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Flatmates

von

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Black Coffee II or How I Told My Parents

Stille. Es herrscht absolute Stimme, in der ein winziger Regentropfen das Ausmaß eines Orkans erreichen könnte, in der man ein Wispern wie einen Schrei vernehmen würde. Es herrscht eine Stille, in der ich vermeine, meine eigenen Muskeln zucken zu hören, in der mein Schlucken lauter als das eigentliche Schlagen meines Herzens zu sein scheint. Ein Schweigen, in der man den Schweiß am eigenen Leib entlangkriechen hört. Ein Schweigen, das von Klaras Schluchzen zerrissen wird.
 

Die Augen von Herr Winter, düsterer als sie am Anfang erschienen, bohren sich in die ebenso dunklen seines Sohnes. Sein Kehlkopf bewegt sich unmerklich, als er schluckt. Und dann schüttelt er seinen Kopf und schnaubt halb belustigt, halb erzürnt.
 

„Das ist doch jetzt ein schlechter Scherz“, spricht er dann aus und seine Frau rückt auf ihrem Sessel, sichtlich nervös, zurecht; starrt Jannik ebenso erwartend, wie durcheinander an. Es dauert einige Sekunden, die mir eher wie Minuten erscheinen, bis mein Freund antwortet.
 

„Nein. Ist es nicht“, verkündet er mit bebender Stimme, doch er bleibt dem Blick seines Vaters standhaft. Ich denke in diesem Moment einfach nicht nach, sondern lege meine Hand auf sein Knie, drücke etwas zu, will ihm somit Mut zusprechen. Jannik zuckt im ersten Augenblick ein wenig auf, so als hätte ich ihn erschreckt, als hätte er diesen Zug nicht erwartet und ich habe ein wenig Bedenken und Angst, dass er mir diesen Körperkontakt unterbinden will; doch dann legt er umgehend seine Hand auf die meinige, hält sie fest. Im selben Moment höre ich Janniks Mutter aufkeuchen, so etwas wie „Oh, mein Gott“, murmeln. Ihre Stimme ist gedämpft durch die eigene Hand, die sie sich vor ihren geschminkten Mund hält.
 

„Das... Das ist doch wohl jetzt ein schlechter Scherz!“, wiederholt Janniks Vater unweigerlich lauter und aggressiver. Seine Augen zucken, wandern von der Hand, zu seinem Sohn, dann zu meinem Gesicht. „Jannik!“, zischt er erzürnt.
 

Mein Freund schluckt, wagt es nicht, seine Mutter anzusehen. Auch Julia hält ihren Blick starr auf unsere verschränkten Finger gerichtet und hält sich, so scheint es, die Ohren zu. Vielleicht wispert sie sich innerlich auch eine Art Mantra zu und versucht sich auf diese Weise zu beruhigen. Ich habe sie in diesen vier Wochen noch so erlebt.
 

„Er hat es doch schon gesagt“, sage ich also ruhig und dennoch bestimmt und schrecke selber fast zurück, als die beinahe völlig schwarzen Augen das strengen Familienvaters auf mir zur Ruhe kommen.
 

Sie halten sich da raus, Herr Sadritzki!“, speit er und seine Stimme überschlägt sich beinahe. „Sie haben damit nichts zu tun!“
 

Bitte? Ich als Janniks fester Freund, als sein erster Freund, mit dem er seit drei Jahren zusammen ist und zusammen wohnt, habe nichts damit zu tun?! All das liegt mir auf der Zunge, doch Janniks fester zudrückende Hand signalisiert mir, dass ich mich zurückhalten sollte. Und ich versuche es.
 

„Sag es uns nochmal ins Gesicht“, bringt Herr Winter verkrampft in die Richtung seines Sohnes heraus. Klara schluchzt erneut und versucht schon gar nicht mehr, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Ihre Schwester kaut mittlerweile völlig nervös auf ihren eigenen Haaren herum. Normalerweise wäre das ein lachhafter Anblick, doch momentan spiegelt er die Lage auf eine skurril-bedrückende Art wider.
 

Jannik schließt die Augen kurz, blinzelt dann. Es wirkt, als sammle er Kraft, gedanklich, physisch, aus der Luft ziehend. Er visiert seinen Vater an, und all seine Selbstsicherheit schwindet. Aus seinen Augen, seinen Gliedern, seiner Stimme. Diese bebt, er ist leicht heiser und er muss schlucken bevor er es noch einmal wagt, sein Geheimnis vor seiner gesamten Familie auszusprechen. „Ich... bin schwul.“
 

„Seit wann?!“, platzt es direkt aus seinem Vater.
 

„Seit... immer... denke ich...“, entgegnet sein Sohn mehr unsicher als alles andere.
 

„Papperlapapp!“, schneidet Herr Winter ihm barsch das Wort ab. „Und jetzt lass endlich die Hand deines Mitbewohners los! Das kann ich ja gar nicht mit ansehen!“
 

„Ich bin sein Freund, Herr Winter. Sein fester!“, sage ich kühl und wieder blitzt er mich an, hebt seinen Finger, deutet auf.
 

„Sie halten sich da raus, Herr Sadritzki, verstanden?!“, herrscht er mich an und ich zucke unmerklich zusammen.
 

„Seit wann?!“, wiederholt er seine Frage an seinen Sohn noch lauter als vorher.
 

„Seit immer, Mann!“, schreit Jannik plötzlich zurück und erneut zucke ich auf. Ich bin einfach nicht daran gewohnt, meinen Freund so aufgebracht zu erleben. Es macht mir Angst...
 

Und dann scheint Janniks Vater den Faden zu verlieren. Sein Blick wandert ziellos über den Kaffeetisch, zu unseren immer noch verschränkten Händen, denn Jannik drückt fester zu anstatt loszulassen; zu seinen Töchtern, die ihn mittlerweile beide völlig verstört und ängstlich ansehen. Julias forsche, freche Art ist wie weggefegt. Und ich kann sie sehr gut verstehen. Ich hätte auch Angst vor so einem Vater...
 

Dieser blickt nun wieder seinen Sohn an. Und schüttelt resigniert den Kopf. „Ich fasse nicht, dass du uns das antust...“, bringt er dann ruhig und bedrückt heraus, während er sich erhebt. „Wir gehen!“, verkündet er in Richtung seiner Familie und alle stehen gleichzeitig auf. Ich merke, dass auch Thomas Angst vor ihm hat und Klara eiligst aus dem Raum manövriert. Julia will noch etwas zu uns sagen, doch Herr Winter fährt sie an: „Jetzt komm schon, Julia! Wir haben hier nichts verloren. Wir fahren nach Hause!“
 

Schnell noch wirft sie uns einen vielsagenden Blick zu und lächelt so traurig, wie ich sie noch nie habe in diesen vier Wochen lächeln sehen. Und dann huscht auch sie aus dem Zimmer, folgt dem Beispiel ihrer Schwester und Mutter. Diese hat ihren Sohn nicht mehr angesehen, ist mit einer vom Schock gezeichneter Miene davongegangen; ich meine sie schon die Treppenstufen hinabsteigen zu hören.
 

Jannik bewegt sich nicht. Ganz vorsichtig löse ich mich von ihm, erhebe mich und trotte mit in den Flur, ich will fragen, ob ich bei den Taschen helfen kann, doch Thomas und Herr Winter haben sich bereits alles geschnappt und befinden sich schon im Hausflur. Sie verabschieden sich nicht und ich sage auch nichts mehr, schließe einfach die Tür und merke erst in diesem Moment, wie heftig ich eigentlich zittere. Wie bitter der Geschmack auf meiner Zunge ist. Wie wütend und zugleich schockiert ich bin, welch Trauer mich erfasst, welch Angst immer noch durch meinen Körper jagt.
 

Welch schlechtes Gewissen mich plagt.
 

Jetzt weiß ich ganz genau, wovor Jannik Angst hatte.

Jetzt erst kann ich den Satz „Ich möchte meine Familie nicht zerstören“ verstehen.

Jetzt endlich begreife ich, wie schrecklich es ist, wenn sich die Familie von einem abwendet, keine Akzeptanz zeigt, nicht einmal von Toleranz sprechen kann.
 

Ich gehe zurück ins Wohnzimmer. Mein Freund sitzt immer noch auf dem Klappstuhl. Seine Hände bedecken sein hübsches Gesicht. Er ist ganz still. Nur vorsichtig nähere ich mich ihm und nehme erneut neben ihm Platz. Eine ganze Weile sage ich einfach gar nichts, denn ich finde nicht nur, dass schweigen nun angebracht ist, nein, mir fehlen einfach die richtigen Worte.
 

Erst nach einiger Zeit wage ich es meine Hand wieder auf sein Knie wandern zu lassen und erschrecke, als Jannik diese wild weg schlägt und sich mit einem so heftigen Ruck erhebt, dass der Klappstuhl beinahe einen Meter nach hinten fliegt und geräuschvoll gegen das Regal prallt. Jannik stampft durch das Zimmer, rauft sich regelrecht seine Haare.
 

„Was… Was hast du?“, entfährt es mir, während meine Augen ihm folgen, doch er sieht mich nicht an. Panik steigt in den kommenden Sekunden in mir auf, ich halte es auf dem Stuhl nicht mehr aus, als ich keine Antwort bekomme. Ich nähere mich ihm, will ihn anfassen, doch bevor meine Hand seine Schulter berühren kann, blitzt er mich mit seinen dunklen Kristallen an und – schubst mich einfach weg. Nur einen einzigen Schritt stolpere ich nach hinten, doch dieser ist genug, um mir eine Heidenangst einzujagen, mein Herz zu einem schmerzvollen Schlagen zu bringen.
 

Jannik starrt mich mit einem so verletzenden Blick an. Ich schlucke und fühle mich ebenso beschissen wie nach dem Ostseewochenende. Wie an dem Tag, als Raphael hier war und mich vor Julia und Klara „geoutet“ hat. Nein. Eigentlich noch viel, viel schlimmer.
 

Das furchtbare ist, dass mein Freund nichts sagt. Dass er mich einfach nur ansieht. Mit diesem vernichtenden Blick, diesen dunklen Augen, diesem angespannten Gesichtsausdruck, den ich in den letzten vier Wochen zu oft gesehen habe. Und ich möchte mich nicht daran gewöhnen!
 

„Jannik?“, frage ich heiser nach, doch er rauscht an mir vorbei. Ich halte ihn an seinem Arm fest. Und bringe ihn damit scheinbar völlig zur Weißglut.
 

Lass mich jetzt einfach, OK?!“, faucht er. Nein. Er schreit. Nein. Er brüllt es regelrecht und reißt sich so energisch von mir los, dass ich gegen das Sofa stolpere und beinahe mein Gleichgewicht verliere. Ich schlucke, bin unruhig, verschreckt. Und dann wird es noch viel, viel schlimmer.
 

„So eine Scheiße!“, flucht Jannik und tobt an mit vorbei, schmeißt auch den zweiten Klappstuhl um, der daraufhin in Windeseile klappernd zu Boden saust. Aber bei diesem Möbelstück bleibt es nicht. Deutlich kann ich vernehmen, wie mein Freund unsere Garderobe im Flur regelrecht auseinander nimmt und Dinge von der kleinen Kommode fegt, die nacheinander auf dem Boden aufprallen. „Scheiße!“, flucht er weiterhin.
 

Ich höre, wie er die Tür zum Arbeitszimmer aufreißt und dort ebenso aufgebracht wütet. Ich bin nicht nur verletzt, ich habe regelrecht Schiss. Es ist Jannik, mein Jannik, der stille, nachdenkliche, ruhige Mann, der hier durch unsere Wohnung tobt wie ein Wilder. Der aggressiv ist und dabei ist, unser Heim auseinander zu nehmen. Wie in einem schlechten Film, oder einer total lächerlichen Reality TV-Sendereihe.
 

Der feine Unterschied besteht darin, dass auch Reality TV Sendungen zum Teil fingiert sind. Bei uns aber spielt sich das wahre Leben ab, ohne Inszenierungen, ohne Täuschungen und ohne geplantes Ende. Dieses ist nämlich nicht einmal annähernd in Sicht.
 

Ich zittere immer noch, wage es nicht, mich zu bewegen, habe Angst in Janniks „Schusslinie“ geraten zu können. Und allein die Tatsache, dass ich solche Gedanken in meinem Innern äußere, treiben mich an den Rand meines Verstandes und stoßen mich fast hinab in den Wahnsinn. Ich halte die Luft an, als er plötzlich wieder im Wohnzimmer auftaucht. Ich kann meine Augen nicht von ihm wenden, auch wenn der Anblick seines vor Wut und Verzweiflung verzerrtem Gesicht schrecklich weh tut.
 

„Was?!“, faucht er. „Bist du jetzt zufrieden, Roman?!?!“, schreit er weiter und kommt mir bedrohlich näher. Ich wünsche mir immer noch, dass wir in einem schlechten Film wären und der imaginäre Regisseur gleich „Cut!“, rufen könnte. Doch das passiert nicht. Stattdessen baut Jannik sich vor mir auf. Er ist mir so nahe, dass ich seinen Atem auf meiner Haut fast schon spüren kann. Erschreckt muss ich feststellen, dass mein Freund so wirkt, als wolle er mir gleich eine runter hauen. Doch dies geschieht nicht. Stattdessen brüllt er: „BIST DU ZUFRIEDEN, ROMAN?!??!“
 

Was ist mit dem gesamten „Ich will dich nicht verlieren“? Hat der durch Niklas verursachte Arschtritt seine Wirkung verloren? Was ist mit dem „Ich liebe dich“. Wo ist das „Ich hatte Angst, du würdest gehen?“

Wo ist all das hin?

Wieso... Wieso schreit er mich wieder an? Wieso befinden wir uns wieder auf der Fahrt bergab? WIESO?!
 

Ich stürze an ihm vorbei, renne aus dem Wohnzimmer und schließe mich im Bad ein. Das ist der erste Raum, der mir einfach einfällt. Der einzige, mit einem Schlüssel. Die Tränen bedecken bereits mein Gesicht, ich schluchze laut und ich besitze einfach nicht die Kraft, all diese Empfindungen zurückzuhalten.
 

Hustend, schluckend und schluchzend sinke ich auf den Boden, lehne mich gegen die kalte Fliesenwand und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Schlimme Gedanken überkommen mich in diesen Momenten.

War es das?

Haben wir keine Chance mehr?

Hat diese Offenbarung vor seinen Eltern uns einen Dolchstoß verpasst?

Hat es unsere Liebe getötet?

Waren diese vier Wochen einfach zu viel?
 

Mein Hals tut bereits weh vom weinen und ich wünschte, ich hätte keine Tränen mehr. Aber Irene scheint einfach immer wieder große Eimer der Flüssigkeit in meine Augen zu gießen und lacht zynisch dabei, versucht immer wieder, mir ihre Wut aufzudrängen. Teilweise gelingt es. Doch dieser Schwung des Zorns wird kontinuierlich von der Trauen überrannt.
 

„Scheiße“, fluche auch ich nun in einem erbärmlichen Ton, völlig verweint, mit roten Augen. Und mein Heulen geht weiter. Weil diese Realisation, dass es vorbei sein könnte, einfach zu heftig ist.
 

Ich weiß nicht, wie viel Zeit genau vergeht. Es dauert definitiv länger als eine halbe Stunde bis ich aufhöre zu weinen und sich endlich Stille im Badezimmer breit macht. Ich fange an zu horchen, will ausmachen, ob mein Freund noch immer in der Wohnung tobt. Doch ich kann keinen einzigen Ton mehr vernehmen. Eine Tatsache, die meine Laune dennoch nicht wirklich hebt, denn diese Angst ist immer noch präsent. Zudem befürchte ich, dass er erneut weggegangen ist, das Haus verlassen hat. Dass ich ihn abermals nicht auf seinem Handy erreichen werde. Dass... Keine Ahnung.
 

Erst jetzt kommt sie so richtig.

Diese Wut.

Irene hat gewonnen.
 

Während ich so auf dem Boden unseres Bades hocke, frage ich mich langsam: WAS SOLL DAS?

Wieso ist er jetzt sauer auf MICH, wenn ICH es nicht einmal war, der die Situation zum eskalieren gebracht hat?!

War es nicht Julia, die sich mit ihrem Vater gezofft hat? War es nicht Klara, die zusammengebrochen ist und diese Bürde nicht mehr tragen konnte? War es nicht Jannik selbst, der die Worte ausgesprochen hat?
 

Ja, aber war nicht ICH es, der letztendlich dazu geführt hat, dass Klara unter solch einem Druck nachgegeben hat? Und war nicht ich es, der Julia auf unsere Seite geschlagen hat, sodass sie sich nun mehr als genötigt fühlte, ihren Bruder in Schutz zu nehmen? Und habe nicht ich dazu geführt, dass Jannik sich mit dem Gedanken, es seinen Eltern zu sagen, letztendlich auseinandergesetzt hat. Wegen mir?
 

Langgezogen lasse ich meinen Atem aus meiner Lunge.
 

Ich fühle mich wie betäubt. Zu viele Gedanken rasen durch meinen Kopf und ich weiß einfach nicht, was ich denken soll und wer nun eigentlich wirklich Schuld an dieser Misere ist. Wahrscheinlich wir alle ein bisschen. Wir alle. Vor allem ich.
 

Ich wünschte, ich wäre für diese vier Wochen einfach zu meinen Eltern gezogen. Wieso bin ich erst so spät auf diese Lösung gekommen, jetzt, da wir eine völlig andere benötigen.

Naja, vielleicht muss ich ja auch bald wieder zu meinen Eltern ziehen, wenn Jannik und ich uns trennen und...
 

Erneut sammeln sich die Tränen in meinen Augen.

Ich will mir kein Leben ohne Jannik vorstellen!

NEIN NEIN NEIN!
 

Ich kann schon wieder nichts dagegen tun. Die dicken Tränen kullern über meine Wangen und ich wimmere regelrecht, schlinge meine Arme um meine Beine und fange an, mich hin und her zu wiegen. Als ob mich das irgendwie beruhigen könnte... Ich schrecke auf, als es plötzlich an der Badezimmertür klopft, halte die Luft an. Es klopft erneut und ich schlucke.
 

„Roman...“, ertönt die sanfte Stimme meines Freundes. „Mach mal bitte auf.“
 

Ich schließe meine Augen ganz fest, und versuche mein Schluchzen zurückzuhalten. Er wird mir jetzt sagen, dass wir eine Auszeit brauchen. Dass er... Dass er es mit mir nicht mehr aushalten kann. So etwas liegt in der Luft. Ich kann es mit jedem meiner Atemzug spüren. Ich weiß es.
 

Es gelingt mir nicht, überhaupt irgendetwas zurückzuhalten und ein Wimmern entfährt meinem Mund. Ich vergrabe mein Gesicht erneut in meinen Händen und beiße mir auf die Zunge, so sehr, dass es schmerzt, doch auch das hält mein Weinen nicht zurück.
 

Jannik wird mit mir Schluss machen.
 

„Mach jetzt doch bitte die Tür auf...“, kommt es etwas lauter von Außen, doch ich rege mich nicht, halte meine Augen noch immer geschlosssen.
 

Schatz, jetzt mach die Tür auf!“, ruft Jannik erneut und pocht laut dagegen. Ich kann nichts anderes tun, als erneut zu schluchzen.
 

„Wenn du nicht gleich diese Tür aufmachst, dann breche ich das Scheißding auf!“, schreit er nun laut und seine aufgebrachte, so kalte Stimme, jagt mir einen eisigen Schauer über meinen Rücken, lässt mein Herz schmerzvoll aufpochen. Meine Halsschmerzen werden immer schlimmer, meine Nase läuft.
 

Und dann springe ich beinahe komplett auf, als die Tür mit voller Kraft aufspringt und dass Schloss mit Krach zu Boden fällt. Etwas Holz ist zersplittert und Jannik hat sich über mir aufgebaut. Ich kann nicht reagieren, schon greifen seine Hände nach mir und ziehen mich hoch, ziehen mich... an seine Brust. Er drückt mich so fest an sich, dass ich vergesse zu atmen. Seine Arme sind um meinen Rücken geschlungen, er krault mich mit seinen Fingern.
 

„Scheiße, Roman... Es tut mir so leid...“, wispert er brüchig. „Es tut mir so scheiße... leid...“, die letzten Worte gehen beinahe unter, als seine Stimme anfängt zu versagen und er anfängt zu zittern. Als mein Freund ebenso wie ich anfängt zu weinen. Er drückt seinen Kopf an meine Schulter.
 

Ich bin schockiert. Überrascht. Und fühle mich völlig überrannt von meinen eigenen Gefühlen.
 

Das ist das erste Mal, dass ich Jannik weinen sehe...
 

Und plötzlich weiß ich gar nicht mehr, was ich denken soll. Zwei gigantische, emotionale Wellen prallen in meinem Innern aufeinander und überlappen sich, vermengen sich zu einem Gebräu, dessen Geschmack und Auswirkung ich einfach nicht abschätzen kann. Kälte und Wärme scheinen sich zu einem lauwarmen Gefühl zu vermischen, Wut und Zufriedenheit ziehen aneinander vorbei, Ruhe und Aufregung stehen sich gegenüber.
 

Ich schluchze erneut und schlinge meine Arme nun auch endlich um meinen Freund. Ich lasse die letzten Tränen heraus. „Bitte mach nicht mit mir Schluss“, bringe ich wimmernd heraus und kralle mich in seinem Shirt fest, ein wenig wie eine kleine Katze. Janniks Hände streichen durch mein Haar und er küsst mich. Lange, intensiv, fast schon ein wenig verzweifelt.
 

Und dann blickt er mir endlich wieder in die Augen. Seine Kristalle sind immer noch gerötet und er wirkt auf einmal so zerbrechlich, so zart, jungenhaft, als er mit sanfter Stimme auf mich einredet: „Ich will nicht mit dir Schluss machen, Roman... Niemals... Ich liebe dich viel zu sehr...“
 

Eigentlich sollten mich diese Worte beruhigen. Sie sollten all die angestaute Angst hinfort fegen. Sie sollten mich mit Glück und Ruhe erfüllen. Mir ein Lächeln auf die Lippen pinseln und mich aufatmen lassen. Aber ich kann gegen diesen plötzlichen Zorn, der über mich kommt, nichts tun. Ich kann diese Anwallung dieser negativen Schwingungen nicht zurückdrängen.
 

„Warum schreist du mich dann so an und nimmst die halbe Scheißwohnung auseinander?!“, brülle ich heiser und reiße mich von ihm los, stolpere beinahe ein wenig unwürdevoll nach hinten. Jannik schaut mich traurig an, ein bisschen ratlos blickt er drein. Und ich weine schon wieder, obwohl ich mir eben sicher war, keine Tränen mehr übrig zu haben.
 

„Es tut mir leid...“, sagt er milde nach einer Weile und blickt mir aufrichtig in die Augen.
 

Ich bin völlig verwirrt. Von der gesamten Situation. Von meiner Reaktion. Von Janniks Benehmen. Von dieser scheinbar endlosen Achterbahnfahrt.
 

„Es tut mir wirklich leid, Roman. Mein Vater.... Meine Eltern...“, spricht Jannik etwas schneller und aufgebrachter. „Das macht mich fertig. Das war... Das war einfach nur schrecklich, OK?! Ich meine... Ach, Scheiße!“, japst er dann und stampft aus dem Bad. Nur eine Sekunde nachdem er den Raum verlassen hat, überkommt mich mein schlechtes Gewissen erneut. Schlagartig. Und ich laufe ihm hinterher.
 

„Jannik!“, rufe ich aus und er bleibt umgehend stehen und dreht mir seinen Kopf zu.
 

„Ich bin ein Mistkerl“, sage ich mit zitternder Stimme und schon zieht er mich wieder in seine Umarmung.
 

„Wir sind beide Mistkerle“, sagt er traurig und schmiegt sich an mich, küsst mein Haar ganz leicht. Einige Minuten vergehen, während wir uns in den Armen halten. „Es tut mir leid, dass ich so ausgerastet bin“, sagt er mit unsicherer Stimme.
 

„Ist schon OK...“, wispere. „Ich kann's irgendwie verstehen...“, füge ich hinzu und diese furchtbaren Szenen von vorhin spielen sich erneut in meinem Kopf ab. Dieser kalte Blick des Vaters, die schockierte Miene der Mutter, die Hilflosigkeit Julias, die Verzweiflung Klaras. „Es tut mir leid...“, flüstere ich, als wir uns in die Augen sehen.
 

Das Telefon klingelt.
 

„Ich geh ran“, sage ich und löse mich nur ungern von meinem Freund. Es ist Julia. Sie spricht schnell und leise.
 

„Roman, sag Jannik, dass es mir leid tut, OK? Klara geht es richtig beschissen, sie hat ein richtig schlechtes Gewissen! Wir sind grad auf'm Rastplatz- Scheiße! Ich muss auflegen!“ Klick.
 

Als ich das Gerät wieder in die Ladeschale stecke, steht Janniks direkt neben mir. „Ich hab's mitbekommen“, erklärt er sanft, bevor ich ihm diese kurze Nachricht ausrichten kann. Wortlos räumen wir den Tisch ab, rücken die von Jannik umgeworfenen Dinge wieder zurecht, stellen sie auf. Die Atmosphäre die herrscht ist furchtbar, anders kann man sie einfach nicht beschreiben.
 

Die ganze Zeit über habe ich mich auf den Moment gefreut, ab dem es nur noch wieder Jannik und mich geben würde. Dass er durch so einen fatalen Höhepunkt eingeläutet werden würde, hatte ich nicht erwartet. Da sind sie wieder. Diese Gewissensbisse. Hab ich Jannik dazu gedrängt? Vermutlich. Aber hatte er es nicht selbst als fällig befunden, es wenigstens seinen Schwestern zu sagen? Und hatte Julia nicht selber angefügt, es sei schrecklich gewesen, so lange von ihrem eigenen Bruder angelogen zu werden?
 

„Ähm“, setzt Jannik an und blickt mich leicht traurig an. „Wir sollten uns jetzt mal in Ruhe hinsetzen und reden.“ Ich schlucke. Diese Angst taucht augenblicklich wieder auf. Und mein Freund scheint sie direkt in meinen Augen lesen zu können. Bestimmt zieht er mich kurz an sich und küsst mich leicht auf die Lippen. „Reden. Nicht Schluss machen, Roman“, witzelt er vorsichtig und ich schaffe es sogar ein kleines bisschen zu grinsen.
 

Es ist Mitternacht und wir sitzen immer noch auf dem Sofa. Sprechen uns aus.
 

Ich kann mittlerweile genau verstehen, warum Jannik Angst hatte, sich vor seinen Eltern zu outen. Trotz seiner genauen Erklärung nach dem fatalen Trip an die Ostsee hatte ich es wahrscheinlich nicht richtig begreifen können. Bis zu ihrem Besuch hier. Ich werde mich vermutlich noch sehr lange an diese von Angst geprägten Augen Klaras und Julias erinnern können. An diese Kälte und Sturheit, die Janniks Vater ausgestrahlt hat. Es ist bewundernswert, dass mein Freund trotz solchen Einflusses so ein zarter Mensch geworden ist.
 

Ich habe eingesehen, dass ich meine Zickigkeit in den Griff bekommen muss und dass ich wahrscheinlich öfters meinem Alter entsprechend handeln sollte. Auch wenn Letzteres höchstwahrscheinlich schwerer durchzusetzen sein wird.
 

Jannik ist tief verletzt durch die Reaktion seiner Eltern. Vor allem aber tief getroffen von Klaras Verhalten ihm gegenüber. Mittlerweile wünscht er sich, er hätte dieses Thema schon längst angesprochen und hätte sich viel früher geoutet. Auch wenn ich nun weiß, und ihm beteuere, dass dies wahrscheinlich noch viel schwerer gewesen wäre. Ehrlich gesagt, hätte ich mich das an seiner Stelle auch nicht getraut…
 

Er entschuldigt sich, dass er mir gegenüber so kalt gewesen ist, mich weggeschubst hat und er meint, meine Reaktionen und Gefühle nachvollziehen zu können. „Ich glaube mir würde es noch viel dreckiger gehen, wenn du mir die kalte Schulter zeigen würdest...“, sagt er und streicht mir leicht verträumt über meine Wange. Ich beuge mich noch weiter vor und küsse ihn ganz vorsichtig.
 

Ich liebe diese Vertrautheit, die zwischen uns herrscht. Ich liebe seine Nähe und die Wärme, die er mir gibt. Ich möchte nicht mehr ohne diesen Mann leben.
 

Wir sind uns beide im Klaren, dass wir uns dennoch einander wieder annähern müssen. Und dass es nicht leicht sein wird, das Geschehene hinter uns zu lassen.
 

„Wir schaffen das schon“, sagt er sanft und blickt mich irgendwie versonnen an. Ich lächele und drücke ihm noch einen Kuss auf die Wange.
 

„Klar“, pflichte ich ihm bei.
 

Die Ereignisse haben mich der Kraft beraubt, sodass ich beinahe umgehend einschlafe. Die wild durcheinander piepsenden Vögel und das Rauschen der Straße wecken mich. Die Sonnenstrahlen stehlen sich durchs Fenster und es riecht leicht nach Blumen. Ich taste das Bett ab, ohne die Augen zu öffnen und muss beklemmend feststellen, dass ich alleine in die Bettwäsche verwickelt bin. Als ich aufstehe und laut nach Jannik rufe, macht sich bei der ausbleibenden Antwort ein ebenso beklemmendes Gefühl in mir breit.
 

Ich husche durch die Wohnung und finde ihn nicht. Erst als ich die Küche betrete und mein Blick auf den gedeckten Tisch fällt, beruhigt sich mein Puls wieder. An der aufgestellten Thermoskanne klebt ein gelber Post-It.
 

„Hey Schatz, lass es dir schmecken, ich bin bald zurück. Handy habe ich dabei! Ich liebe Dich, Jannik“, steht dort geschrieben. Die kurze Nachricht ist mit einem witzigen Smiley versehen und ich ertappe mich dabei, wie ich dämlich grinse. Frische Brötchen liegen in dem kleinen Körbchen vor mit und duften verführerisch. Mein Freund hat mit Nutella, Marmelade und Honig bereitgestellt. Der Kaffee dampft, als ich ihn in die Tasse gieße. Das Aroma betört mich gar schon ein wenig. Als ich mir das erste Brötchen habe schmecken lassen, greife ich zu meinem Handy und wähle Janniks Nummer. Seine Stimme ertönt umgehend.
 

„Guten Morgen, Schatz!“, grüßt er mich und ich lächele ein wenig dämlich, als ich ihm antworte.
 

„Wo bist du denn?“, frage ich ihn dann und ich kann regelrecht vor mir sehen, wie er lächelt, als er mir antwortet.
 

„Das ist ein Geheimnis. Es dauert aber glaube ich gar nicht mehr lange. Ich... Hab schon was gefunden.“
 

„Gefunden?“, hake ich interessiert nach und versuche anhand der Hintergrundgeräusche zu erraten, wo mein Freund sich gerade befinden könnte. Und was er überhaupt sucht.
 

„Ich beantworte keine Fragen, Roman“, sagt er zufrieden und gluckst leicht. „Ich bin bald da. Mach's dir auf dem Sofa einfach gemütlich. Oder geh raus, das Wetter ist toll. Warte auf dem Balkon auf mich. Ich schätze... Wir machen uns einen ruhigen Samstag?“
 

„Ja, gern“, gebe ich zurück.
 

„Okay, bis gleich!“, sagt er und legt auf.
 

Mit dem zweiten Brötchen und einer weiteren Tasse Kaffee mache ich es mir, so wie Jannik mir geraten hat, auf dem Balkon gemütlich. Es ist warm, angenehm warm. Die wenigen, winzigen Wolken am Himmel ziehen nur langsam vorbei und bedecken die Sonne nur sporadisch, nur für kurze Zeiten. Ich atme die mich erfrischende Luft genüsslich ein.
 

Ich kann immer noch nicht fassen, was alles in den letzten vier Wochen passiert ist. Mir wird immer noch total schlecht, wenn ich an so einiges denke. An dieses bedrückende Gefühl, Jannik nicht anfassen zu dürfen, ständig von ihm abgewiesen zu werden. Dann diese verräterischen, ahnenden Blicke der Schwestern, die anfänglichen Flirtversuche Julias. Dieser Streit zwischen Jannik und mir.
 

Mein dämlicher Schritt an der Ostsee.
 

Ich kann nicht fassen, dass ich mich habe von einem anderen Mann küssen lassen!

Ich bin so unheimlich sauer auf mich!

Was hatte ich mir nur dabei gedacht?

Als ich mir jetzt so ausmale, wie es wohl wäre, hätte Jannik jemanden anderen geküsst, durchfährt mich ein nerviges, schlimmes Kribbeln und meine Hand umfasst die Kaffeetasse so heftig, dass ich meine, sie könnte gleich zerspringen.

Ich wäre am Boden zerstört.
 

Ich schlucke. Und hoffe, dass Jannik mir dennoch weiterhin vertraut. Eigentlich müsste ich mich noch einmal so richtig bei ihm entschuldigen...
 

„Hey“, begrüßt er mich plötzlich und taucht direkt neben mir auf.
 

„H-hey…“, grüße ich ihn noch schnell, bevor dieser Schuft seine Lippen auf die meinigen nieder senken lässt und mich in einen sehr intensiven und warmen Kuss verwickelt. Seine Zunge streicht sanft über meine Lippen und Jannik lächelt, als wir uns voneinander lösen. Seine Augen leuchten so verführerisch, dass mir ganz warm und kribbelig wird. Erst jetzt, als mein Freund sich neben mich setzt, fällt mir das kleine Päckchen in seiner Hand auf.
 

„Was hast du da?“, frage ich ihn grinsend und seine Augen ziehen mich schon wieder in diesen seltsam aufregenden Bann.
 

„Ein kleines Geschenk. Für dich. Beziehungsweise für uns beide“, antwortet er ruhig und reicht mir dann das kleine Päckchen. Dass es Schmuck ist, weiß ich sofort, als ich das elegant wirkende, dunkelblaue Papier entferne und eine ebenso dunkle Schatulle in meiner Hand liegt. Mein Herz fängt an zu pochen, ich komme mir vor, wie in einer Hollywoodszene. Ich schaue meinen Freund nicht an, während ich sie öffne und den etwas dickeren, schlichten Silberring, der sich darin befinden, betrachte.
 

„Also…. Nicht erschrocken sein, Roman“, stammelt Jannik mit leiser Stimme und räuspert sich ganz leicht. „Das ist… Das ist jetzt kein Verlobungsring. Noch nicht…“, fügt er verträumt dazu und unsere Blicke treffen sich. Ich kann noch immer nichts sagen und mein Herz klopft mittlerweile so schnell, dass ich die Stimme meines Freundes aufgrund dieses freudigen Taktes fast nicht mehr verstehen kann. „Ich…“, sagt er und zeigt mir seine rechte Hand. An seinem Ringfinger entdecke ich denselben Ring, wie er in der Schatulle liegt. „Das ist der zweite“, erklärt er. „Und ich kann verstehen, wenn du deinen nicht sofort anlegen möchtest. Ich wollte einfach…“, mein Freund sucht nach den richtigen Worten und ich lausche gebannt. „Ich will einfach etwas haben, was mich immer an dich erinnert, egal wo ich bin. Ich will auf diesen Ring schauen und mir selber sagen können: „Roman und ich gehören zusammen“, damit ich nie wieder so eine Scheiße abziehen kann, wie in den letzten vier Wochen, OK?“
 

Er bringt diese kurze Rede nur schwer über die Lippen. Doch ich weiß, dass jedes einzelne Wort ernst gemeint ist.
 

„Steckst… Steckst du ihn mir an?“, frage ich ihn mit heiserer Stimme und kann aufgehende Wärme in seinem Blick lesen. Er nickt und nimmt mir die Schatulle ab. Ich beobachte genau, wie er mir den Ringer ansteckt. Er passt und ein seichtes Kribbeln erfasst mich, als ich meinen nun so geschmückte Hand beachte.
 

Jannik zieht mich auf seinen Schoß, seine Brust ist direkt an meine Seite gepresste. Er schmiegt seinen Kopf an meine Schulter, schlingt seine starken Arme um mich und drückt mich ganz fest. Er beobachtet mich, während ich den Ring beobachte und nicht weiß, was ich sagen soll, weil ich einfach so glücklich bin. Wir verweilen einige Minuten einfach still auf dem Balkon und genießen die Körperwärme des anderen, die leichten Sonnenstrahlen auf unserer Haut.
 

Dann drehe ich mich herum und schaue Jannik tief in die Augen. In diesen wenigen Sekunden scheint es so, als wäre die letzten vier Wochen nichts gewesen. Als wäre nichts zwischen uns getreten. Diese Aufgewühltheit scheint wie verschollen, obschon ich mir bewusst bin, dass wir nicht einfach alles vergessen können.
 

Vor allem nicht Janniks Eltern.
 

„Wollen wir ein wenig spazieren?“, fragt mein Freund mich und ich nicke.
 

Wir gehen in einen nahe gelegenen Park. Händchenhaltend spazieren wir die kleinen Wege entlang. Nach und nach tauchen mehr Wolken am Himmel auf und bedecken ihn komplett in einem hellen Grau. Wir setzen uns auf eine Parkbank, unsere Finger miteinander verschränkt. Es ist wie immer. Nur er und ich und unsere Gefühle. Wir küssen uns. Ganz zart und vorsichtig.
 

„Wie geht es dir denn heute wegen… deinen Eltern…“, frage ich ihn nach einiger Zeit und Jannik seufzt langgezogen, schüttelt bedächtig den Kopf, blickt unsere Hände an, betrachtet die Ringe, die unser Zusammensein symbolisieren.
 

„Ich hoffe, sie werden irgendwann wieder mit mir sprechen. Ich habe meinen Vater noch nie so außer sich erlebt…“, murmelt er und betrachtet die sich im leichten Wind wiegenden Äste über unseren Köpfen.
 

„Das war alles… Wirklich hart.“
 

„Ich weiß… Ich will jetzt einfach Gras über die Sache wachsen lassen und dann… Dann schauen wir mal.“
 

In einem angenehmen Sommerregen laufen wir nach Hause. Wir kochen gemeinsam und holen auch unsere Bilder wieder aus dem Keller. Wir schalten den Fernseher ein uns lassen uns ein wenig berieseln. Als das Telefon mal wieder klingelt, springen wir beide beinah gleichzeitig auf. Ich bin beruhigt, dass es nur meine Eltern sind.
 

„Na mein Schatz!“, grüßt meine Mutter mir fröhlich. „Ihr meldet euch ja gar nicht mehr. Was los? Stress?“
 

Ich seufze in den Hörer. „Kann man wohl sagen, ist aber ne echt lange Geschichte.“
 

„Na dann kommt nächsten Freitag zum Grillen vorbei! Wir machen ne kleine Party, die Nachbarn kommen auch, und Greta und Ingrid auch! Ihr könnte auch gerne bei uns Schlafen. Ingrid bringt ja ihren Selbstgemachten wieder mit“, lacht sie ins Telefon. Ich wende mich Jannik zu, der mich interessiert betrachtet.
 

„Nächsten Freitag zu meinen Eltern? Grillen?“, frage ich ihn leise und er nickt lächelnd. „Wieder Pennen?“ Erneut nickt er.
 

„Grüß schön“, sagt er dann noch.
 

„Ja, Mama. Wir kommen. Oh, und schöne Grüße von Jannik!“
 

„Ja, dann knuddel meinen Schwiegersohn schön von mir, wir freuen uns auf euch, bis dann!“
 

Ich stürze mich auf Jannik und kuschele mich ganz eng an ihn, verteile kleine Küsschen auf seinem Hals und Gesicht.
 

„Hey, was soll das?“, neckt er mich lachend und ich grinse.
 

„Sollte dich von deiner Schwiegermama knuddeln…“, antworte ich und er hält mich fest, wird nachdenklich.
 

„Ich wünschte mir, meine Eltern wären wenigstens ein bisschen so wie deine…“, murmelt er dann. Ich schweige.
 

Insgeheim wünsche ich mir das auch.
 

Janniks Eltern melden sich nicht.
 

Wann immer das Telefon in der kommenden Woche klingelt, schlagen unsere Herzen höher. Doch entweder sind es Menschen, die uns etwas verkaufen wollen, unsere Freunde, oder Personen, die sich einfach verwählt haben. Mit jedem auf solche Weise enttäuschendem Anruf, wird Janniks Stimmung missmutiger. Seine Augen spiegeln immer öfter Traurigkeit und Enttäuschung wieder. Er ist stiller als sonst. Nachdenklicher und starrt manchmal einfach ausdruckslos aus dem Fenster. So wie jetzt.
 

„Hey…“, murmele ich und lege meine Hand auf seine Schultern. Er blickt mich an und lächelt leicht.
 

„Wir sollen morgen um 17 Uhr bei meinen Eltern sein“, sage ich sanft und er nickt.
 

Dann schweigen wir wieder.
 

„Das wird schon…“, spreche ich ihm sanft zu und erneut nickt er. Er greift nach mir, fasst mich am Nacken an und zieht mich in einen zärtlichen Kuss.
 

„Ich freue mich auf morgen“, sagt er dann zaghaft und diesmal nicke ich.
 

Auch wenn ich mir nicht sicher bin, dass Jannik momentan wirklich etwas erheitern könnte…

Ich seufze und mache mich daran und Abendbrot vorzubereiten.
 


 

- - -

Ein gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz grooooooooßes Dankeschön an alle Reviewer :) Sorry, dass ich es jetzt nicht persönlich mache, bin etwas in Eile ^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  G-Saite
2021-02-27T20:49:32+00:00 27.02.2021 21:49
Bin echt froh, dass im nächsten Kapitel die netten Eltern vorkommen. Ist ja nicht auszuhalten.
Von:  jyorie
2015-02-21T08:44:08+00:00 21.02.2015 09:44
Hallo ლ(́◉◞౪◟◉‵ლ)

Das was Jannik gemacht hat, fand ich mutig, wie er es gesagt hat und wie er und Julia sich gegenseitig schützen wollten. *mist* ich kann mir das sehr gut alles vorstellen, wie der Vater alle einpackt und von dannen rauscht. Und wie die Stimmung dann ist und wie du die Gegensätzlichen Gefühle beschreibst die die Beteiligten dann alle gleichzeitig haben. Ich denke auch das Randalieren war etwas, was man Jannik nachsehen kann, schließlich fühlt sich so was ja auch wie das Ende der Welt an und sicher hätte es den Eltern schonender beigebracht werden können.

Aber Jannik hat einen unglaublichen Vorteil seinen Schwestern gegenüber. Er ist schon ausgezogen, er wohnt sein über 3 Jahren nicht mehr zuhause und muss sich die ganzen Vorträge und die Litanai nicht noch anhören, oder dabei sein, wie sie nach hause fahren und der Vater im Auto wettert und dann einen ganz grausamen Fahrstiel hat, weil er sich die ganze Zeit über alles auslassen muss. Ich denke das es Julia recht trifft, weil sie ja damit sympathisiert. Und Klara hat ein schlechtes Gewissen, das ist einfach total beschissen diese Situation. Wenigst hat sich Jannik so das Prozedere gespart wie er rausgeworfen wird.

Die Idee mit dem Ring für Roman fand ich schön. Eine schöne Sicherheitsleine, das sie zusammen gehören und das sie jetzt nichts mehr trennt. Auch gut, das die beiden geredet haben – produktiv geredet, nicht über den Vorfall und wie Schlimm Eltern sein können, sonder über sich, über ihre Macken/Schwächen und woran sie arbeiten sollten. Fand ich toll, dass sie das so hinbekommen haben, ohne beleidigt zu sein.

Liebe Grüße, Jyorie

Von:  Algaliarept
2009-11-16T11:14:08+00:00 16.11.2009 12:14
so ich meld mich jetzt auch hier ^^

habs endlich durch geschafft *puh*
ein wirklich schöne geschichte wie sie das leben schreiben würd
hab da nen ähnlichen fall bei mir im freundeskreis ich kann mich da wirklich gut reinversetzten und versteh die zwei wirklich gut warum sie wie reagieren aber auch wenn ich die situation nicht kennen würde ...

du schreibst das so real und gefühls na, das mann die beiden einfach lieb haben muss.

ich hoffe doch das du noch ein klein wenig weiter schreibst auch wenn die story schon auf 93% steht.

noch mal eine wirklich gelungene Story
freu mich auf weitere pitel
Von:  Tali
2009-10-31T16:38:58+00:00 31.10.2009 17:38
Ich fand es gut, das Jannik so reagiert hat. Nicht, dass ich möchte, dass sich die beiden streiten. Aber seine Reaktion spiegelt mehr die Realität wieder. Es ist zwar falsch, aber in meinen Augen sehr verständlich, dass er nicht gleich mit Roman Händchengehalten hat und alles rosarot war! Man sieht dadurch, wie tief ihn die Ablehnung durch seine Eltern getroffen hat. Das Roman und Jannik diese Sache verarbeiten, anstatt an ihr zu zerbrechen, macht ihre Liebe stärker.
Ein tolles Kapitel! Und das Ende mit dem Ring.. wirklich schön! Ich hab mich ehrlich für die Beiden gefreut!
Von:  evejean
2009-10-28T20:59:21+00:00 28.10.2009 21:59
ui, schon heftig das einen die eltern das eigne glück nicht göhnen, weils es deren vorstellungen von moral net entspricht.
hast es toll umgesetzt, vorallem wie jannik mit seinen schmerz umgeht.

bin gespannt wie es weiter geht

lg eve
Von: abgemeldet
2009-10-28T20:21:54+00:00 28.10.2009 21:21
Soooo^^

Hm...Ich weiß gar nciht wo ich anfangen soll^^
Das war ein soooo tolles Kapi. Ok, jetzt vielleicht nicht unbedingt der Angfang und die ganze Grundstimmung, die herrscht, aber alles andere schon^^

Ja, also gut...Hmmm...Ich denke malm ich fange mal am Anfang an.
Ich hasse Janniks Eltern! Ich meine, dass ist doch ihr Sohn! Ihr eigenes Fleisch und Blut, welches man lieben sollte, egal, was es macht! Wie kann man denn nur so verbohrt sein? Ich kann die Menschen nciht verstehen, die sagen oder auch nur denken, Homosexualität sein etwas abnormales, perverses oder sogar eine Krankheit. Also bitte! Wie kann man nur so engstirnig sein? So konservativ und hinterweltlerisch!?
Ich kann es wirklich nicht nachvollziehen, aber bei solchen Eltern hätte ich mich wohl auch nicht geoutet. ich kann Jannik da schon vollkommen verstehen. Wer will denn schon gerne seine Eltern und seine Geschwister verlieren!? Aber im Endeffekt denke ich, dass es Jannik krank gemacht hätte, auf die Dauer, immer ein geheimnis aus seiner Liebe zu machen. Auch wenn der Verlust der eigenen Familie schwer ist, kann er sich so eine neue aufbauen, die dann aus seinen Freunden besteht, den Eltern von Roman und natürlich aus Roman selbst. Denn in dieser Familie ist wenigstens liebevoller udn verständnisvoller als seine eigene. Sorry, wenn das jetzt hart klingt, aber ich denke, dass diese Eltern so einen tollen Sohn gar nciht verdient haben. Oh Gott! Ich bin heute so negativ...Aber warum kann man andere denn nicht so akzeptieren, wie sie sind, solange es nicht ins verbotene übergeht?!
Ok, ich muss jetzt hier stoppen, sonst wird das hier eine Überschwemmung von sozial- und gesellschaftskritischen Fragen^^

Gut, komme ich mal zum nächsten Punkt^^
Der liebe Jannik udn sein Ausraster! Ich habe ihn gehasst in diesem Moment! Sicher kann ich verstehen, dass er aufgebracht war, aber so? Ich mein, das Anschreien war echt heftig! Die letzten Wochen waren zwar schwierig für die beiden, aber er kann doch jetzt nicht Roman die ganze Schuld zuschieben! Auch wenn er aufgebracht und traurig ist!
Das fand ich echt nciht schön! Aber das er dann tatsächlich di Badezimmertür aufgebrochen hat! Sehr sehr geil^^ Da hat er sich dann ja schon Sorgen gemacht! Richtig so! Ich fand das irgendwie auch voll süß! Ach, so naja, so herzerwärmend romantisch, dass er die Tür aufgebrochen hat um zu sehen, ob es seinem Freund gut geht, den er eben gerade noch so verletzt hat, weil er ja selber sehr verletzt wurde.
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Und dann der Ring....Ich hab ja echt erst gedacht, der macht Roman jetzt gleich nen Antrag! Ich danke dir, dass du es ncith geschrieben hast^^ Das hätte alles zu Nichte gemacht. Nicht, dass ich Heiratsanträge nciht schön und süß udn romantisch fände, aber nicht nach so etwas. Nicht nach solch beschissenen vier Wochen! Nicht nach dem ganzen Stress.
Deshalb danke ich dir, dass es nur ein naja, Treue- und Verbundenheitsring ist^^ Das ist sehr süß^^
Also, wenn ein paar Monate verganegn sind, dann könne sie gere heiraten, so meinte ich das jetzt nciht^^, aber es wäre jetzt wirklich zu früh gewesen. aber du hast es ja auch gar nciht dazu kommen lassen, von daher weiß ich gar nciht, warum ich das jetzt eiegntlich alles gerade geschrieben habe^^

Ja, es war ein ganz ganz tolles Kapi! So wie immer eigentlich^^ Ich bin begeistert. Wie du die Gefühle beschreiben kannst und die Stimmung richtig gut rüber bringen kannst! Wirklich fantastisch, großartig!
Ich bin immer noch begeistert udn werde es wohl auch bleiben^^

LG Loona
Von:  MaiRaike
2009-10-28T18:12:42+00:00 28.10.2009 19:12
Ich liebe Jannek und Roman.
Ihre Beziehung ist wunderschön.

Bei der Stelle mit den Ringen hatte ich einen dicken fetten Klos im Hals. Das war so toll.

Da die Fanfic erst auf 90% steht, hoffe ich, dass noch etwas (mehr) kommt...

Lg
Und mein Kompliment schon mal, für diese wunderbare Fanfic!
Von:  Leucan
2009-10-28T17:02:39+00:00 28.10.2009 18:02
Ende!? Nicht Ende!?
Angst, Panik, Nerosität...alles in einem. Diese Spannnung hätte mich in manchen Momenten fast umgebracht. XD
So, so, so, so....ich finde keine Worte, zu schön!!!

LG KC
Von: abgemeldet
2009-10-28T14:42:21+00:00 28.10.2009 15:42
Ouhhhh...
Ok, also, ich hatte stellenweise ebenfalls Angst, Angst vor Jannik und Angst um Roman, obwohl ich mir nicht wirklich vorstellen konnte das er Roman auch nur ein haar krümmen könnte. Das er seiner Wut, Verzweiflung und Trauer irgendwie Ausdruck verleihen musste war verständlich, auch wenn er einen wirklich... angsteinflößenden Weg dafür eingeschlagen hat. Und eingeschlagen ist hier wohl auch noch von anderer Bedeutung.
Die Reaktion der Eltern ist, wie auch im vorigen Kapitel schon, wirklich unterste Schiene. Ich verstehe sie nicht, ich verstehe nicht warum manche Menschen homophob sind, aber naja, ich werds wohl nie verstehen können. Ich glaube auch nicht das ich für Erklärungen diesbezüglich offen wäre, denn in meinen Augen sind solche Menschen einfach nur intolerant.
Bei den Eltern spielt aber glaube ich noch mehr als alles andere das Ansehen ihrer selbst eine große Rolle. Sie können sich wahrscheinlich nicht mit dem Gedanken anfreunden das jemand auf sie zukommen könnte und sie auf Janniks Homosexualität anspricht.
Nun, das Julia sich nochmals gemeldet hat nachdem die Familie ja so fluchtartig die Wohnung verlassen hat fand ich richtig lieb von ihr. Sie wird sich wohl wirklich nie von ihrem Vater in eine Richtung drängen lassen, wenn sie nicht dahin will. Meinen Respekt hat sie sich ja schon lange verdient, und erst recht durch das letzte Kapi wo sie ihrem Vater die Stirn geboten hat. Das würde bei so einer furchteinflößenden Person wohl nicht jeder schaffen.
Und auch wenn es für Jannik schwer zu verkraften war zu sehen das seine Eltern wirklich nicht damit umgehen können ist es doch besser wenn sie es nun wissen. Denn er hat ja immer ein Doppelleben geführt, ich kann mir nicht vorstellen das man sich damit gut fühlen kann. Es ist eine Farce, die man ewig aufrechterhält. Wobei ich mir auch vorstellen könnte das Jannik es als solches schon garnicht mehr wahrgenommen hat.
Sein Geschenk am Ende fand ich zuckersüß. An der Stelle ist auch endlich der Kloß, den ich seit anfang des Kapitels in meinem Hals hatte, verschwunden und ich hatte endlich was wo ich grinsen konnte. Und auch wie Roman ihn bittet den Ring anzustecken war einfach nur... hach♥ Die Beiden gehören wirklich zusammen und ich glaube wenn diese Sache sie nicht auseinander bringen kann (naja ok, wohl eher die letzten vier Wochen) dann ist das was für die Ewigkeit.

Zuletzt muss ich aber sagen das ich ein wenig verwirrt bin. Ist das nun doch nicht das letzte Kapitel? Kommt da doch noch was? Nicht, das ich mich nicht freuen würde und irgendwie schreit es auch regelrecht nach mindestens einem Epilog... aber du sagtest irgendwann mal 2 Kapis noch und dann ist Ende oder? Jetzt sinds glaub ich schon drei^^ Mich störts nicht, von mir aus kanns ewig so weiter gehen, ich habe die Beiden echt ins Herz geschlossen, aber ich wüsste schon noch gerne was mit den Eltern ist, ob die sich jemals wieder einkriegen.

EIn schönes Kapi, und das Ende steckt so voller Hoffnung =)

LG Rhiska


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