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Solitude

Still with me is only you...
von

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Prayer

Hush, lay down your troubled mind

The day has vanished and left us behind

And the wind – whispering soft lullabies

Will soothe – so close your eyes
 

Sleep, angels will watch over you

And soon beautiful dreams will come true

Can you feel spirits embracing your soul

So dream while secrets of darkness unfold
 

Let you arms enfold us

Through the dark of night

Will your angels hold us

Till we see the light
 

Hayley Westenra - Prayer
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Wie erwartet war das Haus der Jungen leer, nur Kuu-san war in das Analysieren wichtiger Dokumente vertieft und lächelte Ren an, als dieser an ihm vorbei ging. Auch in seinem Zimmer war niemand aufzufinden und er stellte mit einer gewissen Befriedigung fest, dass sein neuer Zimmergenosse sich an seine Bitte gehalten und die Tür abgeschlossen hatte.

Interessiert ließ er seinen Blick über die rechten Seite gleiten. Der Neue hatte nicht viele Besitztümer mitgebracht, so entdeckte Ren nur einen alten Wecker, einen abgegriffenen Mary Poppins Band, mehrere Klaviernoten, eine Buddha-Statue und ein Gruppenfoto, das augenscheinlich vor dem Waisenhaus gemacht wurde, in dem der ihm unbekannte Junge bis vor kurzem jeden Tag verbracht hatte.
 

Außerdem entdeckte er auf dem Schreibtisch mehrere Skizzen von Orten und Personen in der Schule. Auf einem Blatt entdeckte er Fuwa und Amamiya. Das bedeutete wohl, dass ersterer bereits ein reges Interesse an dem Neuen entwickelt hatte. Dann wollte er mal hoffen, dass er einen ähnlichen Geschmack wie der andere hatte.
 

Lustlos ließ er sich auf sein Bett fallen, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke. So vergingen Minuten, Stunden und die Sonne neigte sich langsam dem Horizont entgegen.

Er fragte sich, wann sie kommen würde, um ihn zu beschimpfen.
 

Wie um seine Frage zu beantworte, klopfte es in diesem Moment laut an die Tür. Seufzend stand der Schwarzhaarige auf und ging zu seinem Schreibtisch um von dort aus dem Fenster zu starren. „Ja?“

Jemand trat ein und schloss die Tür hinter sich. Ren brauchte sich nicht um zu drehen, um zu wissen, dass es sich um Kyoko handelte, die ihn im Moment wahrscheinlich mit ihren Blicken erdolchte.
 

In diesem Punkt irrte er sich allerdings.

Seine Verlobte war zwar mit dem festen Vorsatz hergekommen, ihm eine Schimpftirade zu halten, doch als sie ihn nun erschöpft und mit zusammen gesackten Schultern an dem Schreibtisch stehen sah, konnte sie ihm das nicht mehr antun.

Sie hatte keine Ahnung, was in seinen Ferien vorgefallen war, doch egal, um was es sich auch handelte, es hatte diesen Jungen bis in die tiefsten Tiefen seiner Seele erschüttert. Allein die Tatsache, dass er sich nicht zu ihr umdrehte, bestätigte diesen Gedanken.
 

„Was ist passiert?“ fragte sie. „Warum hast du dich nicht bei mir gemeldet?“

„Du fragst mich das wirklich?“, entgegnete Ren mit einem abweisenden Tonfall. „Sag mir, Kyoko, warum sollte ich mich bei dir melden?“

Die Augen der Braunhaarigen verengten sich. „Weil wir verlobt sind, Ren.“

Jetzt drehte er sich doch zu ihr um und das arrogante Grinsen, welches sie so sehr verabscheute, erschien auf seinem Gesicht. „Keine Sorge, Liebes, so schnell vergesse ich diese Tatsache nicht. Doch nichtsdestotrotz waren wir uns beide einig, dass diese Verlobung eines der unnützen Dinge ist, die unsere Eltern je beschlossen haben?“

Kyoko ballte die Hände und funkelte ihn an. „Ich kann dir in diesem Punkt zwar nicht widersprechen, aber könntest du vielleicht aufhören, dich so zu benehmen, als wäre ich Ungeziefer?!“

Sein Lächeln wurde eine Spur breiter. „Tu ich das?“

„Hör auf, dich über mich lustig zu machen!“, schrie sie und sah so aus, als würde sie sich jeden Moment auf ihn stürzen und erwürgen. „Ich hab die Nase voll, von dir wie ein Spielzeug behandelt zu werden! Ich bin ein Mensch, Ren! Ein Mensch! Mit Gefühlen! Ich hab mir Sorgen gemacht!“
 

Zweifelnd hob er eine Augenbraue.

„Na gut“, lenkte sie ein. „Nicht direkt Sorgen, aber...“

„...es kratzt einfach an deinem Stolz, dass dein Verlobter dich zwei Wochen ignoriert hat“, vollendete Ren ihren Satz. „Das tut mir wirklich sehr Leid.“

„Oh ja, ich sehe schon, wie groß deine Reue ist. Warum bin ich eigentlich das einzige Mädchen auf der ganzen Schule, zu dem du nicht charmant bist?“

„Ganz einfach: Ich kann dich nicht leiden“, antwortete der Junge mit einem perfekten Gentleman-Lächeln, wie Kyoko es insgeheim getauft hatte.

Sie setzte gerade zu einer Antwort an, als die Tür geöffnet wurde und Reino mit einer verdutzten Miene die beiden Streitenden anstarrte. „Ähm...“
 

„Oh, hallo Lawliet-kun!“, sagte Kyoko mit einem charmanten Lächeln und sah zu ihrem Verlobten hinüber, der den Neuankömmling neugierig musterte. „Komm ruhig rein, ich wollte ohnehin gerade gehen.“

„Sicher?“, fragte der Blondhaarige zweifelnd. „Ich meine, ich kann auch noch mal zu Sho und...“

„Ach, red keinen Unsinn. Ich kann mich auch noch ein anderes Mal mit Ren unterhalten. Ihr beide solltet euch lieber erst mal kennen lernen, immerhin müsst ihr die nächsten Monate miteinander auskommen.“

Strahlend lief sie zu Tür, um das Zimmer zu verlassen, doch plötzlich, als wäre ihr noch etwas eingefallen, drehte sie sich um und sagte: „Kümmere dich gut um deinen Zimmergenossen, Ren. Ich möchte keine Klagen hören. Bis spätestens Montag.“
 

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Reino starrte Kyoko verdutzt hinterher. Dieser fluchtartige Abgang war recht merkwürdig, besonders, da er in dem Moment, in dem er den Raum betrat, wusste, dass er mitten in einem Streit gelandet war.

Er hatte wirklich ein Händchen für falsche Zeitpunkte.

Sich verlegen durchs Haar fahrend, wandte er sich dem Anderen zu. Das erste, was er mit Sicherheit sagen konnte, war die Tatsache, dass dieser ziemlich attraktiv war. Ren war etwa einen Kopf größer als er, hatte kurzes, schwarzes Haar und geheimnisvoll wirkende, dunkle Augen.

Seine Körperhaltung war entspannt und er musterte Reino mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht.
 

Einige Minuten lang musterten die beiden Jungen sich einfach, dann stieß Ren sich vom Schreibtisch ab und ging auf den Blondhaarigen zu. „Hallo, mein Name ist Ren Tsuruga. Du musst Reino Lawliet sein.“

Er streckte seine Hand aus und Reino ergriff sie lächelnd. „Genau der bin ich. Freut mich, dich endlich kennen zu lernen.“

„Endlich?“, wiederholte der andere amüsiert.

„Na ja“, erwiderte Reino und merkte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. „Sho hat mir schon viel erzählt...“

Ren gluckste. „Das sieht ihm ähnlich.“
 

Der Schwarzhaarige ließ sich auf einen Sessel setzten und lud Reino ein, es ihm gleich zu tun. „Entschuldige bitte, dass ich nicht hier sein konnte, um dir das Gelände zu zeigen“, sagte er freundlich und Reino wusste, dass er es ehrlich meinte.

„Kein Problem“, entgegnete er fröhlich. „Sho war ein guter Führer und ich nehme es niemanden übel, wenn er Zeit mit seinen Eltern verbringen will.“

Darauf wusste keiner der beiden etwas zu sagen und so verfielen sie in ein tiefes Schweigen.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Verärgert ging Kyoko den Korridor von Rens Stockwerk entlang. Was fiel diesem Trottel eigentlich ein? Da machte sie sich wirklich Sorgen und er beleidigte sie augenblicklich! Wie sollte sie es bitte schön den Rest ihres Lebens mit dieser Person aushalten, wenn sie ihn jetzt schon am liebsten erwürgen würde? Dieser Junge machte sie wahnsinnig!
 

Sie war so sehr in ihre wütenden Gedanken versunken, dass sie nicht bemerkte, wie jemand die Tür am Ende des Ganges öffnete und seinen Kopf herausstreckte. Erst als sie eine bekannte Stimme „Kyoko-chan“ rufen hörte, blieb sie stehen und wandte sich zu dem Besitzer um. Dabei handelte es sich um einen blonden Jungen, der fast genauso groß wie Ren, extrem schlank und gut aussehend war. Vor seinen blauen Augen ruhte eine viereckige Brille und er schenkte ihr ein freundliches Lächeln, welches sie unwillkürlich erwidern musste.
 

„Yashiro, du bist wieder da.“

„Stimmt, bin vor etwa einer Stunde angekommen.“ Sein Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an. „Ist alles in Ordnung? Du siehst ziemlich aufgebracht aus.“

Lächelnd fuhr sie sich durchs Haar. „Es ist nichts, nur eine kleine Meinungsverschiedenheit mit Ren.“

Der Brillenträger blinzelte. „Ren ist wieder da?“

„Ja, wahrscheinlich auch nicht viel länger als du, so wie er aussah, als ich bei ihm angekommen bin. Im Moment stellt er sich seinen neuen Mitbewohner vor.“

„Ah, stimmt ja“, Yashiro neigte seinen Kopf nachdenklich zur Seite. „Wie ist er denn so?“
 

Die Braunhaarige lehnte sich an die nächste Wand und starrte nachdenklich aus dem Fenster, welches ihr gegenüber lag. „Erinnerst du dich noch, wie Ren damals versucht hat Merry Christmas, Mr. Lawrence auf dem Klavier zu spielen?“

„Oh ja... Shoko-san war danach ziemlich deprimiert, dass es nicht einmal unser bester Pianist hinbekommt. Warum fragst du?“

„Ganz einfach“, erwiderte sie und stieß sich von der Wand ab, „weil ich glaube, dass wir das Stück dieses Jahr spielen werden. Wir sehen uns spätestens übermorgen in der Schule.“

Mit diesen Worten öffnete sie die Tür, die den Flur vom Treppenhaus trennte und stieg nach unten.
 

Yashiro sah ihr kopfschüttelnd hinterher. Warum konnten Frauen einem eigentlich nicht klare Antworten geben?

Die Tür seines Zimmers schließend, drehte er sich in die Richtung von Rens Zimmer um.

Sollte er? Oder sollte er nicht?

Schließlich gelang seine Neugier Oberhand und er machte sich auf den Weg. Vor der Tür angekommen, räusperte er sich und klopfte an. Die Stimme seines besten Freundes rief: „Herein.“

Strahlend öffnete er die Tür.
 

Zuerst fiel ihm der neue auf, er saß mit dem Profil zu ihm auf einem Sessel und musterte Ren. Dieser saß ihm gegenüber und hatte den Kopf in seine, Yashiros, Richtung gedreht, um zu sehen, wer sie besuchen kam. Der Brillenträger musste nur einen kurzen Blick auf die beiden werfen, um herauszufinden, dass seine Stellung, als Ren Tsurugas einziger, guter Freund gefährdet war. Zwar sprachen die beiden Jungen nicht miteinander und gaben auch sonst keinen Hinweis darauf, dass zwischen ihnen etwas anderes herrschte, als ein stillschweigendes Dulden, doch Yashiro kannte seinen Freund zu gut genug, um zu wissen, dass Ren sich niemals mit jemanden länger als nötig beschäftigen würde, wenn er kein Interesse an dieser Person hatte.
 

Mit anderen Worten, die bloße Tatsache, dass sie sich im Moment gegenüber saßen, ohne mit etwas anderem beschäftigt zu sein, zum Beispiel ein Buch lesen, bestätigte, dass der Neue Rens Interesse geweckt hatte. Yashiro grinste innerlich. Er war schon sehr gespannt darauf zu erfahren, was genau das Interessante an ihm war.

Doch im Moment strahlte er Ren einfach nur an und sagte: „Ein verärgertes Vögelchen hat mich von deiner Rückkehr unterrichtet und ich dachte, ich schau mal vorbei und fege die Scherben auf, die es übrig gelassen hat.“ Er betrat den Raum und zog die Tür hinter sich zu. Währenddessen wandte sich auch der ihm Fremde zu ihm um und hörte neugierig zu. „Ehrlich, Ren, du bist der Einzige, der es schafft, innerhalb der ersten 24 Stunden hier einen Streit mit Kyoko Mogami anzufangen.“
 

Auf dem Gesicht des Schwarzhaarigen erschien ein breites Grinsen. „Das sehe ich als Kompliment, Yukihito. Komm, setzt dich zu uns.“ Er wandte sich dem Neuen zu. „Reino-kun, das ist Yukihito Yashiro, mein bester Freund. Yukihito, das ist Reino Lawliet.“

„Freut mich, dich kennen zu lernen“, sagte Yashiro sofort und setzte sich auf den dritten Sessel, „und herzlich willkommen an unserer Schule.“

„Vielen Dank“, entgegnete Reino lächelnd. Yukihito fiel auf, dass er ein offenes, herzliches Lächeln hatte, das jedem Mädchen wahrscheinlich den Atem rauben würde. „Mich freut es auch, dich kennen zu lernen.“
 

„Wie lange bist du schon wieder hier?“, fragte Ren den Brillenträger.

„Eine Stunde und du?“

„Ein bisschen länger. Wie waren deine Ferien?“

Yashiros Augen begannen zu strahlen, dennoch warf er Reino noch einen letzten, abschätzenden Blick zu, bevor er begann, ihm zu erzählen: „Großartig! Mutter hatte die Idee, dass wir nach Europa fahren, also waren wir eineinhalb Wochen in den französischen Alpen Skifahren!“

„Ah, das war sicher ein Erlebnis. Wer war sie?“

Der Älteste der drei verschränkte die Arme und sah Ren schmollend an. „Warum muss eine Frau im Spiel sein, wenn ich von etwas begeistert bin?“

Glucksend schüttelte der Dunkelhaarige den Kopf, während Reino sich auf die Unterlippe biss, um nicht zu grinsen. „Also, wer ist sie?“
 

„Ein wunderbares Mädchen!“, erklärte Yashiro träumerisch. „Eine Irin, die mit ihren Freunden in demselben Hotel Urlaub gemacht hat, wie wir. Rote Haare, Sommersprossen, grüne Augen und das liebenswürdigste Lächeln, dass du je gesehen hast. Wirklich zu schade, dass die Ferien so schnell wieder um waren.“

Die nächste Stunde erzählte ihnen der Brillenträger in aller Ausführlichkeit von seinen Ferien, was zum Schluss zu einer Diskussion über die Psyche der Frauen führte, an die sich Reino, nach kurzen Anfängerschwierigkeiten, lebhaft beteiligte.

Das Ergebnis war, dass er, ohne es zu merken, von Ren und Yashiro in ihren kleinen Freundeskreis aufgenommen wurde und das war etwas, von dem die meisten ihrer Mitschüler nur träumten.
 

Schließlich warf Ren einen Blick auf seine Armbanduhr. „Oh, es ist Zeit fürs Abendessen, lasst uns runter gehen.“

Plaudernd machten sie sich auf den Weg in den Speisesaal.
 

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Reino fiel sofort auf, dass sich Sho wieder an denselben Tisch wie Kuu gesetzt hatte und mit diesem plauderte. Allerdings ließ er dabei seinen Blick immer wieder zum Gang schweifen, um wahrscheinlich nach ihm Ausschau zu halten. Als er ihn bemerkte, hellte sich seine Miene auf, um sich gleich darauf wieder zu verdunkeln, sobald er Ren entdeckte.

Der Neue runzelte die Stirn. Zwar hatte er bemerkt, dass weder Sho noch Ren von dem jeweils anderen besonders angetan waren, doch offensichtlich steckte mehr dahinter, als er bisher angenommen hatte.
 

Das zweite, was ihm auffiel war, dass über den Tag einige Jungen zurückgekehrt waren, da der Saal um einiges voller als bei den vorherigen Mahlzeiten war. Etwas störte ihn allerdings: Alle starrten ihn an.

Yashiro gluckste, als er seinen Gesichtsausdruck bemerkte. „Sie sind überrascht, dass du mit mir und Ren hereingekommen bist“, erklärte er flüsternd und schob ihm zum kalten Buffet, den die Essensausgeberin mit Argusaugen bewachte. „Normalerweise sind wir eher unter uns.“

„Und warum macht ihr bei mir eine Ausnahme?“, fragte Reino leise und beobachtete, wie Ren ungerührt Reis in eine kleine Schüssel schaufelte..

„Ganz einfach“, erwiderte Yashiro schmunzelnd, „weil Ren es so entschieden hat. Nimm dir lieber keinen Sushi, der hat manchmal einen seltsamen Nachgeschmack.“
 

Nachdem sie sich bedient hatten, gingen sie gemeinsam auf Shos und Kuus Tisch zu, da dort als einziges noch genug Plätze frei waren. Reino ließ sich neben seinem ersten Freund in dieser Schule nieder, der ihm ein breites Grinsen schenkte und dann nachdenklich Ren ansah, der sich dem Neuen gegenüber niederließ. Yashiro nahm neben ihm Platz.

„Ren, Yukihito, wie schön, dass ihr wieder da seid“, begrüßte Kuu die beiden fröhlich. „Wie ich sehe, habt ihr unseren Neuzugang bereits kennen gelernt.“

„Das haben wir tatsächlich, Kuu-san“, entgegnete Yashiro gut gelaunt. „Dieses Schuljahr verspricht interessant zu werden.“

„In der Tat“, bestätigte Kuu. „Ich hatte heute übrigens eine kleine Unterhaltung mit Shoko-san“, fuhr er an Reino gewandt fort. „Sie möchte unbedingt, dass du dich an ihrem kleinen Orchester beteiligst. Ihr größter Traum ist es nämlich Merry Christmas, Mr. Lawrence aufzuführen, aber bisher hat sie nie einen geeigneten Pianisten gefunden.“
 

Reino blinzelte. „Sie denkt, dass ich dafür geeignet wäre?“

„Natürlich bist du das!“, rief Sho begeistert. „So, wie du gestern gespielt hast, könnte das niemand! Selbst Mogami-sama war begeistert, obwohl sie nicht so leicht zu beeindrucken ist.“

„Kyoko-chan war über dein Spiel begeistert?“, hakte Yashiro überrascht nach. Auch Ren sah Reino verblüfft an.

„Ja, war sie!“, versicherte ihnen Sho. „Sie meinte, sein musikalisches Talent wäre bemerkenswert und dass er das Stück so gespielt hat, wie du, Tsuruga-sempai, es niemals hin bekommen würdest.“

„Tatsächlich?“, fragte Yashiro blinzelnd zur selben Zeit, wie Ren „interessant“ murmelte und Reino weiterhin nachdenklich musterte.

„Ach, ihr übertreibt doch alle“, sagte dieser und fuhr sich verlegen durchs Haar. „Ich bin nur ein junger Pianist, der noch viel üben muss, nichts weiter.“
 

„Genauso ist es“, pflichtete ihm Kuu bei, bevor Sho, der seinen Mund bereits geöffnet hatte, etwas erwidern konnte. „Es ist die Übung, die den Meister macht. Und zwar in allen Dingen.“

„Besonders in den wichtigen Dingen des Lebens“, hörte sie einen Jungen am Nachbartisch murmeln.

„Mit denen Kuu-san sich auskennt“, sagte ein anderer.

Der ganze Saal brach in schallendes Gelächter aus, während der Lehrer glucksend den Kopf schüttelte und Haruka-san, der Essensausgeberin zuzwinkerte, der man das „Die Jugend heutzutage“ förmlich ansehen konnte.
 

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Die erste Nacht mit einer anderen Person im Zimmer. Insgeheim hatte sich Ren darüber so einige Gedanken gemacht. Wäre sein Mitbewohner jemand wie Sho, würde er nie und nimmer schlafen können, doch bei Reino machte ihm Tatsache, dass er die ganze Nacht neben ihm liegen würde, nichts aus. Im Gegenteil, das Wissen, dass der andere bei ihm sein würde, beruhigte ihn aus irgendeinen Grund ungemein.
 

Der Schwarzhaarige lag auf seinem Bett und lauschte den Zahnputzgeräuschen aus dem Badezimmer, die mit einem fröhlichen Summen untermalt waren. Unwillkürlich musste er lächeln. Der Andere schien die Musik wirklich sehr zu lieben.

Moment, warum lächelte er, nur weil jemand sang? Und warum war ihm die Gegenwart des Jungen nicht unangenehm? In der Regel ging er anderen Menschen lieber aus dem Weg. Bisher hatte er nur Yashiro als jemanden eingestuft, der ihn nicht störte, sondern eine mit unter amüsante Wirkung haben konnte.

Kanae hatte er bisher nur in seiner Gegenwart geduldet, so wie sie ihn duldete und auf Kyokos Gegenwart durfte er bedauerlicherweise nicht verzichten. Doch allen anderen Leuten ging er normalerweise aus dem Weg oder hielt sie zumindest auf einer gewissen Distanz.
 

Bei Reino war es vollkommen anders. Er hatte vom ersten Augenblick an das Gefühl, den anderen irgendwo her zu kennen, so als wären sie alte Freunde, die sich nach jahrelanger Trennung wieder sahen. Doch dies war äußerst unwahrscheinlich.Trotzdem mochte er den Blondhaarige und wollte unbedingt mehr über ihn herausfinden. Er wusste selbst nicht wieso, doch er ahnte, dass hinter dem bis jetzt fröhlich-zurückhaltenden Musiker mehr steckte, als er erahnen konnte.

Dies bestätigte zumindest ein Blick in dessen Augen, die einerseits voller Hoffnung, doch andererseits auch voller Schmerz waren. Gut, er war ein Waisenkind, das war nicht einfach und Ren hatte auch keine Ahnung, wie viel Zeit seit dem Tod von Reinos Eltern vergangen war, dennoch hatte er das Gefühl, dass es noch einen anderen Grund dafür gab – und er wollte wissen, was für einer das war.

Doch bis dahin würde es viel Arbeit werden und überhaupt galt es zuallererst diese Nacht zu überstehen.
 

In diesem Moment kam Reino aus dem Badezimmer. Er trug eine dunkle Schlafhose und ein weißes T-Shirt. Darunter erahnte Ren einen dünnen, untrainierten Körper. Wahrscheinlich war der Blondhaarige kein Fan von sportlichen Aktivitäten.

„Soll ich das Licht ausmachen?“, fragte er lächelnd.

„Klar“, entgegnete Ren und beobachtete, wie der Blondhaarige zum Lichtschalter ging und das Licht löschte. Danach huschte er in sein Bett und versteckte sich unter seiner Bettdecke.

„Gute Nacht“, flüsterte er.

„Gute Nacht“, entgegnete Ren. „Reino-kun.“
 

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Am Sonntag fand Reino eines der Dinge heraus, die Ren ausmachten: Er war katholisch erzogen wurden und ging jede Woche mit ein paar anderen Schülern in die Kirche.

„Der Glaube ist ihm sehr wichtig“, erklärte Yashiro, während sie zum Gemeinschaftshaus liefen. „Selbst im tiefsten Winter, wenn die Straßen zugeschneit und im Grunde unpassierbar sind, macht er sich zu Fuß auf den Weg in die Stadt, um am Gottesdienst teilzunehmen. Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen, aber es ist seine Sache.“

„Ich hätte nicht gedacht, dass er ein Christ ist“, teilte ihm Reino nachdenklich mit. „Bei Volljapanern ist der Glaube nun wirklich nicht so weit verbreitet.“

„Oh, aber Ren ist nur zu einem Viertel Japaner. Sein Vater ist Halbjapaner und seine Mutter kommt aus Europa. Deshalb ist es keineswegs merkwürdig. Wo willst du eigentlich hin?“, fragte der Brillenträger neugierig und spähte zu dem Notenbuch hinüber, das der andere mit sich trug.
 

„In das Zimmer mit dem Flügel“, erwiderte Reino lächelnd. „Shoko-san meinte, ich dürfte jederzeit hinein.“

„Du willst also ein bisschen üben?“, hakte Yashiro nach.

„Ja, bisher hatte ich nur selten die Gelegenheit auf einem so tollen Instrument zu spielen.“

„Nun, dann viel Spaß dabei. Ich gehe in unsere hauseigene Schwimmhalle und versuche, acht Bahnen zu schaffen.“

„Okay, bis später!“

Die Jungen trennten sich und Reino stieg zum Musikraum hinauf.
 

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„Ah, Ren, wie schön, dass du wieder da bist.“

Der Dunkelhaarige schreckte aus seiner Gebetshaltung auf und drehte sich zu dem Mann um, der ihn angesprochen hatte. Dabei handelte es sich um einen Mann mittleren Alters, dessen schwarzes Haar bereits von einigen grauen Strähnen durchzogen war. Er war in eine weiße Robe gekleidet, wie sie bei katholischen Priestern üblich war und lächelte freundlich.

„Pater“, begrüßte Ren ihn ebenfalls lächelnd. „Ich freue mich auch, wieder hier zu sein.“
 

„Hast du etwas Zeit, mein Sohn?“, fragte der Priester. „Ich hätte da etwas für dich.“

Der Junge erhob sich blinzelnd und folgte dem Mann aus dem Gotteshaus in ein Nebengebäude, wo sich unter anderen die Verwaltung der kleinen Gemeinde befand. Da das Christentum in Japan eine große Minderheit darstellte, waren alle Gemeinden relativ klein und die meisten Kirchen waren ohnehin nur in Großstädten wie Tokyo oder Osaka zu finden. Deshalb war es für Ren eine erfreuliche Überraschung gewesen, als er bei seinem ersten Ausflug in die Stadt eine Kirche entdeckt hatte, wo damals tatsächlich ein Gottesdienst stattgefunden hatte, den auch einige seiner Mitschüler besuchten.
 

Der Priester hatte ihn damals mit offenen Armen empfangen und war immer bereit, sich mit ihm über Gott und die Welt zu unterhalten. Deshalb kam es oft vor, dass er den ganzen Sonntag über in der Stadt bleiben konnte, was sowohl Kyoko, als auch Kanae des Öfteren in den Wahnsinn trieb. Beim Gedanken an die Beiden musste er unwillkürlich schmunzeln. Er war schon sehr gespannt, wie die beste Freundin seiner Verlobten ihn dieses Mal begrüßen würde, wenn sie sich das erste Mal über den Weg liefen.
 

„Wie geht es dir?“, fragte der Priester, als sie in dessen Büro angekommen waren. „Waren deine Ferien angenehm? Du bist nach Hause gefahren, nicht wahr?“

„Ja, Pater, das bin ich“, entgegnete Ren und beobachtete neugierig, wie der Ältere in einer Schublade seines Schreibtischs zu wühlen begann. „Mit geht es soweit gut, vielen Dank der Nachfrage.“
 

Das Büro war ein kleiner Raum, der nur die nötigsten Möbel besaß. An den weißen Wänden konnte man eingerahmte Fotos von Gemeindeausflüge oder wichtigen Festen erkennen und auf den Fensterbänken wuchsen ein paar Pflanzen der Sonne entgegen.

Ren mochte diese Einfachheit, sie bildete einen guten Kontrast zu seinem Zuhause.
 

„Ah! Hier ist es ja!“, rief der Ältere erfreut und zog einen Rosenkranz hervor, den er zugleich Ren in die Hand drückte.

„Für mich?“, fragte der Jüngere überrascht und der Priester nickte.

„Ich weiß doch, dass deiner bedauerlicherweise verloren gegangen ist und wie ich deine Eltern kenne, werden sie dir keinen neuen zukommen lassen, deshalb schenke ich dir diesen.“

„Vi... vielen Dank, Pater“, erwiderte Ren sichtlich bewegt und der Ältere lachte.

„Keine Ursache. Aber achte gut auf ihn, mein Sohn.“

„Selbstverständlich.“
 

Der Rosenkranz war etwas länger, als sein Alter und besaß schwarze und weiße Perlen, die zu einer Kette aufgereiht waren. Ein römisches Kreuz hing an dessen Ende. Dieser Gegenstand war auf jeden Fall schöner, als der Alte.

Seine Miene verdüsterte sich, als er sich an seinen Verlust erinnerte. Da hatte er einmal vergessen, abzuschließen und dann war er nicht mehr da. Ab sofort würde er sich nicht mehr davon trennen.
 

„Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?“, fragte der Priester und beobachtete seinen Schützling mit wachem Interesse. „Ich hörte, du hättest einen Mitbewohner bekommen?“

Ren steckte den Rosenkranz weg und setzte sich auf einen Stuhl, den der Andere ihm anbot. „Ja das stimmt. Sein Name ist Reino Lawliet. Er ist ein Waise und scheint ein ziemlich guter Pianist zu sein.“

„Scheint?“, wiederholte der Ältere mit hochgezogenen Brauen.

„Ich habe ihn bisher noch nicht selbst spielen hören, doch Fuwa-kun hat ihn gestern beim Abendessen mit den höchsten Tönen gelobt.“

„Ren“, sagte der Pater vorwurfsvoll. „Du weißt doch, dass du nicht so abfällig über deine Brüder und Schwestern reden sollst.“

„Entschuldigt, Pater, doch leider bin auch ich nur ein Mensch mit allen Vorurteilen und Fehlern, die uns zu Teil werden.“
 

„Natürlich. Wie ist dein bisheriger Eindruck von Reino?“

Der Jüngere lächelte. „Er scheint sehr nett zu sein. Ich denke, wir werden gut miteinander auskommen.“

„Das freut mich“, versicherte ihm der Priester. „Es ist schön, dass du einen neuen Freund gefunden hast. Und widersprich mir jetzt nicht. Du weißt, dass ich Recht habe. Doch offensichtlich scheint auch Fuwa-kun Interesse an ihm zu haben, das heißt, wenn Reino sich bereits mit diesem angefreundet hat, musst du das akzeptieren.“

„Aber das tue ich doch, Pater!“

„Oh, davon bin ich überzeugt. Ich wollte es nur noch einmal verdeutlichen.“
 

Sie plauderten noch eine Weile, dann verabschiedete sich der Jüngere und kehrte in die Schule zurück.

Der Priester beobachtete von seinem Fenster aus, wie Ren in Richtung Bushaltestelle davonging.

„Lawliet“, murmelte er. „Es ist lange her.“

Er fragte sich, wann der Junge vorbei schauen würde. Doch solange würde er warten müssen und hoffen, dass nicht das geschehen würde, was er im tiefsten Inneren bereits ahnte.

Leider würden seine Hoffnungen nicht erfüllt werden.
 

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Herzlichen Glückwunsch!

Ihr habt es durch das zweite Kapitel geschafft. Man, habe ich für dieses Kapitel viel Recherche Zeit gebraucht... ich hätte nie gedacht, wie wenig ich eigentlich über die katholische Kirche wusste, bevor ich mich für den lieben Pater damit beschäftigt hatte... allerdings kommt in diesem Kapitel nur ein kleiner Bruchteil der Informationen rein, die ich gesammelt habe... mal sehen, ob ich sie in Zukunft noch verarbeiten werde. (Jaja, bei mir werdet ihr gebildet.)

Falls jemand von euch katholisch sein sollte, wäre es nett, wenn diese Person sich meldet und mir sagt, ob ich Unsinn geschrieben habe. XD

Außerdem hätte ich da noch ein paar kleine Fragen, die geklärt werden müssten...

Wie dem auch sei, ich bedanke mich an dieser Stelle noch schnell bei Redis, Kyoko-Hizuri, Susilein, Angel-of-innocence und Sia-chan für ihre lieben Kommentare zum letzten Kapitel.

Nun denn, ich wünsche euch noch ein schönes WE!

Bis zum nächsten Kapitel,

eure Ayako
 

P.s.: Verbesserungsvorschläge, Lobs, Anmerkungen, Ideen, Morddrohungen oder was auch immer euch auffällt sind jederzeit willkommen, allerdings nicht zwingend notwendig. ^.~



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2009-09-07T19:52:19+00:00 07.09.2009 21:52
Nich schlecht,nich schlecht...*grins*
Will mehr...^^
Der Pater kennt also Reino...
Erstaunlich das Reino von Ren so schnell aktzeptiert wurde,obwohl es scheint,das dieser eher Menschenscheu is...
Und ren hat ja auch das gefühl, das er Reino kennen würde...
Tja da wart ich eben noch ein Weilchen und hoffe,das meine Fragen bald beantwortet werden...*lach*
Bis demnächst...
Gruß Angel ^^


Von:  Susilein
2009-09-07T15:57:09+00:00 07.09.2009 17:57
Das Kap warnicht schlecht
war mal interessant zu sehn wie sich kyoko und Ren alleine benemen. XD hachja *lol* lustig^^

Reino und Ren.. sind sie schon verknallt? ;) hoffendlich *-*

weiter so^^

Susi


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