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Behind the mirror

von

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One-shot

Ehrlich gesagt, war diese Story am Anfang ein bisschen anders geplant, aber sie hat sich praktisch selbstständig gemacht und das ist letztendlich dabei herausgekommen. Sie ist um einiges ernster als der Rest meiner Geschichten, aber ich möchte nicht vorweggreifen.

Warnung: keine Paarings, Charaktertod

Disclaimer: wie immer gehört alles außer der Idee J.K. Rowling

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Behind the mirror
 

Das übliche Gemurmel der Schüler erfüllte die große Halle, leises Flüstern, Neckereien, irgendwo ein Streit, hin und wieder Gekicher. Dazu das Klappern des Bestecks, das Scharren von Füßen und das Rascheln der morgendlichen Posteulen.

Es klang … falsch. Wie ein schlechter Abklatsch dessen, was einmal gewesen war, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Morgen, als die dunklen Wolken über Hogwarts nicht mehr, als ein nahendes Sommergewitter bedeutet hatten.

Neben ihm stieß Ron seinen Kelch mit Kürbissaft um, bei dem Versuch seinen übervollen Teller zu seinem Platz zu dirigieren und Hermine begann wütend auf den Rotschopf einzureden, während sie gleichzeitig versuchte, den Kürbissaft aus ihrer Robe zu entfernen.

Harry nahm das alles wie durch einen Schleier war. Die Geräusche waren gedämpft und irgendwie weit weg und als er seinen Blick wandern ließ, kam es ihm so vor, als wenn auch seine Sicht sich plötzlich trüben würde.

Wie sorglos sie waren. Im festen Glauben an die Stärke des Lichts schluckten sie ihre Ängste und Sorgen hinunter, belogen sich selbst, um noch ein wenig länger den Anschein einer heilen Welt aufrecht erhalten zu können. Sie verschlossen die Augen vor der Wirklichkeit, flüchteten sich in Alltäglichkeiten und verstrickten sich so lange in ihrer Lügenwelt, bis sie am Ende selbst vergaßen, wo der Ausgang lag. Glaubten sie wirklich er würde sie retten können? Das er ihre kleine perfekte, ach so zerbrechliche Welt würde bewahren können?

Sein Gesicht verzog sich zu einem humorlosen Lächeln. Nicht einmal Dumbledor konnte sagen wie sich die Dinge entwickeln würden, längst war das zuversichtliche Zwinkern in seinen Augen zu einer Farce verkommen, mit der er versuchte den Glauben an etwas zu bewahren, von dem Harry schon seit Monaten wusste, dass es verloren war.

Die Dunkelheit nahm stetig zu, ebenso wie die Zahl der Anhänger und Spione, die längst auch Hogwarts infiltriert hatten, während das Licht immer schwächer wurde, wie eine Kerze die im Luftzug flackert, bevor sie gänzlich verlöscht. Es war armselig und gleichzeitig alles was sie hatten.

Ein wilder verzweifelter Hoffnungsschimmer, dass ihr Held sie am Ende retten würde.

Harry kicherte trocken und seine Knöchel färbten sich weiß, als sein Griff um den Kelch scherzhaft wurde.

Er bemerkte weder die besorgten Blicke seiner Freunde, die für einen Moment in ihrem Streit inne hielten, noch die zögernden, fast scheuen Blicke seiner übrigen Hauskameraden. Die Verzweiflung in ihm wuchs mit jeder Sekunde, bis sie sich wie ein riesiger, undurchdringlicher Wall aus Angst um ihn legte und ihn zu ersticken drohte. Die Erwartungen lagen wie ein Gewicht auf seinen Schultern, das ihn zu Boden drückte. Seine ohnehin schon blasse Gesichtsfarbe wurde noch einige Nuance heller und die Ränder seiner Welt begannen zu schwanken.

Er konnte niemanden retten, sah sie das denn nicht? Er konnte ja nicht einmal sich selbst retten, geschweige denn eine ganze Welt. Wie lächerlich das klang. Die Welt retten. Wie aus einem schlechten Groschenroman oder Comic. Aber Harry war kein Superheld. Er war nur eine Gallionsfigur, berühmt für etwas, an das er keine Erinnerung hatte, ein sechzehnjähriger Junge der bis zu seinem elften Lebensjahr nicht einmal gewusst hatte, was oder wer er überhaupt war.

Das ewig ungeliebte Familienanhängsel, das sich plötzlich als Hoffnungsträger einer ganzen Gesellschaft wiederfand. Die Ironie war nicht zu übersehen.

Ein einfacher Junge, der nicht einmal seine Ausbildung beendet hatte, gegen den größten Schwarzmagier aller Zeiten. Undeutlich hörte er Hermines besorgte Stimme wie durch Watte. Ron schüttelte ihn, aber Harry ignorierte sie.

Er hatte es satt. Die Heuchelei die er in den Augen der Schüler laß. Heute hoben sie ihn auf ein Podest, huldigten seinen Namen, tags darauf stießen sie ihn hinab, nannten ihn einen Lügner und einen Wahnsinnigen und traten ihn mit Füßen. Er war nichts weiter als ein Werkzeug, dass gehegt und gepflegt wurde um eines Tages seine Bestimmung zu erfüllen.

Er konnte den Zorn spüren, die blinde, heiße Wut, die durch jeden Winkel seines Körpers kroch, bis er ganz von ihr erfüllt war. Er hatte es satt. Sie sollten sehen, wie es war in einem Käfig aus Erwartungen eingesperrt sein, wie es war gänzlich auf sich allein gestellt zu sein. Denn, so viele Anhänger Dumbledor auch um sich scharrte, so viele Menschen auch an ihn glaubten am Ende würde alles von ihm allein abhängen, er würde es sein, der den entscheidenden Kampf führen würde, er ganz allein, genauso, wie es die Prophezeiung vorherbestimmt hatte.

Ungeduldig befreite er sich von den Händen seiner Freunde und verließ, ohne sich noch einmal umzusehen, die große Halle. Noch nicht. Noch war es nicht soweit. Sie würden es ohnehin nicht begreifen.
 

XXXXXXXX
 

Harry achtete nicht auf die Kälte, die durch seinen nackten Füße und die viel zu dünne Schuluniform kroch, noch bemerkte er die bedrohlichen Schatten, als er durch das nächtliche Hogwarts schlich. Die Dunkelheit beinhaltete schon lange keine Schrecken mehr für ihn. Sie war zu einer Zuflucht geworden, wo er ganz er selbst sein konnte, unbemerkt von den Blicken der Anderen, von den scheelen, schielenden Blicken, die ihn sonst auf Schritt und Tritt verfolgten.

Während er durch die vereinsamten Gänge schlenderte, wurde sein Herz leichter. Mit jedem Schritt kam er seinem wahren Selbst ein wenig näher. Es war sein Geheimnis und das Einzige was ihn bis jetzt am Leben gehalten hatte.

Ein kaltes Leuchten trat in seine Augen als er die schwere, eisenbeschlagene Tür tief im Herzen von Hogwarts erreichte.

Die schlechtgeölten Angeln quietschten klagend in der Nacht, als er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür lehnte. Der Raum dahinter lag in völliger Dunkelheit und von der Einrichtung waren nur Umrisse zu erkennen, die bedeckt von Staub und Spinnenweben noch verschwommener wirkten.

Sobald Harry den Raum betrat hatte er das Gefühl, eine andere Welt zu betreten. Die Stille war fast mit den Händen greifbar und die wagen grauen Schatten ließen die Welt unwirklich erscheinen.

Mit traumwandlerischer Sicherheit fanden seine Füße ihren Weg, vorbei an alten geborstenen Schulpulten und anderen Dingen, von denen er sich nie die Mühe gemacht hatte einen zweiten Gedanken an sie zu verschwenden. Ganz hinten, tief verborgen in der Dunkelheit lag sein Ziel.

Harrys Finger strichen über verstaubten Samtstoff, der in schweren Falten über das Objekt fiel, dessen Geheimnis er verhüllte. Ein Kribbeln breitete sich von seinen Fingerspitzen durch seinen ganzen Körper aus, wie Wärme die das Leben in seine kalten Glieder zurückbrachte und sein Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln. Die Aufregung brachte ein wenig Farbe in seine leichenblassen Züge, die selbst in der Dunkelheit gespenstisch zu leuchten schienen.

Beinahe behutsam begann er den Stoff zurückzuziehen, bis seine Fingerspitzen auf eine kühle, harte Oberfläche trafen. Ein letzer ungeduldiger Ruck, dann lag der Stoff in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden. Harry schenkte ihm keinen Blick. Stattdessen irrten seine Augen gierig über den gewaltigen, reichverzierten Spiegel, der getragen von zwei Klauenfüßen vor ihm aufragte.

Kleine goldene Funken schienen für einen Moment über seine Oberfläche zu flimmern, bevor sie im dunklen Gold des Rahmens versanken und die geheimnisvolle Inschrift am oberen Rand des Rahmens aufglühen ließen.

…NERHEGEB Z REH NIE DREBAZ TILT NANIEDTH CIN..

Harry sank auf die Knie und lehnte sein Gesicht an die kühle Glasfläche. Für einen Moment schlossen sich seine Augen und ein Ausdruck tiefster Erschöpfung trat auf sein Gesicht. Er war so müde. Sein Geist war rastlos. Tagsüber konnte er die Gedanken in Zaum halten, noch war die Maske bis auf wenige Kratzer makellos. Aber nachts kamen die Träume. Die Bilder von Voldemorts Opfern quälten ihn im Schlaf. Ihre anklagenden Gesichter schienen ihm die Schuld an ihrem Tod zu geben, ihre gemarterten Schreie hallten in seinem Kopf, schwollen zu einem Crescendo, bis er das Gefühl hatte sein Kopf würde vor Schmerz explodieren.

Nur hier, in diesem abgelegenen Raum, fern von allem Leben und so trostlos, dass ihn selbst die Geister mieden, konnte er Ruhe finden. Hier erschien ihm alles wie ein böser Traum, aus dem er jederzeit aufwachen konnte, wenn er sich nur stark genug bemühte.

Als er die Augen öffnete, blickte er direkt in die sturmgrauen Augen, umrahmt von dunklen Locken, die ihn in Gedanken immer begleiteten. Aber nie waren sie so lebendig wie hier. Mit einem beinahe verzückten Lächeln beobachtete Harry, wie der Mann sein Spiegelbild in eine feste Umarmung zog. Fast meinte er die Arme wirklich spüren zu können und das laute bellende Lachen zu hören, so real schien das Bild. Kein Hauch von Traurigkeit war in den Zügen des Mannes zu sehen, stattdessen strahlte er Lebensfreude und Wärme aus und der Schalk leuchtete in seinen Augen.

Auch sein eigenes Spiegelbild veränderte sich. Das blasse Gesicht nahm Farbe an, in seine Augen trat ein Ausdruck von Härte und seine Lippen verzogen sich zu einem sarkastischen Lächeln. Das Wappen auf seiner Brust verschwamm zuerst, dann langsam entstanden die Konturen einer silbernen Schlange auf grünem Hintergrund. Der Mann hinter ihm betrachtete ihn anerkennend.

Harrys Atem gefror zu kleinen weißen Wölkchen, und seine Lippen begannen sich blau zu verfärben, aber er nahm es nicht war, ebenso wenig wie die Schatten, die nach seinen Knöcheln griffen. Stattdessen schmiegte er sich noch näher an das kalte Glas, während seine Finger liebkosend über die Struktur des Rahmens glitten. Einige Strähnen störrischen schwarzen Haares fielen ihm ins Gesicht und verdeckten den seltsam entrückten Ausdruck seiner Augen. Er war noch nie so lange hier geblieben, aber heute konnte er sich einfach nicht davon losreißen. Immer wieder strich er über die Konturen des Spiegelbildes – wie ein Mantra oder eine hypnotische Bewegung, die ihn langsam einlullte.

Das grüne Licht traf ihn völlig unerwartet. Wie giftig grüner Nebel hüllte es den schmächtigen Körper und den Spiegel ein, bevor dieser zersprang. Eine bleierne Schwere schien seine Glieder zu befallen und er spürte undeutlich, wie er auf dem Boden ausschlug. Für den Bruchteil einer Sekunde schien sein Körper in Schmerzen gehüllt, dann verließ die Anspannung seine Glieder und seine Gedanken begannen sich wie Schlieren von Nebel im Wind langsam aufzulösen. Ein beinahe unsichtbares Lächeln trat auf sein Gesicht – es fühlte sich sicher an…

Ein Luftzug trug ihm ein leises Flüstern zu und für einen Moment glaubt er kalte, schlangenartige Augen zu sehen, die ihn mit einem seltsam sanften Ausdruck musterten. Dann schlug die Schwärze über ihm zusammen und trug ihn fort.

„Schlaf gut, Harry Potter“.
 

Fin



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-09-10T10:37:30+00:00 10.09.2009 12:37
Oh mein gott, das ist der hammer!
wirklich sehr gut geschrieben, man fühlt richtig mit!
vor allem auch mal ein beispiel, dass gute geschichten nicht immer ein happy end brauchen ^^

lg kim


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