Zum Inhalt der Seite

Shadows of the NewMoon

von
Koautor:  Caracola

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

46. Kapitel

Dass ihn niemand kannte, änderte sich sobald Nataniel und Amanda den Besprechungsraum betraten. Eric kam sofort auf die beiden zu und besah sich Amanda von oben bis unten, was ihr ziemlich unangenehm war. Immerhin fragte er sie nicht über die vergangene Nacht aus. Darüber würde sie sowieso in ein paar Minuten berichten.

Amanda stellte die Anwesenden im Raum vor. Clea war an diesem Tag ganz sie selbst und wie Amanda sie schon immer kannte. In Pink und andere knallige Farben gehüllt, mit bunten Haargummis und Hello Kitty-Ohrringen, die zu allem Überfluss auch noch blinkten, wenn Clea ihren Kopf bewegte.

Dann war da noch Francy, deren Augen interessiert über Nataniel schweiften und wahrscheinlich sofort bemerkten, dass sie es mit einem Wandler zu tun hatte. Dann waren da noch zwei andere Wandler und eine ehemalige Sammlerin, mit denen Amanda aber selbst nur seit ihrer Ankunft etwas zu tun gehabt hatte. Einer fehlte. Aber das war ihr eigentlich ganz Recht so. Dann konnte sie das direkte Zusammentreffen zwischen Seth und Nataniel noch ein wenig hinauszögern. Da er ohnehin alles mitbekommen hatte, was im Villenviertel passiert war, konnten sie getrost ohne ihn anfangen.

Amanda fasste kurz aber etwas ausführlicher als zuvor am Mittagstisch die Erkenntnisse der letzten Nacht zusammen. Die Gründer waren der festen Meinung, von niemandem bedroht zu werden oder auch nur Gegenwehr erwarten zu müssen. Schon an der einzelnen Wache bei dem Treffen war das deutlich geworden. Alle waren sich darüber einig, dass das nur als gutes Zeichen gewertet werden konnte.

Nachdem also die kleine Aktion vom Tisch war, ließ Clea wieder eines ihrer Hologramme aufleuchten. Diesmal von der Zentrale der Moonleague.

Die virtuelle Skizze war genauso gut wie die des Gebäudes, in dem sie die Bombe hatten hochgehen lassen. Dafür wurde Clea auch von Eric gelobt. Diesmal ohne jeglichen Seitenhieb das Fehlen der Fenster betreffend.
 

Endlich lernte er einmal diese Clea kennen, die von den Interessen her sicher super zu Sven gepasst hätte. Allerdings müsste ihr dann der Größenunterschied nichts ausmachen. Sie war eindeutig größer als der Fischotter. Aber das schaffte man bei seinem Freund auch ganz schön leicht.

Francy kannte er noch nicht, wusste aber sofort, dass sie eine Gestaltwandlerin war. Mit den beiden anderen Wandlern hatte er gestern schon kurz gesprochen, weshalb er ihnen nur zunickte. Auch die letzte anwesende Frau war ihm gänzlich fremd, aber alleine der Geruch sagte ihm, dass sie rein menschlich war. Auch wenn sie wie Amanda verborgene Fähigkeiten haben könnte, die er erst wittern konnte, wenn sie sie einsetzte.

Nachdem er sich neben Amanda gesetzt hatte, begann sie noch einmal ausführlicher über den gestrigen Abend zu sprechen. Danach übernahm Clea und alle Aufmerksamkeit richtete sich auf sie.
 

"Wir haben bis jetzt nicht bedacht, dass sie gestern alle nur bravouröses Theater gespielt haben könnten."

Amanda zuckte unter der warmen, dunklen Stimme regelrecht zusammen. Sie hatte ihn nicht hereinkommen hören. Jetzt versteifte sich ihr Körper und sie presste angespannt die Lippen aufeinander.

Seths dunkle Augen schweiften zwischen den Anwesenden hin und her, blieben aber letztendlich auf Amandas Gesicht hängen.

"Unser Angriff und der Diebstahl der Codes kann ihnen nicht entgangen sein. Wir haben mehr Aufsehen erregt, als sie ignorieren können."

Ob er sich bei seiner kleinen Rede absichtlich im Dunkeln hielt, konnte Amanda nicht sagen. Aber es war ihr ganz Recht, dass der Tisch zwischen ihnen lag. Ob sie es zugeben wollte oder nicht, nach der Aktion gestern Nacht, machte sie Seths Anwesenheit sogar fast so nervös wie am Anfang.

"Was sollte dann die mehr oder weniger unbewachte Party gestern Abend?", wollte Eric ohne den leisesten aggressiven Unterton wissen. Aus ihm sprach reine Neugier.

"Ich nehme an, dass sie uns in Sicherheit wiegen wollen. Was sie ja auch beinahe geschafft hätten."

Gleich würde Amanda ihm zeigen, was sie von seinem herablassenden Tonfall hielt. Sie hatten also ihre selbstverliebte Art nur vorgespielt? Da kannte Seth die Gründer aber schlecht. Konnte er sich nicht mehr an den Moment erinnern, als er gekennzeichnet worden war?

"Wenn sie von uns wüssten. Oder sich über unsere Zahl und unsere Mittel im Klaren wären, würden sie keine Spielchen mit uns spielen." Amanda klang autoritär. Sie musste noch nicht einmal aufstehen, um ihren Status klar zu machen. Sie war diejenige, die sich mit den Strukturen der Moonleague auskannte. Seth hatte die Organisation nur einmal kennen gelernt und zwar in Form von Amanda und einer Gruppe Sammler Klasse 5, die ihn festgesetzt und ihm das Registrierungstattoo verpasst hatten.
 

Nataniel nahm den Geruch wahr, den er im Speisesaal schon gewittert hatte. Allein wie Amanda auf den Mann reagiert hatte, ließ ihn den Geruch nicht vergessen. Trotzdem zuckte auch er zusammen, als er eine ihm unbekannte Stimme hörte. Obwohl es eher Amandas heftige Reaktion war, die ihn erschreckt hatte.

Verwirrt über ihr Verhalten drehte er sich ebenfalls wie alle anderen herum und musterte den Mann mit den blonden Haaren und den tiefschwarzen Augen von oben bis unten. Gerade die Augen fand er verdammt beunruhigend und zu gleich hatte er das Gefühl, als würden sie ihm bekannt vorkommen. Auch deshalb fiel ihm der beißende Beigeschmack auf, weil er nun den Geruch länger als nur einen kurzen Luftzug lang wittern konnte.

Sofort verkrampfte sich sein Körper.

Schatten…

Ungefähr so, aber noch viel stärker roch Amanda, wenn sie durch die Schatten gegangen war und diese noch an ihr klebten.

War der Kerl etwa auch ein…

Unwichtig. Im Augenblick wäre es besser, wenn er sich auf das Gesagte konzentrierte, denn, obwohl er es nur sehr ungern zu gab, der Typ hatte in gewisser Weise Recht. Es war schon merkwürdig, dass der Untergrund vor ein paar Tagen die Codes mit einem gewaltigen Feuerwerk geklaut hatte, darüber aber bei den führenden Personen kein Wort verloren wurde. So dämlich konnten doch selbst die nicht sein, oder?

Bei Amandas Tonfall richtete er seinen Blick wieder auf sie. Ihre Ausstrahlung hinterließ ein Prickeln in seinem Nacken, als spüre er regelrecht die Emotionen in ihr. Ein Grund mehr, eigentlich die Klappe zu halten, weil er hier so neu wie kein anderer war. Aber da war etwas zwischen dem Blonden und seiner Gefährtin, das ihn mehr als nur beunruhigte. Er konnte nicht genau sagen, was es war, aber die Spannung konnte doch nicht nur wegen der geteilten Meinung so deutlich in der Luft liegen.

„Ich weiß, ich bin erst seit gestern hier und kann vermutlich gar nicht mitreden.“, begann er in ruhigem Tonfall, um die Stimmung nicht noch mehr aufzuheizen.

„Aber wenn diese Typen wirklich glauben, uns damit in Sicherheit gewiegt zu haben, dann sind wir doch zumindest darauf vorbereitet. Außerdem hatte hier doch wohl ohnehin keiner angenommen, dass die Sache ein Spaziergang werden würde. Wozu sonst die ganzen Vorbereitungen, wenn wir nicht versuchen würden, jedes Risiko auszuschließen?“

Seiner Meinung nach war es nun unwichtig, ob der Typ oder Amanda Recht hatte. Vorsicht war in beiden Fällen geboten.
 

Amanda musste sich im übertragenen Sinne wie auch wörtlich auf die Zunge beißen, um ihre Wut nicht an Nataniel auszulassen. Er wusste nicht, was passiert war. Niemand außer Seth und sie selbst wussten das. Und deshalb würde er auch nicht verstehen können, warum es Amanda so unglaublich gegen den Strich ging, dass Seth die Lage vielleicht besser einschätzte als sie selbst.

Hatte sie sich so irren können? Hatte die Wut über Derek und seine abfällige Äußerung sie so blind machen können? Aber da war nur eine Wache gewesen. Francy hätte vor ihrem etwas übereilten Abgang etwas gesagt, wären da noch Andere gewesen. Warum war Seth so verdammt überzeugt davon, dass er die Szene durchschaut hatte?

Eric rettete Amanda aus ihrer Misere, entweder Nataniel oder Seth in ihrer hilflosen Wut anzufeinden. Gelassen wie immer, schob er die Akten, die vor ihm auf dem Tisch lagen, ein wenig von sich weg und versuchte ihren Plan für alle Anwesenden einfach auseinander zu legen. Entsprechend seinen Ausführungen, ließ Clea die beschriebenen Bereiche der Moonleaguezentrale in ihrem Hologramm aufleuchten. Amanda brauchte dabei gar nicht wirklich hinzusehen. Immerhin kannte sie das Gebäude besser als jedes andere. Auch wenn ihr die letzten Monate gezeigt hatten, dass sich hinter diesen Mauern mehr Geheimnisse verbargen, als sie je geglaubt hatte.

"Ein Zugang zum Hauptcomputer lag in Cleas Arbeitsbereich. Aber nach Amandas Angriff können wir davon ausgehen, dass diese Zugriffsmöglichkeit oder vielleicht sogar der Gebäudeteil absolut unzugänglich gemacht worden ist. Selbst für Seth und Amanda wäre es wohl unmöglich da unbemerkt rein zu kommen."

Am Anfang hatte sie sein ständiges Lächeln gestört. Es war ihr immer so oberflächlich vorgekommen, da Seth nie einen rechten Grund zum Grinsen gehabt zu haben schien. Jetzt, unter dem nichtssagenden, aber dennoch streng wirkenden Blick seiner dunklen Augen, wünschte Amanda sich dieses Lächeln zurück. Sie hatte Seths Gesicht nicht gesehen, als sie seinen Kuss so vehement abgewehrt hatte, aber sie konnte sich vorstellen, dass sie ihn getroffen hatte. Noch dazu war Nataniels Anwesenheit wahrscheinlich eine weitere Prise Salz in die Wunde.

Konzentriert versuchte Amanda Erics Erklärungen zu folgen. Sie sollte sich nicht zu viel Schuld zuweisen. Immerhin musste sie keinen Ehering tragen, um vergeben zu sein. Vielleicht hatte Seth auch nur eine Chance auf ein wenig Vergnügen nutzen wollen und war keineswegs gekränkt. Höchstens sein Ego war etwas angekratzt, weil er nicht bekommen hatte, was er wollte.

"Wir müssen also in das Büro von G1 eindringen. Dort besteht die einzige weitere Verbindung, über die wir die Codes eingeben und sämtliche Daten der Moonleague endgültig löschen können."

Der Plan war simpel. Amanda und Seth würden reingehen, die Codes eingeben und wieder raus sein, bevor die Organisation überhaupt wusste, wie ihr geschah. Ja, alles ganz einfach. Zumindest in der Theorie.

"Francy, hast du mit der Wandlergemeinschaft reden können? Haben sie sich dazu bereit erklärt, ein Ablenkungsmanöver zu starten?"

Wenn sie auf die zahlreichen Gestaltwandler zählen konnten, würden ihre Chancen um ein Vielfaches steigen.

Mit grimmigem Gesichtsausdruck wandte sich Amanda noch einmal Seth zu. Sie beide würden aufeinander angewiesen sein, um das Vorhaben schadlos hinter sich zu bringen. Sie würde mit ihm reden müssen.
 

Eric sei Dank ging hier kein Sturm los, obwohl Nataniel das Gefühl hatte, Amanda müsse gleich explodieren. Zwar zeigte ihr Äußeres kaum eine Veränderung, sah man einmal von dem harten Zug um ihren Mund ab, aber ihre Wut brannte schier in seiner Nase, so aufgebracht war sie und da er direkt neben ihr saß, konnte ihm das unmöglich verborgen bleiben.

Gerade jetzt, wo sie seiner Meinung nach etwas übertrieb, fragte er sich, was es auslöste, das sie so wütend machte. Irgendetwas musste gestern vorgefallen sein. Zwar hatte sie schon in einem ausführlichen Bericht erzählt, worum es gestern gegangen war, aber der war sachlich gewesen. Keinesfalls von ihren eigenen Gefühlen abhängig.

Lautlos seufzend drehte Nataniel sich wieder zu den Gebäudeplänen herum, um auf die Ausführungen zu hören, die sehr wichtig waren, wenn sie eine gelungene Operation hinter sich bringen wollten. Aber dennoch konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, dass es da noch immer Dinge in Amandas Leben gab, von denen er keine Ahnung hatte.

Umso mehr konzentrierte er sich auf die Besprechung, um alle anderen persönlich betreffenden Gedanken auf später zu verschieben. Gerade in den letzten Wochen hatte er auf knallharte Weise lernen müssen, dass man persönliche Anliegen von seinen Pflichten trennte. Alles andere führte unweigerlich in einer Katastrophe. Immer war es ihm zwar nicht gelungen, aber Amanda neben sich zu wissen, erleichterte ihm Vieles. Noch war sie an seiner Seite, auch wenn allein der Gedanke daran, sie würde sich noch einmal in Gefahr begeben müssen, den Panther durchdrehen ließ.

Als das Gespräch auf die Wandler kam, wusste Nataniel bereits, wie Francy antworten würde. Zwar hatte er die Frau bisher noch nie gesehen, aber die Gespräche mit den paar anderen Wandlern, die sich hatten blicken lassen, gaben ihm ein recht ausführliches Bild der Situation. Francy bestätigte den Eindruck also nur noch, als sie so sachlich wie möglich antwortete.

„Es wird auf alle Fälle ein Ablenkungsmanöver geben, allerdings kann ich für die Wirkung keine Garantie geben. Es gibt zu wenige Freiwillige für diesen Einsatz. Die anderen…“

Sie zuckte unsicher mit den Schultern.

Nataniel knirschte mit den Zähnen. Es gab nicht nur zu wenige, sondern auch kaum genug starke Tiere, die eine ordentliche Ablenkung bieten könnten. Wobei hierbei das Motto wohl wirklich zutraf, dass groß und kräftig nicht immer gleichzusetzen mit mutig war.

„Viele von ihnen wollen die Zeit lieber dazu nutzen, endgültig unter zu tauchen.“, begann einer der anderen anwesenden Wandler zu sprechen. Der Mann war ungefähr in Nataniels Alter, groß und mit rötlich blonden Haaren. Man sah ihm nicht an, was für eine Gestalt er verbarg, aber anhand seiner Gesten und Bewegungen, die Art wie er seine Umgebung wahrnahm, ließ auf einen Jäger schließen.

„Sie fürchten die Moonleague und wollen so wenig mit ihnen zu tun haben wie möglich. Außerdem haben sie Angst, dass, wenn die Organisation sie erwischt, auch ihren Familien etwas passiert.“

Das waren alles durchaus begründete Argumente, aber Nataniel stimmte es dennoch nicht glücklich, so etwas zu hören. Sein eigenes Rudel würde sich jederzeit in Gefahr begeben, gerade weil sie um ihre Familien fürchten mussten. Deshalb taten sie das hier ja, damit die Gefahr endlich ein Ende hatte. Aber auch dieses Argument würde nichts bringen. Das wusste er.

Angst und Gefahr mochten Gestaltwandler unterschiedlichster Art vielleicht eine Weile zusammen schweißen, aber es war kein Vergleich zu dem Gefühl einem Clan anzugehören.

„Ich könnte versuchen, mit ihnen zu sprechen.“, bot Nataniel schließlich an, weil er bei dem ganzen nicht mehr hinhören konnte.

„Ich hatte schon das Vergnügen Gast bei der Moonleague zu sein und habe genauso viel zu verlieren wie die Drückeberger.“

Wenn er die Wandler trotzdem nicht überzeugen konnte, würde er sich etwas anderes einfallen lassen.

Er hatte da schon die ein oder andere Idee, auch wenn er nicht gerade begeistert darüber war. Außerdem bräuchte er dazu einen der Wandler, der sich hier in der Gegend schon länger aufhielt und gut auskannte.
 

Bei Francys Antwort wurde Amanda ganz kalt. Sie würden ihnen also nicht helfen wollen? Damit hatte sie als allerletztes gerechnet. Immerhin ging es um die Zukunft der Wandlergemeinschaft, die von der Aufdeckung durch die Moonleague bedroht wurde. Von Nataniels Rudel war Amanda genau die gegenteilige Reaktion auf die Gefahr gewohnt und wunderte sich daher auch nicht, dass er neben ihr das Wort ergriff und anbot, sich in die Verhandlungen mit den Gestaltwandlern der Stadt einzuschalten.

Wie das Rudel, so das Alphatier und umgekehrt. Endlich konnte Amanda wieder in sich hineinschmunzeln. Irgendwie kam ihr Nataniel trotz seines selbstbewussten Auftretens hier in der Stadt und auch in ihrer kleinen Runde ein wenig unzugehörig vor. Und doch ließ er sich keinesfalls entmutigen.

Manchmal schien dieses unerschütterliche Ego tatsächlich sein Gutes zu haben und auch wenn sie sich eher die Zunge abbeißen würde, als es zuzugeben, gefiel Amanda Nataniels relaxter und doch imponierender Auftritt. Sie selbst konnte in einer Gruppe durchaus unbeachtet bleiben, wenn sie es wollte oder für nötig erachtete. Nataniel würde das wahrscheinlich nicht einmal fertig bringen, wenn er sich anstrengte.

"Sehr viel Ablenkung werden wir nicht brauchen. Rein und raus schaffen wir es in wenigen Minuten. Das Gelingen der Aktion wird nur davon abhängen, ob die Codes tatsächlich das halten, was sie versprechen."

Seth hatte sich für heute wirklich die Rolle des Miesmachers herausgesucht. Außerdem klebte sein Blick immer noch an Amandas Gesicht, was ihr eine Färbung zwischen Wut- und Schamesröte auf die Wangen trieb.

"Schön, dass du das so locker siehst, aber ich denke nicht, dass wir ohne Widerstand in Gabriels Büro einbrechen können. Selbst wir beide nicht."

G1 hatte Amanda schon immer besonders wegen ihrer Fähigkeiten und deren ungenügenden Beherrschung aufgezogen.

Einmal hatte er sich bei einer Party wie jener letzte Nacht lautstark überlegt, wie man selbst Amanda in eine Zelle sperren könnte. Der Einfall war gut, aber nicht lückenlos gewesen.

Aber mit einem zweiten Schattengänger hatte Gabriel bestimmt nicht gerechnet. Immerhin wurde auch Seth im Schrecken mit der Organisation bekannt gemacht. Ihre eigene Beteiligung daran war der Grund gewesen, warum Amanda am Anfang den Kontakt mit Seth vermieden hatte. Schlechtes Gewissen war nie zu unterschätzen.

Sie einigten sich schließlich darauf, Nataniel noch ein paar Tage die Gelegenheit zu geben, mit den ansässigen Gestaltwandlern zu sprechen. Francy würde die Kontakte herstellen. Ob Amanda mit ihnen ging, würde sie mehr oder weniger spontan entscheiden. Es gab noch ein paar Sachen mit Clea zu klären, was das Eingeben der Codes und die radikale Löschaktion der Festplatten betraf. Diesmal sollte noch nicht einmal der Hauch einer Information zur Verfügung der Moonleague übrig bleiben.

Als Seth aufsprang, kaum dass das alles besprochen war und mehr oder weniger aus dem kleinen Raum flüchtete, musste Amanda sich an dem Kugelschreiber in ihrer Hand festkrallen, um ihm nicht auf der Stelle hinterher zu laufen.

Glaubte er, dass er ihr bis zum Einsatz aus dem Weg gehen konnte? Und was dann? Sie mussten die Vorgehensweise noch besprechen. Wer, was, wann, wo tun sollte. Damit sie wenigstens die kleinste Chance hatten, erfolgreich und auch lebend aus dem Gebäude zu kommen. Zähneknirschend hatte Amanda zur Tür gesehen, durch die Seth verschwunden war. Es half einfach nichts.

Gerade war Nataniel noch in eine Unterhaltung mit Francy vertieft, was Amanda die Gelegenheit bot, sich kurz zu entschuldigen, ohne weiter auf ihre Beweggründe einzugehen.

"Ich muss nur schnell was erledigen. Sehen wir uns beim Kran?"

Francy nickte nur und konzentrierte sich wieder darauf, Nataniel ein wenig über die Wandler zu erzählen, die sich freiwillig gemeldet hatten. Amanda legte kurz ihre Hand auf Nataniels Schulter, bevor sie sich innerlich rüstete und auf Seths Spuren den Raum verließ.
 

Wer auch immer der Typ war, der hier schlechte Stimmung verbreitete, Nataniel begann ihn langsam immer weniger zu mögen. Klar mochte Vorsicht in gerade ihren Fällen angebracht sein, aber das hieß noch lange nicht, dass man dazu ein Pessimist sein musste. Außerdem konnte Nataniel die Meinung dieses Kerls nicht teilen.

Einfach rein und raus, ja? Rein vielleicht, aber das Rauskommen war schon immer schwierig gewesen bei solchen Aktionen. Deshalb wäre es sicherlich nicht schlecht, eine gute Rückendeckung in Form von genügend starken Wandlern zu haben, die bereit waren, ihr Leben für diese Mission zu riskieren.

Nataniel würde sicherlich nicht den Schwanz einziehen. Er würde ganz an vorderster Front mitmischen. Wenn er schon Amanda nicht davon abhalten konnte, sich in Gefahr zu begeben, so wollte er wenigstens auf diese Weise so gut wie möglich Schutz für sie bieten. Egal was am Ende heraus kam und wie sich alles wirklich fügen würde.

Nataniel war froh, als die Besprechung schließlich zu Ende war. Er hatte inzwischen hämmernde Kopfschmerzen und sein Nacken fühlte sich vollkommen verspannt an. Das war nicht seine Welt und das begann er langsam deutlich zu spüren. Hier konnte er sich keinen Moment lang entspannen, weil es hier keinen Wald, keine Flüsse, keine Ruhe und auch keine saubere Luft gab. Nur ständiger Krach, Metall vermengt mit Glas und Beton und Abgase. Wäre da nicht die Brise des Meeres, er hätte es überhaupt nicht ausgehalten. Die ganzen vollkommen fremdartigen Gerüche überforderten seine Nase, so dass er gar nicht genau mitbekam, wo, was, wer, wie, wann roch. Lediglich Amandas vertrauter Duft gab ihm in dieser bunten, ungewohnten Welt die Sicherheit, die er brauchte.
 

Francy war wirklich eine nette Wandlerin, mit der er sich sofort gut verstand. Zwar konnte er noch immer nicht sagen, was für eine Gestalt sie beherbergte, aber das würde er sicherlich noch herausfinden. Immerhin war es ohnehin schwer, gegenseitig die Gestalt des anderen zu erraten, wenn dieser sich schon längere Zeit nicht mehr verwandelt hatte und somit der Geruch des Tiers nicht mehr wirklich anhaftete. Dazu konnte meist schon eine einzige Dusche ausreichen. Aber eines würde sich nie ändern.

Die Wildheit war immer und auf jeden Fall zu spüren.

Amanda stieß zu ihnen, um sich kurz zu entschuldigen. Die Sache mit dem Kran verstand er nicht, aber was das anging, machte er sich keine Sorgen. Er konnte Amandas Geruch überallhin folgen. Verlieren würde er sie also auf keinen Fall und er hatte auch nicht vor, noch lange hier die Wandlerin aufzuhalten. Die bisherigen Informationen über die freiwillig mitwirkenden Gestaltwandler waren nützlich und aufschlussreich. Damit ließ sich arbeiten, sofern er auch einmal persönlich mit ihnen gesprochen hatte.

„Eine Bitte hätte ich da noch.“, begann er schließlich, als Amanda schon gegangen war.

„Wenn du in den nächsten Nächten vielleicht einmal Zeit hast, könnte ich deine Hilfe gebrauchen. Ich will so viel Verstärkung auftreiben, wie möglich. Aber dazu brauche ich jemanden, der sich in der Gegend hier auskennt und mir auch ein paar verborgene Winkel in der Wandlerszene zeigen kann.“

Er lächelte bedeutungsschwer.

Francy grinste zurück.

„Geht klar. Sag mir einfach Bescheid, wann’s losgehen soll.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück