Zum Inhalt der Seite

Finera - New Adventures

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Blitz und Donner

Das Giftpuder waberte auf sie zu, doch Faith und Joel hielten sich schützend die Ärmel ihrer Regenjacken vor den Mund. Natürlich war es nur ein provisorischer Schutz und mehr als einen Angriff mit den giftigen Sporen würden sie kaum unbeschadet überstehen können – aber überhaupt, wie konnte Joanna es wagen ihre Pokémon Menschen angreifen zu lassen? Das widersprach so ziemlich allen Grundregeln des Trainerdaseins, denn Pokémon waren keine instrumentalisierten Objekte, mit denen man seine idiotischen Machtfantasien und Gewalt durchsetzen konnte!

Bibor war sofort schützend vor Faith und Joel gesprungen. Mit seinen kleinen, dünnen Flügeln konnte es die Sporen zum Glück effektiv genug umlenken und es selbst als Giftpokémon verkraftete den Angriff gut. Sniebel stürzte sich derweil fauchend mit einem kräftigen Schlitzer auf Meganie – nachdem es getroffen wurde, brach Meganie den Giftpuderangriff sofort ab und strauchelte nach hinten. Sniebel ließ nicht locker und setzte gleich noch zwei weitere Schlitzer hinterher.

Joanna Joy sog die Luft scharf durch die Zähne ein und funkelte die beiden Jungtrainer böse an. „So leicht werdet ihr ein Vorstandsmitglied von Team Dark nicht besiegen!“ Aber die Wahrheit war, dass Joanna keine Trainerin war. Sie war ein Mitglied der Familie Joy und lernte von Kindheit an den Umgang mit Pokémon. Sie konnte sie gesund pflegen, wusste viel über Behandlungsmethoden und kam dadurch schlussendlich zur Pharmazie und Wissenschaft, wo sie als Milenas Assistentin einen gut bezahlten Job gefunden hatte. Joanna war Wissenschaftlerin, keine Trainerin. Aus diesem Grund konnte sie zwar lautstark fluchen, aber nicht verhindern, dass Sniebel ihr hilfloses Meganie mit einem finalen Eissturm außer Gefecht setzen konnte. Pokémontraining war noch nie eine Stärke von ihr gewesen, sie war wegen ihres großen Wissens im Vorstand, nicht wegen ihrer Fähigkeiten als Trainerin – im Gegensatz zu Caleb Frost.

Faith und Joel atmeten ein wenig erleichtert durch, als Meganie am Boden lag und der Giftpuder sich gelegt hatte. Nun konnte Bibor einen Duonadel-Angriff auf Hariyama starten, doch das Kampfpokémon erwischte Bibor vorher und schleuderte es gegen eine Wand. Ein enger Flur war durchaus ein schlechter Kampfplatz.

„Hariyama, besieg sie!“ Doch Joannas Befehl kam eher halbherzig, sie machte bereits einige nervöse Schritte nach hinten, fluchte schließlich erneut und zog Hariyama zurück, noch bevor ihr Pokémon seinen Angriff ausführte. „Glaubt bloß nicht, dass ihr hier irgendetwas erreichen könnt. Wir haben Zeit gewonnen, das ist wichtiger als euch auszuschalten. Denkt ihr wirklich, ihr könntet Team Dark aufhalten?“

„Ich zeige dir gleich, wen ich hier aufhalten kann!“, entgegnete Faith mit einem drohenden Unterton, in den Bibor sofort summend einstimmte.

Joanna schnaubte, drehte sich um und rannte den Flur zurück, wo sie abbog und auf das Labor zusteuerte.

„Los, hinterher!“, rief Faith augenblicklich und setzte sich in Bewegung, Bibor flog ihr sofort ohne zu zögern hinterher. „Uns bleibt nicht viel Zeit, bestimmt fliehen sie schon!“

„Wir können sie nicht alle besiegen, das weißt du.“ Mühelos hielten Joel und Sniebel mit ihr mit.

Faith grunzte, antwortete jedoch nichts. Stattdessen lief sie gemeinsam mit Joel und ihren beiden Pokémon auf die noch immer geöffnete Labortür mit dem Gefahrensymbol zu. Sie stieß die Tür weiter auf und erstarrte. Für einen winzigen Augenblick waren ihre Augen von den vielen Messgeräten und Chemikalien abgelenkt, doch dann musste sie wieder auf das halb betäubte Zapdos blicken, das in der Raummitte in Ketten auf einer Art kleinem Podest lag. „Oh mein Gott…“

„Vorsicht!“ Joel zog sie in letzter Sekunde zur Seite, als Calebs Nachtara ihnen einen Spukball entgegen schleuderte.

Weiter hinten im Raum raufte Joanna hektisch Akten, lose Zettel und andere Kleinigkeiten zusammen. Immer wieder warf sie Caleb, der vor ihr stand, und den beiden Jungtrainern samt Pokémon böse Blicke zu. Man konnte wohl nicht sagen, wen sie im Moment mehr verachtete: Faith und Joel, die ihre Arbeit störten, oder Caleb, der sich im Gegensatz zu ihr mit seinen Pokémon wehren konnte. Gerade wollte Caleb eine weitere Spukball-Attacke veranlassen, als aus einer anderen Ecke eine bekannte Stimme ertönte.

„Wenn es auch nur einer von euch wagt, hier in diesem Raum einen Pokémonkampf zu starten, werde ich sehr, sehr ungehalten werden.“ Milena sprach ruhig und in ihrer Stimme lag eine schneidende Schärfe, die deutlich machte, dass sie hier die größte Autorität hatte.

Caleb zögerte, doch er zog sein Nachtara zurück und packte ebenso wie Joanna die Forschungsaufzeichnungen in eine dunkle Sporttasche.

Auch Faith und Joel harrten aus und verboten sich einen Angriff – Milenas Worte klangen bedrohlich genug. Stattdessen ergriff Joel das Wort, wofür Faith ihm dankbar war, denn sie fühlte sich gerade nicht dazu in der Lage. „Warum tun Sie Zapdos das an, Milena? Zapdos ist ein Legendäres, es gehört nicht in Gefangenschaft. Wenn Sie Zapdos noch weiter festhalten, werden die Gewitterstürme um Nautica City immer schlimmer werden.“

„Es stellt keine Gefahr dar, wenn es schläft.“

Als Joel merkte, dass er mit Vernunft bei Milena nicht weiterkam, wurde er sauer. „Die Legendären regeln das Gleichgewicht zwischen Mensch und Pokémon, sie gefangen zu nehmen bringt dieses Gleichgewicht in Gefahr!“

Milena gab einen verachtenden Laut von sich. „Ihr seid Kinder, ihr könnt meine Ziele nicht verstehen. Die Ziele von Team Dark sind so vielschichtig, ihr würdet es niemals nachvollziehen können.“

„Milena, wie können Sie Zapdos solches Leid zufügen? Ihr Vater, Professor Mai, hätte das niemals zugelassen!“

Augenblicklich verengten sich Milenas Augen. „Sprich nicht von ihm, als würdest du ihn kennen. Ihr glaubt also, dass es falsch ist die Legendären gefangen zu halten? Ich werde euch jetzt etwas sagen. Ihr denkt, dass es grausam ist, dass ich Zapdos hier habe und ihm ständig DNA-Proben für meine Forschungen entnehme. Mein Vater war immer ein begnadeter und genialer Wissenschaftler. Er wollte die Welt zu einem besseren Ort machen, viele seiner wissenschaftlichen Errungenschaften haben die moderne Medizin für Pokémon erst ermöglicht. Doch als er Entei und Raikou für ein paar harmlose Tests fangen ließ, zeigte sich das wahre Wesen der Legendären. Sie befreiten sich, zerstörten das gesamte Labor und ein gewaltiger Brand entstand durch das Feuer Enteis und die Kraft Raikous. Sie bissen meinen Vater und ließen ihn verletzt zurück – wir konnten ihn nur noch tot aus den Trümmern bergen. Ich bin also grausam, weil ich Zapdos als meinen Gefangenen halte und an dem großen Durchbruch meiner Forschung arbeite, aber es ist okay, wenn Entei und Raikou meinen Vater auf dem Gewissen haben?“

Die Stille, die entstand, lastete schwer auf allen Anwesenden. „Es ist unvorstellbar, was Sie durchmachen mussten, Milena.“ Faith atmete tief durch. „Aber ich flehe Sie an, lassen Sie Zapdos frei.“

„Zapdos ist frei, sobald ich die positiven Eigenschaften seiner DNA in andere Pokémon verpflanzen konnte.“

„Wozu soll das gut sein? Die Legendären sind einzigartig, man kann nicht einfach an ihnen und anderen Pokémon herumexperimentieren.“

„Sie sind einzigartig. Ist nicht gerade das das Problem? Kein Pokémon sollte über einem anderen stehen. Wenn ich es schaffe, dass in naher Zukunft alle Pokémon Eigenschaften der Legendären in sich – in ihrer DNA – verankert tragen, macht dies die Welt nicht zu einem besseren Ort? Wenn kein Pokémon mehr über den anderen steht, wird keines mehr die Macht zu solchen Grausamkeiten haben. Solange das nicht geschafft ist, werden die Legendären immer eine Gefahr für uns darstellen. Glaubst du wirklich, sie werden immer friedlich sein? Irgendwann werden die Legendären – wie schon Entei und Raikou zu Zeiten meines Vaters – ihre Launen haben. Dann sind wir ihnen mit unseren gewöhnlichen Pokémon hilflos ausgeliefert.“

Faith konnte kaum glauben, was sie da hörte. Sie war kein weinerlicher Typ, aber nun hatte sie Tränen in den Augen. „Und was ist mit all den unschuldigen Pokémon, die Ihren Experimenten zum Opfer fallen? Wie viele starben schon, hm? Mein Glumanda wird immer kränklich sein und das ist Ihre Schuld!“ Um nicht sofort auf Milena einzuschlagen, legte Joel ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Antworten Sie mir!“

„Ich erinnere mich an dein Glumanda, ja. Es tut mir leid, aber diese Opfer müssen gebracht werden. Ich wusste, dass ihr Kinder es niemals verstehen würdet.“ Mit einem Seitenblick vergewisserte Milena sich, dass Joanna und Caleb alles Wichtige zusammengepackt hatten. Die beiden standen bereits an einem offenen Fenster, Joanna entließ gerade ihr Ibitak, dem sie die Sporttasche zum Fortbringen gab.

„Damit kommen Sie nicht durch“, sprachen Faith und Joel aus einem Mund und hielten sich vor Wut aneinander fest.

Milena besaß doch tatsächlich die Dreistigkeit mit den Schultern zu zucken. „Ich habe von Zapdos bereits alles, was ich brauche. Ihr könnt es befreien, wenn ihr wollt. Dies hier ist zwar mein Labor, aber ich werde den Verlust verkraften können. Ich kann auch an anderer Stelle weiterforschen. Nun müsst ihr mich entschuldigen, ich fürchte, dass eure beiden Freundinnen bald mit Officer Rocky hier auftauchen werden.“

„Sie gehen nirgendwo hin!“

„Versuch doch mich aufzuhalten.“ Nüchtern schüttelte Milena den Kopf und zückte einen Pokéball, aus dessen rotem Strahl sich ein schwarzes Glurak formte. Milena sprang auf den Rücken ihres Pokémon und gab Caleb und Joanna mit einem Kopfnicken zu verstehen ebenfalls zu fliehen.

„Joel, tu doch etwas! Sie dürfen nicht entkommen! Bibor, Giftstachel!“

Bibor sprang nach vorne und schoss eine Ladung Giftstachel ab, doch Milenas Glurak war bereits mit Joannas Ibitak außer Reichweite, während Joanna und Caleb flink durch eine halb verdeckte Seitentür geflohen waren.

Sie waren entkommen.

Wütend trat Faith gegen einen Bürostuhl und machte sich im nächsten Moment gemeinsam mit Joel daran Zapdos‘ Fesseln zu lösen. Zum Glück ging dies sehr leicht und gelang ihnen auf Anhieb.

Kaum dass die Fesseln gelöst waren, öffnete Zapdos benommen die Augen. Es richtete sich schwankend auf, krächzte und stürzte sich aus dem offenen Fenster, wobei noch zwei weitere, angrenzende Fenster zu Bruch gingen. Das Legendäre erhob sich sofort mit schwachen Flügelschlägen in den Himmel und tauchte in den Gewitterwolken unter.

„Zapdos ist verletzt, wir hätten ihm helfen müssen“, murmelte Faith und blickte in den Himmel empor.

„Es wollte nur noch fort, lass es.“ Kopfschüttelnd zog er Sniebel zurück. „Wir können hier nichts mehr tun.“

„Aber sie sind entkommen! Warum haben wir nicht gekämpft?“

„Wir hätten Milena nicht besiegen können. Ich glaube, das wusste sie. Sie ist zu stark und von innerem Zorn getrieben. Faith, bitte. Wir müssen gehen.“

Sie zögerte, dann nickte sie, holte Bibor in seinen Pokéball zurück und machte sich mit Joel auf den Rückweg zum Fahrstuhl.

Unten begegneten ihnen bereits Officer Rocky mit Verstärkung sowie Trixi und Mira, die die beiden in die Arme schlossen.

Faith warf einen letzten Blick in den Himmel empor, schloss die Augen und versuchte alles um sich herum auszublenden.

Das Schlimme an dieser Begegnung war, dass sie Mitleid mit Milena hatte. Sie konnte ihre Beweggründe sogar nachvollziehen. Stimmte es womöglich, dass die Legendären eine zu große Macht besaßen und eine Gefahr darstellten? Dann wäre Milena die Einzige, die dies frühzeitig erkannt hatte. Dann müssten sie ihr dankbar sein.

Aber wieso fühlte es sich dann trotzdem falsch an, egal wie man es drehte und wendete, egal aus welcher Perspektive man es betrachtete?

Faith kannte darauf keine Antwort.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  bettsy_illustration
2011-07-12T13:33:54+00:00 12.07.2011 15:33
Mit diesem Kapitel hast du dich selber übertroffen. Ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll o.o
Von: abgemeldet
2011-07-11T17:47:26+00:00 11.07.2011 19:47
Milena ist genauso verrückt wie Joana ._.'
Wenn ihr Vater sich über die Legendären hinwegsetzt, dann hat er selbst Schuld, wenn sie sich wehren!
Da würde JEDES Pokémon tun....
Aber bei solchen Typen kann man sich das reden sparen...

Was wohl Caleb dabei gedacht hat?
Er hat sich ja nicht eingemischt.
Von:  sweetkiss12
2011-07-11T16:45:11+00:00 11.07.2011 18:45
wow das hat aber eine wendung genommen mach weiter so
Von:  Yurippe
2011-07-11T15:40:34+00:00 11.07.2011 17:40
Diese Milena verwechselt irgendwie Ursache und Wirkung. Wenn ihr Vater die Legendären gefangen nimmt, begibt er sich in Gefahr, und dass er bei ihrer Flucht umgekommen ist, ist zwar tragisch, aber irgendwie auch seine eigene Schuld und keine Entschuldigung dafür, was sie jetzt tut. Das wird sie irgendwann vielleicht am eigenen Leibe erfahren müssen, wenn sie so weitermacht.

Ich denke, Faith muss sich keine Gedanken machen, ob Milena vielleicht Recht hat. Das hat sie nicht. (Ich liebe ja Johto, und in den Legenden dort wird eindeutig gesagt, dass die Legendären eher Menschen scheuen und ihnen trotzdem manchmal helfen, wenn sie müssen.)
Wie ich anfangs schon sagte, Milena hat einfach den Sinn für die Realität verloren, vermutlich aus lauter Wut und Schmerz.


Zurück