewonnen.
 


 

Ich hab gewonnen.
 

Wir langen auf dem Boden. Okay, er lag. Ich stand.

Hatte ne blutige Lippe. Er sah auch nicht besser aus.

Und dann ist was passiert, was mich echt geschockt hat. Der Kerl hat angefangen zu heulen. Ich war echt baff. Stand nur da und hab geschaut wie damals. Erst hat er versucht es zurückzuhalten. Hat aber nicht geklappt.

Ich wollte ihm die Hand geben. Er hat sie weggeschlagen und ist rausgerannt. Gottseidank war am Tag davor mein Zimmer fertig geworden.

Da musste ich ihn nicht sehen.
 


 

Ich weiß auch nicht was damals mit mir los war, ich glaub es war einfach echt schwer für mich zu glauben, das er tatsächlich Recht hatte und er viel mehr durchgemacht hatte als ich. Ich bin weggelaufen und erst sehr spät nachhause gekommen, danach habe ich mich sofort in mein Zimmer verdrückt und war bloß froh, das Genri nicht mehr in meinem Zimmer wohnte, sonst hätte ich mich womöglich noch entschuldigt, dabei hatte er angefangen.
 


 

Die erste Nacht im eigenen Zimmer war die Hölle.

Meine Alpträume waren wieder da. Schlimmer als vorher.

Hab geträumt, ich hätte gesehn, wie sie gestoben ist.

Und hab nichts unternommen. Nur zugeschaut. Bin schreiend aufgewacht.

Und musste heulen. Scheiß realistische Träume. Hab voll den Schock bekommen.
 


 

Mitten in der Nacht bin ich plötzlich aufgewacht und wusste erst nicht wieso, als mir dann klar war, das Genri wohl geschrien hatte, aber da unser Haus ziemlich groß war, und wir uns eine Etage teilten, hatte es wohl kein anderer gehört. Ich hab sofort gecheckt, das er wohl wieder Alpträume hatte, schlimmere als vorher, und irgendwie hat mir der Wicht leidgetan, also hab ich meine Decke und mein Kissen genommen und mich über den Flur in sein Zimmer geschlichen.

Ich glaube er hat mich nicht gesehen, erst als ich vor ihm stand hat er sehr schockiert geschaut und da hab ich gesehen, das der Traum wohl sehr schlimm gewesen sein muss. Aufeinmal war er mein kleiner Bruder, ich hab ihm den Kopf getätschelt und mich auf die Couch gegenüber gelegt und er hat gegrinst und sich auch schlafen gelegt. Man war das ne peinliche Aktion, wir haben danach nie darüber geredet.
 


 

Diese Aktion war echt seltsam. Aber ich konnte danach wieder normal schlafen. Auch in der nächsten Nacht, ohne Toni im Zimmer. Echt bescheuert.

Keine Ahnung wieso. Danach haben wir lange nicht miteinander geredet.

Den anderen ignoriert. Möglichst nicht angeschaut. Aber irgendwie war die Stimmung komplett anders als vorher.
 


 

Die Atmosphäre war danach ne sehr lange Zeit total komisch, aber trotzdem war sie nicht mehr so negativ wie zu Anfang und all diese kleinen Streitgründe waren wie weggeblasen.

Seltsamerweise hatte ich ab da das Gefühl als wären wir echt eine Famile.

Brüder halt.
 


 

Genau. Ende der Rückblende. Weiter im Text.

küssende Treppenabsätze

"Genri! Kleiner Bruder! Schnell, steh auf!" Mit einem Geräusch ähnlich tobenden Donners platzte Antonio in Genris Zimmer und riss ihm die Decke, in die er sich wie ein Murmeltier eingemummt hatte, vom Körper. Stöhnend und blind nach Toni tretend versuchte Genri seine Decke wieder an sich zu reisen und fauchte seinen großen Bruder an.

"Boah Antonio du Wahnsinniger! Wäre ich nicht so müde, würde ich dir die Beine ausreissen, dich danach im Meer versenken und deine Beine einem Museum spenden! Ich hab kaum gepennt, verpiss dich!"
 

"Aber Genri! Ich hab was ganz tolles gemacht! Ich hab ein Haus gebaut!"

Tonis strahlendes Gesicht blitzte zu Genri hinunter und wich wenige Sekunden später zurück, da Genri weit ausgeholt hatte um ihn irgendwie zum schweigen zu bringen. Antonio, inzwischen 19 Jahre alt, das Benehmen eines 10 Jährigen Jungen, hatte im selben Jahr begonnen, Jura zu studieren um die Familientradition weiter zu führen, lies sich jedoch nicht davon abbringen, seiner großen Leidenschaft, der Architektur nachzugehen.
 

"Komm schon Genri! Jetzt wo du eh schon wach bist, macht es dir doch mit Sicherheit nichts aus, einen kleinen Blick auf mein neuestes Meisterwerk zu werfen! Los, steh auf! Mutter wartet auch schon auf dich, sie wollte noch mit dir reden, weil du schon wieder so spät nachhause kamst heute Nacht. Wieviel Uhr wars den, ich habs leider nicht mitbekommen. Ach mit Sicherheit so gegen 5 Uhr morgens, Genri du solltest dich schämen, du bist erst 17 und schon so verdorben...!"

Ein Redeschwall ergoss sich über den Verdorbenen und er hatte soeben seinen Wecker gepackt, in der Hoffnung es seinem Bruder gegen eine besonders schmerzhafte Stelle zu schleudern, doch dieser war bereits mit einer äußerst galanten Bewegung entschwunden um ein anderes Familienmitglied mit seiner liebreizenden Art zu terrorisieren.
 

Ächzend und verkatert schaute Genri auf den Wecker in seiner noch erhobenen Hand und musste zu Tonis Unglück feststellen, das es noch nicht einmal elf Uhr war. Er hatte nicht geplant, so spät heim zu kommen, doch seine Eltern waren es gewohnt und würden ihn nicht darauf ansprechen.
 

Dies war ein weiterer Vorteil seiner tragischen Vergangenheit, seine Eltern, eigentlich Antonios Eltern, schließlich war er nur adoptiert, erlaubten ihm jegliche Fehltritte und entschuldigten sie mit seinem schmerzhaften Schiksal.

Stöhnend hiefte er sich aus dem Bett, akzeptierte nur leidlich die grausame Art, in der Toni ihn geweckt hatte und schleppte sich unter die Dusche, denn er stank immernoch entsetzlich nach Rauch und Alkohol.
 

Vor 7 Jahren hatten die d'Oliveiras ihn als Adoptivsohn aus Finnland nach Portugal geholt und hier versucht, ihm eine erbauliche und ansehnliche Zukunft zu geben, wogegen er sich jedoch mit Partys, nächtlichen Besuchen auf dem Revier der örtlichen Polizei und ständig wechselndem älteren Damenbesuch erfolgreich zur Wehr setzte.

Atonió war selten dabei, nur ab und zu, meistens am Wochenende, leistete er seinem kleinen Bruder gesellschaft in dessen aufregendem Leben. Genri freute sich jedes mal, wenn Toni die Zeit fand, etwas mit ihm zu unternehmen, doch hatte er es ihm nie gesagt, er war um einiges Verklemmter und behielt meist alles für sich, was seinem Bruder nicht ganz gelingen wollte.
 

Seine einzige Vertrauensperson, neben Antonió natürlich, war der 6 Jahre ältere Deció Loris. Genri jobbte neben seinem Schulaltag ( er besuchte natürlich trotz seines verwegenen Nachtlebens tagsüber eine sehr renomierte Privatschule ) in einer Bar als Barkeeper und hatte so Deció kennengelernt.

Deció stammte aus keinem reichen Elternhaus, sein Vater war Automechaniker in einer Familieneigenen Werkstatt, wo Deció neben dem Barkeeper-sein zwischendurch aushalf.

Genri verstand sich sehr gut mit Dec, sie teilten viele Interessen, mochten beide Autos und Motorräder, tranken gerne viel und wenn Genri sich für eine bestimmte Frau interessierte, wusste Deció mit Sicherheit ihren Namen und hatte sie vermutich selbst schon einmal in seinem Bett gehabt.
 

Vorsichtig, um nicht auszurutschen und Antonió so die Möglichkeit zu geben, ihn wegen einer möglicherweise schmerzhaften Verletzung auszulachen, stieg er aus der Dusche und kleidete sich an. Um das Gespräch mit seinen Eltern kam er nicht herum, doch würde es nicht schwer sein, sie dazu zu bringen, ihm zu vergeben. Genri wusste ganz genau, wie er bestimmte Personen dazu bringen konnte, nach seiner Pfeife zu tanzen, nur bei den Großeltern hatte er den Clou noch nicht ganz raus. Mit seinen Schlüsseln klimpernd und eine fremde Melodie summend ging er die Treppe runter und grinste beim Anblick des letzten Treppengeländers.

Oft schon hatte er Toni genau dieses Treppengeländer runtergeschubst, gottseidank hatte es nie böse geendet, Toni musste 'nur' viele blaue Flecken akzeptieren und mied es so gut es ging, mit Genri gleichzeitig die Treppe runter zu gehen.

Auch an diesem Tag wartete er bereits unten auf ihn und beäugte ihn misstrauisch, den Genri hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, Toni hin und wieder zu piesacken.

Doch es blieb kaum Zeit, wieder in einen kleinen Bruderstreit zu verfallen, den aus dem Nebenzimmer hörte Genri bereits die aufgeregten Stimmen ihrer Eltern.

Seine Mutter schien wieder sehr aufgebracht und den Tränen nahe, sie machte sich Vorfürfe wegen Genris unvorbildicher Entwicklung. Sein Vater jedoch beruhigte sie stets und meinte, Genri müsse sich einfach nur die Hörner abstoßen, er würde schon irgendwann zur Vernunft kommen und außerdem würde er ja stets wissen, was er täte. Klar tat es Genri ein wenig Leid, seine Eltern solchen Problemen auszusetzen, doch er zog seine eigene Freude stets über das fremde Leid.

"Genrischatz, Wir machen uns ein klein wenig Sorgen weißt du. Du kamst schon wieder so spät heim, wir haben nunmal Angst, das dir etwas schlimmes zustoßen könnte, du bist noch nichteinmal volljährig, bei Toni ist es etwas anderes, er ist schließlich schon 19...." Aus den Augenwinkeln konnte er Toni frech grinsen sehen und schwor sich, ihn dafür mal wieder den Treppenabsatz küssen zu lassen, doch die Probleme seiner Eltern hatten jetzt vorrang.
 

"Sorry Mom," sagte er und zauberte ihr so ein Lächeln aufs Gesicht, den bis vor einem Jahr hatte er sie noch bei ihrem Vornamen genannt, "ich weiß, ihr habts schwer mit mir, aber du brauchst dir doch keine so großen Sorgen zu machen. Du weißt, ich fahr' nicht bei fremden Leuten mit, dazu hab' ich schließlich mein Motorrad, ich weiß immer, mit welchen Leuten ich mich treffe und trinke nie viel Alkohol."
 

Das war natürlich himmelweithergeholt, doch es kümmerte ihn nicht, er achtete stets drauf, niemandem außer Antonió im besoffenen Zustand über den Weg zu laufen.
 

"Außerdem!" fügte er schnell hinzu und grinste dabei, " wisst ihr doch, das ich viel besser in der Schule bin, als Antonió zu seiner Zeit, also kann ich mir doch hin und wieder eine lange Nacht erlauben? Schließlich jobbe ich auch in dem Laden und verdiene so mein eigenes Geld!"
 

Hinten sah er Toni eine beledigte Miene ziehen und triumphierte innerlich, als seine Eltern ihn verständnissvoll ziehen liesen, ihn jedoch beschworen, weiterhin gut auf sich aufzupassen.

Als er an Toni vorbeischlenderte, vergaß er jedoch unglücklicherweise, das dieser das gesamte Gespräch mitverfolgt hatte und er kam nicht um den Tritt in den Hintern für den letzen Satz umhin.

"Wie du das immer hinkriegst Genri man, du hast echt absolut kein Gewissen,du frecher Knirps." frohlockte Toni, den es kam selten vor, das Genri sich einen Tritt gefallen lies.

"Was hast du jetzt vor? Frauenbesuche?" - "Ganz knapp, Trottel. Ich treff mich mit Lori in der Werkstatt seines Vaters, wir schrauben ein wenig an meiner Kiste..." - "Lori? Wer'sn das?" Kurz überlegte Genri, ob er Deció erwähnen sollte, konnte es sich dann jedoch nicht verkneifen und klärte Toni auf.

Im selben Moment entgleiste Tonis Gesicht und er zog eine Fratze.

"Aaah... der."

Toni kannte Deció schon lange, Deció war einer der Jungs, die Toni bis zu seinem 11. Geburtstag wohl noch zu seinen 'Freunden' gezählt hätte, doch heute konnte er ihn absolut nicht ausstehen.
 

Er verabschiedete sich von Genri mit einem Klaps in den Nacken und machte sich schnell davon, um einem möglichen Racheversuch zu entgehen.

Genri rief ihm noch so einige wüste Beschimpfungen hinterher, bei denen sich so manche Passanten erschreckt umdrehten, stieg dann aber auf sein Motorrad und machte, das er in Richtung Werkstatt kam.

Kaffee, Ledersessel und Jazzmusik

"Du bist früher da als gedacht, ich dachte du lässt dich nicht vor 4 Uhr blicken."

"Tja, ist alles 'n bisschen falsch gelaufen heut morgen. Erst weckt der Clown mich und dann krieg ich 'ne Standpauke von den Alten. Du hast eh nichts bessres zu tun, also beschwer dich mal nicht Deció."

"Ich sag ja nichts, komm rein. Willst 'nen Kaffee?"

"Da sag ich nicht nein."
 

Genri betrat Deciós Bude und musste acht geben, nicht über einen der unzähligen Pappkartons zu stolpern, die ohne erkennbares System im Flur herumstanden.

"Du ziehst um?"

"Nein du Trottel, das sind aussortierte Sachen oder Ersatzteile für deine Kiste."

Murrend umging Genri die Kartons, setzte sich in einen der Ledersessel, die in Deciós Wohnzimmer standen und seufzte.

"Hach ja, ich steh auf diesen Sessel, so bequem, dabei isser so abgefuckt."
 

"Jaaah, das merk ich," gab Deció zurück als er mit zwei Kaffeetassen das Zimmer betrat und einen davon Genri in die Hand drückte.

"Ich glaub du saßt schon so oft in diesem Teil, das er jetzt von ganz allein die Form deines Hinterns annimmt..."

Er nahm einen großen Schluck aus seiner Tasse und machte das Radio an.
 

Einen Fernseher hatte er nicht, wollte er nicht, brauchte er nicht.

Er zog das geschriebene Wort vor und besaß eine beachtliche Menge an Büchern.

Dies war ein weiterer Grund, weswegen Genri so gut mit Deció befreundet war, die Unterhaltungen und Diskussionen mit ihm waren es allemal wert.
 

"Ach Genri, bevor ichs vergess', heut abend ist wieder was los im Lux-Frágil... aber ich weiß nicht, du solltest vielleicht besser zuhause bleiben, nicht das unser kleiner Bubi Stress mit Mami und Papi kriegt..."

Er grinste zum Bubi rüber, welcher nicht sonderlich erfreut über diesen Kommentar patzig reagierte.
 

"Ach halts Maul, Mann... Die haben mir noch lang nichts zu sagen, ich mach was ich will... Klar bin ich heut im Lux, da gibts immer ne Menge Alk und ne Menge Weiber."

Er stellte seinen Kaffeebecher ab und streckte sich.
 

" Lass ma' in die Werkstatt, ich bin ja nich' zum Plaudern hergekommen. Es sei denn, du willst das ich hier einpenn', aber da zieh ich dein Bett dem Sessel vor."
 

"Genri, bevor du in meinem Bett landest, schmeiß ich mich vor den nächsten VW Käfer der meinen Weg kreuzt."

"Warum gerade ein Käfer? Das braucht aber ne Menge Schwung das Teil, wenn du nicht lange leiden willst."

"Deswegen ja, ich sterbe lieber langsam und schmerzvoll, als mit einem Mann das Bett zu teilen. Komm Knirps."
 

Er stand auf und schnappte sich die Schlüssel von einem der Sideboards die vergeblich seine Mengen an Büchern trugen. Im Flur drückte er Genri 2 Kisten in die Hände, nahm selbst eine und ging runter zur Werkstatt.
 

Während Deció sich an Genris Motorrad, einer schwarzen Honda CBR125, zu schaffen machte, blätterte der Besitzer der Maschine gelangweilt in einem der sich stapelnden Motormagazine und gähnte zwischendurch herzhaft.
 

"Anstatt dich da zu vergnügen, könnteste mir auch mal helfen, Genri..."

Warf ihm Deció vor und kramte in einer Schachtel herum, fand aber nicht, was er suchte.

"Och weißt du, ich find du machst das auch ganz gut allein... Was meinst du Deció, soll ich mir was neues holen? Die Honda bringts nicht... ist ja auch nur ne Rennreplika... ich hätt mir ne Kawasaki Ninja holen sollen..."

Auf der anderen Seite der Garage prustete Deció los und blickte spöttisch zu Genri.
 

"Ne Ninja? Mein lieber Freund, dann lägste jetzt im Graben bei deinem bekloppten Fahrstil. Sei lieber froh, das deine Honda noch fährt. Oder noch besser, sei mir dankbar, das ich sie ständig warte, sonst müsstest du wie jeder normale Mensch auch mit dem Bus fahren müssen, die Rechnung kriegste übrigens diesmal auf ner Schriftrolle."

"Schriftrolle?"

"So 'ne hohe Zahl passt nicht auf ein Blatt Papier."
 

Nach diesem kurzen Wortwechsel herrschte Stille, beide waren versunken in ihre eigenen Gedanken, wobei Genris Gedanken zurückfielen an eine Zeit, an die er sich lieber nicht erinnern wollte.
 

Um sich abzulenken steckte er sich eine Zigarette an, bot Deció eine an und hockte sich neben ihn, um ihm bei seinen Tüffteleien zuzusehen.
 

Würde Mom mich so sehen, rauchend, saufend und meine Ausschweifungen lebend, was sie wohl sagen würde?
 

"Deció! Hast du Musik hier? Du bist so ungesprächig, ich brauch ablenkung..."

"Im Schrank drüben sind alte Jazz-Platten... Musst mal nachschauen..."

Schnell sprang Genri auf und holte sich besagte Platten aus besagtem Schrank.
 

Erbärmlicher Versuch, sich abzulenken. Ich weiß ja doch, das es nicht klappt.
 

"Was ist denn das für 'ne Platte Dec?" Er zeigte ihm mit gespielter Begeisterung eine der veralteten Tonträger.

"Glen Miller... der is echt gut, setz mal auf."

Während Genri mit dem Schallplattenspieler kämpfte, zogen seine Gedanken ihn wieder zurück, Ablenkungsversuche sinnlos.
 

Sie wär enttäuscht. Wie jeder in meiner Umgebung.

Ich wär von mir selbst entttäuscht, wäre ich mir nicht so furchtbar egal.

Wenn das alles doch einfach aufhören würd. Irgendwann endet alles was mit mir zutun hat im Abgrund und ich halte mich auch noch an allen fest, um sie mitzuziehen, schon erbärmlich.

Ich sollte aufhören mit diesem Theater und mich irgendwo verkriechen, wo mich keiner findet. Aber dann tu ich's ja doch nicht.

Ich bin so erbärmlich, erbärmlich, erbärmlich...

Letztendlich will ich doch...
 

"Letztendlich will ich doch nur bestätigt werden...." murmelte Genri vor sich hin, nicht bemerkend, das er seinen letzten Gedanken laut ausgesprochen hatte. Er setzte die Nadel auf die Platte und augenblicklich ertönte Musik.

"Letztendlich wollen wir doch alle nur bestätigt werden oder nicht?" fragte Deció laut und blickte zu Genri, welcher verduzt in seiner Bewegung eingefroren war.

Deció lachte laut auf, erhob und streckte sich. "Dachtest wohl, du hättest das nur gedacht was?"

"Was hab ich denn gesagt?"

"Das du bestätigt werden willst... Keine Sorge Genri, ich bestätige dich schon noch darin, dass du ein Trottel bist. Ich bestätige dir übrigens auch noch, das deine Kiste Schrott ist. Du hättest sie nicht gebraucht kaufen sollen..."
 

"Waswaswas?! Nicht gebraucht!? Scherzbold, bezahl das mal! Du weißt genau, das ich das Geld meiner Eltern nicht annehm!" fuhr Genri auf und wollte schon beleidigend werden, als er sah, wie Deció sich über seine Reaktion freute und sich dann insgeheim selbst ärgerte, dass er auf so einen billigen Trick reingefallen war.
 

"Ach weißte, ich verdufte jetzt. Danke Dec, wir sehn uns dann heut Abend."

"Yo... Sieh zu, dass du um acht Uhr da bist."
 

Genri wollte sich gerade vom Acker machen als Deció ihm einen Klaps in den Nacken gab. Er wollte schon wieder aufbrausen, schließlich war es schon das zweite mal an diesem Tag, das es jemand gewagt hatte, ihn zu necken, doch Deciós dazugehörige Worte liesen ihn stutzen und wortlos mit seinen Gedanken kämpfen.
 

"Mach dich nicht selbst fertig Genri."



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Kommentare zu dieser Fanfic (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  lovelika
2009-11-16T22:28:12+00:00 16.11.2009 23:28
x'D Boe ich musste sooooo oft fies Lachen in diesem Kapitel!

Aber die zwei sind so süß zusammen 8'D
It's guyloooooove ~♫

Ich weis garnicht welche Szene ich malen soll xD
Von:  Vize
2009-10-11T16:02:14+00:00 11.10.2009 18:02
Also ich muss sagen am Anfang sind ziemlich viele Schreibfehler dabei! :O
Ich finde die Idee mit den abwechselnden Monnologen toll!
Und das Ende ist ja sehr rührend! X3

Von:  Vize
2009-10-11T15:53:27+00:00 11.10.2009 17:53
ich steh nur auf blauhaarige XD
wie gut ist das denn?
erneut sehr toll geschrieben!
aber mir scheint es das die beiden irgendwie einwenig dauerangepisst sind, oder bilde ich mir das ein? XD'
Von:  Vize
2009-10-11T15:45:48+00:00 11.10.2009 17:45
Uh, das ist so traurig! D':
Sehr toll geschrieben!
Ich muss gleich mal lesen wie's weiter geht!
Von:  Zwiebelprinz
2009-10-07T14:09:43+00:00 07.10.2009 16:09
ich mag nur blauhaarige?? ICH HASSE DICH XDDDDDDDDDd
Von:  lovelika
2009-10-06T17:10:02+00:00 06.10.2009 19:10
Also -

1) das mit der "in die Handtasche kotzen" war ne sehr kreative Idee von Toni x'D wie die alte Dame sich gwündert hätte wenn die heim gekommen wäre

2) bei dem "....blabla weis Gott (haha) blabla ..." hab ich voll laut gelacht x'DDD und bei der Stelle als er vom Baum gefallen ist (Schadenfreude)

und 3) Man kann Frauen mit blauen Haaren nur lieben ♥

:'D boa ich liebe Toni
Das hat meine Liebe keinen Abbruch getan
Von:  lovelika
2009-10-05T18:30:13+00:00 05.10.2009 20:30
Hachi!
Ich bin so geplättet von Genri!
Wie cool und distanziert er doch seine Geschichte erzählt!
Mein Lieblingspart ist der in dem er sagt "ratet wer ihn gefunden hat?!"
und das mit dem "i need your love" ~ da dachte ich mir aber "ich gibt dir meine!!"

Hast dir dein Bild reglich verdient ♥


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