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Wolfsliebe

von

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Jagdgeflüster

Sorry, dass es letztes Mal so lange gedauert hat - hab vergessen was hoch zu laden *drop*

Sind noch 10 Kapitel fertig ;)
 

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Mit einem riesigen Satz sprang Sina das Reh an und brachte es so trotz ihres eigenen geringen Gewichts zu Fall. Mit fliegendem Atem und einen Puls in den höchsten Regionen stoppte ich bei diesem Anblick etwas entfernt von der Vampirin und ihrer Beute

So sah ich nicht, wie die Zähne der Vampirin sich in die Halsschlagader des Tieres bohrten, doch ich konnte in der Luft deutlich den metallischen Geruch nach Blut wahrnehmen – selbst von den paar Metern Entfernung und über den Angstgeruch des kleinen Rehgrüppchens, das Sina und ich aufgescheucht hatten und von denen das Vampirmädchen eines der älteren Tiere geschlagen hatte.

Der Rest der Rehe war schon längst zwischen den Bäumen verschwunden, musste jetzt mit einer Ricke weniger auskommen. Ein großer Verlust war das Tier wohl nicht für seine Herde, denn hätte es den Winter wohl kaum überstanden, hatte auch kein Kitz an seiner Seite gehabt.

Trotzdem sträubte sich mein Fell bei der, für meine Wolfsohren deutlichen Schluckgeräuschen und ich zwang mich, still an meinem Beobachtungspunkt sitzen zu bleiben. Es war eine sehr gewöhnungsbedürftige Situation. Ich hatte gewusst, dass Sina Blut trinken würde und auch, dass dafür ein Tier sterben musste. Doch ich empfand nach dem ersten Schock nicht das Entsetzen, dass ich vielleicht empfinden sollte.

Ja, es war etwas unheimlich und näher herantreten wollte ich auch nicht, aber ich hatte nicht das Gefühl mich übergeben zu müssen und in mir war keine Spur von Ekel. War das nicht im Grunde dasselbe, was auch jeder Mensch mit seinem Sonntagsbraten machte? Na gut, der wurde im Laden gekauft und nicht selbst gejagt, doch war das doch zu vergleichen. Beides Mal ging es darum, die nötige Nahrung für sich zu finden und den Hunger zu stillen.
 

Immer entspannter werdend blieb ich an meinem Platz sitzen und langsam beruhigten sich auch Atem und Herzschlag, welche noch von der wilden Jagd auf Hochtouren liefen. Sina war ziemlich schnell und in meiner menschlichen Form hätte ich niemals mithalten können, selbst als Wolf war es über längere Zeit anstrengend.

Einen Moment fragte ich mich, was wohl der nächste Mensch sagen würde, der hier vorbei kam und ein totes Reh vorfand. Doch dann nahm meine Nase die feinen Gerüche der Waldtiere wahr und wenn ich mich nicht irrte, dann hatte der Aufruhr und Blutgeruch schon einige der Kleinraubtiere angelockt. Ich hörte das Rascheln vieler kleiner Pfoten, die entweder vor lauter Angst flüchteten oder in Hoffnung auf ein Abendessen näher kamen.

Doch trauten sich noch keine Tiere heran, aus Respekt vor Sina und mir. Die Natur würde schon dafür sorgen, dass hier in ziemlich schneller Zeit nichts mehr von dem Reh zu sehen war und welcher Mensch würde auch mitten im Wald rum rennen, so weit von dem nächsten Wanderweg entfernt. Es gab schon einen Grund dafür, dass Sina und ich uns unabhängig voneinander diesen abgelegenen Teil des Waldes ausgesucht hatten um zu jagen oder Ruhe zu finden.
 

Ich hob meinen Blick, der während meiner Gedankengänge auf den Boden gewandert war, als ich das Reiben von Stoff vor mir hörte. Sina war anscheinend satt, denn sie hatte von dem Reh abgelassen, stand auf. Zu meiner Erleichterung hatte sie sauber gegessen und keine Blutspuren waren auf ihren Lippen zu erkennen, auch wenn diese dunkler schienen als gerade noch und Sinas Wangen gerötet waren.

Auch ihre Kleidung war sauber, ganz anders als bei ihrem Angriff auf den Werwolf von vor drei Jahren, aber da hatte sie ja auch um ihr eigenes Leben kämpfen müssen.

Plötzlich sah Sina gar nicht mehr so glücklich und aufgedreht aus, wie noch vor wenigen Minuten und ihre Schritte waren zögerlich, als sie in meine Richtung kam. Den Kopf gesenkt haltend blieb sie wenige Meter vor mir stehen und traute sich anscheinend nicht, mich anzusehen. Was war denn jetzt schon wieder los? Mit diesem Vampirmädchen hatte man nichts als Ärger!
 

„Du hasst mich jetzt doch nicht, oder?“, murmelte Sina mit zittriger Stimme vor sich hin und es hörte sich wirklich hilflos an. Schämte sie sich jetzt etwa für sich und den Zwang Blut zu trinken? Ich schaute fragend zu Sina hoch und ich verwünschte gerade wieder mal die Unfähigkeit mit meiner Wolfsschnauze auch nur ein einziges Wort sagen zu können.

Jetzt schaute das kleine Vampirmädchen doch hoch und das Glitzern in ihren Augen sah für mich verdächtig nach ungeweinten Tränen aus. Es tat mir innerlich fast weh, die Vampirin so zu sehen, denn irgendwie wollte ich nicht, dass sie traurig war.

Auch wenn es mir eigentlich egal sein konnte, schaffte ich es nicht, ihren verzweifelten Gesichtsausdruck noch länger auszuhalten und war mit ein paar schnellen Schritten bei ihr, rieb meinen Kopf an ihrer Hand. Das alles geschah, ohne dass ich mich aufhalten konnte. Hatte ich eben nicht noch gedacht, dass Sina ihre Finger von mir lassen sollte?

Jetzt war ich es, der die unsichtbare Grenze zwischen uns übertrat und die Vampirin berührte – und das alles nur, weil sie so traurig aussah. Verdammter Scheiß, ich wurde langsam wirklich weich!
 

Ich zuckte doch etwas zusammen, als sich Sina auf die Knie fallen ließ, mir den rechten Arm um die Brust schlang, während ihr Kopf und ihr linker Arm auf meinem Rücken zu liegen kamen. Stocksteif stand ich da, während die Vampirin leise flüsterte: „An manchen Tagen bin ich so einsam. Weißt du, ab und zu hasse ich mich selbst. Ich könnte es verstehen, wenn du wegliefest, doch du bist da geblieben. Danke.“

Ich hatte Mühe mich auf die genauen Worte zu konzentrieren, strich mir doch Sinas warmer Atem durch das Fell, außerdem hatte sie sich so fest um meinen Hals gekrallt, dass das mit der Luftzufuhr auch etwas komplizierter wurde. Trotzdem wurde mir auch die Verzweiflung in Sinas Worten klar. Wie einsam musste sie sein, um mir das alles anzuvertrauen?

Hatte sie denn niemanden in ihrer Familie, dem sie ihr Herz ausschütten konnte? Verdammt, wir kannten uns doch eigentlich gar nicht. Ich stand zwar in ihrer Schuld, hatte sie mir damals mein Leben gerettet, doch in den zwei Tagen konnte man doch noch nicht mal ansatzweise eine Freundschaft aufbauen. Innerlich atmete ich einmal tief durch, während ich meinen Kopf nach hinten drehte, um Sina anzusehen.

Ganz ruhig bleiben, nur nicht ausflippen, weil Sina mir eigentlich viel zu nah war. Ich sah nur ihren Rücken und Hinterkopf, vergrub sie doch immer noch die Nase in meinem Fell und mir blieb nichts anderes übrig, als mein Mitgefühl durch ein kurzes Anstupsen mit meiner Schnauze zu zeigen. Es wurde wirklich Zeit, dass ich wieder in meine menschliche Form kam, auch wenn ich selbst dann nicht besonders gut im Trösten war, konnte ich doch wenigstens ein paar Worte sagen, die ihr klar machten, dass ich sie nicht hasste oder in irgendeiner Weise gruselig fand.

Ich war doch selbst ein Geschöpf der Nacht. Auch wenn ich kein Blut zum Leben brauchte, hieß das noch lange nicht, dass ich ein Kuscheltier war – auch wenn Sina mich gerade zu meinem Unmut dafür hielt.
 

Einen Moment erlaubte ich Sina noch diese vertrauliche Umarmung, dann wurde es mir doch etwas zu viel und ich bewegte unruhig die Muskeln in Beinen und Rücken. Sina merkte es wohl, denn sie ließ mich los, kniete aber immer noch vor mir.

Wir waren ungefähr mit unseren Augen auf gleicher Höhe und so konnte ich gar nicht anders, als die Tränen zu bemerken, die aus ihren braunen Augen kullerten. Es war mir etwas unangenehm, wusste ich doch nicht, wie ich auf eine weinende Frau reagieren sollte. Selbst als Mensch hätte ich etwas hilflos dabei gestanden und was sollte man auch machen, das Mädchen in die Arme ziehen? So ein Unsinn!

Nach ein paar Augenblicken riss sich die Vampirin zusammen und wischte sich energisch die feuchten Spuren in ihrem Gesicht weg. Sie sah mich unter ihren langen Wimpern her schüchtern an, während sich ihre Wangen eindeutig rötlich färbten. War ihr der kleine Ausbruch gerade etwa peinlich? Wenn ja, dann hatte sie auch allen Grund dazu, ich war doch nicht ihr verflixter Psychiater!

Das Lächeln, das sich jetzt wieder langsam auf Sinas Gesicht ausbreitete, erstickte jedoch jedes Gefühl von Wut im Keim. Ich konnte doch keinem Mädchen böse sein, dass sie ihr Herz ausschüttete, wenn sie mir so ein Lächeln schenkte, selbst einer Vampirin gegenüber nicht. Mir wurde Sinas Blick langsam etwas unangenehm.

Ich hasste es, wie ihr Gesicht nur wenige Zentimeter vor meinem war und sie förmlich mit ihren Augen bis in mein Inneres zu schauen schien. Natürlich war das völliger Schwachsinn, niemand konnte durch die Augen in der Seele einer anderen Person lesen, doch alleine der Gedanke daran, ließ meine Nackenhaare sich in Habacht-Stellung aufstellen. Zeit, wieder zu der normalen Tagesordnung über zu gehen.

Bevor ich zu einem Schluss kommen konnte, ob ich jetzt einfach in Richtung Kleidung loslaufen oder Sina das auf irgendeine Weise verständlich machen sollte, überraschte mich die kleine Vampirin wieder. Sie tippte mir leicht auf die Schnauze, was mich dazu brachte ein Geräusch irgendwo zwischen Schnaufen und Niesen zu fabrizieren.
 

„Du bist!“, rief das Mädchen, sprang auf und lief los in Richtung Wald. Von einer Sekunde zur anderen war die ganze äußerliche Traurigkeit abgefallen und Sina verwandelte sich wieder in das verspielte Kind von gefühlten zehn Jahren.

In diesem Zustand könnte man sie für ganz schön naiv halten, doch mittlerweile glaubte ich, dass es sich um genau so einen Schutzmantel handelte, wie meine Wortkargheit und der Sicherheitsabstand zu allen Personen. Innerlich zuckte ich mit der Schulter. Das ging mich weder etwas an, noch interessierte es mich – wirklich nicht.

Die ungefähre Richtung, die Sina einschlug passte, um zu meinen Klamotten zu gelangen. Außerdem hatte ich mich von dem vielleicht halbstündigem Sprint wieder erholt und eigentlich hatte ich immer noch nicht genug. Ich wollte weiter rennen, weiter toben und bis zum Äußersten gehen. Wenn als Nebeneffekt ein glücklicher Vampir dabei raus kam, konnte ich doch nicht nein sagen, also beschloss ich zumindest eine Zeit lang mitzuspielen.

Ich sprang hinter Sina her und das Gefühl des unter meinen Pfoten her fliegenden Waldbodens war geradezu berauschend. Sina wich mir aus, tänzelte vor mir her und das mit einer scheinbaren Leichtigkeit, dass ich mit meinen vier Pfoten und Rute als Ruder nur schwer hinterher kam.

Immer weiter ging die wilde Jagd und ich schnitt der Vampirin andauernd den Weg ab, um sie im letzten Moment noch ausweichen zu lassen, was sie in ihr helles Lachen ausbrechen ließ. Erst nach einiger Zeit fiel mir auf, dass wir schon lange an dem Lagerplatz meiner Kleidung vorbei gelaufen waren und es machte mir nichts aus. Nein, ich hatte sogar meinen Spaß!
 

Wir tobten so lange wie kleine Kinder durch den Wald, bis wir beide erschöpft waren. Ich hatte schon seit Ewigkeiten nicht mehr etwas so Dummes gemacht, wie mit einem natürlichen Todfeind fangen zu spielen, doch fühlte ich mich nicht schlecht dabei. Es hatte gut getan mal wieder als Wolf durch den Wald zu rennen, brauchte auch das Tier in mir manchmal Auslauf.

Ich fühlte mich ruhig und ausgeglichen und wenn ich dran dachte, dass ich vor wenigen Stunden noch völlig verzweifelt durch den Wald spaziert war, kam mir das irgendwie irreal vor. Das beengende Gefühl um meine Brust war verschwunden und ehrlich gesagt wunderte ich mich darüber, als ich hechelnd und mit hängendem Kopf neben Sina her trottete, deren Herzschlag für eine Vampirin auch ziemlich schnell ging.

Schließlich kamen wir wieder bei dem Baum an, wo meine Kleidung immer noch auf der Astgabel hing und ich war ehrlich gesagt doch etwas erleichtert. Meine Zunge hing mir aus der Schnauze und ich hatte Hunger und Durst. Auch Sina sah erschöpft aus, doch leuchteten ihre Augen übermütig und voller Lebensfreude, was mich innerlich zu einem glücklichen Lächeln brachte.

Doch gleich wurde meine Stimmung etwas düsterer, denn wenn ich meinem Gefühl trauen konnte, dann würde bald die Sonne aufgehen. In diesem Belang log mein Instinkt nie und das würde bedeuten, dass die kleine Vampirin gleich nach Hause verschwinden musste, wollte sie nicht durch die Sonnenstrahlen verletzt werden.

Ich würde Sina vielleicht nie wieder sehen, denn ich konnte mich doch nicht gegen Alexei stellen und unser Rudel in Gefahr bringen, indem ich mich mit einem Vampir verabredete. Innerlich zerrissen mich die beiden Wünsche, doch hatte ich meinem Rudel gegenüber eine Verpflichtung und somit wusste ich eigentlich schon, worauf meine Entscheidung hinauslaufen würde.

Ich musste das jetzt alles schnell zu Ende bringen und von hier verschwinden. Ich hasste Abschiedsszenen, vor allem wenn es zu Geheule und Gezeter kam und wer wusste schon, ob die kleine Vampirin nicht beides anstimmen würde. Demonstrativ setzte ich mich unter den Ast mit meinen Sachen, die zum Glück noch an ihrem Platz hingen, während ich die Vampirin musterte.
 

„Was ist … oh, ja. Drehe mich schon um.“, meinte Sina erst verwirrt, bevor sie wie ein Schulmädchen albern kichernd endete. Entweder hatte Sina sich damit abgefunden, dass wir uns gleich für unbestimmte Zeit voneinander verabschieden mussten oder sie hatte es noch nicht realisiert, denn sie hörte sich immer noch so fröhlich an.

Ich verdrehte die Augen gen Himmel, als die Vampirin sich endlich umdrehte und bereitete mich innerlich auf die kurzen Schmerzen der Verwandlung vor. Es war nicht gerade angenehm, aber es ging ja auch schnell wieder vorbei und mir gelang es, das alles stumm zu ertragen. Wäre ja noch schöner, dass die Vampirin davon etwas mitbekommen würde.
 

Etwas wacklig kam ich auf die Beine, war es doch ungewohnt nach der Zeit auf vier Pfoten plötzlich wieder auf zwei Füßen zu stehen. Außerdem hatte ich mich vielleicht doch mit dem ganzen herum Gerenne ein bisschen übernommen heute Nacht, denn hatte ich seit gestern Mittag nichts mehr gegessen und nun war es bald Zeit für ein Frühstück.

Kurz warf ich Sina einen Blick zu. Sie stand völlig entspannt da, hatte den Kopf leicht erhoben, als würde sie im Mondlicht baden. Dabei machte sie so einen entspannten Eindruck, dass ich schon fast so etwas wie Neid in mir hochkommen fühlte. Ich schüttelte den Kopf und riss mich von ihrem Anblick los.

Es wurde Zeit, dass ich wieder in die Klamotten kam, denn nach der sportlichen Betätigung war es doch etwas kühl so nackt mitten im nächtlichen Wald zu stehen. Mein Körper war erhitzt und ein dünner Film von Schweiß lag durch die Anstrengung auf meiner Haut. Auch wenn sich ein gesunder, gut genährter Werwolf keinen Schnupfen einfangen würde, so war die Nachtluft doch empfindlich kalt auf der Haut.

Schnell begann ich mich anzuziehen, wollte ich das Mädchen auch nicht zu lange warten lassen. Obwohl mir es ja eigentlich egal war, ob sie sich umdrehte oder bis zum Sonnenaufgang da rum stand.
 

„Fertig?“, fragte Sina auch schon etwas ungeduldig, die Nase immer noch gen Himmel gereckt. Ich war zwar gerade erst dabei in die Schuhe zu schlüpfen, doch grummelte ich zustimmend. Mein Pullover und die Jacke hingen zwar noch über der Astgabel, aber so hatte die kleine Vampirin mich vor ein paar Stunden auch schon gesehen.

Ich hockte halb auf dem Boden, während ich meine Schuhe zuband und hörte Sina näher kommen. Auch wenn ich nicht aufsah, konnte ich sie aus den Augenwinkeln nahe neben mich treten sehen und ich hörte, wie sie sich zu dem Ast wandte. Als ich mich aufrichtete, reichte sie mir meinen Sweater, wofür ich mich leise bedankte. Ja, manchmal kam bei mir auch eine höfliche Seite zu Tage.

„Ich gehe in zwei Nächten übrigens wieder jagen. Genau von hier starte ich um Mitternacht.“, erklärte Sina beinahe beiläufig, während ich in meinen Pullover schlüpfte. Doch ein gewisser Unterton strafte ihre scheinbar lockeren Worte Lügen, betonte sie doch jede Silbe deutlich, als hätte sie Angst, ich könnte den Satz nicht verstehen.

Wieso sagte Sina mir das? Fragend sah ich die Vampirin an, die mit fahrigen Fingern über die Borke des Baumes strich. Bevor ich aber noch meine Gedanken in eine Frage formulieren konnte, wurde es mir klar.
 

„Wenn wir uns also zufällig begegnen, kann keiner unserer Familien etwas dagegen sagen.“, folgerte ich anscheinend richtig, denn Sina nickte energisch. Das war doch völliger Schwachsinn! Als würde diese fadenscheinige Ausrede, dass wir uns „durch Zufall“ getroffen hätten Alexei davon abhalten mich einen Kopf kürzer zu machen oder Sinas Vater, ihr die nächsten zwanzig Jahre Hausarrest zu geben oder wie auch immer er sie zu bestrafen gedachte.

Das war völlig verrückt! Doch als sich ein freudestrahlendes Lächeln auf Sinas Gesicht bildete, wurden die ganzen guten Argumente gegen ein erneutes Treffen weggewischt. Ich hatte das Gefühl, dass selbst das Mondlicht gegen dieses glückliche Strahlen verblasste. In dem Gesicht des Vampirmädchens spiegelten sich immer ihre Gefühle wieder und im Moment erkannte ich dort nur das pure Glück.

Wieso bei diesem Anblick mein Herz einen freudigen Hopser machte, das wusste ich nicht. Vielleicht war es die Angst, dass wir doch von unseren Familien erwischt würden und so einen Krieg zwischen Vampiren und Werwölfen auslösten. Doch verdammt, wieso sollten wir es nicht mal versuchen? Ich hatte heute Nacht meinen Spaß gehabt, fühlte mich ausgeglichen wie schon lange nicht mehr und Sina schien es genau so zu gehen.
 

„Und, was denkst du? Kommst du auch …“

„Kein Wort! … Ich mache gerne Nachtspaziergänge.“, fuhr ich Sina erst grollend ins Wort, um auf ihren schmollenden Blick fast sanft den zweiten Satz hinterher zu schieben. Wenn wir schon so etwas wie eine Ausrede benutzten, dann sollte man darüber auch nicht reden. Frauen! Ich verstand ja schon die Menschen nicht, wie sollte ich da einen weiblichen Vampir verstehen? Wieso mussten die Personen mit zwei X-Chromosomen auch immer so viel reden?

Viel weiter kam ich mit meinem inneren Gejammer nicht, denn Sina hatte erst verstehend genickt, bevor sie schließlich vorsichtig das Medaillon meiner Mutter aus ihrer Jeanstasche zog. Sie nahm meine rechte Hand und legte es hinein.

Innerlich atmete ich ein bisschen auf, dass ich es endlich wieder selbst in den Händen hielt, doch eine wirkliche Erleichterung wollte sich nicht bei mir einstellen. Vielleicht, weil ich das Erinnerungsstück nicht ernsthaft in Gefahr gesehen hatte. Ich konnte nicht anders, als zu merken, dass der Anhänger sich von Sinas Körperwärme angenehm warm anfühlte.

Einen Moment schlossen sich die Finger meiner Hand automatisch um das Schmuckstück, bevor ich es mir um den Hals hängte und unter meinem Pullover verschwinden ließ. Aus irgendeinem Grund war mir überdeutlich bewusst, wo das Medaillon unter dem Stoff auf der Haut meines Brustkorbs lag und es verwirrte mich nicht gerade wenig.

„Dann werde ich jetzt besser nach Hause gehen. Man sieht sich.“, meinte Sina mit einem Lachen. Kurz strich sie mir mit ihrer Hand über den Arm und war schneller im Unterholz verschwunden, als ich es richtig mitbekam. Ich lächelte vor mich hin und schüttelte gleichzeitig über mich den Kopf. Ich hatte noch nicht einmal gezuckt, als Sina mich berührt hatte.

Vielleicht war es der Schlafmangel, denn bald würde die Sonne wieder aufgehen und ich war somit fast 36 Stunden auf den Beinen oder vielleicht waren es ja auch Hunger und Durst. Nein, ich wurde krank. Eindeutig! Da fiel mir ein: war ich seit meinem Werwolfbiss eigentlich krank gewesen?

Soweit ich mich erinnern konnte nicht. Verletzt ja, krank nein. So schwer es mir fiel zuzugeben, aber dann blieb nur noch eine Lösung übrig und die wäre, dass ich dem Vampirmädchen traute. Vielleicht nicht genug, um ihr mein Leben anzuvertrauen, doch ich hatte keine Angst mehr, dass sie mich jeden Augenblick anfallen könnte. Heilige Scheiße!
 

Ich schnappte mir meine Jacke und mit müden Schritten ging ich los, ohne wirklich zu wissen wohin ich wollte. Erst als ich nach fast einer Stunde das renovierte Bauernhaus vor mir sah, fiel mir auf, wohin mich meine Füße trugen und einen Moment blieb ich stehen. Vor mir lag das Haus unseres Rudels und ich war selbst etwas verwundert darüber.

Keiner würde mich so schnell zurück erwarten, hatte ich gestern bei meinem Aufbruch doch deutlich gemacht, dass ich einige Zeit für mich selbst brauchen würde. Bei dem Gedanken an die überraschten Gesichter mich jetzt schon zu sehen, breitete sich ein leichtes Lächeln auf meinem Gesicht aus und ich setzte mich wieder in Bewegung.

Die Aussicht auf Rosalynns Rühreier mit Speck und meinem schönen, weichen Bett war sehr verlockend und ließ mich meine Schritte noch einmal beschleunigen. Zusammen mit den ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages kam ich wieder zu Hause an.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  P-Chi
2010-01-16T11:39:10+00:00 16.01.2010 12:39
Yaaaaaay~~ :DDDDDDDDDDD
Himmel, ich liebe die beiden einfach! <3 <3 <3
Die beiedn geben echt ein tolles Paar ab x3
Die Beschreibung der Gefühle und der Eindrücke im Wald waren echt super ;3
Man konnte sich alles bildlich genauestens vortsellen, und es wurde auch nie langweilig. :3
Lass mich nicht zu kange auf das nächste Kapi warten xDDD

glg Angels


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