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Autumn Storm

alter Titel: "Together we can brave the Storm"
von

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Last day of August

Last day of August
 

Plötzlich hupte es.

Mein Blick fuhr hoch und ich konnte im Rückspiegel erkennen, dass der Fahrer hinter mir wild gestikulierend auf die Ampel zeigte, an der ich gerade hielt. Augenscheinlich war das Rot, welches mir noch vor ein paar Sekunden entgegen geleuchtet hatte einem Grün gewichen. Ich schüttelte leicht den Kopf. Der Kerl musste es wirklich eilig haben. Ohne noch einmal nach hinten zu schauen gab ich Gas.

Neben mir hörte ich ein unterdrücktes Glucksen. Ich wand Emmett kurz meinen Kopf zu und sah, dass er übers ganze Gesicht grinste.

„Na, haben wir noch nicht ganz ausgeschlafen, Brüderchen? Wir standen ja ewig. Ein Wunder, dass noch kein … .“

Weiter kam er nicht. Ein Blick von mir ließ ihn verstummen.

Er wusste genau, dass heute nicht der richtige Tag für Scherze war.

Aber Emmett hatte Recht gehabt. Ich war unaufmerksam gewesen. Ich fühlte, dass sich meine Laune schon jetzt im Keller befand und dabei waren wir noch nicht einmal fünfzehn Minuten unterwegs. Dies war keine gute Voraussetzung, um an einer neuen Schule zu beginnen.

All die neugierigen Blicke, all die unangebrachten Fragen – dieser Tag würde die Hölle werden. An jedem anderen Datum wäre mir das egal gewesen. Ich war ein Profi darin, Menschen zu ignorieren, die mir unwichtig waren. Eingeschüchtert durch meine Selbstsicherheit und die kühle Arroganz meines Auftretens bewarten die Leute Abstand. Doch heute würde es mir schwer fallen, diese Fassade aufrecht zu erhalten. Ich fürchtete, dass es meine ganze Kraft kosten könnte, die nächsten Stunden zu überstehen.

Ich hätte auf Esme hören und daheim bleiben sollen. Jeder in meiner Familie hätte es verstanden – auch die Person, wegen der ich nun doch hier war.

Ich musste nicht zur Rückbank schauen, um zu wissen, wie verloren sie aussah – viel zu gut und zerbrechlich für diese Welt. Ich wusste, dass sie nervös mit dem silbernen Medaillon spielte, welches sie immer um den Hals trug. Ich spürte ihre kleinen Füße, die unruhig gegen die Lehne meines Sitzes trommelten. Ich vernahm ihre unruhigen Atemzüge. Alice starb gerade tausend Tode. Für Emmett und mich würde es nur ein schrecklicher Tag an einer neuen High School werden. Für sie würde es ein schrecklicher Tag an der ersten High School werden, die sie je besuchte.

Deshalb saß ich hier in meinem Auto, anstatt mich wie jedes Jahr an diesem Tag in meinem Zimmer zu verkriechen. Ich war ihr Fels in der Brandung, die starke Schulter, die ihr Halt gab. Emmett hätte sich ihrer natürlich liebend gern angenommen. Wenn es darum ging, seine Familie zu beschützen, war auf ihn immer Verlass. Doch mit seiner offenen Art und seiner ansteckenden Leichtigkeit, wäre er nach spätestens zwei Stunden von der halben Schule umringt – und Alice ebenso. Ich war mir sicher, dass das ihr gar nicht gefallen würde. Sie brauchte mich heute.

Ich fuhr weiter durch die Straßen unserer neuen Heimat Forks – einer verregneten und nebeligen Kleinstadt auf der Olympic-Halbinsel, welche im östlichen Teil des Staates Washington zu finden war. Man hatte uns gewarnt, dass die Sonne hier nur selten zu Besuch kam – selbst jetzt, im Sommer. Doch heute hatte sie sich anscheinend dazu entschieden, uns den Tag zu versüßen. Sie schien von einem wolkenlosen, blauen Himmel auf uns herab.

Das Schulgelände war nicht schwer zu finden. Zum einen war es der einzige Gebäudekomplex in der Nähe der Stadt, der mit einem Footballfeld ausgestattet war. Zum anderen fuhren alle Autos und Busse um diese Zeit anscheinend genau dort hin.

Als ich auf den Parkplatz einbog, fiel mir auf, dass die Forks High riesig war. Selbst wenn man die Nebengebäuden wie die Turnhalle und das Schwimmbad außer Acht ließ, war das Haupthaus immer noch imposant. Es erstreckte sich über drei Etagen und jede hatte mindestens Platz für fünfzehn Zimmer. Die Stirnseite zierte ein riesiges Eingangsportal, über dem ein Schild mit der Aufschrift „Forks High School – Home of the Spartans“ prangerte. Die U – förmige Grundform öffnete sich zum Hintergelände und umgab einen sauber angelegten, mit Pflanzen übersäten Hof. Dort war es genauso grün wie überall in dieser Gegend.

Die Schule war eindeutig viel zu groß für so eine kleine Stadt. Wie es aussah kamen die Teenager aus allen umliegenden Gemeinden hier her – entsprechend überfüllt war der Parkplatz. Ein Blick über die abgestellten Autos ließ mich erkennen, wie weit wir hier von unserem alten Leben entfernt waren.

In Chicago waren Emmett und ich auf eine elitäre Privatschule gegangen. Dort waren wir eine wohlhabende Familie unter vielen gewesen. Ich vermisste dies nicht, diese snobistische Welt war nie meine gewesen – auch wenn es auf andere so gewirkt hatte. Ich verstand die Gründe unseres Umzugs und akzeptierte sie.

Aber hier würden wir auffallen wie eine Herde Pfaue in einer Schar von Spatzen. Meiner Familie würde kaum eine ruhige Minute außerhalb unserer eigenen vier Wände vergönnt sein. Ich hasste es, Aufmerksamkeit zu erregen.

Die meisten Wagen auf dem Gelände hatten ihre besten Tage schon hinter sich. Der Ausdruck „Schrottkarre“ war in solchen Fällen keine Beleidigung, sondern eine Tatsache. Die Dellen und Kratzer in den Karosserien ließen die schrecklichsten Vermutungen über die Fahrkünste der Besitzer zu. Ich hoffte inständig, mein Volvo würde seinen ersten Tag hier überleben.

Ich ließ den Motor verstummen und wir stiegen aus. Alice trat neben mich. Zart und blass wie sie war machte sie einen beinahe kränklichen Eindruck. Sie wirkte wie ein Lämmchen, was zur Schlachtbank geführt werden sollte.

„Es wird toll, Schwesterchen, du wirst schon sehen. Keiner hat vor, dich aufzufressen. Sie werden uns neugierig anklotzen, einige werden dumme Fragen stellen, aber alle werden total nett sein. Zu Neuen ist man immer nett – zu reichen, gutaussehenden Neuen sowieso. Und wenn dir doch einer zu blöd kommt, dann ruf einfach nach mir. Ich schwöre dir, das wird das letzte Mal gewesen sein, dass er zu einer Lady frech geworden ist.“

Bei seinen letzten Worten schenkte Emmett ihr eines seiner breiten Grinsen und zwinkerte ihr zu. Sie antwortete ihm mit einem dankbaren Lächeln, atmete tief durch und hakte sie sich bei mir ein.

Gemeinsam betraten wir das Gebäude.
 

Im Foyer herrschte ein betriebsames Treiben. Überall standen Menschen – vom Alter her waren die meisten Schüler dieser Einrichtung. Ein Wirrwarr aus hunderten von Stimmen durchflutete den Raum. Da waren Jugendliche, die sich gegenseitig begrüßten – ob mit Küsschen links-rechts oder anderen albernen Ritualen – übertrieben sah es bei den meisten aus. Andere diskutierten über die neusten Trends und führten Mode und Frisuren auch gleich selbst vor. In anderen Teilen der Eingangshalle lag eine gefährliche Stimmung in der Luft – anscheinend gab es auch in Kleinstätten so was wie Gangs oder zumindest Todfeinde. Alles in allem war es das typische und höchst alberne Getue, welches auch an jeder anderen Schule am ersten Tag nach den Ferien stattgefunden hätte.

Wir bahnten uns einen Weg durch die Massen. Ich konnte die Blicke unserer zukünftigen Mitschüler spüren. Es hätte nur noch gefehlt, dass plötzlich alle verstummten. Wie ich befürchtet hatte, fielen wir auf – nicht zuletzt wegen meinem Auto und unserem Kleidungsstil. Doch das konnten wir nun auch nicht mehr ändern. Sollten sie doch gaffen und sich ihre Gedanken machen, wenn sie nichts Besseres zu tun hatten.

Als erstes suchten wir das Sekretariat auf. Wir mussten uns anmelden und unsere Stundenpläne zusammenstellen. Auch hier hatte sich eine große Gruppe von Menschen versammelt. Die ältere Dame hinter dem Tresen hatte alle Hände voll zu tun, obwohl sie von zwei Schülerinnen – vom Alter her konnten es nur Schülerinnen sein – unterstützt wurde. Wir mussten nicht lange warten. Die meisten vor uns holten nur ihre Unterlagen ab, damit sie ihre Kurse für das kommende Semester zusammenstellen konnten. Als wir an der Reihe waren, lächelte uns die Sekretärin – laut ihres Namensschildes eine Mrs. Cope – freundlich entgegen.

„Was kann ich für euch tun, Kinder?“

Ich übernahm das Reden.

„Wir sind die Cullens. Mein Name ist Edward und das sind meine Geschwister – Alice und Emmett.“

Mit einer kurzen Handbewegung deutete ich auf die beiden.

„Wir sind neu hier und würden uns gerne einschreiben.“

„Die Cullens, ja genau. Euer Vater ist doch der neue Chefarzt im Forks Memorial. Ich hatte die Unterlagen für euch doch schon bereit gelegt.“

Geschäftig wühlte sie in den Papieren, die auf ihrem Schreibtisch verstreut lagen. Nach circa einer Minute kam sie mit drei Pappumschlägen an den Tresen zurück.

„So, da sind ja eure Schulakten. Füllt die Anmeldung bitte sorgfältig aus und legt die gewünschten Dokumente in die Mappen.“

Sie reichte jedem von uns einen Stift. Schnell ergänzten wir die freien Felder auf den Formularen. Bei dem Feld mit dem heutigen Datum musste ich kurz schlucken. Danach holten wir unsere Zeugniskopien und Beurteilungen aus unseren Taschen, legten diese den Unterlagen bei und reichten alles zusammen Mrs. Cope.

„Danke, meine Lieben. Ihr habt Glück, am Anfang des Schuljahres bei uns einzusteigen, denn so könnt ihr eure Stunden selbst wählen. Ihr bekommt von mir einen leeren Stundenplan und einen Bestätigungsschein. Jetzt könnt ihr zu den verschiedenen Klassenzimmern gehen und euch für die Kurse, die ihr belegen möchtet, einschreiben lassen. Mit ihrer Unterschrift bestätigen die Lehrer, dass sie euch in ihrer Veranstaltung eingetragen haben. Bei neuen Schülern, die einen der Fortgeschrittenenkurse belegen wollen, möchten meine Kollegen die vorherigen Noten in dem Fach sehen. Ich gebe euch am besten eure Schulakten noch einmal mit. Ihr könnt sie dann in der Mittagspause zusammen mit den Bestätigungsscheinen wieder zu mir bringen.“

Die Sekretärin sah uns immer noch freundlich an, legte aber die Stirn in Falten. Sie dachte über irgendetwas nach.

„Eigentlich bräuchtet ihr jemanden, der euch auf dem Gelände herumführt. Ihr würdet euch sonst noch verlaufen. Außerdem sollte euch jemand die Modalitäten der Kurswahl genauer erklären. Wir haben dafür aber gar niemanden eingeplant. Ihr seit in diesem Jahr nämlich die einzigen Neuen, abgesehen von den Freshmen – ich meine natürlich die Neuntklässler – doch die bekommen ihre eigene Führung durch die Schule.“

Mrs. Cope machte ein frustriertes Gesicht, bevor sie ihren Kopf zur Seite drehte und eine ihrer Assistentinnen ansah.

„Angela, würdest du mir bitte einen Gefallen tun? Die Drei sind neu bei uns und sie bräuchten jemanden, der sie herumführt.“

Das Mädchen war sehr groß und sehr schlank. Ihre langen schwarzbraunen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie lächelte uns aufmunternd entgegen, bevor sie die Sekretärin durch ihre Brille fragend ansah.

„Brauchen sie mich denn nicht mehr?“

„Doch, schon, aber wir müssen uns auch um die neuen Schüler kümmern!“

Ich bemerkte, wie ich ungeduldig wurde. Man behandelte uns wie kleine Kinder. Wir würden es schon schaffen, unsere Stundenpläne zusammenzustellen, ohne uns dabei zu verlaufen. Es war wirklich nett, dass Mrs. Cope sich so um uns sorgte, aber es war nicht nötig. Ich wollte gerade ihre Hilfe ablehnen, als ich von hinten eine Stimme vernahm.

„Ich würde die Cullens gerne über das Schulgelände führen und ihnen bei ihrem Stundenplan helfen, Mrs. Cope. Dann müssten sie auch nicht auf Angela verzichten.“

Ich drehte mich um. Da stand ein Mädchen in einer Cheerleaderuniform und strahlte uns entgegen. Blonde Locken umspielten ihr Gesicht und ihre blauen Augen warfen mir einen geradezu stechenden Blick entgegen. Ohne sich zu schämen musterte sie erst mich und dann meine Geschwister von Kopf bis Fuß, bevor ihr Strahlen noch mehr erleuchtete. Anscheinend gefiel ihr, was sie sah.

Das konnte nicht gut gehen. Ich war es gewohnt, dass mein Äußeres anziehend auf das weibliche Geschlecht wirkte, ebenso wie Emmett. Doch während er dies durchaus zu nutzen wusste und seinen Spaß hatte, zeigte ich den Damen schnell, aber höflich, dass ich kein Interesse hatte. Ich befürchtete, dass ich dieses Feingefühl heute nicht aufbringen konnte.

„Jessica, das ist überaus nett von dir. Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.“

Mrs. Cope überschlug sich beinahe, als sie mit der Cheerleaderin sprach. Anscheinend war sie wirklich auf die Hilfe dieser Angela angewiesen.

„Aber nicht doch. Ich sehe es als meine Pflicht als Mitglied dieser Schule an, neuen Freunden zu helfen. Ich bin mir sicher, wir haben eine Menge Spaß.“

Unwillkürlich atmete ich leicht seufzend ein. Ich befürchtete, dass dieser Tag alles andere als spaßig werden würde. Alice hakte sich wieder bei mir ein. Ein ärgerlicher Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Sie hatte also auch keine Lust auf dieses Theater. Nur Emmett grinste in sich hinein. Diesem Kerl konnte echt nichts die Laune verderben.

Wir verabschiedeten uns von Mrs. Cope und folgten unserer „Reiseleiterin“ zurück ins Foyer. Dort blieb sie stehen und drehte sich zu uns um.

„Hi, ich bin Jessica Stanley. Mein Vater ist der Bürgermeister von Forks – also der wichtigste Mann in der Stadt – und meine Mutter arbeitet in der hiesigen Bank. Ihr seid Edward, Emmett und Alice, richtig. Ich habe gelauscht. Aber ich hätte es auch so gewusst. Jeder spricht doch von eurem Vater – den neuen, talentierten Chefarzt des Forks Memorial Hospital – und von seiner tollen Familie. Und, gefällt es euch hier? Habt ihr euch schon eingelebt? Ach, was frage ich denn da, natürlich noch nicht. Ihr wohnt ja erst seit ein paar Tagen hier. Wenn ihr wissen wollt, wo man hier Spaß haben kann, wendet euch nur an mich. Ich kann euch auch alles Wissenswerte über die Leute hier erzählen, man will ja im Bilde sein.

Das da drin, zum Beispiel, war Angela Weber, die Tochter des Reverends. Ein wahnsinnig liebes und wahnsinnig langweiliges Mädchen. Sie ist mit dem Kapitän der Schwimmmannschaft, Ben Cheney, zusammen. Keiner weiß, wie sie das angestellt hat. Vermutlich ist sie eine Hexe und hat ihn verzaubert.“

Verzückt von ihrem eigenen Spott hielt sie kurz inne. Wir waren wahrscheinlich an die mit Abstand größte Tratschtante der ganzen Schule geraten. Ich hätte ihr ihren Mund am liebsten mit Seife ausgewaschen, so abscheulich fand ich ihre Worte. Wie konnte jemand mit einem Atemzug nur so viel Gift versprühen. Alice zitterte leicht. Ein wütendes Funkeln lag in ihren Augen. So schüchtern sie Fremden gegenüber auch sein mochte, Ungerechtigkeit konnte sie noch nie ausstehen. Selbst Emmetts Grinsen war zu einer Maske gefroren. Jessica schien das alles nicht zu bemerken. Ihr Strahlen war ungebrochen. Sie wollte gerade zu einer neuen Ausführung ansetzten, als ich ihr ins Wort fiel.

„Wolltest du uns nicht mit unseren Stundenplänen helfen.“

„Aber natürlich, deswegen bin ich ja hier, nicht wahr. Folgt mir.“

Sie lotste uns durchs Foyer hin zu den Treppenaufgängen, dann folgten wir ihr in den ersten Stock. Währenddessen klärte sie uns über das Kursangebot auf.

„Insgesamt habt ihr sechs Stunden pro Tag – vier vormittags von acht bis zwölf, und zwei nachmittags von eins bis drei. Dazwischen liegt die Mittagspause, die man normalerweise in der Cafeteria verbringt. An der Forks High sind Englisch, Mathe und Sport Pflichtveranstaltungen. Bei den ersten beiden könnt ihr zwischen 'leicht', 'mittel' und 'fortgeschritten', bei Sport nur zwischen 'leicht' und 'fortgeschritten' wählen. Des Weiteren muss jeder Schüler eine Fremdsprache belegen. Durch die Nähe zu Kanada werden hier Französisch und Deutsch angeboten, ebenso wie Spanisch und Italienisch. Auch hier wird in jeder Sprache noch einmal zwischen 'leicht' und 'fortgeschritten' unterschieden. Was ihr davon wählt, ist natürlich von euren Vorkenntnissen abhängig, da ihr ja in höheren Klassen einsteigen werdet. … Welche Stufen werdet ihr eigentlich besuchen?“

Sie ließ die Frage so beiläufig wie möglich anklingen, doch ihre Neugierde war nicht zu überhören. Es interessierte sie brennend, wer von uns in ihren Kursen sein könnte. Ich hatte keine große Lust ihr zu antworten, aber Emmett wollte anscheinend höflich sein.

„Ich werde in den Abschlussjahrgang gehen – ich bin also ein Senior – und Edward und Alice fangen mit der Elften an.“

„Das ist ja fantastisch. Ich gehe nämlich auch in die Elfte. Wir sind alle drei Juniors. Der Tag wird wirklich immer besser.“

Ich atmete tief durch. Jessica fiel dies anscheinend nicht auf, sie fuhr einfach mit ihrem Vortrag fort.

„Nun, wo war ich? Ach ja, die Fremdsprachen. Die hätten wir ja geklärt. Als nächstes kommen die Naturwissenschaften. Hier könnt ihr wählen zwischen Biologie, Physik und Chemie und auch hier gibt es die Einteilung in 'leicht' und 'fortgeschritten'. Ich mag diese Stunden nicht besonders. Die Lehrer entscheiden nämlich selbst, wer dein Laborpartner wird, ist das zu fassen. Irgendein verkorkstes System aus Leistungen und Vorjahresnoten hilft ihnen dabei. Und du darfst dann ein Jahr lang neben einem völligen Dooftrottel sitzen. Ätzend sag ich euch, wirklich ätzend.“

Sie verzog angewidert das Gesicht. Ich bemitleidete den armen Tropf jetzt schon, der sie als Partnerin bekommen würde.

„Zu guter letzt habt ihr noch die Wahl zwischen Wirtschaft, Politik & Recht, Sozialkunde, amerikanische Geschichte und europäische Geschichte. Ihr könnt von diesen Kursen jedoch nur einen wählen, es ist ja nur noch eine Stunde übrig.“

Sie war wieder stehen geblieben. Irgendwie erschien sie mir auf einmal noch euphorischer – wenn dies überhaupt möglich war.

„Jetzt komme ich zum Besten überhaupt, den AGs. Am Nachmittag werden diese noch genauer vorgestellt, aber ich gebe euch schon mal einen kurzen Überblick. Der Besuch von mindestens einer solchen Nachmittagsveranstaltung ist Pflicht – aber keine Angst. An dieser Schule wird ein buntes Sammelsurium angeboten, da ist für jeden was dabei.

Da hätten wir zum einen meine Wenigkeit. Ich bin die Chefin der Cheerleader – mein Outfit ist euch bestimmt nicht entgangen. Wir sind eine super Truppe und eine zierliche Person wie du würde einfach perfekt zu uns passen.“

Sie grinste Alice honigsüß an, bekam als Antwort aber nur ein entschlossenes Kopfschütteln. Meine Schwester würde wahrscheinlich lieber dem Footballteam beitreten als ihre Nachmittage an Jessica Stanleys Seite verbringen zu müssen. Diese ganze AG – Sache würde so schon schwer genug für sie werden. Ich bezweifelte, dass wir etwas finden würden, woran wir beide Spaß hatten. Ich würde sie also nicht bekleiden können.

Jessica wirkte kurz etwas enttäuscht, sprach aber mit gleich bleibender Begeisterung weiter. Sie musste sich wirklich gern reden hören.

„Lass dir Zeit, denk einfach noch mal in Ruhe drüber nach. Ihr habt zwei Wochen, um euch für eine AG zu entscheiden. Bis dahin könnt ihr bei jeder Probeschnuppern.“

Ich bezweifelte, dass Emmett so lange brauchen würde. Seine Augen hatten bei der Herfahrt schon geglänzt, als er das Footballfeld erblickt hatte.

„Nun, weiter im Text. Was wären Cheerleader ohne Sportler. Wir haben sehr erfolgreiche Turner und ein exzellentes Footballteam – bei einem Quarterback wie Mike Newton kann es ja nur exzellent sein.“

Es gab also auch Mitschüler, über die sie nicht herzog.

„Dass wir eine Schwimmmannschaft haben, hatte ich ja schon erwähnt. Die feuern wir aber nicht an. Der Coach lässt uns zu den Wettbewerben nicht in die Halle. Sie sind aber eh nicht besonders gut – keiner schaut sie sich an. Vergesst sie einfach. Des Weiteren gibt es einen Schachverein, einen Wissenschaftsclub, einen Botanikkurs und eine Hauswirtschafttstruppe. Ein paar Möchtegernphilosophen laufen hier auch rum, ebenso wie die Astronomiefreaks und die Informatikcracks. Nicht zu vergessen sind natürlich der Chor, die Schulband und die AG für gestaltende Künste. … Ja, dass müssten alle Wichtigen gewesen sein“

Die Art, wie sie „Wichtigen“ betont hatte, ließ mich aufhorchen. Ich wurde neugierig und fragte nach:

„Welche AGs sind denn unwichtig?“

Sie seufzte geräuschvoll auf.

„Weißt du, die Theaterleute und die Schülerzeitung sind wirklich nicht erwähnenswert. Die Aufführungen dieser Möchtegernschauspieler verbreiten eine gediegene Langeweile. Jedes Jahr zeigen sie die gleichen alten Stücke und jedes Jahr wird die ganze Schule gezwungen, sich den Mist anzuschauen. Es ist eine Qual für jeden Menschen mit Geschmack. Ich muss mich jetzt schon dafür entschuldigen, was dies euren Gemütern angetan wird. Und die 'RainGazette' – schon der Name gehört verboten – ist nichts weiter als ein fantasieloses, oberflächliches, uninteressantes Schmierenblatt. Ich sag’s ja, einfach nicht erwähnenswert.

Wir sollten uns jetzt wirklich um eure Kurse kümmern, sonst habt ihr morgen keinen Stundenplan.“

Und damit setzten wir unseren Weg durch die Flure fort.

Ich wurde das Gefühl nicht los, dass die Mitglieder der Schülerzeitung und der Theater-AG – und wahrscheinlich auch die des Schwimmteams – alles andere als nicht erwähnenswert waren. Dafür hatte Jessica viel zu lange und viel zu abfällig über sie gesprochen. Ich war mir sicher, dass ihre Abneigung nicht das Geringste mit der Leistung dieser Vereine zu tun hatte. Viel zu deutlich waren verletzte Eitelkeit und Voreingenommenheit unterschwellig in ihren Worten mitgeschwungen. Ich freute mich jetzt schon, diese Schüler kennen zu lernen.

In den nächsten zwei Stunden führte uns Jessica durch das gesamte Schulgebäude. Sie zeigte uns jeden einzelnen Klassenraum und brachte uns zu den verschiedenen Lehrern, damit wir unsere Kurse zusammenstellen konnten. Immer wieder trafen wir auf Bekannte von ihr. Die Folge dessen war ein ausführliches Begrüßungsritual – sie war ein Freund der Küsschen-Küsschen-Variante – bevor wir dann vorgestellt und unsere Verbindung zum neuen Chefarzt des Forks Memorial dargelegt wurde. Am Ende dieses Tages würde uns mit Sicherheit die ganze Stadt kennen.

Bei anderen Schülern ließ sie es sich nicht nehmen, uns deren gesamte Unzulänglichkeiten darzulegen und auch vor dem Schulpersonal schreckte sie mit ihren Tratsch nicht zurück.

Jessica strapazierte meine Nerven immer mehr. Es war schwer, in ihrer Nähe die Ruhe zu bewahren. Alles an ihr ging mir gegen den Strich – die aufgesetzte Fröhlichkeit, mit der sie ihren angeblichen Freunden begegnete, die Art und Weise, mit der sie andere in den Dreck zog, ihre Berührungen, die zufällig wirken sollten, ihr Blicke, mit denen sie mich praktisch auszog. Ich mochte Menschen nicht, die sich selbst zu wichtig nahmen, ohne es überhaupt im Verlag zu haben und dieses Mädchen gehörte eindeutig dazu.

Hinzu kam, dass sie ihre Kurse prinzipiell erst dann festlegte, nachdem Alice und ich unsere gewählt hatten. Stimmte sie ihren Stundenplan tatsächlich auf uns ab?

Emmett fand dies überaus witzig.

„Ich sollte ihr vielleicht Ketten für dich besorgen, ich meine für die Zeit, in der sie von dir getrennt sein wird“, flüsterte er mir kichernd zu, nachdem Jessica auch denselben Geschichtskurs wie Alice und ich gewählt hatte.

Ich befürchtete schon, dieses Schuljahr keine ruhige Minute zu erleben, doch ich hatte die Rechnung ohne das Lehrpersonal gemacht. Die Englischlehrerin wies sie darauf hin, dass sie für ihren Fortgeschrittenenkurs nicht gut genug sei. Auch in Mathe und Biologie reichten ihre Noten eigentlich nicht aus, mit einem gekonnten Wimpernaufschlag und dem Versprechen, besser zu lernen gelang es Jessica aber, sich eine Probezeit zu erkaufen. Bei den Fremdsprachen hatten wir Glück. Alice und ich hatten die letzten Jahre Spanisch in einem Fernkurs erlernt und wir wollten unser Wissen noch vertiefen. Jessica hingegen sprach nur französisch.

So kam es, das ich zumindest zwei Stunden am Tag von ihr verschont bleiben würde, Alice sogar fünf.

Okay, sie hatte ihren Stundenplan anscheinend nicht auf uns abgestimmt, sondern auf mich. Es wurde Zeit, dass ich sie in die Schranken wies. Doch das war bei diesem Mädchen gar nicht so einfach, denn sie bemerkte nur das, was sie wollte. Für sie unangenehme Dinge überging sie gekonnt. Egal wie unfreundlich einer von uns auf ihre Ausführungen und Fragen reagierte, ihr aufgesetztes Lächeln wirke immer gleich.

Nachdem wir unsere Stundenpläne endlich zusammengestellt hatten, brachten wir unsere Schulakten und die Bestätigungslisten zurück ins Sekretariat. Hier herrschte immer noch Hochbetrieb. Angela Weber nahm unsere Unterlagen entgegen. Als sie ihre Augen kurz auf Jessica richtete, wurde ihr Blick deutlich kühler. Sie sah wieder zu uns und schenkte uns ein Lächeln. Ich hätte schwören können, dass etwas Entschuldigendes darin lag.

Danach wurden wir zur Cafeteria geführt.

Diese war ein riesiger Raum im Untergeschoss. In die Fensterseite waren Türen eingelassen, die bei schönem Wetter – so wie heute – geöffnet wurden und den Weg zum Hof freigaben. An der gegenüberliegenden Wand befand sich die Theke mit der Essensausgabe. Der restliche Platz wurde von einer Vielzahl von Tischen eingenommen, an denen jeweils bis zu acht Personen Platz hatten.

Wir kauften uns eine Kleinigkeit zum Mittag und setzten uns. Es dauerte nicht lange und ein paar von Jessicas Cheerleaderfreundinnen nahmen ebenfalls bei uns Platz. Anfangs waren wir Cullens wieder der Mittelpunkt der Aufmerksamkeiten, aber nachdem wir auf die an uns gestellten Fragen nur widerwillig eingingen, wendeten sich die Damen anderen, noch belangloseren Dingen zu.

Alice sah sich gedankenverloren um. Ich wusste nicht, ob sie von den Gesprächen am Tisch überhaupt etwas wahrnahm. Emmett schien immerhin Spaß daran zu haben, von den Mädchen angehimmelt zu werden, wirkte aber letztendlich auch genervt. Ich blickte nach unten auf mein Tablett, legte die Finger an meine Schläfen und schloss die Augen. Dieser Tag wurde immer länger – es schien, als wenn die Uhr sich gegen mich verschworen hätte und besonders langsam voranschritt. Ich wollte einfach nur noch nach Hause.

„Wer sind diese beiden?“

Überrascht sah ich auf. Es war das erste Mal, dass Alice Jessica ansprach. Bis auf die eine Situation, in der sie mich darauf hingewiesen hatte, dass ich meine Kurse nicht komplett an ihren Stundenplan anpassen konnte, hatte meine Schwester heute in der Nähe von Fremden überhaupt noch nicht geredet.

Neugierig folgte ich ihrem Blick.

Am Eingang der Cafeteria standen zwei Personen. Allein schon ihr exquisiter Kleidungsstil ließ sie aus der Masse herausstechen, doch auch in einem Kartoffelsack währen sie noch aufgefallen. Ihre Ähnlichkeiten, sowohl im Aussehen als auch in der Haltung, waren unübersehbar. Ich nahm an, dass sie miteinander verwandt waren.

Der Junge hatte in etwa meine Größe, also circa 1,77 m. Durch sein Shirt hindurch wirkte er durchtrainiert. Seine glatten, blonden Haare fielen locker-gestuft in seinen Nacken und umrandeten ein feingliedriges, elegantes Gesicht. Er wirkte jedoch nicht feminin, sondern eher androgyn, was von seiner hellen Haut noch unterstrichen wurde. Seine blauen Augen hatten einen offenen und freundlichen Blick – sein Lächeln war ehrlich.

Ganz anders wirkte seine Begleiterin. Ihre ebenmäßigen Gesichtszüge strahlten Arroganz aus, ihre katzenhaften, goldbraunen Augen schauten abschätzend durch den Raum. Den Mund hatte sie zu einer missbilligenden Miene verzogen. In gewisser Weise erinnerte mich dieser Ausdruck an unsere „Reiseleiterin“, obwohl diese Fremde auf mich nicht den Eindruck machte, als wenn sie irgendjemanden Begeisterung oder Freundschaft vorspielen würde.

Man konnte ihre Erscheinung durchaus als außergewöhnlich schön bezeichnen. Ihre blonden Haare reichten in leichten Wellen bis zu den Ellenbogen. Sie hatte die Größe eines Models, wenn auch nicht deren Gardemaße. Sie war keiner dieser typischen Hungerhaken, wie zum Beispiel Jessica Stanley. Ihre Figur fiel unter die Kategorie „Sehr weiblich“ – sie hätte einer Monica Bellucci alle Ehre gemacht.

Ich bemerkte, dass auch Emmett seine Aufmerksamkeit den Beiden zugewandt hatte und musste lächeln. Seine Gedanken standen ihm immer deutlich ins Gesicht geschrieben und als er die Blonde erblickte, las ich in seinen Zügen zwei Worte – heiß und sexy.

„Das sind die Hale-Zwillinge – Jasper und Rosalie.“

In Jessicas Stimme lag unverhohlene Abneigung. Auf ihrem Gesicht erschien ein Ausdruck, als habe sie ein verfaultes Ei unter der Nase. Ich hatte den leisen Verdacht, die zwei hatten irgendetwas mit dem Schwimmteam, der Theater-AG oder der Schülerzeitung zu tun.

„Die Beiden glauben, sie sind König und Königin der Forks High School und genauso benehmen sie sich auch. Klar, er ist Schulsprecher – aber das ist immerhin ein demokratisches Amt und keine Art von Monarchie. Hallo, wir leben in Amerika, nicht in England. Sie dulden in ihrer Nähe nur ihren auserwählten Hofstab – jeder andere ist unerwünscht. Und das alles nur, weil sie einigermaßen gut aussehen und einen Haufen Kohle haben – ihre Mutter ist eine mehr oder weniger berühmte Modedesignerin und ihr Vater Anwalt in Seattle. Glaubt mir, es gibt keinen an dieser Schule, dem sie mit ihren Getue nicht zumindest insgeheim auf die Nerven gehen.

Aber jetzt seid ihr ja da. Ihr könnt es locker mit ihnen aufnehmen – sowohl beim Erscheinungsbild als auch bei den finanziellen Aspekten. Es wird Zeit, dass diese eingebildeten Snobs endlich mal jemand in die Schranken weist.“

Jessica sah uns erwartungsvoll an. Anscheinend erhoffte sie unsere Zustimmung zu ihren Ausführungen. Was dachte diese unmögliche Person eigentlich, wer sie war. Wollte sie uns etwa für ihre Intrigen einspannen? Ich kannte die Hales nicht, aber zumindest bei diesem Jasper konnte ich mir nicht vorstellen, dass er auch nur annähernd so war, wie Jessica in beschrieben hatte.

Während sie gesprochen hatte, hatte er sich von seiner Schwester entfernt und war zu einer Gruppe jüngerer Schüler – vermutlich die Freshmen – gegangen, die am anderen Ende der Cafeteria auf ihn gewartet hatte. Obwohl dies ein lärmender Haufen von Teenagern war, der ihn aufgeregt gackernd und nervös herumtänzelnd in Beschlag nahm, blieb seine Miene gleich bleibend freundlich und ruhig.

Rosalie gesellte sich derweil zu einer kleineren Ansammlung von Leuten, die sich gerade an der Theke angestellt hatte. Sie machten wirklich den Eindruck einer verschworenen Gemeinschaft, doch wer konnte es ihnen verübeln, wenn sie Personen wie Jessica Stanley nicht in ihrer Nähe haben wollten.

Ich für meinen Teil jedenfalls hatte jetzt endgültig die Nase voll. Wenn ich mir noch eine ihrer Schimpftiraden anhören musste, würde ich am heutigen Tag mit großer Wahrscheinlichkeit ausrasten. Ich sah zu meinen Geschwistern. Emmett machte ein Gesicht, als überlegte er, wie er die Beleidigungen gegen Rosalie Hale am Besten strafen sollte. Alice war noch blasser geworden, aber nicht aus Angst, sondern aus Zorn. Ihre Augen funkelten Jessica wütend an.

Wir sollten wirklich gehen.

„Es wäre das Beste, wenn wir drei das Gelände jetzt noch ein wenig auf eigene Faust erkunden. Danke für deine Hilfe. Man sieht sich!“

Mit diesen Worten stand ich auf, nahm mein Tablett und ging Richtung Geschirrabgabe. Ich hörte, wie hinter mir zwei Stühle bewegt wurden, dann waren meine Geschwister an meiner Seite. Gemeinsam verließen wir den Speisesaal.
 

Wir schlenderten ziellos durch das Gebäude. Jessicas Führung durch das Schulhaus war mehr als ausreichend gewesen, dort gab es also nichts mehr zu erkunden. Unbefriedigte Neugier war aber ja auch nicht der Grund gewesen, weswegen wir die Cafeteria verlassen hatten. Alle drei waren wir froh, der ungewollten und vor allem ungeliebten Gesellschaft entkommen zu sein. Sogar Alice machte ihrem Ärger Luft.

„Wie kann eine einzelne Person nur so viele Gemeinheiten von sich geben? Ist das normal an einer High School? Wenn ja, dann bin ich froh, bis jetzt zu Hause unterrichtet worden zu sein. Zum Glück habe ich nur einen Kurs mit ihr zusammen.“

Ich musste lächeln. Ungerechtigkeit konnte sie wirklich nicht leiden. Emmett legte ihr seinen Arm um die Schulter und gab ihr einen Kuss auf die Haare.

„Reg dich nicht auf, Floh. Solche Typen gibt’s an jeder Schule. Einfach nicht beachten und weghören, dann geben sie nach ´ner Weile von selbst auf. Komm jetzt, wir haben uns noch nicht mal die Sportstätten angesehen.“

Alice verzog missmutig das Gesicht.

„Als wenn die mich interessieren würden, Großer.“

Mein Bruder und ich mussten lachen und auch unsere kleine Schwester stimmte mit ein. Gemeinsam gingen wir nach draußen.

Zuerst besichtigten wir die Schwimmhalle. Das Becken war riesig. Neben einem Abschnitt, der aller Wahrscheinlichkeit nach für das Training und die Wettkämpfe genutzt wurde, gab es noch einen abgegrenzten tieferen Teil, an dem sich die Sprungtürme befanden. Im Wasser spiegelte sich die Sonne wider, die durch die große Glasfront hereinfiel. An der gegenüberliegenden Wand waren Sitzreihen angebracht – diese Sportveranstaltungen wurden also doch besucht. Ich hätte es mir denken können.

Emmetts Begeisterung war kaum zu bremsen, als wir am Footballfeld ankamen. Er freute sich wie ein kleiner Junge. Es hatte ihn zu schaffen gemacht, ein Jahr vor seinem Abschluss sein Team verlassen zu müssen – auch oder vor allem weil er selbst unseren Umzug herbeigeführt hatte. Nun war seine Chance, einem Collageteam aufzufallen, doch nicht vertan – zumal die FHS – SPARTANS gar nicht schlecht spielten und regelmäßig unter den ersten ihrer Liga landeten. Ich wusste, dass Esme und Carlisle bei der Wahl unserer neuen Heimat darauf geachtet hatten.

Als letztes gingen wir zur Turnhalle, in der auch die Vorstellung der AGs stattfinden sollte. Diese Sporteinrichtung unterschied sich kaum von anderen ihrer Art. Der Eingang befand sich an einer der kurzen Seiten, gleich daneben war die Tür, die zu den Umkleidekabinen und Coachbüros führte. Der Geräteraum lag unter der typischen riesigen Anzeigetafel an der einen Wandseite direkt gegenüber von der obligatorischen Tribüne. An jedem Ende des Spielfeldes stand ein Basketballkorb – wahrscheinlich für den Sportunterricht, denn ein Team gab es an dieser High School nicht.

Die Veranstaltung sollte in wenigen Minuten losgehen. Wir suchten uns einen Platz relativ weit oben. Ich hielt meine Augen starr geradeaus – ich wollte den neugierigen Blicken entgehen, zumindest für einen Moment. Ich sah Jasper Hale in der Mitte der Halle mit einem Mirophon in der Hand – wahrscheinlich war es seine Aufgabe, durch das Programm zu führen. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass Emmetts Blick erst kurz auf dem Schulsprecher ruhte und dann suchend durch den Raum schweifte, schließlich machte er ein enttäuschtes Gesicht. Er hatte die zweite Hälfte des Zwillingspärchens also nicht entdeckt. Alice schaute ebenfalls interessiert auf das Spielfeld. Sie hoffte gewiss wie ich darauf, dass diese Show bald anfing – um dann noch schneller wieder vorbei zu sein.

Nur langsam füllten sich die Ränge. Viele Schüler standen noch bis zur letzten Minute draußen. Vielleicht genossen sie die für Forks angeblich so untypische Sonne? Dann ging es endlich los.

Jasper hielt eine Ansprache. Er begrüßte alle mit einem freundlichen Lächeln und eröffnete mit ein paar gekonnten Worten offiziell das Schuljahr. Danach hieß er souverän die neuen Lehrkräfte an der Forks High School willkommen. und wies auf die geplanten Veranstaltungen und sportlichen Höhepunkte der nächsten zehn Monate hin. Die Rede war kurz, prägnant und witzig, die Reaktion der Leute darauf unmissverständlich. In diesem Moment konnte sogar ein Blinder erkennen, dass Jessicas Meinung über Jasper von kaum einem geteilt wurde. Er war eindeutig beliebt, sowohl bei den Lehrern als auch bei den Schülern.

Als er seine Worte beendet hatte, stellte er die ersten AGs vor. Es begannen die Sportler.

Die Turner zeigten ein paar ihrer Übungen am Boden – Flik Flak, Salti, Sprünge. Sie waren wirklich nicht schlecht. Danach kam das Schwimmteam. Sie führten nichts vor, zeigten aber Bilder von Trainingseinheiten und Wettkämpfen über eine Beamer. Wie ich vermutet hatte, gehörte der Schulsprecher zu ihnen. Dann betrat die Footballmannschaft in kompletter Montur die Bühne. Sie warfen sich den Ball zu, blockten sich gegenseitig und präsentierten einige Spielaufstellungen. Emmetts Gesicht strahlte. Der Kapitän – dieser Quarterback Mike Irgendwas – berichtete lange und vor allem langweilig über die früheren und die zu erwartenden Erfolge. Ich fand es nicht sehr schlau, direkt nach Jasper eine Rede zu halten – diesen Vergleich konnte man nur verlieren.

Danach folgten AGs wie Kunst, Informatik, Astronomie und Botanik. Der Chor brachte allen Anwesenden ein Ständchen, die Schulband begleitete ihn dazu. Wirklich gut waren beide nicht. Dazwischen kam immer wieder Jasper zu Wort, um die nächsten anzukündigen.

Emmett konnte ein herzhaftes Gähnen nicht unterdrücken und bekam dafür von Alice einen mahnenden Stoß in die Rippen. Diese verfolgte das Geschehen erstaunlicher Weise mit großer Aufmerksamkeit. Ich hingegen schenkte meinem Bruder ein bestätigendes Grinsen. Er hatte völlig Recht – die Darbietungen wurden immer uninteressanter. Ich ließ meinen Blick zum ersten Mal, seit wir uns zu unseren Plätzen begeben hatten, durch die Halle schweifen.

Am Ende der Tribüne in der letzten Reihe saß ein Mädchen, welches meine Aufmerksamkeit sofort erregte. Dies hatte nichts damit zu tun, dass sie da oben fast alleine saß. Sie war auch weder übernatürlich schön noch extrem hässlich.

Nein, es war ihr Kleidungsstil, der mir ins Auge stach. Während jeder andere an dieser Schule heute besonderen Wert auf sein Äußeres gelegt zu haben schien, hatte sie anscheinend genau das Gegenteil getan. Sie trug eine Jeans, die ihre besten Tage längst hinter sich hatte. Ihr kurzärmliges Hemd war mindestens vier Nummern zu groß und ließ sie irgendwie plump erscheinen. Die Haare trug sie zu einem unordentlichen, leicht verfitzten Knoten. Ich hoffte für sie, dass sie eine Wette verloren hatte und nicht freiwillig so herumlief, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie genau das tat.

Sie wirkte nicht wie ein Mensch, der darauf Wert legte, sich an die große Masse anzupassen. Keiner schien sie groß zu beachteten, sie selbst wirkte sogar völlig abwesend. Ich glaubte nicht, dass sie sich mit ihren Gedanken gerade in der Turnhalle befand. Mit schnellen Bewegungen pinselte sie Zeile um Zeile in das Notizbuch, das auf ihrem Schoß lag. Schrieb sie etwa Tagebuch – hier in der Schule?

Plötzlich schallte laute Musik durch die Halle. Ich zuckte leicht zusammen. Das Mädchen sah auf. So abwesend wie ich gedacht hatte, war sie doch nicht gewesen. Ich wendete meinen Blick ebenfalls wieder in Richtung Spielfeld. Dort hatte sich eine Gruppe von Schülerinnen – allesamt gleich gekleidet – um ein blondgelocktes Mädchen versammelt. Sie alle hatten dasselbe Grinsen im Gesicht. Wie es aussah, waren jetzt die Cheerleader dran.

Jessica und ihre Freundinnen gaben ihr Bestes. Sie waren gar nicht schlecht, ich hatte schon weitaus schlimmere Darbietungen gesehen. Sie schafften es ohne Probleme, das Publikum zu begeistern. Ich konnte mir gut vorstellen, wie sie das Footballstadion zum Feiern brachten. Alice Gesicht ließ keine Regung erkennen. Sie hätte sich eher die Zunge abgebissen, als irgendetwas an diesem Auftritt gut zu finden. Emmett hingegen klatschte laut mit. Er war und blieb nun mal Sportler – es gehörte für ihn dazu, sich von Cheerleadern anheizen zu lassen. Ich sah zu dem unbekannten Mädchen. Sie beobachtete das Geschen auf dem Spielfeld ebenfalls mit großem Interesse, ihre Mimik ließ jedoch nicht erkennen, ob sie davon angetan war.

Die Musik verstummte. Nach Jessicas Gesichtsausdruck zu gehen, war alles glatt gelaufen. Sie wirkte höchst zufrieden – zumindest für ein paar Augenblicke.

Der Eingang öffnete sich und mehrere Jungen und Mädchen betraten die Halle. Sie waren in Kostüme gekleidet, die hautsächlich aus Leder- und Fellimitaten zu bestehen schienen. Ihre Haare sahen aus, als seien sie in einen Sturm geraten. Dunkle Schminke rundete dieses ganze, reichlich wild anmutende Bild ab. Einige von ihnen hatten sogar Peitschen in der Hand.

Neben mir hörte ich, wie Emmett der Atem stockte. Der Grund dafür war eben zur Tür hereingekommen. Ganz vorne in der Gruppe sah ich Rosalie Hale. Ihre langen Haare hingen zerzaust über ihre Schultern und das bauchfreie Oberteil – sie war wesentlich durchtrainierter, als ich heute Mittag angenommen hatte. Mit ihrem Outfit, dem überheblichen Lächeln auf den Lippen und den selbstsicheren Blick in den Augen sah sie aus wie eine Amazonenkönigin. Ein Tag und sie hatte es tatsächlich geschafft, meinen Bruder in ihrem Netz zu fangen, ohne auch nur ein Wort mit ihm gewechselt zu haben. Das konnte noch lustig werden. Normalerweise war es Emmett, der die Köpfe der Mädchen verdrehte.

Langsam schritten die Neuankömmlinge in die Mitte des Spielfeldes, wo viele der Cheerleaderinnen wie angewurzelt stehen geblieben waren. Rosalie belächelte sie mitleidig. Dann gab sie Jessica ein unmissverständliches Zeichen – diese sollte ihre Freundinnen endlich von Platz schicken. Für einen kurzen Moment sah es so aus, als wollte es Jessica auf eine Szene ankommen lassen, doch dann rauschte sie gemeinsam mit den anderen wutschnaubend aus der Halle. Jasper warf seiner Schwester einen tadelnden Blick zu. Diese zuckte nur leicht mit den Schultern und gab ihren Leuten das Signal zur Aufstellung.

„Und nun, liebe Mitschüler, sehen wir die Darbietung unsere Theater-AG. Wir können nur hoffen, dass ihr Auftritt hält, was uns ihr Einmarsch versprochen hat.“

Rosalie warf ihrem Bruder einen „Sehr witzig“-Blick zu, doch dieser hatte sich schon lachend zum Rand verzogen.

Dann begann die Musik. Die Performance, die die Tänzer auf das Parkett legten, war eine Mischung aus russischem Kasatschock und orientalischem Bauchtanz. Sie bewegten sich so Energie geladen über das Feld, dass man fast schon erwartete, der Boden unter ihnen würde Feuer fangen. Im Takt ließen sie ihre Peitschen knallen oder stießen zum Lied passende, laute Rufe aus.

Die Halle bebte. Jessica – sie musste zurückgekommen sein, um sich den Auftritt anzuschauen – platzte beinahe vor Neid. Jetzt wusste ich, warum sie die Theater-AG und vor allem Rosalie so hasste. Sie waren einfach um Welten besser als die Cheerleader. Alice war meinen Augen gefolgt und lächelte in sich hinein. Emmetts Blick war immer noch auf die blonde Amazone gerichtet. Ich hoffte inständig, dass er bis zur Heimfahrt seinen Kopf aus den Wolken zurück auf Erde befördert hatte.

Unwillkürlich sah ich auch zu dem fremdem Mädchen. Sie schien sich prächtig zu amüsieren. Hatte ihr der Auftritt so gut gefallen? Schon wieder schien sie in ihren Gedanken zu versinken. Dann holte sie ihr Notizbuch heraus und begann erneut zu schreiben. Das konnte unmöglich ihr Tagebuch sein. Vielleicht arbeitete sie schon für den Unterricht vor – bei diesem Lärm aber eher unwahrscheinlich. Es frustrierte mich, nicht zu wissen, was genau sie da tat. Ich konnte nicht sagen, was es war, aber irgendetwas an ihr faszinierte mich.

Nur im Unterbewusstsein bekam ich mit, dass Jasper die Schülerzeitung ankündigte. Ich bemerkte aber durchaus, dass ich plötzlich nicht mehr der einzige war, der die mir Fremde anstarrte. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Hatte ich etwas verpasst?

Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Sie gehörte zur Schülerzeitung, deshalb kritzelte sie ständig etwas in ihr Buch. Sie machte sich Notizen.

Als wenn sie die ungewohnte Aufmerksamkeit spüren würde, hob sie auf einmal ihren Blick und errötete leicht. Es war ihr unangenehm, ihren Einsatz verpasst zu haben.

Langsam ging sie die Tribüne hinab. Es sah so aus, als wenn sie auf jeden ihrer Schritte genau achten würde. Hatte sie etwa Angst, nach unten zu stürzen? Für einen kurzen Moment überkam mich das Bedürfnis, zu ihr zu gehen und ihr meine Hilfe anzubieten.

Als sie bei dem Schulsprecher angelangt war, lächelte sie ihn kurz an und nahm dann das Mikrophon. Sie räusperte sich.

„Hallo, ich bin Isabella.“

Isabella – ein schöner, jedoch ungewöhnlicher Name für eine Amerikanerin. Vielleicht hatte sie europäische Wurzeln?

„Ich bin die Chefredakteurin unserer Schülerzeitung, der 'RainGazette'. Wir treffen uns jeden Diensttag und Donnerstag in dem Redaktionsgebäude der 'Forks Daily News', dort steht uns ein Raum zur Verfügung und dort wird unser Blatt auch gedruckt. Die neue Ausgabe erscheint immer am ersten Montag im Monat, unsere erste dieses Jahr kommt im Oktober raus. Da unsere Verantwortliche für die Interviews letztes Jahr ihren Abschluss gemacht hat, steht dieser Posten noch offen. Des Weiteren haben wir immer noch keinen geeigneten Kandidaten für die Rubrik 'Lifestyle' gefunden. Interessierte müssen eine Schreibprobe abgeben, damit wir sehen können, ob ihr geeignet seid. Bringt sie einfach zu Angela“ – sie machte eine Handbewegung in Richtung der Genannten, die mit einem Fotoapparat bewaffnet an der Wand stand – „oder zu mir. Alle bisherigen Ausgaben der 'RainGazette' können in der Schulbibliothek eingesehen werden.“

Ihr Tonfall war nicht besonders freundlich, als sie ihren Text genervt herunterspulte. Sie unterlegte ihre Worte weder mit Bildern noch mit Artikelauszügen. Dies war weniger eine Präsentation als viel mehr ein kurzes Aufzählen von wichtigen Informationen.

„Ach ja, noch etwas! An dieser Schule besteht eine AG – Pflicht, das heißt wir haben nicht die Möglichkeit, jemanden abzulehnen. Wir sind jedoch nicht gewillt, jeden Trottel in unserer Zeitung herum schreiben zu lassen. Wenn also einer von euch trotz totaler Talentlosigkeit unbedingt bei uns einsteigen will, kann er sich jetzt schon auf ein Jahr voller Dienstbotengänge gefasst machen. Na dann, man sieht sich.“

In der Halle war es still. Keiner sagte etwas. Mit Werbung in eigener Sache hatte dies wenig zu tun. In Isabellas Gesicht konnte man nichts erkennen, was diese Worte als Witz entlarvt hätte. Ihr Ausdruck war ernst, fast schon warnend. Sie meinte es genau so wie sie es gesagt hatte. Ich musste kurz durchatmen.

Die Mädchen an dieser High School waren einfach unfassbar. Sie strahlten eine derartige Überheblichkeit aus, damit wären sie sogar an meiner letzten Schule heraus gestochen. Selbst Angela Weber, die eigentlich sehr nett gewirkt hatte, konnte kaum besser sein – immerhin gehörte sie ja auch zur Schülerzeitung.

Ich sah mich auf der Tribüne um. Die Mienen der Freshmen wirkten ungläubig, einige sogar verängstigt. Die meisten anderen sahen so aus, als wären sie solche Reden von der Chefredakteurin schon gewohnt, ein paar schüttelten den Kopf. Bei einigen wenigen sah ich ein Lächeln auf den Lippen, darunter auch Rosalie Hale. Ihr Bruder hingegen seufzte und verzog missbilligend das Gesicht – eine Mimik, die mich stark an mich selbst erinnerte, wenn Emmett wieder etwas ausgefressen hatte.

Mit einem Mal wurde es unruhig in der Halle. Ich bemerkte, wie sich unsere neuen Mitschüler von ihren Plätzen erhoben. Die Veranstaltung war also vorbei. Meine Geschwister und ich standen ebenfalls auf und gingen in Richtung Ausgang. Ich ließ meinen Blick noch einmal zu Jasper Hale schweifen. Isabella war verschwunden. Dies war vermutlich auch besser so. Nach ihrer Rede hatte ich große Lust, sie zurechtzustutzen. Ich wusste nicht genau wieso. Jessica Stanleys verbale Auswüchse, die wir den ganzen Vormittag hatten ertragen müssen, waren weitaus schlimmer gewesen – trotzdem hatte ich es geschafft, bei ihr die Ruhe zu bewahren. Warum nur hatte ich jetzt das Bedürfnis, laut los zu schreien.

Vielleicht war ich einfach nur enttäuscht. Für einen kurzen Moment hatte ich gedacht, dass diese Fremde sich von den anderen unterscheiden würde – das sie etwas Besonderes wäre. Es hatte mich interessiert, was sie dachte – ich hatte mir sogar Sorgen um sie gemacht. Doch dann hatte ich erkennen müssen, dass dies nur eine Illusion gewesen war. Sie war nicht besser als jede andere.

Vor der Turnhalle atmete ich tief ein. Die frische Luft tat meinen Lungen gut. Da drin, in mitten der vielen Menschen, war es extrem stickig gewesen.

Emmett klopfte mir auf die Schulter. Ich sah ihn an, sah direkt in sein – wie sollte es anders sein – breites Grinsen.

„Das war doch mal interessant. Dagegen waren die Schulveranstaltungen in Chicago die reinste Langeweile. Ich dachte ja schon, der Auftritt der Theater-AG wäre der Höhepunkt gewesen, aber die Kleine am Ende war echt der Hit. Eine klasse One-Woman-Show mit dem Titel 'Wie bringe ich eine ganze Halle zum Verstummen mit nur einem Satz'. Die Gesichter der Leute waren echt zu Schießen. Ich muss sie glatt mal fragen, ob man sie auch für Feiern buchen kann?“

Alice musste kichern.

Erstaunt sah ich von einem zum anderen. Wir mussten dringend nach Hause, diese Schule tat ihren Geisteszustand nicht gut. Ich wandte mich zum Gehen und gab ihnen ein Zeichen, dass sie mir folgen sollten. Da tauchte Jessica vor uns, ein entschuldigendes Lächeln auf den Lippen.

„Und, hat euch die Show gefallen? Ach, was frage ich denn da? Bestimmt nicht! Wie sollte sie auch. Diese Vorstellung der Theaterleute war einfach nur billig und unangebracht – sie haben damit ja sogar unseren Auftritt in den Dreck gezogen – und von Isabella Swan will ich gar nicht erst anfangen. Ich sagte es ja – einfach nicht erwähnenswert. Es tut mir wirklich außerordentlich leid, dass euer erster Tag so ein dramatisches Ende nehmen musste. Ich hoffe doch stark, ihr gebt unserer Schule trotzdem eine Chance?“

Jetzt gab es für Emmett kein Halten mehr, er prustete lautstark los. Einige Schüler in unserer Nähe drehten sich überrascht zu uns um. Es dauerte ein paar Minuten, bis sich mein Bruder halbwegs wieder beruhigt hatte. Jessicas Gesichtsausdruck war in der Zeit von erwartungsvoll über ungläubig zu beleidigt gewechselt. Sie hatte anscheinend begriffen, dass sie selbst und ihre komplette Fehleinschätzung der Situation der Witz gewesen waren. Sie zeigte Emmett die kalte Schulter und wollte sich gerade mir zuwenden, als eine ihrer zahlreichen Freundinnen – den Name hatte ich wieder vergessen – über den Parkplatz auf uns zu gerannt kam.

„Jessica“, rief sie völlig außer Atem, „heute ist dein Glückstag!“

„Lauren“ – ach ja, so hieß sie – „ich habe schon den ganzen Tag nichts als Glück, immerhin konnte ich Edward und Alice durch die Schule führen.“

Sie hatte Emmett mit voller Absicht außen vor gelassen. Ihn schien das nicht zu stören. Lauren fuhr derweil fort:

„Ich weiß, ich weiß. Aber bei dem, was ich gerade gesehen habe, kann dein Tag nur noch besser werden. Deine absolute Lieblingsfeindin hat gerade einen anderen Wagen gerammt. Es war aber keine der üblichen Schrottkarren. Nein, sie hat sich irgend so einen total teuren, silbern funkelnden Schlitten ausgesucht – keine Ahnung, wem … .“

Ihre restlichen Ausführungen bekam ich nicht mit. In meinen Ohren rauschte es. Ich spürte, wie die ganze angestaute Anspannung und Frustration des Tages in mir hoch kamen. Tief in meinem Inneren begann die Wut zu brodeln. Ich musste von dieser Lauren nicht hören, welches Auto es erwischt hatte – ich wusste es bereits.

Mein Volvo hatte diesen 31. August 2009 nicht überlebt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2009-07-12T20:14:22+00:00 12.07.2009 22:14
hey, fängt sehr vielversprechend...werde die fanfic auf jeden fall weiter verfolgen...glg Argentina
Von:  arrachnia
2009-07-11T13:42:47+00:00 11.07.2009 15:42
Hallo,
ich finde deine Story bis jetzt sehr interessant und witzig, ich freue mich schon auf die fortsetzung :)

bis bald


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