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Pierced

Sequel of the ´Fallen´
von

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Part V B - Fragil

Part V B - Fragile
 

March, 13th

7:00 Uhr
 

Als Toshiya am nächsten Morgen erwachte, war es durch dass Geräusch leiser Stimmen, die miteinander redeten, wahrscheinlich die Schwestern, welche jeden Morgen pünktlich um 7.00 Uhr zum Weckdienst kamen, um dass Zimmer zu lüften und den Patienten Ihr Frühstück zu bringen.

Er beschloss einfach noch liegen zu bleiben und sich schlafend zu stellen, während er den beiden lauschte, denn das Thema der Frauen waren eindeutig er und Shinya.

„Ist das sein Freund?“

„Hm, ja. Soweit ich weiß, schon. Echt bedauerlich, so ein süßer Kerl.“

„Stimmt, wobei Toshiya-san auch nicht zu verachten ist. Es ist schon gemein irgendwie. Warum müssen die süßesten Kerle immer vergeben sein?“

„Frag mich das nicht, ich habe vor langer Zeit aufgegeben nach der Antwort zu suchen, denn finden werden wir keine. Was meinst du? Lassen wir sie noch etwas schlafen, bevor wir Ihnen Ihr Frühstück bringen?“

„Ja, gute Idee. Dann lass uns erst den Gang zu Ende machen, dann kommen wir noch einmal her.“

Mit diesen Worten verließen die beiden jungen Frauen das Zimmer wieder und erst als er das Klicken der Türe hörte, setzte sich der Schwarzhaarige langsam auf, mit einem leichten Kopfschütteln und einem Schmunzeln auf den Lippen.

Typisch Frauen, die hatten auch keine anderen Themen, als das Liebesleben zweier ihnen fremder Kerle durchzukauen. Der Bassist warf einen Blick nach draußen.

Es war ein wunderschöner Morgen, die Sonne bereits aufgegangen und leichte Nebelschwaden zogen sich hier und da durch die Parkanlage. Dennoch wand er sich von dem sehnsuchtsvollen Anblick ab, ließ seinen Blick stattdessen auf die Andere Seite seines Bettes gleiten, direkt zu seinem Bettnachbarn, welcher noch immer friedlich zu schlummern schien.

Seine Decke raschelte leicht, als er diese zurückschob, dann seine Beine über den Bettrand schob um aufzustehen. Mit leisen Schritten begab er sich an Shinyas Seite, hob dann dessen Decke leicht an, bevor er sich direkt neben den Kleineren legte, dessen Gesichtszüge studierte, bevor er sanft mit einem Finger dessen Gesichtskonturen entlang strich und sich jedes einzelne Stück Haut in seinem Gehirn manifestierte.
 

Er beobachtete seinen Geliebten, lächelte leicht, als sich die zierliche Nase leicht kräuselte, bemerkte dann das Flattern der Lider, ehe sich diese ruckartig öffneten und mit einem Satz hatte sich der Jüngere mit einem Keuchen wie als hätte ihn irgendetwas erschrocken, aufgesetzt.

Beruhigend strich der Ältere eine letztes Mal mit dem Finger über die Wange seines Gegenübers, beugte sich dann leicht zu diesem und gab ihm einen sanften, zärtlichen Kuss.

„Ist alles in Ordnung?“

Die noch zuvor gehetzt wirkenden Augen verloren einen Teil davon, ehe sich die braunen Seen auf die Seinen richteten, ein leises Seufzen diesen anmutigen vollen Lippen entkam, der Andere leicht nickte.

„Ja, es ist alles gut. Mach dir keine Sorgen, ich bin leicht erschrocken, aber mir geht es jetzt wieder gut. Wie geht es dir?“ „Alles Bestens, jetzt wo du endlich wieder bei mir bist.“

Und wie, um diese Worte zu untermauern, legte der Größere einen seiner Arme um die schmale Hüfte seines Freundes, um diesen näher an sich zu ziehen, dann den Kopf leicht in dessen Nacken zu vergraben und an der dort empfindlichen Haut zu knabbern.

„Mir fehlt nur noch eins zu meinem vollkommenen Glück und das ist der Zeitpunkt, an dem ich dieses Krankenhaus endlich wieder verlassen kann, aber das wird wohl leider noch ein paar Tage dauern.“

Ob diesen Umstandes, verzogen sich seine Lippen zu einem leichten schmollen, doch welches nicht von langer Dauer war, denn Shinya schenkte ihm ein unglaublich anziehendes, aufbauendes Lächeln, ehe sich Ihre Lippen zum zweiten Mal fanden.

„Egal wie lange du noch hier bleiben musst, ich werde nicht von deiner Seite weichen und wenn doch, dann nicht für lange.“

„Danke mein Engel. Dann werde ich diese Tage sicherlich auch noch überstehen.“

Der Jüngere nickte, setzte sich dann etwas auf, strich sich die vom Schlaf verstrubelten Haare etwas glatt, wand sich dann wieder an seinen Geliebten.

„Waren die Schwestern noch gar nicht da? Ich dachte sie haben strickte Zeiten?“

„Haben sie auch und sie waren da, doch sie haben beschlossen, uns noch ein bisschen Zweisamkeit zu gönnen.“

Dabei zwinkerte der Ältere dem Kleineren leicht zu, während dieser lediglich eine Augenbraue hob.

„Frag mich nicht, woher sie wissen, dass wir zusammen sind, aber das war ihr Hauptthema vorhin und wie sehr sie es bedauern, dass scheinbar jeder süße Kerl bereits vergeben ist. Ich bedauere es jedenfalls nicht und bin gewillt, dass zu nutzen.“

Mit diesen Worten lehnte er sich wieder zu dem Jüngeren um dessen Lippen zu fangen, zärtlich an Ihnen zu knabbern, bis der Andere ihn in seine Mundhöhle dringen ließ, wo er begann mit dessen Zunge zu spielen.

Die Zeit die ihnen blieb, verbrachten sie weiterhin gemeinsam in dem Bett des Drummers, eng aneinander gekuschelt, die verloren geglaubte Zweisamkeit vollkommen ausnutzend, da sie nun wieder beisammen waren und schmusten immer wieder miteinander.

So verharrten sie in den Armen des jeweils Anderen, bis sich die Tür zum zweiten Mal öffnete und nur widerwillig lösten sie die innige Umarmung voneinander, setzten sich auf.

Es waren die Schwestern die zurückkehrten, eine jede von ihnen ein Tablett auf der Hand, welches sie nun auf den jeweiligen Nachtschrank der Zimmerinsassen abstellten, sich dann daran schickten, die Fenster zu kippen, ehe sie den Raum wieder verließen.

„Komm, dann lass uns mal schauen was sie uns gebracht haben und frühstücken.“

Toshiya nickte nur, schob sich nur widerwillig aus dem Bett seines Geliebten, um zu seinem eigenen zurück zu kehren.

Eigentlich hatte der Schwarzhaarige auch heute keinen Hunger, verspürte nicht den geringsten Hauch davon auch nur ein Stück zu essen.

Zwar hatte er schon in den letzten Tagen nichts zu sich genommen, jedoch verspürte er einfach nicht die geringste Lust dazu, auch sein Magen spannte sich bei dem Gedanken an etwas zu Essen unangenehm an, brachte ein Ziehen mit sich.

Doch als er sah wie sein Shinya ein Stück Gurke zwischen seinen vollen Lippen verschwinden ließ, zwang er sich dazu, wenigstens eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen, doch nach wenigen zwei Bissen schob er das Tablett auch schon wieder von sich. stand stattdessen wieder auf und begab sich vor die hohen Fenster.

Eine ganze Weile stand der Bassist so da, die Augen geschlossen und in sich vertieft, zuckte leicht zusammen, als sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte.

Sein Freund war hinter ihn getreten, schmiegte sich nun an ihn und suchte in sein Gesicht zu sehen.

„Sag mir nicht du bist schon satt! Du hast doch kaum etwas gegessen.“

Toshiya blickte in die braunen Opale seines Gegenübers und zuckte leicht mit den Schultern.

„Es tut mir leid, aber ich bring nichts runter. Ehrlich, der bloße Gedanke an Essen und mir wird übel.“

Shinya seufzte leise, drückte seine Schulter leicht.

„Es muss dir nicht leid tun, aber ich mache mir Sorgen. Du hast dieses Problem schon länger und dass ist nicht normal. Hast du schon mal mit deinem Arzt darüber geredet?“

Toshiya schüttelte leicht den Kopf, zuckte erneut mit den Schultern.

„Mach dir keine Sorgen mein Herz, das wird schon wieder. Ich denke nicht, dass es etwas Ernsthaftes ist.“

Mit diesen Worten wand er seinen Blick wieder der Szenerie aus dem Fenster zu.
 

~~~~~~
 

Shinya würde mit dem Arzt darüber sprechen – Toshiya mochte es als nichts Ernsthaftes sehen, doch den Drummer beunruhigte es, nicht zuletzt, weil er persönliche Erfahrungen hatte, welche ihn fröhlich kichernd daran erinnerten, wie schlimm es ihm gegangen war und wie gut er eben diesen Fakt verdrängt hatte und sie brachten ihm auch Kyos von Zorn erfüllte Stimme, die ihn anherrschte, dass er entweder zu essen hatte, oder aber der Vocal ab heute bei ihm einziehen würde.

Nun aber genoss er still die Nähe, zu Toshiya, lehnte die Wange an dessen Schulter, derweil der Bassist sanft über seine Hände strich, die er auf den Bauch des Größeren gelegt hatte und dann – reichlich plötzlich, weswegen er die Arme automatisch anspannte – tat sein Geliebter einen Laut und löste sich, aber auf den Zügen lag ein sanftes Lächeln, derweil er zu dem Bett hinüber trat und Spirit von diesem hochhob.

„Ich habe noch gar nicht danke gesagt.“

„Es ist nichts Großartiges.“

Shinya lächelte, unglaublich stolz darüber, dass dem Bassisten dieses kleine, dumme Geschenk gefiel und die schwarzen Augen Spirits sahen ihn an, derweil er in seinen Gedanken ein leises Schnauben hörte... okay, Spirit war nicht irgendein Geschenk.

„Ich finde ihn sehr süß. Hat er einen Namen?“

Der Drummer schwörte, dass seine Wangen rot wurden, als er den Namen vor sich hinmurmelte, doch Toshiya hob den blauen Drachen nur höher, so dass sie sich direkt in die Augen sahen.

„Hallo Spirit, ich bin Toshiya. Es tut mir ja leid, dass wir uns in einem Krankenhaus kennenlernen, aber ich verspreche dir, bald kann ich hier hinaus spazieren und dann nehme ich dich mit in meine Wohnung und da bekommst du das allerweichste Kissen, dass ich finden kann. Ich versprechs!“

Das Gesicht gegen einen Handrücken gelegt, bedachte Shinya das Szenario mit einem sanften, sehr verliebten Lächeln und wenn er es nicht besser wüsste, er hätte schwören können, das Spirit dem Bassisten mit etwas wie: 'Das ist ja auch das Mindeste' antwortete.

Das Stofftier wurde auf dem Kissen platziert, in welches Toshiya zuvor eine kleine Aushöhlung gebohrt hatte, dann strich der Dunkelhaarige das Kissen rund herum schön glatt.

„So, da kannst du nun erst mal bleiben, während Shinya und ich duschen gehen... ein bisschen Zweisamkeit muss ja auch sein.“

Shinyas Lächeln weitete sich, als sein Freund dem kleinen Drachen zuzwinkerte.

„Du bist so ein Spinner.“

„Aber ich bin dein Spinner.“

Mit diesen Worten kam Toshiya zu ihm und er legte automatisch den Kopf nach hinten, damit sich ihre Lippen in einem warmen Kuss treffen konnten – es tat so gut, zu sehen, dass Toshiya wieder redete, lächelte und generell zufriedener schien und das er - Shinya – der Grund war, ließ sein Herz ganz aufgeregt klopfen.

Die zärtliche Stimmung zwischen ihnen, blendete nahezu aus, was geschehen war und wo sie sich befanden und gerade streichelten die Finger seines Bassisten über seine Wange, lockten ihn dessen Lippen in einen tieferen, innigeren Kuss, da klopfte es und Shinya – abermals erschrocken – zuckte so sehr zusammen, das er mit dem Kopf gegen Toshiyas Nase prallte.

Halb lachend und damit seinen hämmernden Puls überspielend, halb um Verzeihung bittend, hielt er die Nase des Größeren mit seinen zierlichen Fingern bedeckt, küsste die Stirn, dann rief er denjenigen herein, der angeklopft hatte, wenig überrascht, dass es Kyo war, der sich durch die Tür schob.

Es hätte ihn gewundert, wenn der Sänger länger als absolut notwendig zu Hause geblieben wäre.
 

„Guten Morgen, Kyo.“

„Guten Morgen.“

Er schenkte seinem Freund ein sanftes Lächeln, dass erwidert wurde, dann kam der kleine, blonde Mann näher, legte erst einen Kuss auf seine Stirn, dann Einen auf Toshiyas – es war eine seltsam, väterliche Geste, doch Shinya hatte sie schon immer mit einer tiefen, tiefen Wärme erfüllt und es machte ihn unsagbar glücklich, dass Kyo Toshiya die gleiche Zärtlichkeit zukommen ließ.

„Wie geht es euch?“

„Wunderbar seit Shinya hier ist.“, Toshiya war der Erste der geantwortet hatte, lächelte seinen Drummer an, sah dann aber zu Kyo, „Nein, im Ernst, es ist viel besser heute morgen.“

Der Sänger nickte, sah dann zu dem Langhaarigen hinüber, welcher ihm seicht zunickte,

„Es geht mir gut.“

Das akzeptierte Kyo, ging zum Fenster, um es zu schließen – es war kalt draußen und die Beiden würden sonst krank werden, auch wenn er wusste, wie sehr sie die frische Luft des Winters genossen.

„Ich habe dir deine Jacke mitgebracht, Toshiya. Der Arzt hat mir gestern gesagt, dass wir dich draußen ein wenig herum fahren können, wenn wir dich warm einpacken und auf dich aufpassen.“

Eine schlanke Braue des Bassisten hob sich in die Höhe.

„Herumfahren?“

Kyo summte, grinste dann ein typisches Grinsen, was nichts Gutes heißen konnte, weswegen Shinya sein Lächeln hinter einer Hand verbarg, als der Sänger ausführlich über den stylischen Rollstuhl erzählte, denn er extra für Toshiya ausgesucht hatte und dass es ihn treffen würden, wenn dieser verweigerte sich hinein zu setzen und er außerdem sowieso keine andere Wahl hatte, wenn er da nach draußen wollte.

Am Ende nickte Toshiya nur brav – er hätte aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin keine Chance gegen den Vocal gehabt.

„Wunderbar!“, Kyo lächelte, „Dann werden wir nun nur noch auf den Check der Ärzte warten, dich unter die Dusche schaffen und dann können wir schon los.“

Toshiya keuchte in gespielten Horror.

„Aber Shinya wollte mich duschen!“

„Bevorzugst du ihn etwa?“

„Gegen dich? Ja? Er ist mein Geliebter?“

„Und ich war der, der dir die letzten Tage den Hintern gewaschen hat, also habe ich Vorrecht!“

„Was? Du warst das?“

„Na glaubst du, ich lass zu, dass dich all die Schwestern begrabbeln? Gibt keine hier, die dich nicht sexy finden würde.“

Shinya saß sanft lächelnd neben ihren beiden, sich hemmungslos neckenden Freunden... es war schön sie so zu sehen, so frei von allen Schatten... im allgemeinen sah Kyo wieder besser aus, hatte mehr Farbe im Gesicht und tat nun gerade einen triumphierenden Laut, denn er und Toshiya hatten doch tatsächlich eine Runde 'Schere, Stein, Papier' gespielt, um nun festzulegen, wer denn das Recht hatte dem Bassisten seinen nackten Hintern einzuseifen.

Im Grunde fand der Drummer ja, das der Vocal hätte mit ihm spielen müssen, aber Kyo wusste wahrscheinlich, dass er dann verlieren würde und war der gesamten Angelegenheit so aus dem Weg gegangen.

Nun gerade spielte Kyo mit Spirit, hatte ihn von seinem Platz hochgehoben und auf die Handfläche gesetzt, wo die schwarzen Augen des Stofftiers vergnügt blitzen – wie es schien mochte der Drachen die wilden, blonden Haare, die heute schon wieder Mal in jede Richtung abstanden.

Zumindest war es das, was Shinya in seinen Gedanken hörte – und ja, er wusste ziemlich genau, dass es nur sein etwas schräger Verstand war, die ihm imaginäre Stimmen in den Kopf zauberte.

Toshiya suchte Kyo den kleinen Drachen wegzunehmen, wobei die beiden halb miteinander kabbelten – Kyo dabei wesentlich vorsichtiger als Toshiya, der nun seine Seite hielt, ein langes 'Aua' auf den Lippen, als er um Mitleid heischte, die er von dem kleinen Mann in keinster Weise erhielt, denn er war ja selbst Schuld an seiner Misere.

Shinya hingegen erhob sich lächelnd, nur allzu gerne dazu bereit, Toshiya zu trösten und alles Mitleid der Welt in den Schoss zu legen, weswegen er diesen in den Arm nahm, den Kopf auf die Schulter legte.

Toshiya streckte Kyo triumphierend die Zunge heraus und dieser nannte Shinya daraufhin einen Verräter, was diesen nicht rührte, er lächelte nur sanft und wünschte sich im Grunde nur, dass der Zauber dieses Morgen weiter anhielt.
 

March, 13th

13:35 Uhr
 

Ein paar Stunden später hatte Kyo Sie wieder allein gelassen, nicht, dass sie ihm deswegen böse wären, sicherlich hatten sie die Zeit mit dem Sänger genossen, doch wussten auch so, das der Ältere noch andere Verpflichtungen hatte und es war ja nicht so, dass sie nicht ohne ihn auskamen.

Dennoch war die Anwesenheit des Blonden sehr schön gewesen, ein Plus in dem sonst so grauen Alltag.

Momentan lagen sie gemeinsam auf Toshiyas Bett, der Ältere von Beiden, hatte seinen Kopf in dem Schoss des Drummer gebettet und genoss dessen sanfte Streicheleinheiten, als dessen Finger zärtlich durch seine Haare fuhren.

Es war noch so ein langer Tag und irgendwie wussten sie beide gar nicht, wie sie diesen eigentlich verbringen sollten. Sicher, es standen noch ein paar Visiten der Ärzte an, doch ansonsten, hatten Sie diesen Tag ganz für sich, abgesehen davon, dass es bald Mittagessen geben würde und trotz allem, dass der Bassist schon sein Frühstück verschmäht hatte, spürte er auch jetzt noch nicht den geringsten Anflug von Hunger.

Er hatte einfach keinen Appetit, doch dies verschwieg er gegenüber seinem Freund, er wollte Shinya nicht schon wieder sorgen.

Außerdem überlegte er, wie er den Jüngeren für einen gewissen Zeitraum los wurde.

Nicht weil er dessen Anwesenheit nicht genoss, ganz im Gegenteil, er war so froh das Shinya bei ihm war und auch bei ihm bleiben durfte, doch eine Session mit seinem Psychiater stand an und wie er von seinem Arzt wusste, würde dieser sich heute nicht wieder vertrösten lassen also musste der Bassist einen Weg finden, das sein Freund ihn eine geraume Zeit allein ließ.

Er wollte einfach nicht, dass dieser wusste, dass er psychiatrische Hilfe nötig hatte.

So dachte der Ältere angestrengt nach, bis ihm ein guter Grund einfiel und er sich sogleich an den Zierlicheren wandte.
 

„Shinya?“

Sein Freund summte leise, deutete ihm so, dass er ihm zuhörte.

„Kann ich dich um einen Gefallen bitten?“

Der Braunhaarige nickte leicht, deutete dann seinem Freund fortzufahren.

„Du kennst doch diesen schwarz-weiß gestreiften Pullover von mir, nicht?“

Wieder wurde ihm mit einem Nicken geantwortet.

„Würde es dir was ausmachen ihn mir zu besorgen? Er ist so wunderbar bequem und ich schlafe darin so gut.“

Der Jüngere runzelte leicht die Stirn.

„Wenn du es möchtest kann ich dir den Pullover gerne besorgen, aber hat dass nicht Zeit bis morgen? Wenn Kyo wieder kommt?“

„Du hast ja Recht Shin, aber ich würde ihn jetzt gerne haben wollen. Eigentlich hatte ich ja gehofft, das Kyo ihn mit eingepackt hat, aber nachdem nicht so ist.“

„In Ordnung.“

Toshiya schenkte seinem Freund ein strahlendes Lächeln.

„Also gut. Ich werde gehen. Du wartest hier auf mich?“

„Natürlich.“

Kaum dass Shinya den Raum verlassen hatte, begab sich auch der Bassist aus dem Zimmer.

Er musste in ein weiteres Stockwerk, fuhr mit dem Aufzug nach oben und erreichte nach wenigen schritten auch schon den Raum. Es war Zimmernummer 268, geradezu, also einfach zu finden und dennoch verharrte der Schwarzhaarige, noch einen Moment als er sich direkt vor der Tür wieder fand, ehe er klopfte.

Der Bassist musste nicht lange warten, da wurde ihm auch schon die Tür geöffnet und er fand sich seinem Arzt Gegenüber.

„Hara-San, guten Tag. Bitte, kommen Sie herein.“

Mit diesen Worten trat der Ältere zur Seite und noch für einen Moment zögerte der Schwarzhaarige, bis er der Aufforderung nach kam und eintrat, die Begrüßung leise erwiderte.

Das klicken der Tür, als der Arzt diese nach ihm wieder schloss hallte in seinen Ohren unnatürlich laut und er fühlte sich wie in der Höhle des Löwen, eingeengt und gefangen, doch suchte sich davon nicht beeinflussen zu lassen.

Er würde das schon überstehen.

„Setzen sie sich doch bitte.“

Der Arzt deutete auf einen der Sessel, welche direkt vor dessen Schreibtisch standen, ging selbst um diesen herum und setzte sich ihm direkt gegenüber. Nahm sich dann den bereitgelegten Block zur Hand und schrieb eine kleine Notiz, bevor sich die dunklen Augen direkt auf ihn richteten.

„Hara-San, es freut mich dass Sie gekommen sind. Wie geht es Ihnen?“

Toshiya nickte nur und zuckte leicht mit den Schultern… wie sollte es ihm schon gehen?

Heute war es das erste Mal, das er bewusst bei diesem Psychiater war und er fühlte sich nicht wohl dabei.

Es war seltsam, diese Förmlichkeit, mit welcher er von Kenda-san angesprochen wurde, schließlich konnte er sich noch erinnern wie dieser ihn die letzten Male behandelt hatte.

Zwar wusste der Bassist, dass Ihre ersten Aufeinander treffen unter anderen Umständen gewesen waren, allerdings dass man ihn wie ein kleines Kind behandelt hatte, war etwas, was ihn nicht los lassen wollte.
 

Er war hier her gekommen damit dieser Psychiater ihm half, aber er war unsicher, misstrauisch und auch diesem forschenden Blick aus den dunklen Augen konnte er nicht stand halten.

Stattdessen wand er sich ab, schaute sich lieber etwas in dem kleinen Zimmer um.

Es war anders als die üblichen Behandlungsräume eingerichtet, strahlte dieser wärme aus, mit einer größeren Pflanze die in einer Ecke stand, den Bildern die an den Wänden hingen und vielen verschiedenen Stofftieren, die liebevoll aneinander gereiht auf der Liege rechts von dem großen Schreibtisch, nieder gesetzt worden waren.

Er betrachtete sie sich länger als gewollt, stellte sich vor wie kleine Kinder mit diesen spielten, bevor sich seine Augen auf einen anderen Punkt manifestierten.

Direkt über der Liege befand sich ein Regal und auch dort fand er Kleinigkeiten die für Kinder zu spielen gedacht waren, doch war er mehr von der Sanduhr gefesselt, aus welcher bestätig die feinen Sandkörner nach unten in das Glas rieselten. Es schien eine antike Uhr zu sein, verziert mit Amethysten, welche gefasst in Gold das feine Glas verzierten, Stäbe die als Rahmen dienten ganz in weiß gehalten und auch das Holz aus Mahagoni, auf welchem das Stück stand, wirkte alles andere als schlicht.

Wie gefangen starrte er auf das Ding, das hier und da wie magisch funkelte, je nachdem wie das Licht durch die großen Fenster im Hintergrund, in den Raum ein fiel.

Ein leises klick kaum dass das letzte Korn durchgefallen war, wurde die Uhr durch einen Mechanismus umgedreht und sofort begann das Spiel der Zeit von neuem, ließ die nächsten Sekunden Korn für Korn vergehen.
 

„Faszinierend nicht wahr?“

Für Toshiya war es, als hole man ihn fort aus einer anderen Welt, als er so plötzlich angesprochen wurde, war es doch viel zu ruhig bisher gewesen, als dass er sich auf anhieb daran erinnerte wo er hier überhaupt war.

Doch schnell kam die verdrängte Erinnerung, das Unbehagen wieder und der Blick seiner Augen wand sich ab von der Uhr, zurück zu seinem Gegenüber, welcher jedoch selbst zu dem antiken Stück hinüber schaute.

„Ich kann mich immer wieder in ihr verlieren, zeigt Sie mir doch, das die Zeit nicht stehen bleibt. Sie rinnt mir fort aus meinen Fingern und es gibt nichts, dass ich dagegen tun kann.“

Der Bassist hatte den Worten Kendas aufmerksam gelauscht und irgendwie war ihm, als würde dieser nicht von sich selbst sprechen, doch dass war Blödsinn.

Oder etwa nicht?

Er wurde sich gewahr, dass er genau dasselbe zuvor gedacht hatte, jedoch in einem anderen Bezug und er blinzelte ob dieser Erkenntnis.

Ein leises Seufzen entkam den Lippen des Arztes und auch dieser wand sich nun ab von seiner Sanduhr, suchte stattdessen nun wieder seinen Blick und dieses mal erwiderte der Bassist den Kontakt, ohne sich abzuwenden.

„Finden Sie nicht auch, dass man seine Zeit sinnvoll nutzen sollte?“

Toshiya antwortete nicht, er wusste auch nicht was er darauf hätte sagen sollen.

„Man vergeudet soviel Zeit in seinem leben und bemerkt eigentlich viel zu spät, dass diese nicht ewig ist. Wissen sie, mir geht es oft so. Das ich denke, was ich hier eigentlich mache und vieler meiner Patienten ergeht es nicht anders. Ich bin mir bewusst, dass niemand gerne hier her kommt, aber ich will helfen und dass kann ich, indem ich versuche zu verstehen. Ich will auch versuchen sie zu verstehen Hara-San. Deswegen bitte ich sie mir etwas von sich zu erzählen.“

„Was soll ich Ihnen schon erzählen? Sie wissen doch bereits alles aus meiner Akte!“

„In ihrer Akte stehen lediglich Fakten, die mir jedoch nicht helfen. “

„Die ersten Male die sie bei mir waren wollten sie aber auch nichts von mir wissen.“

Der Arzt lehnte sich etwas in seinem Stuhl zurück, faltete die Hände ineinander und legte diese auf den Block in seinem Schoß, neigte den Kopf etwas zur Seite und musterte sein Gegenüber.

„Dem stimme ich zu Hara-San, aber jetzt würde ich gerne mehr über sie erfahren.“

„Warum?“

„Weil ich ihnen helfen möchte.“

„Sie möchten mir also helfen? Das habe ich gemerkt!“

„Darf ich fragen, woran sie das festhalten?“

„Bisher hat es doch niemanden interessiert wie es mir geht oder ist auf mich eingegangen. Wenn ich geredet habe, wurde alles was ich sagte wieder legt. Warum sollte es denn jetzt anders sein?“

Ein seufzen entkam den Lippen des Älteren, wirkte dieser nun gar nicht mehr so wie zu Beginn… abgedroschen und mit dieser Gefühlskälte, wie sie auch all die anderen Ärzte teilten.

Die zuvor scharfen Augen hatten einen stumpfen Ausdruck angekommen und er bemerkte die Falten auf der Stirn.

„Hara-san, ich kann nur für mich sprechen, nicht jedoch für meine Kollegen. Alles was sie mir hier erzählen werden, wird nicht von mir wiederlegt werden. Es gibt kein ja oder nein und auch kein so muss es sein und so soll es sein. Ich bin nicht dazu da um ihnen ihr leben schwer zu machen und sie in zweifeln zu lassen sondern um ihnen dabei zu helfen, diese Zweifel wieder abzulegen. Ich bin für SIE da, ihre Unterstützung um dass, was sie erlebt haben zu verarbeiten, doch kann ich dass nur tun, wenn sie mir dabei helfen. Sie sind doch hier, weil Sie das möchten, nicht wahr?“

Ein Nicken, ja er hatte zugestimmt sich deswegen behandeln zu lassen, doch war er noch immer Unsicher, es war so ein blödes Gefühl in ihm drin, welches ihn blockierte. Wie ein Knoten der sich einfach nicht lösen wollte, egal wie oft man noch daran zerrte und zurrte.

„In Ordnung. Dann bitte ich sie, mir einfach eine Schilderung dessen zu geben was sie empfinden. Gefühle allgemein oder auch bereits erlebtes, ihre Träume, Wünsche, Sehnsüchte. Erzählen Sie mir, was Ihnen einfällt.“

Toshiya blickte in das Gesicht des Psychiaters, welcher nun abwartend vor ihm saß.

Für einen Augenblick schloss er die Augen, dachte nach.

Eine Weile lang saß er einfach so da und auch sein Gegenüber regte sich nicht, dann öffneten sich seine Lider wieder und der Schwarzhaarige nickte stumm, wie um sich selbst nochmals zu bestätigen.

„Also gut. Aber ich weiß nicht wo ich anfangen soll.“

„Die Entscheidung bleibt bei Ihnen Hara-San, aber vielleicht beginnen wir damit, wie es ihnen geht?“

Toshiya summte als Zustimmung nur.

„Generell geht es mir gut. Allerdings… es könnte besser sein.“

„Würden sie mir dass genauer beschreiben?“

„Ich kann besser schlafen, habe keine Alpträume mehr seit Shinya bei mir ist. Ich kann auch wieder besser unterscheiden… zwischen Realität und Traum.“

Sein Gegenüber nickte, schrieb auf seinem Block.

„Das klingt ganz gut. Können sie mir erläutern in wie weit sie ihr Realitätsgefühl wieder erlangt haben?“

„Ich weiß nicht. Wie soll ich dass beschreiben?“

Er zuckte hilflos mit den Schultern, ihm wollte nichts einfallen um genau dass darstellen zu können, was er empfand.

„Es ist in Ordnung. Wenn sie Schwierigkeiten damit haben, dann verschieben wir das auf einen späteren Zeitpunkt. Sie haben erwähnt ihr allgemeiner Zustand könnte besser sein. Darf ich fragen warum?“

„Ich bin mir nicht sicher, doch ich glaube ich leide an Appetitlosigkeit. Ich habe einfach keinen Hunger, nicht das kleinste bisschen und nur ein winziger Gedanke an Essen verursacht Übelkeit in mir. Ansonsten ist da nichts.“

„Können sie mir sagen, woher diese Appetitlosigkeit rührt oder seit wann Sie so empfinden?“

„Ich weiß es nicht, aber das geht schon eine ganze Weile lang so. Einen Auslöser kann ich nicht nennen allerdings verkrampft sich mein Magen schmerzhaft schon allein beim Gedanken an Essen..“

„Haben sie mit einem der Ärzte auch schon darüber gesprochen?“

Der Bassist schüttelte den Kopf.

„Dann sollten sie dies in jedem Fall so schnell wie möglich nachholen. Haben noch andere Beschwerden?“

„Nein.“

„In Ordnung. Vielleicht möchten sie mir jetzt etwas mehr über sich selbst erzählen?“

„Was wollen sie wissen?“

„Erzählen sie mir was für Hobbys sie haben, ihr Lieblingsessen, Musik, ihre Interessen oder vielleicht ihre Zukunftswünsche.“

Ein Schulterzucken und ein leises seufzen… noch immer fühlte sich Toshiya nicht wohl in seiner Haut, doch er sammelte sich und seine Gedanken. Nach einer gewissen Zeit fing er dann einfach mit dem reden an, sprach von banalen Dingen, wichtigen Momenten und Empfindungen.

Nach über einer Stunde verließ der Bassist das Zimmer des Psychiaters… Morgen um die selbe Zeit sollte er wieder hier sein.

Er wusste nicht genau wie er empfinden sollte, waren die Gespräche mit Kenda-San zwar ganz positiv verlaufen, allerdings die Skepsis geblieben. Vielleicht würde er später noch darüber nachdenken, jetzt wollte er zuerst zurück zu seinem Zimmer, in welchem Shinya hoffentlich noch nicht auf ihn wartete.
 

March, 13th

15.45
 

Toshiya sah ihn an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen.

Oder als ob er den Älteren mit der Hand in der Keksdose erwischt hätte – was im Grunde der bitteren Wahrheit entsprach.

Hatte sein Geliebter wirklich geglaubt, dass er so dumm war?

Dieser war ein Opfer gewesen, hatte eine Stichwunde davon getragen, im künstlichen Koma gelegen.

Glaube Toshiya tatsächlich, dass er – Shinya – dachte, er würde all dies unbeschadet überstehen?

Oder glaubte, dass er ihn verurteilen würde?

Warum?

Nur weil man ihm psychologische Hilfe nahe gelegt und dieser – im Gegensatz zu ihm selbst - sie angenommen hatte?

Es war weder ein Verbrechen, noch lag dem eine schwerwiegende Krankheit zu Grunde. Ja, Shinya verstand, dass es seinem Freund wohl-möglich unangenehm war, darüber zu sprechen.

Doch er würde Toshiya deswegen nicht auslachen oder versuchen ihn davon abzubringen. Er war sich sicher, dass diese Art von Hilfe wichtig war und sie sicher vielen gut tat und sie sie brauchten.

Das er für sich selbst eine andere Entscheidung getroffen hatte, dass sie ihm eben nicht helfen konnten, da es nichts brachte seine Traumata auseinander zu nehmen, war etwas Grundsätzliches anderes.

Er hatte Toshiya nicht belogen. Und er würde ihm auch die Wahrheit sagen, sollte dieses Thema aufkommen.

Wegen dieser Sache, mit einer so billigen und durchschaubaren Ausrede, von der Seite des Schwarzhaarigen geschickt zu werden, schmerzte.

Dennoch war er gegangen. Du bist nicht wichtig, hatte er sich immer wieder gesagt, du bist nicht, der sich erholen und zurück finden muss. Der Wind hatte sein Gesicht gepeitscht, die Kälte draußen ihn ganz und gar durchdrungen. Aber der Kummer war geblieben.

Die Enttäuschung und die leise Frage, warum Toshiya ihm so wenig vertraute, dieser eine Punkt nicht vor ihm ausgesprochen wurde.

Aber Shinya versteckte es. Schlug es blutig und trat es in die finsterste Ecke seines Herzens, die er finden konnte, derweil er lächelnd auf seinen Geliebten zu trat, diesen sanft auf die Lippen küsste.

„Da bist du ja wieder. Bist du etwa ganz allein umher gelaufen? War das nicht zu anstrengend?“ , er tupfte zwischen seinen Fragen immer wieder kleine Küsse gegen die Lippen, „Du hättest warten sollen, bis ich wieder da bin.“

Er erkannte genau, wie verwirrt der Bassist war, wie unsicher, wie er dies hier nun nehmen sollte – vorsichtig wie eine Katze, die erst schaute, ob es wirklich keine Gefahr mehr gab.

Der Drummer ging darüber hinweg, fasste Toshiya sanft an der Hand, führte seinen Freund weiter in den Raum, brachte ihn dazu, sich zu setzen, lächelte ihn weiter sanft an, als er seine Tasche öffnete und ihr den Pullover entnahm, ausschüttelte, so dass sich das Gewebe wieder entspannen konnte.

Er legte ihn auf das Kopfkissen, sprach dabei weiter, der Tonfall ruhig, behutsam und liebevoll.

„Die Schwester war hier und hat nach deinen Wünschen fürs Essen gefragt. Ich konnte sie überreden dir heute gliebrige Götterspeise statt wässriger Suppe zu bringen.“

Seine Worten erzielten den gewünschten Effekt, Toshiya lachte und hustete erstickt – alles in einem, aber das Lächeln, dass danach auf den Lippen des Dunkelhaarigen lag, sagte Shinya, dass dieser ihm glaubte und sich sicher in seiner eigenen Lüge fühlte.

Und es war traurig, aber Shinya verstand nur zu gut, wie viel besser man sich fühlte, wenn man eine Ausrede, eine Täuschung als gelungen bezeichnen konnte. Er hatte im letzten Jahr nichts anderes getan und auch nun fiel er mit beängstigender Leichtigkeit in eine seiner vielen Masken, wählte sie, wie andere ein Shirt zum Anziehen heraus suchten.

Aber es musste sein.

Um Toshiyas Willen, damit es diesem schnell wieder besser ging. Wenn dies alles überstanden war, dann würde Shinya wieder der 'Alte' sein können, dann würde alles gut sein. Lüge um Lüge. Doch Shinya verdrängte es, nahm Toshiyas Hand, lächelte für diesen, kümmerte sich um alles, was dieser brauchte.

Half ihm, sich zu waschen, sich umzuziehen, zu essen – auch wenn dieser abermals nur ein paar Löffel herunter brachte – gab ihm seine Medikamente, nachdem er ihn ins Bett gesteckt hatte und machte sich bereit, bei diesem zu sitzen und auf ihn aufzupassen.

„Du musst das nicht tun.“

Toshiya blinzelte ihn an und Shinya legte fragend den Kopf schief, sein Geliebter war so erschöpft schlief schon halb und suchte trotzdem nach seinen Fingern, drückte sie.

„Bei mir bleiben... ich bekomme doch was zum Schlafen. Und für dich ist das doch nicht bequem.“

Er lächelte sanft.

„Ich habe auch ein Bett, ich gehe nachher schlafen, mach dir keine Gedanken.“

„Musst auch auf dich aufpassen.“

Die Medikamente wirkten, die Lider des Bassisten kippten immer wieder zu, Shinya hingegen erhob sich, beugte sich über seinen Freund, küsste ihn.

„Das mache ich. Und nun schlaf. Ich bin da, wenn du etwas brauchst.“

Ein sanftes Seufzen gegen seine Lippen.

„Liebe dich...“

Es war nur noch gemurmelt, doch der Drummer antwortete dennoch.

„Ich weiß.“
 

March, 19th

15.45 Uhr
 

In langsamen und gemächlichen Schritten ging er die Krankenhausflure entlang, er hatte es nicht eilig.

Toshiya kam von einem seiner Termine mit seinem Psychiater und auch wenn er wusste dass sein Geliebter sicherlich schon wieder zurück im Zimmer war und auf ihn warten würde, ließ er sich zeit.

Es waren jetzt sechs Tage, seit seiner ersten ´Sitzung´ vergangen und obwohl er Kenda-san zugesagt hatte, ihre vereinbarten Termine regelmäßig wahr zu nehmen, hatte er lediglich zwei davon eingehalten.

Der Bassist hatte es einfach nicht geschafft, wollte… Nein, konnte es nicht.

Ihm war bewusst, dass seine eigene Einstellung daran schuld trug, aber so war das nun mal.

Er wollte Shinya nicht wieder belügen, auch wenn es bisher nicht all zu viele male Geschehen war, aber es war oft genug dass ihn dass schlechte Gewissen plagte.

Es war schließlich seine eigene Schuld, da er dieses dumme Spiel angefangen hatte, anstatt von Anfang an ehrlich zu sein.

Nein, er hatte lieber seinen Freund mit fadenscheinigen Gründen fort geschickt, damit er sein erschaffenes Bild aufrecht erhalten konnte. Das es ihm gut ging und an nichts fehlte, schließlich wollte er seinen Freund nicht sorgen, aber zu welchem Preis?

Er schüttelte über sich selbst denn Kopf.

Wie würde Shinya reagieren wenn er erfuhr, das sein eigener Freund ihn ganz dreist belogen hatte?

Das er den Drummer ohne Grund in die Kälte getrieben hatte, nur damit dieser nicht mitbekam wie erbärmlich schwach er tatsächlich war?

Er wusste dass der Jüngere enttäuscht von ihm sein würde, wer wäre dass nicht wenn der eigene Freund einem nicht vertraute?

Er war ein so verdammter Idiot und hatte sich mit seinem Verhalten in eine Zwickmühle gebracht.

Das sein Psychiater mit der ganzen Situation ebenfalls ganz und gar nicht glücklich war, machte das ganze nicht einfacher.

Der Bassist hatte den Terminen zugestimmt und jetzt nahm er kaum einen davon war und vergeudete dabei jeden neuen Tag wieder ein Stunde, die sein Arzt sicher anders hätte einplanen können, würde er sich nur entscheiden können.

Aber er konnte es eben nicht.

Er wollte sich helfen lassen, zumal er wirklich die Hoffnung hatte, dass dann alles wieder besser werden würde, doch dazu würde er weiter lügen oder seinem Freund die Wahrheit sagen müssen.

Toshiya schloss die Augen, raufte sich leicht die Haare… er fühlte sich wie in einem Hexenkessel und egal wie sehr er sich darüber den Kopf zerbrach, er hatte absolut keine Ahnung wie es weiter gehen sollte.

Vielleicht machte er aus der sprichwörtlichen Mücke auch nur einen riesen Elefanten?

Er wusste es einfach nicht.

Das einzige was ihm klar vor Augen stand, immer wieder dann wenn er in die braunen Seen seines Geliebten blickte war, das er diesem keine Last mehr sein wollte.
 

Shinya kümmerte sich um ihn, seit dieser hier bei ihm war, las ihm jeden Wunsch von den Augen ab, half ihm beim duschen, Anziehen… sein Geliebter tat alles für ihn und was gab er ihm zurück?

Nichts… außer natürlich den Ausreden damit dieser dass Zimmer verließ.

Was war er nur für eine jämmerliche Gestalt?

Manchmal zweifelte er wirklich an sich selbst, fragte sich oft auch wie sein Freund das alles tun konnte.

Ging es Shinya denn nicht schlecht?

Sie beide hatten einiges Zusammen und auch allein durchgemacht, woher nahm sein Geliebter diese ganze Kraft, sich so liebevoll um ihn zu kümmern?

Er verstand es nicht, zumal der Drummer in den letzten Tagen wirklich kaum von seiner Seite gewichen war.

In seinen Gedanken verstrickt, war er einfach weiter gelaufen, mit gesenktem Kopf einfach auf seine Füße starrend, bis er aufblickte und sich bereits in der Station wieder fand, in welchem sein Zimmer lag.

Er musste nur noch um die Ecke gehen um es zu erreichen und er wusste, dass wenn er dann die Tür öffnen würde, ihn sein Geliebter bereits erwartete, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, welches sein Herz zum bluten bringen würde.

So geschah es auch und wie schon die letzten Male, kam lediglich die Frage von seinem Freund ob er wieder spazieren war und was tat er?

Schon wieder belog er den Zierlicheren, wenn auch nur mit einer simplen Geste in dem er nickte.

Gotte er fühlte sich schlecht, dennoch erwiderte er dass Lächeln seines Geliebten, schloss dann die Tür hinter sich, bevor er näher zu dem Kleineren trat und ihn in eine Umarmung schloss.

Der Moment dauerte nur einen kurzen Moment, dann löste sich Shinya wieder und reichte ihm eine Tasche.

Natürlich hatte der Drummer ihm wieder besorgt, um was er gebeten hatte und mit leicht zitternden Händen, entnahm er den Manga der Tüte, nahm seinen Freund dann ein weiteres Mal in den Arm, bedankte sich mehrere Male, während er sein bitteres Lächeln zwischen der Halsbeuge und Schulter des Jüngeren verbarg, doch schnell wich der Ausdruck seinem Gesicht wieder, als sich der Zierlichere erneut von ihm löste.

„Ayumi-san war vorhin hier und wollte uns unser Essen bringen, ich habe ihr gesagt, dass sie in einer halben Stunde nochmal kommen soll.“
 

Toshiya nickte nur darauf, wirkte bekümmert und zurückgezogen, schaffte es einfach nicht, die Schatten vollständig zu tilgen, denn sie lagen in den Augen, auch wenn auf den Lippen ein Lächeln wandelte.

Shinya mochte diesen Anblick nicht, obgleich er die Gründe kannte, bedachte man, dass der Ältere ihn abermals unter einem Vorwand, einer Lüge, davon geschickt hatte, die er durchschaut hatte, noch ehe sie vollständig von den Lippen seines Geliebten geflohen war.

Aber weil er nicht wollte, dass sein Geliebter dies erfuhr, hob er beide Hände zum Gesicht seines Geliebten, umfasste es zärtlich, sah den Bassisten an, als er über die Wangen streichelte, suchte die Schatten mit Zuneigung zu tilgen, suchte Toshiya sicher zu stimmen, dass er es nicht bemerkt hatte, dass es ihm nichts ausmachte, jeden Tag zu gehen, um Dinge zu besorgen, dass alles so in Ordnung war.

„Du siehst so unglücklich aus, ist etwas passiert? Hat dich jemand dumm angemacht?“

Nun flohen sie doch, die Schatten, denn der Größere blinzelte, schüttelte seicht den Kopf, als er eine Hand über die seine schob.

„Nein, es ist nichts geschehen. Ich bin nur frustriert, wegen dem allem hier. Ich will zurück nach Hause, fort von diesem Ort.“

Shinya summte leise, streichelte sanft über die Wangen, zog Toshiya näher zu sich, damit er seine Stirn gegen die des Größeren legen konnte.

„Es wird nicht mehr lange dauern, Toshiya. Und dann darfst du hier raus und ich nehme dich mit heim und werde dich verwöhnen, bis du so abhängig von mir bist, dass du gar nicht mehr von mir weg willst.“

Er hatte es geflüstert und nun lächelte sein Geliebter so schön und sanft – Shinya liebte diesen Ausdruck, er war ihm so wertvoll!

„Ich bin auch jetzt schon abhängig von dir.“

Shinya lächelte, doch es schmolz, als der Ältere ihn küsste – es lag ein undefinierbares Feuer in der Berührung, es war weit leidenschaftlicher, als alle ihre anderen Küsse, es war mit Sehnsucht und Begehren behaftet, dass den Drummer leise stöhnen ließ.

Sein Reich würde ausgiebig geplündert, seine verdammten Knie wurden weich und er hielt sich mit der gesunden Hand fester an dem Bassisten, als sich das Feuer des Größeren auf ihn selbst übertrug und hätte es in diesem Moment nicht geklopft, sie hätten sich mit höchster Wahrscheinlichkeit auf dem Bett wiedergefunden.

Doch so trennten sie sich voneinander und während er sich räusperte, suchte zu sammeln, bat Toshiya Kyo in den Raum, ließ sich von dem Sänger in den Arm nehmen – er war so weit gekommen, sein wunderbarer Bassist, nahm wieder so viel mehr auf, ließ auch mehr zu... es machte Shinya entsetzlich stolz und gleichzeitig nagte es an ihm.

Denn was würde werden, wenn Toshiya stark genug war, dass er ihn nicht mehr brauchte?
 

Er verdrängte den Gedanken, als der Blonde auch zu ihm kam, ihn ebenfalls in eine Umarmung schloss – bei Kyo musste er ganz besonders vorsichtig sein, seine Masken, der Kleinere schien sie alle zu kennen und wenn er sich nicht sehr gut kontrollierte, dann würde Kyo es bemerken, seine Schwäche.

Und so lächelte er, nickte, als ihn sein Freund fragte, ob es ihm gut ging und ob er diese Nacht ausreichend geschlafen hätte – er war gut darin seine Lügen überzeugend zu machen. In seiner Tasche hatte er eine kleine Flasche Tropfen, die die Röte von seinen Augen nahmen, er blieb konstant in Bewegung, um das seichte Zittern seiner Hände zu verbergen, hatte inzwischen ein ganzes Arsenal an puschenden Mitteln, dazu starke Tabletten gegen Migräne. Es war ein bunter Cocktail, den er sich Morgen für Morgen einwarf.

Denn die Wahrheit war, dass er zwar weit besser schlief, seit er bei Toshiya war, es aber nie länger als drei bis vier Stunden strecken konnte, erfüllt von einer inneren Unruhe, die ihn konstant dazu antrieb, etwas zu tun.

Manchmal – wenn es noch zu früh war – dann arbeitete er an seinem Arm, ging die Übungen durch, die ihm seine Therapeutin gegeben hatte, immer langsam, seitdem er in den ersten Stunden viel zu viel gewollt hatte und weit zurück geworfen worden war. Es war auch jetzt noch ein weiter Weg, aber immerhin waren gestern die Fäden gezogen worden.

Ein erster, echter Erfolg.

„Die Sachen, die du bestellt hast, sind angekommen.“

Kyos Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, er und sein Geliebter saßen am Tisch und auch Ayumi war da – sie zu sehen, erschreckte ihn maßlos, doch er vermochte das Keuchen gefangen und das Zucken seiner Hände unterdrückt zu halten.

Niemand bemerkte es und er atmete langsam aus – sein Herz hämmerte wie ein Preßlufthammer, doch er war in der Lage dem Blonden ein sanftes Lächeln zu schenken, sich zu diesem zu bewegen, um sich mit an den Tisch zu setzen.

„Danke.“

„Was für Sachen denn?“

Toshiya sah ihn neugierig an, griff nach seiner Hand, derweil der kleine Sänger ganz unverhohlen unter die Haube des Mittag schaute, wohl entschied, ob es gut genug aussah, dass er sich auch ein oder zwei Bissen davon stehlen würde.

„Ein paar Kleinigkeiten für Die und Kaoru. Und auch eine kleine Überraschung für dich.“

Der Bassist sah ihn an, lächelte, derweil sich Ayumi dezent aus dem Raum zurück zog.

„Du musst das nicht immer tun.“

Shinya summte leise, reichte Toshiya die Kanne mit dem Tee.

„Das weiß ich, aber ich möchte es gerne.“
 

March, 19th

19.21 Uhr
 

Kyo hatte Shinya überredet, die heutige Nacht bei ihm zu verbringen.

Im Grunde war das untertrieben, denn der Vocal hatte schamlos gebettelt und hätte der Drummer nicht ohnehin vorgehabt, seinen Freund um einen Gefallen zu bitten, er wäre auf jeden Fall unter diesen bittenden Augen eingeknickt und das Toshiya den Blonden dabei tatkräftig unterstützt hatte machte es noch einfacher, denn es beruhigte seine Seele, ließ ihn vertrauen, dass der Bassist eine Nacht allein zurecht kommen würde.

Und nun saß er in dessen Kyos Wagen, in dessen Jacke gehüllt, was ihn Erinnerungen an eine andere Nacht brachte, doch als er zum Vocal sah, war dessen Mundwinkel in diesem halben Lächeln erhoben und dies Bild zerstörte die Melancholie der Vergangenheit.

Im Grunde war es erschütternd wie... glücklich Kyo schien, dass er hier neben ihm saß. Shinya nahm sich vor, sich mehr um den Kleineren zu kümmern, er hatte ihn zu sehr vernachlässigt und es war seine Pflicht, dafür zu sorgen, dass es ihnen allen gut ging.

„Können wir kurz im Supermarkt stoppen?“

Kyo summte leise, setzte den Blinker, als er die Geschwindigkeit drosselte, sich auf der äußeren Spur einfädelte.

„Sicher. Gibt es etwas Bestimmtes, dass du möchtest?“

„Ich möchte kochen für uns heute Nacht. Außerdem wollte ich dich bitten, mir die Haare zu schneiden.“

„Wir können auch noch bei einem Frisur halten.“

Der Wagen beschleunigte mit sanften Rücken, die Räder auf dem Untergrund ein gemächlich, gleichsames Geräusch.

„Nein, ich möchte, dass du mir das machst.“ Shinya sah zu Kyo, als sie an der nächsten Ampel standen und dieser blickte zurück. „ So wie früher.“

Das antwortende Lächeln des Kurzhaarigen wäre einen Mord wert gewesen und es versetzte Shinya einen Stich. Wie wenig es doch zu brauchen schien, damit Kyo seelig war. Er war fürwahr einer der sanftesten und fürsorglichsten Menschen, die Shinya in seinem bisherigen Leben kennen gelernt hatte und deswegen musste er auch den Kopf auf die Schulter seines Freundes legen, als sie nach ihrem Einkauf vor dem Apartment des Sängers standen.

„Danke. Für alles.“

Die Hand des Kleineren schob sich in seinen Nacken, doch sagen tat dieser nichts, ließ nur die Berührung bestehen, bis Shinya sich löste, schloss auf und ließ den Drummer zuerst eintreten.
 

Der Blonde hatte eine kleinere Wohnung als Shinya selbst – der Drummer legte viel Wert auf Platz und Struktur, ähnlich wie es Kaoru tat, Kyo hingegen beherbergte in seiner 1-Raum-Wohnung das Chaos. Allein der Flur war so zugestapelt, dass sich nur eine Person darin aufhalten konnte und selbst diese musste aufpassen, dass sie beim An-oder Entkleiden nicht irgendetwas von der Kommode herunter riss. [1]

„Tut mir leid, wegen der schlechten Luft. Ich war eine Weile nicht hier.“

Shinya nickte nur auf die Worte, ihn störte das sicher nicht, außerdem öffnete Kyo bereits das Fenster. Behutsam legte er den Berg an mitgebrachten Briefen auf dem Stapel Werbung, der sich direkt neben der Tür befand, wirklich wenn sie morgen früh zu Toshiya fuhren, dann mussten sie das alles einmal mitnehmen und fort werfen.[2]

Er behielt die Jacke noch an, nur aus den Schuhen schlüpfte er, trat durch den Raum zu Kyo, der damit beschäftigt war, die winzige Couch frei zu räumen, was sich so darstellte, dass er die Zeichenblöcke einfach daneben auf den Boden legte, dann die Kissen richtete – es war ein dermaßen bekanntes Bild, dass es Shinyas Herz mit einem bittersüßen Schmerz erfüllte. Es war wirklich viel zu lange her, dass er hier gewesen war.

„Setz dich, ich bringe schnell das Zeug in die Küche und mach uns einen Tee.“

Shinya folgte dem Wort, zog auch die Beine mit auf die Couch, griff nach einem der kleinen schwarzen Kissen, begann mit der Ecke zu spielen... es war eine Angewohnheit, die er und der Sänger teilten und dementsprechend sahen der schwarze Samt auch aus.

Während er wartete, sah er sich um, in ihm gab es dies Gefühl, dass er die Wohnung seines Freundes neu entdecken musste, obwohl er sie doch eigentlich kannte. Direkt gegenüber der Couch – an der anderen Wand – befand sich das Hochbett, darunter ein Eckschreibtisch und eine längere Arbeitsplatte, dahinter lehnte eine Pinnwand. Überall schraubten sich Türme an Zeichnungen, Dokumenten und Lyric in die Höhe.

Der Drummer wäre hier drinnen verloren, doch Kyo wusste wundersamer Weise akkurat, was sich in welchen Stapel befand und konnte einem das Gesuchte nach nur minimalem Zeitaufwand reichen, was der Langhaarige sehr beeindruckend fand.

Auf der linken Seite existierte eine flache Kommodenfront. Sie reichte nahezu über die gesamte Wand und beherbergte alles, dass Kyo an Kleidung, Schmuck und Schuhen besaß.

Und genau neben ihm – ebenfalls links – stand das Klavier des Sängers.[3]

Shinya war dabei gewesen, als sich sein Freund es gekauft hatte, er hatte es zusammen mit Die und Kaoru und noch ein paar anderen Freunden die drei Etagen hinauf geschleppt, weil sie sich damals so etwas wie ein Transportunternehmen nicht hatten leisten können.

Es hatte ein paar Kratzer abbekommen, damals.

Das alte mahagonifarbende Holz war erfüllt von ihrem Lachen, ihrem Scherzen. Hatte ihre Freundschaft geatmet, aber auch Kyos Schmerz und seinen Zorn – die abgesplitterte Ecke an einem der Füße zeugte noch immer davon.

Vielleicht war es sogar hier und da von Blut befleckt.
 

Einen Finger legte Shinya sanft auf die weißen Tasten, nachdem er den Deckel angehoben hatte, drückte sie aber nicht weit genug herunter, dass ein Ton entstehen würde, er wanderte lediglich stumm, die Melodie in seinem Kopf, das rote Samtband zum Schutz in seiner verletzen Hand.

„Komm setz dich. Wir spielen es zusammen.“[4]

Kyos Stimme war sanft an seinem Ohr, eine Hand des Vocals in seinem Rücken – sie war warm, wahrscheinlich von dem Tee, den der Kleinere zum kleinen Tisch vor der Couch getragen hatte.

„Kyo...“

Shinya wollte damit beginnen den Kopf zu schütteln, doch der Ältere unterbrach ihn mit einem unbestimmten Laut, deutete abermals auf die Bank vor dem Piano und der Drummer seufzte leise, setzte sich dann aber doch, der Sänger glitt neben ihn, nahm ihm dann das Band fort und legte es auf einen kleinen Hocker.

„Zeig es mir noch einmal.“

Shinya seufzte wieder leise, fand aber nicht den Willen sich wirklich gegen die Bitte seines Freundes zu wehren – vielleicht lag es daran, dass er diesem unbedingt etwas geben wollte und Kyo schien so glücklich gerade... dann konnte es doch nicht falsch sein, oder?

Und so legte er beide Hände auf die Tasten, glitt stumm über sie – die eine Seite würde er ohnehin nicht spielen können, seine Verletzung verbot es ihm, aber Kyo saß so zu ihm, dass er ihm die verwundete Seite ersetzen konnte. Und als Shinya das kurze Stück wiederholte, sachte eine Taste anschlug, einen hellen, sanften Ton forderte, dann einen weiteren und noch einen, stimmte Kyo mit ein und zusammen spielten sie die Melodie, die es nur in dem Kopf des Drummers gegeben hatte, schenkten ihr das Leben mit ihrem Sanftmut aus dem Fenster zu klettern und die Welt zu erkunden. [5]

Sie spielte auf Zehenspitzen durch den Schnee, drehte sich lachend im Kreis, als es begann zu schneien, sie von Tausend und Abertausenden sich dahin wiegenden Flocken eingehüllt wurde.

Im Inneren der kleinen Wohnung, dort wo Hände, die einander so oft gehalten hatten, die Melodie weiter führten, immer wieder neue Akzente einbauten, dort legte Shinya den Kopf auf die Schulter des Sängers und schloss die Augen.

„Danke. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun würde.“

Kyo antwortete ihm nicht, lächelte nur milde, doch behaftet mit etwas Traurigem, als er seinen Kopf gegen den des Drummers lehnte.

Ich wünschte, es wäre wirklich genug.
 

[1]Wir wissen natürlich nicht, wie die Mitglieder der Band tatsächlich leben, aber uns war es wichtig, dass sie nicht alle gleich wohnen, da sie einen unterschiedlichen Charakter haben.

[2]Wir sind nicht sicher, wie das japanische System zu Müllentsorgung ist, deswegen haben wir es an den deutschen Standard angelehnt

[3]Ja, Kyo hat bei uns ein Klavier. Hau, wir haben gesprochen.

[4]Und ja, sie können beide ziemlich gut Piano spielen.

[5]Inspiriert von 'up to tiptoe' von rice
 

End Chapter V - Fragile



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Astrido
2012-03-20T20:24:17+00:00 20.03.2012 21:24
ah, ich bin gespannt, wohin das ganze noch führt.
eigentlich kann shinya ja seine maske nicht ewig aufbehalten. (auch wenn man in der realität meist weit genug von den anderen menschen entfernt ist, dass es klappen würde)
ich kann verstehen, warum toshiya lügt, aber shinya ist doch sein freund, da macht man sowas nicht!
lg
yuura


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